Urteil des BFH vom 26.02.2015

Abzweigung des Kindergeldes an das Kind bei Erhalt von Grundsicherungsleistungen - Unterhaltsleistung des Kindergeldberechtigten durch Haushaltsaufnahme des Kindes - Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bei Ermessensentscheidung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 26.2.2015, III B 124/14
Abzweigung des Kindergeldes an das Kind bei Erhalt von Grundsicherungsleistungen -
Unterhaltsleistung des Kindergeldberechtigten durch Haushaltsaufnahme des Kindes -
Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bei Ermessensentscheidung
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. September 2014 9 K 9353/13 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
1 I. Streitig ist, ob dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ein Anspruch auf Abzweigung
des gegenüber seinem Vater festgesetzten Kindergeldes zusteht.
2 Der im Jahr 1995 geborene Kläger begann nach seiner Schulausbildung im
Wintersemester 2013/2014 ein Studium. Die Studiengebühren betrugen 700 EUR
monatlich. Er lebte im Haushalt seines als Rechtsanwalt tätigen Vaters.
3 Am 10. Oktober 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten und Beschwerdegegnerin
(Familienkasse), das Kindergeld an ihn auszuzahlen. Er gab an, dass seine in X lebende
Mutter Barunterhalt in Höhe von 304 EUR im Monat leisten würde und sein Vater für die
Zeit vom 1. Mai 2013 bis 31. Oktober 2013 Leistungen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten hätte. Außerdem reichte er eine "Vorläufige
Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts" des Jobcenters Y seinen
Vater betreffend ein.
4 Die Familienkasse lehnte die Abzweigung des Kindergeldes mit Bescheid vom 14. Oktober
2013 und nachfolgender Einspruchsentscheidung vom 13. November 2013 ab. Zur
Begründung führte sie aus, dass eine Abzweigung nicht in Betracht komme, weil der
Kläger im Haushalt seines Vaters lebe und dieser seine Unterhaltspflicht zumindest in
Höhe des monatlichen Kindergeldbetrags durch Naturalleistungen wie z.B.
Unterkunftsgewährung etc. erfülle.
5 Im anschließenden Klageverfahren machte der Kläger geltend, dass sein Vater mangels
Leistungsfähigkeit ihm gegenüber nicht unterhaltsverpflichtet sei. Er sei zwar in den
Haushalt des Vaters aufgenommen worden. Dies sei nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) aber kein Hindernis für die Abzweigung des Kindergeldes, da
sein Vater Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zwecks Aufstockung seines (nicht
existenzdeckenden) Erwerbseinkommens als selbständiger Rechtsanwalt beziehe.
6 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Die von der Familienkasse
ausgeübte Abzweigungsentscheidung sei ermessensfehlerfrei ausgeübt worden. Im
Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Einspruchsentscheidung habe die
Familienkasse davon ausgehen müssen, dass der Vater seinen Unterhaltsbeitrag durch
die Haushaltsaufnahme leisten würde.
7 Mit seiner wegen der Nichtzulassung der Revision eingelegten Beschwerde macht der
Kläger die Revisionszulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Zugleich beantragte er, ihm für das
Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren.
Entscheidungsgründe
8 II. Der Senat kann ohne vorherige Entscheidung über den für das Beschwerdeverfahren
anhängig gemachten --und mit Beschluss vom heutigen Tag beschiedenen-- Antrag auf
Bewilligung von PKH zum Beschwerdevorbringen entscheiden.
9 Eine vorherige Bescheidung des Begehrens auf PKH ist nur erforderlich, wenn dies im
Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten ist, mithin die mögliche Einschaltung
eines beizuordnenden Anwalts oder Steuerberaters Einfluss auf die Sachentscheidung
des Gerichts haben kann (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG--
vom 13. Juli 1992 1 BvR 99/90, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report
Zivilrecht 1993, 382; BFH-Beschlüsse vom 3. März 2010 VIII B 173/09, nicht veröffentlicht
--n.v.--; vom 20. September 2012 III B 44/12, BFH/NV 2013, 65, Rz 5). Dies trifft im
vorliegenden Fall, in dem sowohl der PKH-Antrag als auch die
Nichtzulassungsbeschwerde bereits von einem sachkundigen Prozessbevollmächtigten
gestellt bzw. erhoben und begründet worden ist, nicht zu (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom
26. August 2010 X B 210/09, BFH/NV 2010, 2287).
III.
10 Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5
Satz 1 FGO). Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor,
soweit sie überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO
genügenden Form geltend gemacht wurden.
11 1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO
zuzulassen.
12 a) Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist der materiell-rechtliche
Standpunkt des FG zugrunde zu legen. Dementsprechend sind für eine schlüssige Rüge,
dass das FG den Sachverhalt von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) hätte weiter aufklären
müssen, u.a. Ausführungen dazu erforderlich, dass und aus welchen Gründen für das FG
--unter Zugrundelegung seines materiellen Rechtsstandpunktes-- eine weitere Aufklärung
des Sachverhalts unverzichtbar gewesen wäre (BFH-Beschluss vom 21. August 2006
I B 95/05, BFH/NV 2006, 2121).
13 Die Entscheidung der Familienkasse über eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) ist eine Ermessensentscheidung ("kann"). Nach § 102
Satz 1 FGO kann das Gericht eine Ermessensentscheidung nur darauf hin überprüfen, ob
die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem
Ermessen in einer dem Zwecke der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch
gemacht hat. Für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung sind die
Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung
(Einspruchsentscheidung) maßgebend (Senatsbeschluss vom 20. Februar 2012
III B 107/11, BFH/NV 2012, 987, Rz 10).
14 b) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) lebte
der Kläger im Haushalt seines Vaters. Dies hatte der Vater in seiner Erklärung vom
18. Juni 2013 laut Tatbestand des Urteils angegeben. Bis zum Erlass der
Einspruchsentscheidung hatten weder der Vater noch der Kläger finanzielle Leistungen
des Klägers zum Haushalt des Vaters erwähnt. Des Weiteren lag der Familienkasse im
Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung vom 13. November 2013 nur die dem Vater des
Klägers gegenüber erteilte "vorläufige" Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts zwecks Aufstockung seines (nicht existenzdeckenden)
Erwerbseinkommens vor. Die Familienkasse hatte ihre Ermessensausübung im
Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger zum Haushalt des Vaters gehört und der
Kindergeldberechtigte dadurch seine Unterhaltspflicht erfüllt habe. Insoweit entsprach die
Entscheidung der Familienkasse der Dienstanweisung zur Durchführung des
Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-
FamEStG) zu § 74 Abs. 1 EStG, die als Verwaltungsvorschrift das der Verwaltung durch
§ 74 Abs. 1 EStG eingeräumte Ermessen lenken soll (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. April
2013 V R 48/11, BFHE 241, 270, BStBl II 2013, 697, Rz 16). Danach kommt eine
Abzweigung regelmäßig nicht in Betracht, wenn das Kind in den Haushalt des
Berechtigten aufgenommen worden ist (DA-FamEStG 2013 Abschn. 74.1.2 Abs. 2
Sätze 2 und 3). Das FG sah die Entscheidung der Familienkasse über die Ablehnung der
Abzweigung auch unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 17. Dezember 2008
III R 6/07 (BFHE 224, 228, BStBl II 2009, 926) nach dem der Familienkasse unterbreiteten
Sachverhalt im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung mangels vergleichbarer
Sachverhalte nicht als ermessenswidrig an.
15 Da es aus der Sicht des FG nur auf die Tatsachengrundlage zum Zeitpunkt der zu
überprüfenden Ermessensentscheidung ankam, war das weitere Vorbringen im
finanzgerichtlichen Verfahren für das FG nicht entscheidungserheblich und eine weitere
Sachverhaltsaufklärung somit auch nicht zwingend.
16 c) Darüber hinaus legt der Kläger nicht dar, dass er die unterlassene weitere
Sachverhaltsaufklärung in der mündlichen Verhandlung gerügt hat oder weshalb ihm eine
solche Rüge nicht möglich gewesen ist. Ausweislich des Protokolls der mündlichen
Verhandlung hat der Kläger eine entsprechende Rüge nicht geltend gemacht. Da der im
finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine
Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch
Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung
--ZPO--), hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust --z.B.
auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- zur Folge. Ein Verstoß gegen
die Sachaufklärungspflicht muss ebenso wie ein Verstoß gegen den Grundsatz des
rechtlichen Gehörs gerügt werden, damit nach § 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO keine
Präklusion der Rüge eintritt (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 260 ff.).
Verstöße gegen Verfahrensvorschriften können deshalb im Rahmen der
Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden,
wenn der in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig
vertretene Beteiligte den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung
seiner Rechte verzichtet hat.
17 d) Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen zugleich geltend macht, dass der
Familienkasse Fehler bei der Sachverhalts- oder Rechtsanwendung unterlaufen seien,
könnten diese eine Zulassung der Revision nicht begründen. Verfahrensfehler i.S. des
§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind nur Verstöße gegen das Gerichtsverfahrensrecht, die das
Gericht bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, dass
eine ordnungsgemäße Grundlage für die Entscheidung im Urteil fehlt (BFH-Beschluss
vom 25. Februar 2008 XI B 204/07, BFH/NV 2008, 1171).
18 e) Soweit der Kläger rügt, dass das FG seine verfahrensrechtlichen Pflichten aus § 96
Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt habe, weil es aus dem PKH-Antrag des Klägers hätte
erkennen müssen, dass der Kläger über ausreichend eigene Einkünfte verfügt habe, wird
damit kein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler geltend gemacht, weil das FG zu
Recht die Rechtmäßigkeit der Entscheidung im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung geprüft hat und das Vorbringen im Klageverfahren nicht als
maßgeblich angesehen hat.
19 2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach
§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen.
20 a) Soweit der Kläger geltend macht, dass das FG allein aus dem Umstand, dass der Vater
vorläufige Leistungen nach dem SGB II zwecks Aufstockung seines Erwerbseinkommens
erhalten habe, den Schluss der mangelnden Leistungsfähigkeit hätte ziehen müssen, rügt
der Kläger eine fehlerhafte Vorentscheidung. Hiermit kann aber die Zulassung der
Revision nicht begründet werden. Die Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu,
allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (BFH-Beschluss
vom 7. März 2012 II B 90/11, BFH/NV 2012, 998, Rz 13). Zwar kann die Revision zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO
zugelassen werden, wenn ein Rechtsfehler des FG zu einer "greifbar gesetzwidrigen"
Entscheidung geführt hat. Eine greifbare Gesetzwidrigkeit liegt aber nur vor, wenn die
angefochtene Entscheidung objektiv willkürlich erscheint, auf sachfremden Erwägungen
beruht und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss
vom 1. September 2008 IV B 4/08, BFH/NV 2009, 35, Rz 17). Unterhalb dieser Grenze
liegende erhebliche Rechtsfehler reichen nicht aus, um die Revision zuzulassen
(ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 2. März 2011 IX B 144/10,
BFH/NV 2011, 1367, Rz 2, m.w.N.). Anhaltspunkte für eine derart gesetzeswidrige
Entscheidung sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Das FG hat weder eine
offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen noch entbehrt
das Urteil jeglicher gesetzlicher Grundlage und beruht auch nicht auf einer offensichtlich
Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung. Vielmehr ist die
Annahme der Unterhaltsgewährung durch Haushaltsaufnahme der Familienkasse und
des FG nachvollziehbar, da das Kindergeld für ein volljähriges, im Haushalt der Eltern
lebendes Kind, das keine eigenen Grundsicherungsleistungen erhält, als Einkommen der
Eltern auf das Arbeitslosengeld II (ALG II) anzurechnen ist (vgl. Urteil des
Bundessozialgerichts vom 27. Januar 2009 B 14/7b AS 14/07 R, SGb 2009, 154, Rz 24;
BVerfG-Beschluss vom 11. März 2010 1 BvR 3163/09, Zeitschrift für das gesamte
Familienrecht 2010, 800, Rz 6). Daher bleiben die Eltern auch bei Erhalt von
Grundsicherungsleistungen dem Grunde nach zum Unterhalt des Kindes verpflichtet.
21 b) Mit dem Vorbringen, die Revision sei zuzulassen, weil das FG bei seiner Entscheidung
von der Entscheidung des BFH in BFHE 224, 228, BStBl II 2009, 926 abweiche, ist der
nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO geltend gemachte Zulassungsgrund nicht
schlüssig dargelegt.
22 aa) Die Zulassung der Revision aus diesem Grund setzt voraus, dass das FG in einer
Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei
über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen
rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren
Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im
Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des BFH zur
Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (BFH-Beschluss vom 6. Februar 2014
II B 129/13, BFH/NV 2014, 708, Rz 14). Ferner muss das Urteil des FG im
Grundsätzlichen von der Divergenzentscheidung abweichen; es genügt nicht, wenn das
FG Rechtsprechungsgrundsätze auf die Besonderheiten des Einzelfalls fehlerhaft
angewendet hat (BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 708, Rz 14, m.w.N.).
23 bb) Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge muss der
Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil
einerseits und aus den behaupteten, genau bezeichneten Divergenzentscheidungen
andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete
Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. März 2011 III B 76/10,
BFH/NV 2011, 981; vom 30. September 2013 III B 20/12, BFH/NV 2014, 58, Rz 3; vom
24. September 2013 XI B 75/12, BFH/NV 2014, 164, Rz 31, und vom 18. Oktober 2013
X B 135/12, BFH/NV 2014, 156, Rz 9). Außerdem muss sich aus der
Beschwerdebegründung ergeben, dass dem Streitfall ein vergleichbarer Sachverhalt
zugrunde liegt wie der Divergenzentscheidung und es sich um eine identische
Rechtsfrage handelt (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2014, 58, Rz 3; in BFH/NV 2014, 164,
Rz 31, und in BFH/NV 2014, 156, Rz 9). Dabei muss der Beschwerdeführer von den vom
FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen ausgehen, die den BFH gemäß § 118 Abs. 2
FGO auch im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision grundsätzlich
binden (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27. März 2009 VIII B 184/08, BFHE 224, 458, BStBl
II 2009, 850, unter II.2.b).
24 cc) Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
25 Ein dem Urteil des BFH in BFHE 224, 228, BStBl II 2009, 926 zugrundeliegender
vergleichbarer Sachverhalt liegt hier nicht vor. In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte
die Stadt den Unterhalt für die Kinder durch die Leistungen der Grundsicherung an die
Kinder selbst, die auch Unterkunft und Verpflegung umfassten, erbracht. Daher konnte in
der Haushaltsaufnahme der Kinder durch den Kindergeldberechtigten keine
Leistungsgewährung gesehen werden. Soweit der Kläger vorbringt, der BFH habe in
seiner Entscheidung in BFHE 224, 228, BStBl II 2009, 926 (allgemein) den Schluss
gezogen, dass eine Leistung von Unterhalt aus ALG II nicht möglich sei, gilt dies nur für
den hier nicht vorliegenden Fall, dass die Kinder selbst Leistungen der Grundsicherung
beziehen und der Kindergeldberechtigte nur Regelleistungen für seinen eigenen Bedarf
erhält.
26 c) Soweit der Kläger auf das Urteil des Senats vom 17. Oktober 2013 III R 24/13 (BFH/NV
2014, 504) verweist und hieraus den Schluss zieht, dass der Kindergeldberechtigte bei
Erhalt von ALG II Leistungen keine Unterhaltsleistungen durch die Haushaltsaufnahme
erbringen könnte, ist auch dieser Schlussfolgerung entgegenzuhalten, dass der BFH die
Vermutung, wonach die Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten bei
Haushaltsaufnahme des Kindes den Kindergeldsatz erreichen, nur bei behinderten
Kindern ausgeschlossen hat (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 504, Rz 17). In einem solchen
Fall hängen nach Ansicht des BFH etwaige Unterhaltsleistungen der Eltern von so vielen
Faktoren ab, dass die Vermutung eines bestimmten Geschehensablaufs nicht
gerechtfertigt ist.
27 d) Soweit der Kläger bei der Beurteilung von Tatsachen zu einer vom FG abweichenden
Schlussfolgerung gelangt, liegt darin keine Abweichung einer entscheidungserheblichen
Rechtsfrage (BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2008 IX B 88/08, n.v., Rz 2).
28 3. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2
Nr. 1 FGO).
29 a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des
Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer
einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung der
Revision kommt nur wegen einer klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage in
Betracht (BFH-Beschluss vom 16. Oktober 1998 V B 56/98, BFH/NV 1999, 227). Für die
nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung des Zulassungsgrundes der
grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der
Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und auf ihre Bedeutung für die
Allgemeinheit eingehen. Erforderlich ist darüber hinaus der substantiierte Vortrag, warum
im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte
Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit
und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Ferner muss die
aufgeworfene Frage klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig sein
(vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und
vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).
30 b) Diesen Anforderungen wird der Kläger nicht gerecht. Mit dem Vorbringen, "wie in
Angesicht von § 74 Abs. 1 EStG zu verfahren ist, wenn dem Kind gar keine
Unterhaltsberechtigung zusteht und der Kindergeldberechtigte nicht leistungsfähig ist",
legt der Kläger keine in einem Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage dar. Der
mit der Zulassung der Revision verfolgte Zweck kann nicht verwirklicht werden, wenn der
BFH aus verfahrensrechtlichen Gründen an einer Entscheidung über die als grundsätzlich
angesehene Rechtsfrage gehindert ist. Nach § 118 Abs. 2 FGO ist der BFH an die
Würdigung des Sachverhalts durch das FG, die nicht gegen Erfahrungssätze oder
Denkgesetze verstößt, gebunden. Demnach ist die Entscheidungserheblichkeit zu
verneinen, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage nur stellt, falls von einem anderen als
dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird.
31 c) Das FG ist davon ausgegangen, dass der Vater des Klägers seiner Unterhaltspflicht
aufgrund der unstreitig vorliegenden Haushaltsaufnahme nachgekommen ist. Diese
Würdigung beruht auf nachvollziehbaren Erwägungen aufgrund der im
Entscheidungszeitpunkt vorliegenden maßgebenden Tatsachenfeststellungen. Die vom
Kläger aufgeworfene Rechtsfrage würde sich im Revisionsverfahren bei der Anwendung
des § 74 Abs. 1 EStG daher so nicht stellen.
32 4. Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen in der Sache eine unrichtige Überprüfung der
Ermessenserwägungen durch das FG im Rahmen seiner nach § 102 FGO
eingeschränkten Prüfungskompetenz bzw. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des
materiellen Rechts geltend macht, ist er mit einer solchen Rüge im
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ausgeschlossen. Die Frage, ob Ermessensfehler
vorliegen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie ist deshalb allgemeinen
Aussagen von grundsätzlicher Bedeutung regelmäßig nicht zugänglich und kann daher
nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 9. November 2011
V B 43/11, BFH/NV 2012, 170, Rz 3).
33 Etwas anderes kann dann gelten, wenn zum einen auf Grund bestimmter Umstände eine
Ermessensreduzierung auf Null in Frage steht und zum anderen diese Umstände
ihrerseits nicht solche des Einzelfalls sind (BFH-Beschluss vom 10. Mai 2012 X B 183/11,
BFH/NV 2012, 1570, Rz 22). Das ist vorliegend nicht der Fall.
34 5. Auf weitere Ausführungen wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO verzichtet.
35 6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.