Urteil des BFH vom 16.02.2016

Vergebliche Aufwendungen für den gescheiterten Erwerb eines Immobilienobjekts als vorab entstandene Werbungskosten - Abzug von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 16.2.2016, IX R 1/15
Vergebliche Aufwendungen für den gescheiterten Erwerb eines Immobilienobjekts als vorab entstandene Werbungskosten
- Abzug von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 15. Juli 2014 3 K 538/13 und die
Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 3. Juni 2013 aufgehoben.
Die Einkommensteuer wird unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides des Beklagten für 2008 vom 5. Oktober
2010, zuletzt geändert am 9. März 2011, auf den Betrag festgesetzt, der sich bei Gewährung des vollen
Kinderfreibetrages (§ 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes) sowie des Entlastungsbetrags für
Alleinerziehende (§ 24b des Einkommensteuergesetzes), jeweils für einen Zeitraum von vier Monaten, ergibt.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
1
I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die im Streitjahr 2008 Einkünfte aus selbständiger
Arbeit erzielte, hatte unter dem 7. Juni 1995 einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über eine im Dachgeschoss
eines Wohn- und Geschäftshauses in Z belegene Eigentumswohnung abgeschlossen. Der Verkäufer hatte sich
vertraglich verpflichtet, das Objekt entsprechend einer vereinbarten Baubeschreibung zu sanieren; die Klägerin hatte
sich im Gegenzug verpflichtet, hierfür einen Kaufpreis in Höhe von 51.940 DM sowie Sanierungskosten in Höhe von
165.000 DM zu bezahlen. Aufgrund des Vertragsschlusses wurde zu Gunsten der Klägerin eine
Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Die Fertigstellung der Dachgeschosswohnung war für den
1. März 1996 vereinbart; hierzu kam es jedoch aufgrund erheblicher Baumängel nicht. Sowohl eine von der Klägerin
geforderte Mängelbeseitigung als auch die Bauabnahme scheiterten.
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Auf Antrag einer Gläubigerbank wurde im Juli 1998 die Zwangsverwaltung hinsichtlich des Grundstücks angeordnet;
seit 2001 betrieb die Bank zudem die Zwangsversteigerung. Eine von der Klägerin gegenüber der Gläubigerbank
erhobene Drittwiderspruchsklage mit dem Ziel der Einstellung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück blieb
über zwei Instanzen ohne Erfolg. Die Klägerin wurde nicht mehr als Eigentümerin der --nicht fertiggestellten--
Dachgeschosswohnung in das Grundbuch eingetragen. Im Jahr 2008 wurde die Wohnung schließlich
zwangsversteigert.
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In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1996 bis 1998 machte die Klägerin hinsichtlich der
Dachgeschosswohnung Schuldzinsen als Kosten vor Bezug zu eigenen Wohnzwecken nach § 10e Abs. 6 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in der seinerzeit geltenden Fassung geltend, die der Beklagte, Revisionskläger
und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zunächst antragsgemäß berücksichtigte. Unter dem 7. Januar 2003
teilte das FA der Klägerin mit, dass es beabsichtige, den Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG für die Jahre 1996
bis 1998 mangels tatsächlicher Eigennutzung durch die Klägerin rückgängig zu machen. Daraufhin trug die Klägerin
vor, die Schuldzinsen seien irrtümlich erklärt worden, da sie die Dachgeschosswohnung zu keinem Zeitpunkt selbst
habe nutzen wollen, sondern stets die Absicht gehabt habe, diese fremd zu vermieten. Bei den erklärten Zinsen
handele es sich vielmehr um vorab entstandene Werbungskosten für die beabsichtigte Vermietung.
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Im Rahmen der gegen die Einkommensteuerbescheide 1997 und 1998 geführten Einspruchsverfahren führte der
steuerliche Vertreter der Kläger in seinem Schreiben vom 30. Mai 2003 aus, dass die Klägerin die
Dachgeschosswohnung 1996 erworben habe, um diese selbst zu nutzen. Hiervon ausgehend habe die Klägerin im
Jahr 1996 den Vorkostenabzug gemäß § 10e Abs. 6 EStG geltend gemacht. Bereits Ende 1996 habe die Klägerin
sodann ihr Vorhaben geändert. Da die Bauabnahme des Objektes bis heute nicht durchgeführt worden sei und
erhebliche Streitigkeiten rechtlicher Art hinsichtlich des Objekts geführt würden, habe sich die Klägerin bereits 1997
entschlossen, ein anderes Objekt zu eigenen Wohnzwecken zu erwerben. Seit diesem Zeitpunkt bestehe
Vermietungsabsicht, so dass die zunächst als Vorkosten erklärten Zinsaufwendungen vorab entstandene
Werbungskosten für die beabsichtigte Vermietung und Verpachtung seien. Am 17. September 2003 erklärte der
steuerliche Vertreter der Klägerin gegenüber dem FA weiter, dass die Dachgeschosswohnung nicht fremdfinanziert
gewesen sei und mithin Zinsaufwendungen überhaupt nicht angefallen seien. Die Anschaffungskosten für die
Dachgeschosswohnung seien vielmehr aus vorhandenen Barmitteln der Klägerin gezahlt worden.
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In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin bei ihren Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung Aufwendungen in Höhe von 51.968,44 EUR für die Dachgeschosswohnung, bestehend aus den
Anschaffungs- und Sanierungskosten des Objekts sowie Anwalts-, Gerichts- und Gutachterkosten für die
Drittwiderspruchsklage in zwei Instanzen, als "fehlgeschlagene Vermietungskosten" geltend. Für ihren im Mai 1980
geborenen Sohn, der sich im Streitjahr in einer akademischen Ausbildung befand und der im Zeitraum vom
1. September 1999 bis 31. Juli 2000 einen elfmonatigen Wehr- bzw. Ersatzdienst abgeleistet hatte, beantragte die
Klägerin die Gewährung des vollen Kinderfreibetrages (§ 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG) sowie des
Entlastungsbetrages für Alleinerziehende (§ 24b EStG), jeweils für einen Zeitraum von vier Monaten (Januar bis April
2008). Das FA berücksichtigte im (geänderten) Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 9. März 2011 die
geltend gemachten fehlgeschlagenen Werbungskosten und den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nicht; den
Kinderfreibetrag gewährte das FA lediglich zur Hälfte.
6
Der Einspruch der Klägerin hatte insoweit keinen Erfolg. In diesem Zusammenhang trug die Klägerin vor, sie habe
bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages vom 7. Juni 1995 beabsichtigt, das Dachgeschoss zu eigenen
Wohnzwecken zu nutzen. Als Ende 1996 erkennbar geworden sei, dass eine Bauabnahme aufgrund der
offensichtlich gravierenden Baumängel nicht erfolgen könne, habe sie sich entschieden, das Objekt, sobald es denn
fertiggestellt sein würde, zu vermieten. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht absehbar gewesen, wann mit der
endgültigen Fertigstellung der Wohnung zu rechnen war. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens erließ das FA unter
dem 9. März 2011 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr; die geltend gemachten
fehlgeschlagenen Aufwendungen für die im Dachgeschoss belegene Eigentumswohnung wurden jedoch weiterhin
nicht berücksichtigt.
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Die hiergegen gerichtete Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen
der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1091 veröffentlichten Urteil die Auffassung, zwar habe das FA die geltend
gemachten fehlgeschlagenen Aufwendungen für die Dachgeschosswohnung zu Recht nicht berücksichtigt, da die
Klägerin das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich dieses Objekts nicht zur Überzeugung des
Gerichts nachgewiesen habe; die Anschaffungs- und Sanierungskosten seien mangels Zwangsläufigkeit auch nicht
als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Die nachgewiesenen Zivilprozesskosten für das Verfahren über die
Drittwiderspruchsklage in erster Instanz in Höhe von 19.712,80 EUR seien jedoch mit Blick auf die höchstrichterliche
Rechtsprechung zu § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Die Abzugsfähigkeit der
Zivilprozesskosten in Zusammenhang mit der zweiten Instanz scheitere indes daran, dass die eingelegte Berufung
vor dem Oberlandesgericht (OLG) unter Berücksichtigung der Gesamtumstände keine hinreichenden
Erfolgsaussichten gehabt habe. Es sei ein Kinderfreibetrag in Höhe von 968 EUR zusätzlich zu berücksichtigen.
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Gegen das Urteil des FG haben sowohl die Klägerin als auch das FA Revision eingelegt.
9
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren nach Berücksichtigung von Aufwendungen in Höhe von
51.968,44 EUR für die Dachgeschosswohnung, bestehend aus (Teil-)Anschaffungs- und Sanierungskosten des
Objekts sowie Anwalts-, Gerichts- und Gutachterkosten für die Rechtsverfolgung in zwei Instanzen, als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weiter. Sie habe bereits im Zeitpunkt der
Anschaffung der Dachgeschosswohnung beabsichtigt, diese zu vermieten; eine Selbstnutzungsabsicht habe zu
keinem Zeitpunkt bestanden. Vielmehr habe sie beabsichtigt, eine andere Wohnung im selben Gebäude zu eigenen
Wohnzwecken zu nutzen. Soweit Ihr steuerlicher Vertreter für die Dachgeschosswohnung in den Jahren 1996 und
1998 ursprünglich eine Förderung nach § 10e Abs. 6 EStG beantragt habe, sei dies irrtümlich geschehen. Aufgrund
der gravierenden Baumängel des gesamten Objekts habe sie, die Klägerin, weder die Vermietung der
Dachgeschosswohnung noch die Selbstnutzung der anderen Wohnung im gleichen Objekt erreichen können, obwohl
sie sich über einen Zeitraum von zwölf Jahren intensiv und vehement mit allen rechtlichen Mitteln hierfür eingesetzt
habe. Auch habe sie weder die Zwangsversteigerung der Eigentumswohnung verhindern können noch eine
Rückzahlung des bereits bezahlten Kaufpreises erreicht. Die geltend gemachten Kosten stünden daher in einem
ausreichenden wirtschaftlichen Zusammenhang mit der geplanten Vermietung der Dachgeschosswohnung. Selbst
wenn ein derartiger Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht
vorläge, müssten der gesamte geltend gemachte Aufwand und nicht nur die Rechtsverfolgungskosten erster
Instanz als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Schließlich stehe der Klägerin der volle
Kinderfreibetrag sowie der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende --jeweils pro rata temporis für vier Monate-- zu,
da der Vater ihres Sohnes bereits verstorben sei.
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Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil des FG vom 15. Juli 2014 3 K 538/13 sowie den Einkommensteuerbescheid vom
5. Oktober 2010, zuletzt geändert durch Bescheid vom 9. März 2011, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
3. Juni 2013 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 17.164 EUR festgesetzt wird, hilfsweise
einen Betrag in Höhe von 51.968,44 EUR als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen.
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Das FA vertritt demgegenüber die Auffassung, das FG habe zutreffend eine Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin
hinsichtlich der Dachgeschosswohnung verneint. Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen seien
daher nicht als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu
berücksichtigen. Der Aufwand sei entgegen der Auffassung des FG jedoch auch nicht als außergewöhnliche
Belastungen anzuerkennen; der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 12. Mai
2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) sei nicht zu folgen.
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Das FA beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen, das angefochtene Urteil des FG vom 15. Juli 2014 3 K 538/13
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision des FA zurückzuweisen. Sie hält die vom FA erhobenen Einwendungen gegen das Urteil des FG für nicht
berechtigt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils des FG (§ 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klage ist begründet, soweit die Klägerin die Gewährung des
(vollen) Kinderfreibetrages (§ 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung) sowie des
Entlastungsbetrags für Alleinerziehende (§ 24b EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung), jeweils für einen
Zeitraum von vier Monaten (Januar bis April 2008), begehrt; in diesem Umfang war der Klage stattzugeben. Im
Übrigen --d.h. hinsichtlich der von der Klägerin als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung oder, hilfsweise, als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten "fehlgeschlagenen"
Aufwendungen für die Dachgeschosswohnung-- ist die Klage unbegründet.
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Die Revision des FA ist begründet; zu Unrecht hat das FG Aufwendungen der Klägerin in Höhe von 19.712,80 EUR
für die Dachgeschosswohnung als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.
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1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der
Einnahmen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bilden Werbungskosten grundsätzlich alle
Aufwendungen, bei denen objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung
besteht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden.
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a) Aufwendungen, die anfallen, bevor Einnahmen erzielt werden, können als vorab entstandene Werbungskosten
abgezogen werden, sofern ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den
Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (Beschluss des Großen
Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830). Ein solcher Abzug ist von dem
Zeitpunkt an gegeben, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Entschluss, Einkünfte
einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst worden ist (BFH-Urteile vom 29. November 1983
VIII R 96/81, BFHE 140, 208, BStBl II 1984, 303; vom 29. Juli 1986 IX R 206/84, BFHE 147, 176, BStBl II 1986,
747; vom 6. September 2006 IX R 13/05, BFH/NV 2007, 406). Die (vorab entstandenen) Aufwendungen können --
als vergeblicher Aufwand-- selbst dann abziehbar sein, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen nicht
zu Einnahmen kommt, sofern nur eine erkennbare Beziehung zu den angestrebten Einkünften besteht (BFH-Urteil
vom 29. November 1983 VIII R 160/82, BFHE 140, 216, BStBl II 1984, 307, m.w.N.).
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b) Die Berücksichtigung von Aufwand als (vorab entstandene) Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und
Verpachtung setzt grundsätzlich voraus, dass sich der Steuerpflichtige endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt
durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht
aufgegeben hat (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2012 IX R 14/12, BFHE 239, 453, BStBl II 2013, 279). Dies gilt
auch dann, wenn die Wohnung in einem bestehenden Gebäude durch Sanierung erst noch hergestellt werden muss
(vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 406). Selbst nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht können vorab
entstandene vergebliche Werbungskosten weiter abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige --nachdem er das
Scheitern seiner Investition erkannt hat-- etwas aufwendet, um sich aus der vertraglichen Verbindung zu lösen. Der
durch die Absicht der Einkünfteerzielung begründete Veranlassungszusammenhang wirkt fort, solange er nicht
durch eine der Vermögenssphäre zuzuweisende neue Veranlassung überlagert wird (BFH-Urteile vom 7. Juni 2006
IX R 45/05, BFHE 214, 176, BStBl II 2006, 803, m.w.N.; vom 21. November 2013 IX R 12/12, BFH/NV 2014,
834). Andererseits genügt es nicht, wenn der Entschluss zur Vermietung zu einem Zeitpunkt getroffen wird, indem
bereits absehbar ist, dass die Investition scheitern wird.
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c) Ob der Steuerpflichtige (rechtzeitig) endgültig entschlossen war, die Immobilie zur Einkünfteerzielung zu nutzen,
hat das FG anhand der objektiven Gesamtumstände des Falles nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden
(§ 96 Abs. 1 FGO).
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aa) Auf die Vermietungsabsicht als innere Tatsache kann nur anhand von äußeren (vom FG festgestellten)
Umständen (Indizien) geschlossen werden (so schon BFH-Urteil vom 6. Dezember 1994 IX R 11/91, BFHE 176,
221, BStBl II 1995, 192). Absichtsbekundungen des Steuerpflichtigen genügen insoweit nicht (BFH-Urteil vom
16. Juni 2015 IX R 27/14, BFHE 250, 489). Kommen Vermietungsbemühungen noch nicht in Betracht, z.B. weil das
Objekt noch nicht hergestellt ist, muss sich aus anderen objektiven Umständen ergeben, ob der Steuerpflichtige zur
Vermietung bereits entschlossen war. Erforderlich ist in jedem Fall eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände
des Einzelfalles. Dabei müssen nicht nur die im Streitzeitraum eingetretenen Umstände berücksichtigt werden. Bei
der tatrichterlichen Würdigung der Umstände kann in Zweifelsfällen auch das spätere Verhalten des
Steuerpflichtigen mit einbezogen werden (vgl. BFH-Urteile vom 8. Februar 1983 VIII R 163/81, BFHE 138, 202,
BStBl II 1983, 355; vom 4. Juni 1991 IX R 89/88, BFH/NV 1991, 741; BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2006
IX B 202/05, BFH/NV 2007, 226). Starre Regeln für die Würdigung und Gewichtung der einzelnen Umstände gibt es
nicht.
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bb) An die vom FG festgestellten Tatsachen ist der BFH grundsätzlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Das gilt auch
für die Tatsachen, die das FG aus anderen Tatsachen (Indizien) geschlossen hat. Der BFH überprüft insofern
allerdings, ob die Schlussfolgerung durch Verfahrensmängel beeinflusst ist, was vorliegend nicht der Fall ist. Darüber
hinaus prüft der BFH nur, ob Sie mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen in Einklang steht.
Dabei genügt es, wenn die Schlussfolgerungen des FG möglich sind, sie müssen nicht zwingend sein (ständige
Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 25. August 2010 II R 35/08, BFH/NV 2010, 2301, m.w.N.). Der BFH darf die
Umstände des Falles grundsätzlich nicht selbst würdigen und insbesondere nicht seine Überzeugung an die Stelle
der Überzeugung des FG setzen.
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2. Nach diesen Maßstäben ist die Schlussfolgerung des FG, dass eine von der Klägerin behauptete
Vermietungsabsicht nicht festgestellt werden könne, nicht zu beanstanden. Dies geht zu Lasten der Klägerin, deren
Begehren nur dann Erfolg gehabt hätte, wenn das Gericht davon überzeugt gewesen wäre, dass sie zur
Vermietung der Dachgeschosswohnung entschlossen war.
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a) Das FG hat es dahinstehen lassen, ob die Klägerin die Dachgeschosswohnung nach Fertigstellung --wie
ursprünglich von ihr selbst vorgetragen-- selbst zu nutzen beabsichtigte und ob sie tatsächlich, wie von ihr
vorgetragen, den Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG hinsichtlich dieses Objekts lediglich irrtümlich geltend
gemacht hat. Jedenfalls habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt die Absicht,
die maßgebliche Dachgeschosswohnung zu vermieten, aufgenommen habe. Unerheblich sei insoweit, ob die
Klägerin schuldlos an der Aufnahme konkreter Vermietungsbemühungen der noch nicht fertiggestellten Wohnung
gehindert war.
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Zumindest ab Anfang 1997 sei nicht mehr absehbar gewesen, ob und gegebenenfalls wann die
Dachgeschosswohnung im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung genutzt werden könne. Auch
wenn die Klägerin zu diesem Zeitpunkt Kontakt zu einem Maklerbüro aufgenommen habe, habe sie zu keinem
Zeitpunkt konkrete Vermietungsbemühungen unternehmen können, weil bis zur Versteigerung der Wohnung
niemals absehbar gewesen sei, wann die leerstehende (und nicht betriebsbereite) Dachgeschosswohnung
vermietbar sein würde. Vor diesem Hintergrund sei auch das Maklerbüro angewiesen gewesen, mit der Mietersuche
zu warten, bis dies geklärt sei. Soweit die Klägerin ihre zivilrechtlichen Ansprüche auf Erlangung des Eigentums an
der Wohnung nachdrücklich und unter Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel durch mehrere gerichtliche
Instanzen verfolgt habe, folge daraus lediglich, dass sie die mit der Anschaffung der Dachgeschosswohnung
angefallenen Kosten nicht ohne Weiteres verloren geben wollte. Daraus lasse sich indes nicht schließen, dass die
Klägerin die Immobilie gerade für Zwecke einer behaupteten späteren Vermietung habe "retten" wollen; ebenso
möglich sei, dass sie die ihr zustehenden Rechte weiterverfolgt habe, um das Objekt zu einem späteren Zeitpunkt
zu veräußern. Hierfür spreche neben der ursprünglich behaupteten Selbstnutzungsabsicht auch, dass die Klägerin
angesichts der vorhandenen Baumängel selbst nach Erlangung der Eigentümerstellung noch erhebliche finanzielle
Mittel hätte aufwenden müssen, um die Wohnung in einen vermietbaren Zustand zu versetzen.
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b) Diese Schlussfolgerungen sind möglich. Sie verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze.
An sie ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
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Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, wenn sich das FG aufgrund der von ihm festgestellten objektiven
Umstände keine Überzeugung dahin bilden konnte, dass die Klägerin den Entschluss, Einkünfte aus der Vermietung
der Dachgeschosswohnung zu erzielen, endgültig gefasst hat. Zutreffend berücksichtigt das FG im Rahmen seiner
Gesamtwürdigung, dass die Klägerin selbst darauf hingewiesen hat, dass sie das maßgebliche Objekt --jedenfalls
zunächst-- mit dem Ziel der Selbstnutzung erworben habe. Nicht zu beanstanden ist auch die Würdigung des FG,
wonach die bloße Kontaktaufnahme mit einem Maklerbüro noch keine ernsthaften und nachhaltigen (und mithin
hinreichenden) Vermietungsbemühungen erkennen lasse, wenn der Makler gleichzeitig angewiesen sei, das Objekt
nicht auf dem Wohnungsmarkt anzubieten, bis geklärt sei, wann die Wohnung überhaupt vermietet werden könne.
Vor diesem Hintergrund hat das FG zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Berücksichtigung von
fehlgeschlagenem Aufwand voraussetzt, dass eine entsprechende Einkünfteerzielungsabsicht zu irgend einem
Zeitpunkt nachweislich vorhanden war. Zuletzt ist auch der Schluss des FG, die Klägerin habe ihren rechtlichen
Kampf gegen die drohende Zwangsversteigerung des Objekts nicht nachweislich wegen einer beabsichtigten
Vermietung, sondern --wegen des verbleibenden hohen Investitionsbedarfs-- gegebenenfalls auch wegen einer
beabsichtigten künftigen Veräußerung des Objekts geführt, zumindest möglich (wenngleich auch nicht zwingend).
Die insoweit gegen die Würdigung des FG vorgebrachten Angriffe der Revision führen nicht zu einem anderen
Ergebnis; insbesondere geht die Klägerin zu Unrecht davon aus, dass ihr dahingehendes Engagement "objektiv" eine
Fremdvermietung indiziere.
27
c) Vor diesem Hintergrund hat das FG die von der Klägerin geltend gemachten "fehlgeschlagenen" Aufwendungen
für die Dachgeschosswohnung zu Recht schon mangels Nachweises einer zum maßgeblichen Zeitpunkt
vorliegenden Einkünfteerzielungsabsicht nicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.
Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob (und gegebenenfalls inwieweit) eine Berücksichtigung auch
deshalb nicht in Betracht kommt, weil der maßgebliche Aufwand nicht im Streitjahr abgeflossen ist (§ 11 Abs. 2
Satz 1 EStG).
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3. Entgegen der Auffassung des FG sind die von der Klägerin geltend gemachten Zivilprozesskosten (Anwalts-,
Gerichts- und Gutachterkosten) nicht als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) zu berücksichtigen; dies gilt
sowohl für die Kosten des Verfahrens erster Instanz wie auch für die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz.
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a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der
Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes
(außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33
Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig,
wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die
Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des
§ 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen,
die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus
dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der
Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (BFH-Urteil vom
18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800, m.w.N.).
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b) Prozesskosten sind grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung
adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig ist; daran fehlt es im Allgemeinen bei einem
Zivilrechtsstreit, der auf die Abwehr von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gerichtet ist. Etwas anderes kann
ausnahmsweise dann gelten, wenn ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich
oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Ein derartiger Ausnahmefall kann insbesondere dann in
Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit einzulassen, Gefahr liefe, seine
Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr
befriedigen zu können. Soweit die höchstrichterliche Rechtsprechung im BFH-Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011,
1015 noch eine andere Auffassung vertreten hat, hält sie hieran seit dem BFH-Urteil in BFHE 250, 153, BStBl II
2015, 800 nicht mehr fest.
31
c) Nach diesen Maßstäben kommt im Streitfall die Berücksichtigung der der Klägerin entstandenen Gerichts-,
Anwalts- und Gutachterkosten als außergewöhnliche Belastungen nicht in Betracht. Im Streitfall ist weder dargelegt
noch ersichtlich, dass durch die Zwangsvollstreckung in das maßgebliche Grundstück die Existenzgrundlage der
Klägerin gefährdet gewesen wäre. Überdies konnte die Klägerin, wie aus dem von ihr selbst im Rahmen ihrer
Einkommensteuererklärung vorgelegten Urteil des OLG hervorgeht, die Vollstreckung in das maßgebliche
Grundstück u.a. auch deshalb nicht im Wege der Drittwiderspruchsklage verhindern, weil sie lediglich einen Teil der
von ihr für das erworbene Immobilienobjekt geschuldeten Gegenleistung an die Verkäuferin geleistet hatte; vor
diesem Hintergrund sind der Klägerin die geltend gemachten Gerichts-, Anwalts- und Gutachterkosten auch nicht
zwangsläufig erwachsen. Das FG hat eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als
außergewöhnliche Belastungen mithin zu Unrecht bejaht.
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4. Die Klägerin hat --wovon im Ergebnis auch schon das FG ausgegangen ist-- im Streitjahr einen Anspruch auf
Gewährung des vollen Kinderfreibetrages (§ 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung) für
einen Zeitraum von vier Monaten (Januar bis April 2008); daneben steht der Klägerin für den genannten Zeitraum
auch der geltend gemachte Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG in der im Streitjahr geltenden
Fassung) zu.
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a) Nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG wird bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für jedes zu berücksichtigende
Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 1.824 EUR für das sächliche Existenzminimum des Kindes
(Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1.080 EUR für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf
des Kindes vom Einkommen abgezogen. Darüber hinaus stehen dem Steuerpflichtigen gemäß § 32 Abs. 6 Satz 3
Nr. 1 EStG die verdoppelten Freibeträge (§ 32 Abs. 6 Satz 2 EStG) zu, wenn der andere Elternteil verstorben ist.
Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für die Gewährung eines Freibetrages nicht vorliegen,
ermäßigen sich die genannten Beträge um ein Zwölftel (§ 32 Abs. 6 Satz 5 EStG).
34
Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung (§ 52 Abs. 40 Satz 6
EStG 2008) wird ein Kind (§ 32 Abs. 1 EStG) u.a. dann berücksichtigt, wenn es noch nicht das 27. Lebensjahr
vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird. Hat das Kind den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst
geleistet, wird es für einen der Dauer dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des
inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes über das 27. Lebensjahr hinaus berücksichtigt (§ 32 Abs. 5 Satz 1
EStG).
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Allein stehende Steuerpflichtige können nach § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung einen
Entlastungsbetrag in Höhe von 1.308 EUR im Kalenderjahr von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem
Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht.
Die Zugehörigkeit zum Haushalt ist nach § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG anzunehmen, wenn das Kind in der Wohnung
des allein stehenden Steuerpflichtigen gemeldet ist. Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen
des § 24b Abs. 1 EStG nicht vorgelegen haben, ermäßigt sich der Entlastungsbetrag um ein Zwölftel (§ 24b Abs. 3
EStG).
36
b) Im Streitfall befand sich der im Mai 1980 geborene Sohn der Klägerin zu Beginn des Streitjahres noch in einer
akademischen Ausbildung; ferner hatte der Sohn der Klägerin im Zeitraum vom 1. September 1999 bis 31. Juli
2000 einen elfmonatigen Wehrdienst bzw. Zivildienst abgeleistet. Daher war er im Streitjahr auch nach vollendetem
27. Lebensjahr noch für einen Zeitraum von vier Monaten (Januar bis April 2008) gemäß § 32 Abs. 4 EStG zu
berücksichtigen. Da der Vater des Kindes bereits verstorben ist --was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig
ist--, steht der Klägerin der volle Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG) zu; die Klägerin hat auch
Anspruch auf den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) für die genannten vier Monate, da ihr Sohn
im Streitjahr in ihrer Wohnung gemeldet war.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Das FA ist, obwohl es im Revisionsverfahren u.a.
die Abweisung der Klage auch hinsichtlich des begehrten vollen Kinderfreibetrages und des Entlastungsbetrages für
Alleinerziehende beantragt hat, nur zu einem geringen Teil unterlegen.