Urteil des BFH vom 06.02.2015

Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 6.2.2015, IX B 97/14
Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts München, Außensenate Augsburg, vom 10. Juli 2014 15 K 720/11 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob der Kläger und
Beschwerdeführer (Kläger) die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hinreichend
dargelegt hat (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und ob sie vorliegt
(§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) stellt sich jedenfalls
aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO) mit der Folge, dass auch die
Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg haben kann (vgl. z.B. Beschluss des
Bundesfinanzhofs vom 18. Dezember 2012 I B 48/12, BFH/NV 2013, 742).
2 Das FG hat ausgeführt, die Beteiligten hätten im Termin zur mündlichen Verhandlung am
29. Oktober 2010 den Rechtsstreit (15 K 2266/09 wegen Einkommensteuer 2003 bis 2007)
übereinstimmend für erledigt erklärt. Diese Erklärungen hätten die Rechtshängigkeit
insgesamt sofort beendet, obwohl der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --
FA--) sich in demselben Termin verpflichtet hatte, die Einkommensteuerbescheide für 2003
und 2004 zu ändern. Zwar habe der Kläger noch vor Änderung der
Einkommensteuerbescheide für 2003 und 2004 erneut die Änderung der
Einkommensteuerbescheide für 2005 bis 2007 beantragt. Diese seien jedoch bereits
bestandskräftig gewesen. Dem hält der Kläger entgegen, die Erledigungserklärungen
hätten unter der aufschiebenden Bedingung der Änderung der
Einkommensteuerbescheide für 2003 und 2004 gestanden, so dass sein Antrag auf
Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2005 bis 2007 noch hätte berücksichtigt
werden müssen.
3 Der Kläger übersieht, dass er im Termin am 29. Oktober 2010 einer tatsächlichen
Verständigung zugestimmt hat, die der Erledigung des gesamten Rechtsstreits dienen
sollte. Das ergibt die Auslegung der im Sitzungsprotokoll dokumentierten tatsächlichen
Verständigung. Die Einigung schließt dabei nicht nur die Streitjahre 2003 und 2004 ein, für
die das FA eine Änderung der Einkommensteuerbescheide zugesagt hatte, sondern auch
die Streitjahre 2005 bis 2007 mit der Maßgabe, dass eine Änderung der Steuerfestsetzung
wegen der ursprünglich geltend gemachten Aufwendungen in diesen Jahren
ausgeschlossen ist. An diese tatsächliche Verständigung ist der Kläger nach Treu und
Glauben gebunden. Als Prozesserklärung kann er sie auch nicht frei widerrufen. Mit
seinem Antrag auf Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2005 bis 2007 wollte der
Kläger diese Bindung unterlaufen. Daran ist er jedoch festzuhalten.
4 Auf die Frage, ob das FA seinen Änderungsantrag zu Recht schon aus formalen Gründen
abgelehnt hat, kommt es danach nicht an, denn der Antrag kann in der Sache keinen Erfolg
haben. Die Frage, ob die in den Jahren 2005 bis 2007 nicht berücksichtigten Fahrtkosten
den Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung oder den Werbungskosten
aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen waren, kann nicht mehr geklärt werden,
denn sie ist Gegenstand der tatsächlichen Verständigung, an die der Kläger gebunden ist.
5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.