Urteil des BFH vom 18.03.2015

Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten für Bareinnahmen im Taxigewerbe - Keine Revisionszulassung wegen Einwendungen gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 18.3.2015, III B 43/14
Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten für Bareinnahmen im Taxigewerbe - Keine
Revisionszulassung wegen Einwendungen gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Sächsischen Finanzgerichts vom 6. März 2014 6 K 1354/12 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
1 I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Ehegatten und wurden in den
Streitjahren 2005 bis 2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin
erzielte u.a. Einkünfte aus einem Taxi- und Güterbeförderungsgewerbe mit mehreren
Fahrzeugen, für das auch der Kläger fuhr. Ihren Gewinn ermittelte die Klägerin gemäß § 4
Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Einnahmenüberschussrechnung.
2 Im Jahr 2009 fand eine Außenprüfung statt, die u.a. die Herkunft der verbuchten
Bareinnahmen aufklären sollte. Dabei wurde festgestellt, dass die Einnahmen nur einmal
wöchentlich erfasst wurden und vollständig ausgefüllte Schichtzettel nicht vorhanden
waren. Zudem wurden diverse Einzahlungen vom Privatkonto des Klägers auf das
Geschäftskonto der Klägerin ermittelt, die als Privateinlagen verbucht worden waren.
Mangels Vorlage der kompletten Kontoauszüge des Klägers und Feststellbarkeit, ob es
sich um Privateinlagen oder weitergeleitete Betriebseinnahmen gehandelt hatte, schätzte
der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) Betriebseinnahmen in Höhe
der ungeklärten Bareinlagen von jeweils brutto 18.000 EUR (2005), 11.500 EUR (2006)
und 21.000 EUR (2007) hinzu und erließ am 22. Dezember 2009 entsprechende
Änderungsbescheide. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom
14. August 2012).
3 Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab. Zur
Begründung führte es im Wesentlichen Folgendes aus: Die Schätzung des FA sei gemäß
§ 162 Abs. 1 und 2 der Abgabenordnung (AO) dem Grunde nach gerechtfertigt gewesen,
da die Klägerin die Aufzeichnungen, die sie als Unternehmerin nach § 22 Abs. 1 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu führen hatte, nicht habe vorlegen können oder ihre
Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden könnten.
Die Klägerin habe weder eine Einzelaufzeichnung der Umsätze vorgenommen noch ein in
Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführtes Kassenbuch geführt. Auch
seien die Schichtzettel i.V.m. den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem
Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, nicht aufbewahrt worden. Die
Hinzuschätzung sei auch der Höhe nach gerechtfertigt, da die ermittelten Reingewinne
unter den untersten Richtsätzen für das Taxi- und Gütergewerbe lägen.
4 Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--) und wegen des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 115
Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Entscheidungsgründe
5 II. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sie überhaupt den Darlegungserfordernissen
nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt. Sie wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116
Abs. 5 Satz 1 FGO).
6 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2
Nr. 1 FGO) zuzulassen.
7 a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung
des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an
der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die
Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig
sein (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Januar 2013 X B 84/12, BFH/NV
2013, 771). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage durch die
Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte
erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung erforderlich machen (vgl. z.B.
Senatsbeschluss vom 14. Juni 2013 III B 119/12, BFH/NV 2013, 1417).
8 b) Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob Taxiunternehmer
Bargeldeinnahmen (Tagesquittungen) täglich in der Buchhaltung erfassen müssen.
9 Diese Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits hinreichend geklärt und
damit nicht klärungsbedürftig. Nach dem BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02
(BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599, m.w.N., Rz 30 ff.) müssen auch bei einem
Taxiunternehmer, der seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, die
Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen werden. Die sich
aus § 22 UStG i.V.m. §§ 63 bis 68 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV)
ergebende Pflicht zur Einzelaufzeichnung wirkt dabei unmittelbar auch hinsichtlich der
Besteuerung nach dem EStG. Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. § 63 Abs. 1 UStDV
sind u.a. auch die vereinnahmten Entgelte so aufzuzeichnen, dass es einem
sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick
über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten.
Entgegen der Auffassung der Kläger hat der BFH in der vorgenannten Entscheidung nicht
offen gelassen, ob eine Pflicht zu täglichen Aufzeichnungen besteht oder ob auch
wöchentliche Aufzeichnungen genügen. Vielmehr hat er ausgeführt, dass jede einzelne
Bareinnahme aufzuzeichnen ist (BFH-Urteil in BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599,
m.w.N., Rz 33), woraus sich ohne weiteres ergibt, dass tägliche und wöchentliche
Aufzeichnungen der Bareinnahmen nicht genügen. Von dieser grundsätzlich auch für
Taxiunternehmer geltenden Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Bareinnahmen macht der
BFH aufgrund der branchenspezifischen Besonderheiten des Taxigewerbes nur dann
eine Ausnahme, wenn die sog. Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf
dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, vorhanden
sind und nach den Vorgaben des § 147 Abs. 1 AO aufbewahrt werden (BFH-Urteil in
BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599, m.w.N., Rz 32 ff.). Von der Aufbewahrung dieser
Einnahmenursprungsaufzeichnungen kann nur dann abgesehen werden, wenn deren
Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter
Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird (BFH-Urteil in BFHE 205,
249, BStBl II 2004, 599, m.w.N., Rz 34). Insoweit hat der BFH im Beschluss vom
25. Oktober 2012 X B 133/11 (BFH/NV 2013, 341, Rz 6) betont, dass die Aufbewahrung
der Schichtzettel nur entbehrlich ist, wenn deren Inhalt täglich --und nicht nur in größeren
Zeitabständen-- nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter
Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird. Entsprechend hat der BFH
ausgeführt, dass das FA sowohl bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht als auch bei
Verletzung der Aufzeichnungspflicht dem Grunde nach zur Schätzung berechtigt ist (BFH-
Urteil in BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599, m.w.N., Rz 36).
10 Aus dem von den Klägern in Bezug genommenen BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011
XI R 5/10 (BFH/NV 2012, 1921) folgt schon deshalb nichts anderes, weil dieses zu einem
buchführenden Kantinenbetrieb und damit zu einem nicht vergleichbaren Fall ergangen
ist. Erneuter Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht aus den von den Klägern angeführten
Entscheidungen, wonach wesentliche Mängel bei Aufzeichnung der Kasseneinnahmen in
Einzelfällen angenommen wurden, weil erst nach 14 Tagen oder nur einmal im Monat
Aufzeichnungen vorgenommen wurden. Insoweit haben die Kläger aus den betreffenden
Entscheidungen bereits nicht herausgearbeitet, dass --im Umkehrschluss--
Aufzeichnungsmängel ausschließlich nach entsprechend langen aufzeichnungsfreien
Zeiten angenommen werden. Ebenso wenig ergeben sich aus dem von den Klägern in
Bezug genommenen Schreiben der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 23. Februar 2009
an den Taxiverband Deutschland e.V. neue Gesichtspunkte. Auch hierin wird auf die sich
aus dem Umsatzsteuerrecht ergebende Pflicht zur Einzelaufzeichnung der vereinnahmten
Entgelte hingewiesen. Auch steht es nicht im Widerspruch zu der dargelegten BFH-
Rechtsprechung, wenn die Oberfinanzdirektion Karlsruhe keine steuerrechtliche
Verpflichtung für Taxiunternehmer zur Dokumentation des eingesetzten Personals, der
jeweiligen Arbeitszeiten, der Kilometerleistung der einzelnen Fahrzeuge oder zum Führen
sogenannter Schichtzettel erkennt. Denn auch der BFH sieht solche anderen Formen der
Aufzeichnung nur als Erleichterung an, die der Taxiunternehmer nicht in Anspruch zu
nehmen braucht, wenn er stattdessen jede einzelne Bareinnahme aufzeichnet.
11 2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen (§ 115 Abs. 2
Nr. 3 FGO). Einen solchen haben die Kläger bereits nicht in einer den Anforderungen des
§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt.
12 a) Die Kläger machen geltend, das FG habe auf "amtliche Richtsätze" Bezug genommen,
ohne diese näher zu bezeichnen, weshalb sich die Frage stelle, ob das FG die Schätzung
des FA habe zugrunde legen dürfen und welche Schätzgrundlage richtigerweise
anzuwenden sei.
13 aa) Hieraus kann allenfalls abgeleitet werden, dass die Kläger von einem Verstoß gegen
§ 96 Abs. 1 Satz 3 FGO ausgehen. Nach dieser Vorschrift sind im Urteil die Gründe
anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Eine Erörterung
aller im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil gebietet die Vorschrift nicht. § 96 Abs. 1
Satz 3 FGO stellt an die Begründung eines Urteils keine höheren Anforderungen als
§ 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO. Ein Urteil ist nur dann i.S. des § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen
versehen, wenn die Urteilsgründe ganz oder zum Teil fehlen und sie den
Prozessbeteiligten keine Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen,
Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht. Dies erfordert nicht, dass
jedes Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen erörtert werden müsste. Ein
Verfahrensmangel i.S. von § 119 Nr. 6 FGO liegt erst dann vor, wenn den Beteiligten die
Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu
überprüfen (BFH-Beschluss vom 6. Februar 2014 II B 129/13, BFH/NV 2014, 708,
m.w.N.). Bei nur zum Teil fehlenden Entscheidungsgründen setzt eine Verletzung des
§ 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO grobe Begründungsmängel in einem Ausmaß voraus, dass die
vom FG fixierten Entscheidungsgründe zum Nachweis der Rechtmäßigkeit des
Urteilsspruchs schlechterdings ungeeignet erscheinen und den Beteiligten keine
(hinlängliche) Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen
und rechtlichen Erwägungen das Urteil beruht (BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 708,
m.w.N.).
14 bb) Dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt seien, haben die Kläger nicht
schlüssig dargelegt und ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Das FG hat zum einen
dargelegt, warum dem Grunde nach eine Schätzung erforderlich ist und warum es
hinsichtlich der Höhe des Gewinns keinen inneren, sondern einen äußeren
Betriebsvergleich angestellt hat. Ferner hat es im Einzelnen ausgeführt, welche
Mindestreingewinnsätze die amtliche Richtsatzsammlung für das Taxigewerbe in den
Streitjahren ausgewiesen hat. Dass das FG insoweit keine Fundstelle angegeben hat,
stellt jedenfalls vor dem Hintergrund, dass diese Richtsätze vom Bundesministerium der
Finanzen im Bundessteuerblatt veröffentlicht werden (s. z.B. Richtsatzsammlung 2006,
BStBl I 2007, 574) und die Kläger fachkundig vertreten waren, keinen groben
Begründungsmangel dar. Im Übrigen hat das FG entgegen der Darlegung der Kläger
nicht die Schätzung des FA ohne eigene nachvollziehbare Schätzung übernommen,
sondern die Ergebnisse der Schätzung des FA anhand der Richtsatzsammlung überprüft,
wobei es zu dem Ergebnis gelangt ist, dass eine Richtsatzschätzung zu einem deutlich
ungünstigeren Ergebnis für die Kläger geführt hätte.
15 b) Soweit die Kläger im Übrigen eine falsche Rechtsanwendung und tatsächliche
Würdigung des Streitfalls durch das FG im Rahmen der Schätzung rügen, ist dies im
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Beschluss vom
14. Mai 2013 X B 176/12, BFH/NV 2013, 1445, m.w.N.). Dies gilt insbesondere für
Einwände gegen die Richtigkeit von Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen, wie
Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze
sowie materielle Rechtsfehler (BFH-Beschluss vom 10. Mai 2012 X B 71/11, BFH/NV
2012, 1461). Revisionsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO haben die Kläger in
diesem Zusammenhang nicht hinreichend dargelegt.
16 3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
17 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.