Urteil des BFH vom 26.10.2011

Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 2 FGO zur Einreichung der Steuererklärung - Ausschlussfrist nicht auf anwaltlich vertretene Kläger beschränkt

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 26.10.2011, IV B 119/10
Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 2 FGO zur Einreichung der Steuererklärung - Ausschlussfrist
nicht auf anwaltlich vertretene Kläger beschränkt
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob der Kläger und
Beschwerdeführer (Kläger) einen Verfahrensfehler den Anforderungen des § 116 Abs. 3
Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend dargelegt hat. Der von dem Kläger
gerügte Verfahrensfehler liegt jedenfalls nicht vor.
2 Setzt das Finanzgericht (FG) zu Unrecht eine Ausschlussfrist, kann das Urteil auf einem
Verfahrensfehler, insbesondere der Verletzung rechtlichen Gehörs, beruhen (vgl.
Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Januar 2002 VI B 114/01, BFHE 198,
1, BStBl II 2002, 306, unter II.1., m.w.N.; vom 23. Juni 2003 III B 111/02, BFH/NV 2003,
1434, und vom 19. November 2003 I B 25/03, juris), wenn das FG den Kläger unter
Hinweis auf die Ausschlussfrist mit späterem Vorbringen ausgeschlossen hat. Diese
Voraussetzungen liegen aber nicht vor.
3 Im Streitfall hat das FG die von dem Kläger vorgelegten Unterlagen, den Leitzordner mit
den handschriftlichen Zusammenstellungen der Einnahmen und Ausgaben und den
Belegen und Rechnungen, nach § 79b Abs. 3 FGO aus formellen Gründen
zurückgewiesen, weil der Kläger die ihm mit Verfügung der Vorsitzenden vom 27. Juli 2010
gemäß § 79b Abs. 2 FGO gesetzte Ausschlussfrist, bis zum 25. August 2010 neben den
Einkommensteuererklärungen die Gewinnermittlungen nebst Belegen (geordnet nach den
einzelnen Jahren), die Darlehensverträge mit der Volksbank und die Mietverträge für das
vermietete Mehrfamilienhaus vorzulegen, ungenutzt hat verstreichen lassen.
4 Ein Verfahrensfehler wäre nur dann zu bejahen, wenn die Fristsetzung selbst oder die
Zurückweisung des Vortrags fehlerhaft gewesen wäre, das FG also gegen § 79b FGO
verstoßen hätte. Dies ist im Streitfall jedoch nicht ersichtlich.
5 a) Nach § 79b Abs. 2 FGO kann der Vorsitzende oder der Berichterstatter einem Beteiligten
unter Fristsetzung --nur-- aufgeben, zu bestimmten Vorgängen Tatsachen anzugeben oder
Beweismittel zu bezeichnen sowie Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen
oder elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.
Eine Aufforderung zur Vorlage von Steuererklärungen ist durch § 79b Abs. 2 FGO nicht
gedeckt. Denn eine Steuererklärung ist mehr als bloßer Tatsachenvortrag zu "bestimmten
Vorgängen". Sie ist eine Verfahrenshandlung, die eine Wissenserklärung über die in der
Steuererklärung aufgeführten Tatsachen und zugleich rechtliche Schlussfolgerungen des
Steuerpflichtigen enthält (BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 VI R 182/99, BFH/NV 2000, 1481).
Eine wirksame Fristsetzung i.S. des § 79b Abs. 2 FGO liegt in diesen Fällen nicht vor und
ist deshalb auch nicht geeignet, die Präklusionsfolgen des § 79b Abs. 3 FGO zu begründen
(BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1481, m.w.N.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1434, und
vom 19. November 2003 I B 25/03, juris).
6 Die Aufforderung der Vorsitzenden, die Steuererklärungen nebst den Gewinnermittlungen
für die Streitjahre vorzulegen, war daher von § 79b Abs. 2 FGO nicht gedeckt. Das FG hätte
deshalb, was im Streitfall mangels Vorlage der Steuererklärungen ohnehin nicht in Betracht
kam, die verspätete Vorlage der Steuererklärungen nicht gemäß § 79b Abs. 3 FGO
zurückweisen dürfen.
7 b) Ungeachtet der dargelegten Fehlerhaftigkeit ist die Aufforderung jedoch insoweit nicht
zu beanstanden, als die Vorsitzende den Kläger unter ausreichender Fristsetzung gemäß §
79b Abs. 2 Nr. 1 FGO aufgefordert hat, die Belege (geordnet nach den einzelnen Jahren),
die Darlehensverträge mit der Volksbank und die Mietverträge für das vermietete
Mehrfamilienhaus vorzulegen sowie Angaben dazu zu machen, ob der Kläger in den
Streitjahren Fördergelder aus dem EU-Agrarfonds erhalten hat. Die Aufforderung
bezeichnet in ausreichendem Umfang die Tatsachen und Beweismittel, zu deren Vorlage
der Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht gemäß §§ 90 ff. der Abgabenordnung
verpflichtet war. Auf die Folgen einer Fristversäumnis war der Kläger in der Verfügung
hingewiesen worden. Auch die Annahme des Gerichts, dass die Berücksichtigung der erst
in der mündlichen Verhandlung verspätet eingereichten Zusammenstellungen und
Beweismittel die Erledigung des Rechtsstreits unangemessen verzögern würde, ist nicht zu
beanstanden. Eine Berücksichtigung der verspätet eingereichten Unterlagen hätte mit
Sicherheit dazu geführt, dass der Rechtsstreit länger gedauert hätte als bei Zurückweisung
der Unterlagen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt --absoluter Verzögerungsbegriff-- das BFH-
Urteil vom 10. Juni 1999 IV R 23/98, BFHE 189, 3, BStBl II 1999, 664). Denn der
Rechtsstreit hätte schon deshalb nicht in der mündlichen Verhandlung erledigt werden
können, weil es dem Beklagten und Beschwerdegegner nicht zuzumuten war, im Termin
zu den vorgelegten umfangreichen Unterlagen Stellung zu nehmen. Dass der Kläger in
dem Finanzgerichtsverfahren nicht anwaltlich vertreten war, ist ohne Bedeutung. Die
Setzung einer wirksamen Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 2 FGO ist nicht auf anwaltlich
vertretene Kläger beschränkt. Ferner ist das FG zu Recht auch davon ausgegangen, dass
der Kläger die Verspätung nicht genügend entschuldigt hat. Die Erklärung des Klägers, er
habe nicht über die finanziellen Mittel für einen Steuerberater verfügt, vermag nicht zu
überzeugen. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger für die Zusammenstellung
der Einnahmen und Ausgaben sowie der entsprechenden Belege zwingend auf die Hilfe
eines Steuerberaters angewiesen gewesen wäre. Schließlich hat der Kläger die
zurückgewiesenen Unterlagen auch selber zusammengestellt und dem FG im Termin zur
mündlichen Verhandlung überreicht.
8 Da schließlich der Sachverhalt mit geringem Aufwand auch nicht vom FG selbst bis zur
Entscheidungsreife ermittelt werden konnte, waren alle Voraussetzungen des § 79b Abs. 3
FGO für eine Zurückweisung des verspäteten Vorbringens erfüllt. Etwaige Ermessensfehler
des FG sind nicht ersichtlich.