Urteil des BFH vom 02.02.2017

Ausgleichsfähiger Verlust aufgrund vorgezogener Einlage nur bei Leistung in das Gesamthandsvermögen - Gewinnfeststellung und Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 2.2.2017, IV R 47/13
ECLI:DE:BFH:2017:U.020217.IVR47.13.0
Ausgleichsfähiger Verlust aufgrund vorgezogener Einlage nur bei Leistung in das Gesamthandsvermögen -
Gewinnfeststellung und Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG
Leitsätze
Als Einlage i.S. der bis zum Inkrafttreten des § 15a Abs. 1a EStG geltenden Rechtsprechungsgrundsätze zur
"vorgezogenen Einlage" kommen nur Leistungen des Kommanditisten in das Gesamthandsvermögen in Betracht.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 14. November 2013 6 K 3723/09 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.
Tatbestand
1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG. Sie ermittelt ihren Gewinn für ein abweichendes
Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni. Komplementärin der Klägerin ist ohne Beteiligung an dem Kapital die X-
Verwaltungs GmbH. Kommanditisten sind A mit einem Anteil von 50 % sowie B (Beigeladener) und zunächst C zu
einem Anteil von jeweils 25 %. Die Einlagen von insgesamt 1 Mio. EUR sind vollständig eingezahlt.
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Mit notariellem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 27. Mai 2004 erwarb der Beigeladene mit Wirkung zum 30. Juni
2004 von C deren Kommanditanteil sowie deren Forderungen gegenüber der KG aus variablen Konten. Er zahlte C
hierfür einen Kaufpreis von 55.000 EUR.
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Die Klägerin erfasste diesen Vorgang in einer Ergänzungsbilanz für den Beigeladenen, in der sie einen Aktivposten in
Gestalt eines Geschäfts- oder Firmenwerts von 251.965,51 EUR bilanzierte. Dieser Wert war aus dem Kaufpreis von
55.000 EUR und einem negativen Buchwert des erworbenen Anteils zum 30. Juni 2004 von 196.965,51 EUR
zusammengesetzt. In den Folgejahren wurde diese Position mit jährlich 16.806,10 EUR abgeschrieben.
4
Für das Streitjahr 2006 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom
19. März 2008 gesondert und einheitlich die Besteuerungsgrundlagen für die Klägerin (Gewinnfeststellung) sowie
den verrechenbaren Verlust nach § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr einschlägigen
Fassung (EStG) fest. Hierbei erfasste das FA für den Beigeladenen die folgenden Grundlagen:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
20.390,50 EUR
zusammengesetzt aus:
Anteil aus Gesamthandsbilanz:
./. 4.803,40 EUR
Sonderbetriebseinnahmen:
60.000 EUR
Sonderbetriebsausgaben:
18.000 EUR
Einkünfte aus Ergänzungsbilanzen:
./. 16.806,10 EUR
Verrechenbarer Verlust i.S. des § 15a EStG
21.609,50 EUR
Nach Anwendung des § 15a EStG sind im Folgebescheid anzusetzen:
&sbsp; - laufende Einkünfte
42.000 EUR
Berechnung Kapitalkontenentwicklung
Gesamthandsbilanz Ergänzungsbilanz
Gesamtkapital
Kapital zu Beginn des Wirtschaftsjahres
554.082,63 EUR ./. 605.450,15 EUR ./. 51.367,52 EUR
steuerpflichtiger Gewinn/Verlust (lfd.)
./. 4.803,40 EUR
./. 16.806,10 EUR
Kapital am Ende des Wirtschaftsjahres
549.279,23 EUR ./. 622.256,25 EUR ./. 72.977,02 EUR
Kapitalveränderung i.S. des § 15a EStG
./. 21.609,50 EUR
5
Die Zahlung des Kaufpreises von 55.000 EUR durch den Beigeladenen an C berücksichtigte das FA bei der
Feststellung des verrechenbaren Verlustes nicht, weil damit keine Einlage in das Vermögen der KG geleistet worden
sei. Das hiergegen durchgeführte Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
6
Mit ihrer Klage vor dem Finanzgericht (FG) begehrte die Klägerin, den auf den Beigeladenen entfallenden Verlust von
21.609,50 EUR vollständig als ausgleichsfähig, hilfsweise in Höhe von 19.207,80 EUR als ausgleichsfähig und nur in
Höhe von 2.401,70 EUR als verrechenbar festzustellen. Das FG hat die Klage mit Urteil vom 14. November
2013 6 K 3723/09 als unbegründet abgewiesen.
7
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Es entspreche gefestigter Rechtsprechung, dass
das Kapitalkonto i.S. von § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG als die Summe der in der Gesamthandsbilanz und in etwaigen
Ergänzungsbilanzen auszuweisenden Eigenkapitalkonten zu verstehen sei. Das FG habe den Begriff der Einlage nach
§ 15a Abs. 1 Satz 2 EStG rechtsfehlerhaft auf die Regelung in § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG übertragen.
8
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Bescheides für 2006 über die gesonderte Feststellung
des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 19. März 2008 und Aufhebung der
Einspruchsentscheidung vom 3. November 2009 den auf den Beigeladenen entfallenden Verlust in Höhe von
21.609,50 EUR in vollem Umfang als ausgleichsfähig, hilfsweise diesen in Höhe von 19.207,80 EUR als
ausgleichsfähig und in Höhe von 2.401,70 EUR als verrechenbar festzustellen.
9
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückzuweisen.
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1. Gegenstand der Revision ist nur die Feststellung des verrechenbaren Verlustes i.S. des § 15a Abs. 4 Satz 1
EStG.
12
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) handelt es sich bei der gesonderten und einheitlichen
Feststellung i.S. von § 179 Abs. 1 und Abs. 2, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung und der
Feststellung des verrechenbaren Verlustes i.S. des § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG um zwei Verwaltungsakte, die auch
gesondert und unabhängig voneinander angefochten werden können und selbständig der Bestandskraft fähig sind.
Dies gilt auch dann, wenn --wie vorliegend-- die Bescheide gemäß § 15a Abs. 4 Satz 5 EStG formell miteinander
verbunden werden (vgl. BFH-Urteile vom 3. Februar 2010 IV R 61/07, BFHE 229, 94, BStBl II 2010, 942, und vom
20. November 2014 IV R 47/11, BFHE 248, 144, BStBl II 2015, 532).
13
Die Klägerin hat sich auch im Revisionsverfahren nur gegen die Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach
§ 15a EStG gewandt. Der Gewinnfeststellungsbescheid ist bestandskräftig und vorliegend keiner Überprüfung mehr
zugänglich.
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2. Die Feststellung des verrechenbaren Verlustes für den Beigeladenen beruht zutreffend auf einer Berücksichtigung
des gesamten Verlustanteils des Beigeladenen aus der Gesamthands- und Ergänzungsbilanz des Streitjahres; es
war kein Teilbetrag davon als ausgleichsfähig zu behandeln.
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a) Gemäß § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG ist der nach Abs. 1 der Vorschrift nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust
eines Kommanditisten, vermindert um die nach Abs. 2 abzuziehenden und vermehrt um die nach Abs. 3
hinzuzurechnenden Beträge (verrechenbarer Verlust), jährlich gesondert festzustellen. Nach § 15a Abs. 1 Satz 1
EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG weder mit anderen Einkünften aus
Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives
Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Der Betrag, in Höhe dessen ein negatives Kapitalkonto
entsteht oder sich erhöht, erhöht danach den zum Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres festzustellenden
verrechenbaren Verlust.
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Im Streitfall hat das FG festgestellt und ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig, dass das negative Kapitalkonto
des Beigeladenen sich in dem festgestellten Umfang erhöht hat. Die insoweit fehlende Ausgleichs- und
Abzugsfähigkeit ergibt sich damit aus dem Wortlaut der Regelung des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG.
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b) Ein Teilbetrag des zur Erhöhung des negativen Kapitalkontos führenden Verlustanteils ist nicht infolge einer
Verrechnung mit einer früheren Einlage als ausgleichsfähig zu behandeln.
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aa) Allerdings führen nach der Rechtsprechung des BFH Einlagen, die zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos
geleistet und im Wirtschaftsjahr der Einlage nicht durch ausgleichsfähige Verluste verbraucht werden, zum Ansatz
eines Korrekturpostens mit der weiteren Folge, dass --abweichend vom Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG--
Verluste späterer Wirtschaftsjahre bis zum Verbrauch dieses Postens auch dann als ausgleichsfähig zu qualifizieren
sind, wenn hierdurch (erneut) ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht (vgl. BFH-Urteile vom
14. Oktober 2003 VIII R 32/01, BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359; vom 26. Juni 2007 IV R 28/06, BFHE 218, 285,
BStBl II 2007, 934, und vom 20. September 2007 IV R 10/07, BFHE 219, 92, BStBl II 2008, 118).
19
Die Grundsätze dieser Rechtsprechung gelten für Einlagen, die vor dem 25. Dezember 2008 getätigt worden sind.
Später getätigte Einlagen führen nach dem mit dem Jahressteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I
2008, 2794) eingefügten § 15a Abs. 1a i.V.m. § 52 Abs. 33 Satz 6 EStG nicht mehr zu einer Ausgleichs- oder
Abzugsfähigkeit des dem Kommanditisten zuzurechnenden Anteils am Verlust eines zukünftigen Wirtschaftsjahres.
Die Rechtsprechungsgrundsätze gelten danach noch für die hier streitige Zahlung des Kaufpreises im Jahr 2004.
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bb) Der Beigeladene hat indes keine Einlage i.S. der genannten Rechtsprechungsgrundsätze geleistet.
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(1) Als Einlage kommen insoweit nur Leistungen des Kommanditisten in das Gesamthandsvermögen in Betracht.
Dies ergibt sich daraus, dass Grund für die Rechtsprechung zu vorgezogenen Einlagen die Gleichbehandlung des
Gesellschafters, dessen Vermögen durch die Leistung einer Einlage bereits wirtschaftlich belastet ist, mit
demjenigen Gesellschafter ist, der nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG infolge einer allein aufgrund der Eintragung einer
höheren Haftsumme eintretenden erweiterten Außenhaftung ausgleichsfähige Verlustanteile bezieht. Der
Kommanditist, der eine Einlage tatsächlich in einem Zeitraum vor Verlustentstehung leistet --insoweit "verfrüht"--,
soll nicht schlechter gestellt werden als der Kommanditist, der diese Verluste lediglich wegen erweiterter
Außenhaftung nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ausgleichen darf, alleine weil er im Jahr vor Entstehung des Verlustes
seine Haftsumme als Kommanditist aufgestockt hat (vgl. § 171, § 172 des Handelsgesetzbuchs; BFH-Urteil in BFHE
203, 462, BStBl II 2004, 359; Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15a EStG Rz 130a; Schmidt/Wacker,
EStG, 35. Aufl., § 15a Rz 183).
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(2) Um diese Gleichstellung zu erreichen, ist allerdings nur demjenigen Kommanditisten ein ausgleichsfähiger Verlust
zuzurechnen, dessen Einlage tatsächlich in das Gesamthandsvermögen geleistet worden ist und damit dem Zugriff
der Gesellschaftsgläubiger unterlag. Zahlungen an dritte Personen belasten zwar den Kommanditisten wirtschaftlich
ebenfalls; sie vergrößern aber --anders als eine Einlage in das Gesellschaftsvermögen oder die Erhöhung der
persönlichen Haftung-- nicht das dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger unterliegende Vermögen.
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Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die Leistung des Kommanditisten Niederschlag in seiner
Ergänzungsbilanz gefunden hat. Zwar ist die Ergänzungsbilanz bei der Bestimmung des Kapitalkontos des
Kommanditisten zu berücksichtigen (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. Urteile vom 14. Mai 1991 VIII R 31/88,
BFHE 164, 516, BStBl II 1992, 167; vom 30. März 1993 VIII R 63/91, BFHE 171, 213, BStBl II 1993, 706; vom
7. April 2005 IV R 24/03, BFHE 209, 353, BStBl II 2005, 598; vom 15. Mai 2008 IV R 46/05, BFHE 221, 162,
BStBl II 2008, 812, und vom 24. April 2014 IV R 18/10). Eine positive Ergänzungsbilanz erhöht deshalb auch das
Volumen für ausgleichsfähige Verlustanteile des Kommanditisten. Soweit sich das Kapital in der Ergänzungsbilanz
durch Leistung von Mehranschaffungskosten erhöht, ohne dass dadurch insgesamt ein positives Kapitalkonto des
Kommanditisten entsteht, kommt der betreffende Betrag aber nur zur Deckung von Verlusten des jeweiligen
Wirtschaftsjahres in Betracht. Spätere Verluste werden dadurch nicht zu ausgleichsfähigen Verlusten. Der
betreffende Betrag wirkt sich dann erst dadurch zugunsten des Kommanditisten aus, dass der Gewinn aus der
Auflösung des negativen Kapitalkontos bei Ausscheiden des Gesellschafters oder Auflösung der Gesellschaft
entsprechend niedriger ist.
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Es bleibt deshalb bei dem auch für § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG geltenden Grundsatz, dass eine Einlage i.S.
handelsrechtlicher Kapitalaufbringung tatsächlich in das Gesellschaftsvermögen geleistet sein muss. Sie ist erst
dann "geleistet", wenn sie tatsächlich erbracht ist. Dem Vermögen der Gesellschaft muss dabei etwas für Rechnung
des Gesellschafters zugeflossen sein, das den bilanziellen Unternehmenswert mehrt, also die Aktiva des
Unternehmens erhöht oder die Passiva mindert (vgl. BFH-Beschluss vom 29. August 1996 VIII B 44/96, BFHE 182,
26; BFH-Urteile vom 7. Oktober 2004 IV R 50/02, BFH/NV 2005, 533, und vom 24. April 2014 IV R 18/10).
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An einer solchen Leistung fehlt es, wenn der Kommanditist Zahlungen zum Erwerb des Anteils an den
veräußernden Gesellschafter leistet. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann danach auch die Kaufpreiszahlung des
Beigeladenen mangels Zugriffs der Gesellschaftsgläubiger einer vorgezogenen Einlage nicht gleichgestellt werden.
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(3) Danach hat das FG zutreffend entschieden, dass mit der Kaufpreiszahlung an die ehemalige Gesellschafterin
keine Einlage i.S. der Rechtsprechungsgrundsätze zur Behandlung vorgezogener Einlagen geleistet worden ist, und
die Klage deshalb zu Recht abgewiesen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2, § 139 Abs. 4 FGO.