Urteil des BFH vom 13.01.2016

Verfahrensmangel: Verstoß gegen den Geschäftsverteilungsplan

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 13.1.2016, IX B 94/15
Verfahrensmangel: Verstoß gegen den Geschäftsverteilungsplan
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts München vom 24. Juni 2015 1 K 3631/13 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
2 Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) vorgebrachte Divergenz (§ 115
Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--, dazu unter 1.) und die
gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor (dazu unter 2.
und 3.).
3 1. Die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) in Gestalt
einer Divergenz wurde schon mangels Gegenüberstellung tragender Erwägungen der
angefochtenen Entscheidung und (vermeintlicher) Divergenzentscheidungen, also
eine Abweichung im Grundsätzlichen, nicht hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO dargelegt.
4 2. Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters
(§ 119 Nr. 1 FGO, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes --GG--) liegt ebenfalls
nicht vor.
5 a) Ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 und § 119 Nr. 1 FGO und damit
eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf den gesetzlichen Richter
(Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) liegt nur bei willkürlichen Verstößen gegen diese
Verfahrensvorschriften vor. Von Willkür kann nur dann die Rede sein, wenn die
Entscheidung sich so weit von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des
gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist (ständige
Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008,
1501, unter II.2.a, und vom 12. September 2005 VII B 1/05, BFH/NV 2006, 146, unter
II.1.; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 4 Rz 27, m.w.N.).
6 b) Dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind, hat der Kläger nicht dargelegt.
7 Der erkennende Senat des Finanzgerichts (FG) war nach dem vom Kläger
vorgelegten Geschäftsverteilungsplan u.a. für das Verfahren des Klägers zuständig.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des der Geschäftsverteilung zugrundeliegenden
Geschäftsverteilungsplans liegen nicht vor. Das Präsidium des FG bestimmt nach
§ 4 FGO i.V.m. § 21e Abs. 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) die
Besetzung der Spruchkörper. Soweit der Kläger vorbringt, in den ihm übersandten
Geschäftsverteilungsplänen für 2013 fehlten sowohl das Beschlussdatum als auch
die Unterschriften der beteiligten Präsidiumsmitglieder, folgt aus der für die
Veröffentlichung des Geschäftsverteilungsplans einschlägigen Regelung des § 21e
Abs. 9 GVG nicht, dass der vom Präsidium beschlossene Geschäftsverteilungsplan
von den Mitgliedern des Präsidiums nach der Beschlussfassung in der Sitzung und
deren Protokollierung zusätzlich noch zu unterschreiben ist (vgl. Kissel/Mayer,
Gerichtsverfassungsgesetz, § 21e GVG Rz 73; Zimmermann in: Münchener
Kommentar zur ZPO, § 21e GVG Rz 58). Zudem sind zur Einsicht nur Abschriften
und nicht die Urschriften des Geschäftsverteilungsplans oder der Protokolle, aus
denen sich das Datum der Beschlussfassung ergibt, offen zu legen. Einsicht in die
Urschriften kann aus berechtigtem Anlass vom Präsidenten des FG auf Antrag
gewährt werden (vgl. Kissel/Mayer, a.a.O., § 21e GVG Rz 75 f.; Zimmermann in:
Münchener Kommentar zur ZPO, § 21e GVG Rz 59).
8 Soweit der Kläger vorbringt, über den senatsinternen Geschäftsverteilungsplan für
das Jahr 2015 sei nicht abgestimmt, sondern insoweit sei lediglich die
Geschäftsverteilung aus dem Jahr 2014 fortgeführt worden, greift sein Vorbringen
nicht durch. Denn eine Fortführung des für das Jahr 2014 geltenden
Geschäftsverteilungsplans schied bereits deswegen aus, weil eine Richterin den
Senat verlassen hatte und ein neuer Richter Mitglied des Senats geworden war.
Entgegen der Ansicht des Klägers lässt die maschinenschriftliche Eintragung des
Datums des senatsinternen Geschäftsverteilungsplans für sich gesehen auch nicht
auf eine unterbliebene Beschlussfassung durch den Senat in der neuen Besetzung
schließen.
9 Da der Richter X vom senatsinternen Geschäftsverteilungsplan als Berichterstatter
bestimmt worden war, ist die angefochtene Entscheidung des FG zutreffend auch
neben dem Senatsvorsitzenden von den Richtern X und Y unterschrieben worden.
Abgesehen davon, dass im Ausgangsfall ausweislich der Prozessakte des FG der
Richter X Berichterstatter des Verfahrens war, lässt sich aus der Reihenfolge der
Unterschriften unter der Entscheidung nicht entnehmen, wer als Berichterstatter an
dem Verfahren beteiligt war (vgl. zur Unterschrift unter dem Urteil Gräber/Ratschow,
a.a.O., § 105 Rz 7).
10 Auch eine fehlerhafte Besetzung des erkennenden Senats des FG mit
ehrenamtlichen Richtern ist nicht dargelegt. Das Präsidium des FG bestimmt vor
Beginn des Geschäftsjahres durch Aufstellung einer (Haupt-)Liste die Reihenfolge, in
der die ehrenamtlichen Richter heranzuziehen sind. Für jeden Senat ist eine Liste
aufzustellen, die mindestens zwölf Namen enthalten muss (§ 27 Abs. 1 FGO). Für die
Heranziehung von Vertretern bei unvorhergesehener Verhinderung kann eine
Hilfsliste ehrenamtlicher Richter aufgestellt werden, die am Gerichtssitz oder in seiner
Nähe wohnen (§ 27 Abs. 2 FGO). Bei der Bestimmung, in welcher Reihenfolge die
ehrenamtlichen Richter heranzuziehen sind, handelt das Präsidium nach seinem
Ermessen. Es kann bestimmen, dass die Heranziehung nach dem Alphabet der
Namen der ehrenamtlichen Richter oder nach den fortlaufenden Nummern der Liste
erfolgt, und auf die Abfolge der Sitzungstage oder --nach der wohl überwiegenden
Übung-- auf die zeitliche Folge der Ladungen abstellen (vgl. u.a. BFH-Beschluss in
BFH/NV 2008, 1501, unter III.A.3.a, m.w.N.). Eine mit dem Anspruch der Beteiligten
auf eine Entscheidung durch den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG)
unvereinbare Manipulationsmöglichkeit der Richterbank durch den
Senatsvorsitzenden liegt darin entgegen der Ansicht des Klägers nicht.
11 3. Die vom Kläger gerügte Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO)
ist mangels hinreichender Angaben und Ausführungen nicht i.S. des § 116 Abs. 3
Satz 3 FGO dargetan.
12 a) Wird die Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO
gerügt, muss dargelegt werden, weshalb sich auf der Grundlage des materiell-
rechtlichen Standpunkts des FG eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte
aufdrängen müssen. Dies erfordert nicht nur die genaue Angabe des Beweisthemas
und der Beweismittel, die das Gericht nicht berücksichtigt hat. Geboten ist darüber
hinaus die Darlegung, welches Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme nach
Auffassung des Klägers erbracht hätte und wieso dieses Ergebnis zu einer anderen
Entscheidung des Gerichts hätte führen können. Da es sich insoweit um einen
verzichtbaren Verfahrensmangel handelt (§ 155 FGO i.V.m. §§ 295, 531, 538 der
Zivilprozessordnung), muss der Kläger auch vortragen, dass die Nichterhebung der
Beweismittel bei nächster sich bietender Gelegenheit gerügt worden ist oder nicht
gerügt werden konnte.
13 b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht.
Vielmehr wendet sich der Kläger mit seiner Verfahrensrüge gegen die inhaltliche
Richtigkeit der Entscheidung des FG. Materiell-rechtliche Fragen sind einer
Nachprüfung durch den BFH im Rahmen einer Verfahrensrüge entzogen (vgl. BFH-
Beschluss vom 12. Juni 2013 IX B 11/13, BFH/NV 2013, 1441).
14 4. Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO
abgesehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.