Urteil des BFH vom 06.07.2016

Bewertung eines mit einem Erbbaurecht belasteten bebauten Grundstücks für Zwecke der Schenkungsteuer für 2008

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 6.7.2016, II R 28/13
Bewertung eines mit einem Erbbaurecht belasteten bebauten Grundstücks für Zwecke der Schenkungsteuer für 2008
Leitsätze
1. Der Wert eines erbbaurechtsbelasteten bebauten Grundstücks bestimmt sich für Zwecke der Schenkungsteuer für
2008 durch Abzug von 80 % des im Ertragswertverfahren nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG ermittelten Gebäudewerts von
dem Gesamtwert des unbelasteten Grundstücks, selbst wenn als Gesamtwert der Mindestwert i.S. des § 146 Abs. 6
i.V.m. § 145 Abs. 3 BewG anzusetzen ist.
2. Der Grundstückswert kann nicht mit 20 % des Mindestwerts berechnet werden.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 25. April 2013 3 K 2939/10 F wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt durch Schenkung am 13. Dezember 2008 ein mit einem
Erbbaurecht belastetes bebautes Grundstück.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 7. September 2009 einen Bescheid über die
gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 13. Dezember 2008 für Zwecke der Schenkungsteuer, in
dem der Wert des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks mit 56.500 EUR festgestellt wurde. Diesen Wert berechnete
das FA nach § 148 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes (i.d.F. des Jahressteuergesetzes --JStG-- 2007 vom
13. Dezember 2006, BGBl I 2006, 2878) --BewG--, indem es einen für das unbelastete Grundstück nach § 146
Abs. 2 bis 5 BewG ermittelten Ertragswert von 94.255 EUR sowie einen als Gesamtwert anzusetzenden
Mindestwert von 131.997 EUR zugrunde legte, vom Mindestwert einen Gebäudewert von 75.404 EUR (= 80 % von
94.255 EUR) abzog und den verbleibenden Betrag von 56.593 EUR abrundete.
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Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, der Wert des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks
betrage 20 % des Mindestwerts des unbelasteten Grundstücks (131.997 EUR x 20 % = 26.399 EUR), also
abgerundet 26.000 EUR, blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der
Finanzgerichte (EFG) 2013, 1474, veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 148 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 146 BewG. Die Ermittlung des Werts
eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks müsse, wenn der Mindestwert des Grundstücks als Gesamtwert
anzusetzen sei, allein auf der Grundlage des Mindestwerts erfolgen. Die durch das FA vorgenommene gespaltene
Berechnung stelle eine verfassungswidrige Überbewertung mit enteignendem Charakter dar. Denn aus den
Erbbauzinsen könne die Schenkungsteuer nicht mehr gezahlt werden. Weiterhin rügt die Klägerin eine unzureichende
Sachverhaltsaufklärung.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des
Grundbesitzwerts auf den 13. Dezember 2008 für Zwecke der Schenkungsteuer vom 7. September 2009 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2010 dahingehend abzuändern, dass der Grundbesitzwert mit 26.000 EUR
festgestellt wird.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Wert eines erbbaurechtsbelasteten bebauten Grundstücks für Zwecke
der Schenkungsteuer für 2008 durch Abzug von 80 % des im Ertragswertverfahren nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG
ermittelten Gebäudewerts von dem Gesamtwert des unbelasteten Grundstücks zu ermitteln ist, selbst wenn als
Gesamtwert der Mindestwert anzusetzen ist. Der Grundstückswert kann nicht mit 20 % des Mindestwerts
berechnet werden.
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1. Ist das Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, ist gemäß § 148 Abs. 1 BewG bei der Ermittlung der
Grundbesitzwerte für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks und für die wirtschaftliche Einheit des
Erbbaurechts von dem Gesamtwert auszugehen, der sich für den Grund und Boden einschließlich der Gebäude vor
Anwendung des § 139 BewG ergäbe, wenn die Belastung nicht bestünde. Nach § 148 Abs. 2 BewG entfällt der
Wert des Grund und Bodens auf die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks. § 148 BewG gilt für Zwecke
der Schenkungsteuer für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31. Dezember 2006 (§ 158 Abs. 1 BewG) und vor
dem 1. Januar 2009 (vgl. § 205 Abs. 1 BewG i.d.F. des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008,
BGBl I 2008, 3018, zur Anwendung der neuen Regelungen in §§ 192 ff. BewG n.F. für Bewertungsstichtage nach
dem 31. Dezember 2008), also für die Jahre 2007 und 2008.
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a) Die Aufteilung des Werts eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks auf die wirtschaftliche Einheit des belasteten
Grundstücks einerseits und auf die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts andererseits wird in § 148 Abs. 4
Satz 1 BewG in typisierender Weise festgelegt (vgl. BTDrucks 16/2712, S. 88). Danach beträgt bei den nach § 146
BewG zu bewertenden (bebauten) Grundstücken der Gebäudewert 80 % des nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG
ermittelten Werts; der verbleibende Teil des Gesamtwerts entspricht dem Wert des Grund und Bodens. Zur
Ermittlung des Werts des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks ist deshalb der in § 148 Abs. 4 Satz 1 BewG
typisierend bestimmte Gebäudewert vom Gesamtwert abzuziehen.
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b) Gesamtwert i.S. des § 148 Abs. 1 BewG kann auch --wie im Streitfall-- der Mindestwert nach § 146 Abs. 6
BewG sein. Das ergibt sich bereits daraus, dass nach § 148 Abs. 1 BewG für die Ermittlung der Grundbesitzwerte
von dem Gesamtwert des unbelasteten Grundstücks auszugehen ist und dies bei einem bebauten Grundstück den
Mindestwert nach § 146 Abs. 6 BewG mit einschließt. Nach dieser Vorschrift darf der für ein bebautes Grundstück
nach den Abs. 2 bis 5 des § 146 BewG anzusetzende Wert nicht geringer sein als der Wert, mit dem der Grund und
Boden allein als unbebautes Grundstück nach § 145 Abs. 3 BewG zu bewerten wäre (sog. "Mindestwert").
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c) Ist der Mindestwert als Gesamtwert anzusetzen, bestimmt sich die Aufteilung auf das erbbaurechtsbelastete
Grundstück und auf das Erbbaurecht nach § 148 Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz BewG. Der (dem Erbbaurecht
zuzurechnende) Gebäudewert beträgt auch in diesem Fall 80 % des nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG ermittelten
Ertragswerts (vgl. gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des JStG 2007
vom 2. April 2007 - Regelungen zur Anwendung des Vierten und Fünften Abschnitts des Zweiten Teils des
Bewertungsgesetzes für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31. Dezember 2006, BStBl I 2007, 314, zu § 148
BewG Nr. 61, R 182 Abs. 3 Satz 2; Mannek/ Blum in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 148 BewG Rz 41;
Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 148 Rz 8; Halaczinsky, Der Erbschaftsteuerberater --ErbStB-- 2007, 84, 86;
Eisele, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2007, 1023, 1025; a.A. Weilbach in Weilbach, GrEStG § 8 Grundsatz, Rz 39
Tz 4.4.2.4 Beispiel 1; Schaffner in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG Kommentar 3. Aufl. 2013, § 148 Rz 12).
Der nach Abzug des Gebäudewerts verbleibende Teil des Mindestwerts entspricht dem Wert des Grund und Bodens
(§ 148 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz BewG).
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Die Berücksichtigung des Gebäudewerts mit 80 % des Ertragswerts und nicht mit 80 % des Mindestwerts folgt aus
dem Wortlaut des Gesetzes. Die in § 148 Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz BewG vorgenommene Verweisung auf § 146
BewG bezieht sich nur auf die dortigen Abs. 2 bis 5 und spart Abs. 6 als den Fall der Mindestbewertung aus.
Anhaltspunkte für ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers liegen nicht vor (vgl. Eisele, DStR 2007, 1023,
1025). Vielmehr kommt in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck (BTDrucks 16/2712, S. 88), dass der nach
§ 146 Abs. 2 bis 5 BewG ermittelte Gebäudeertragswert auch in Fällen des Ansatzes des Mindestwerts gelten soll.
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d) Dem Wertansatz des Grund und Bodens mit 20 % des Mindestwerts steht darüber hinaus entgegen, dass der
Gebäudewert nach dem Ertragswert gemäß § 146 Abs. 2 bis 5 BewG zu ermitteln ist und die Verwendung
unterschiedlicher Wertermittlungsmethoden ohne festen Bezug zum Gesamtwert nicht sicherstellen würde, dass
die Werte der beiden wirtschaftlichen Einheiten insgesamt den Mindestwert als Gesamtwert ergeben.
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Dem Gesetzeszweck des § 148 Abs. 1 BewG und der in § 148 Abs. 4 Satz 1 BewG geregelten Aufteilungsmethode
ist jedoch zu entnehmen, dass die Werte der wirtschaftlichen Einheiten des belasteten Grundstücks und des
Erbbaurechts zusammen dem Gesamtwert, also dem Wert eines unbelasteten bebauten Grundstücks entsprechen
sollen (vgl. Wilms in Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar, § 148 BewG Rz 37).
Eine Abhilfe hätte nur der Gesetzgeber durch ausdrückliche Einbeziehung des Mindestwerts als Berechnungsgröße
in § 148 Abs. 4 BewG schaffen können (vgl. auch Halaczinsky in Rössler/Troll, a.a.O., § 148 Rz 8; Halaczinsky,
ErbStB 2007, 84, 87).
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2. Die Bewertung nach § 148 Abs. 1 und 4 Satz 1 BewG und die daraus resultierende Schenkungsteuer für den
unentgeltlichen Erwerb eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks verletzen nicht das Eigentumsgrundrecht aus
Art. 14 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG). Das gilt auch, wenn die Erbbauzinsen nicht ausreichen sollten, um
die Schenkungsteuer für den Erwerb des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks zu finanzieren.
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a) Aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG lässt sich nicht ableiten, dass die Steuerbelastung beim Erwerb eines
Vermögensgegenstands aus dessen Erträgen beglichen werden können muss. Die Schenkungsteuer ist eine
Substanzsteuer und deshalb nicht auf die Erträge des zugewendeten Vermögensgegenstands begrenzt. Dies zeigt
sich schon darin, dass auch ertraglose Vermögensgegenstände (wie z.B. ein selbstgenutztes Ferienhaus oder
Kunstgegenstände) der Schenkungsteuer unterliegen.
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Zwar können sich aus der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, im Rahmen einer Gesamtabwägung zur
Angemessenheit und Zumutbarkeit der Steuerbelastung, Obergrenzen für eine Steuerbelastung ergeben (vgl.
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 18. Januar 2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97,
unter C.II.2.b). So ist das Übermaßverbot verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Belastung extrem über
das normale Maß hinausgehen, das der Schematisierung zugrunde liegt, oder --anders ausgedrückt-- die Folgen
auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellungen durch den gebotenen Anlass nicht mehr
gerechtfertigt sind (vgl. BVerfG-Beschluss vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, 116, BStBl II 1978,
441; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 II R 22/11, BFH/NV 2014, 1086). Allein die
Ermittlungsmethode zur Bewertung eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks für Zwecke der Schenkungsteuer
durch Festlegung des Aufteilungsmaßstabs führt aber nicht zu einer Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzenden
übermäßigen Steuerbelastung. Bewertungsdifferenzen sind als Folge der typisierenden Bewertungsmethode und
unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um Wertschätzungen handelt, die stets mit Ungenauigkeiten
verbunden sind, grundsätzlich hinzunehmen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1086). Das gilt ebenso für den
Streitfall. Der vom FA ermittelte Wert des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks beträgt ca. 42 % des Mindestwerts
(56.500 EUR : 131.997 EUR), während die Klägerin einen Ansatz von 20 % des Mindestwerts (= 26.000 EUR)
begehrt.
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b) Im Übrigen ist § 148 BewG auch deshalb nicht wegen eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche
Übermaßverbot verfassungswidrig, weil es der Klägerin freigestanden hätte, gemäß § 138 Abs. 4 BewG den
Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks zu erbringen.
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§ 138 Abs. 4 BewG betrifft ausdrücklich u.a. die nach § 148 BewG ermittelten Werte. Deshalb ist der Nachweis
eines niedrigeren gemeinen Werts (auch) für die wirtschaftliche Einheit "belastetes Grundstück" i.S. des § 148
BewG möglich (vgl. Mannek/Blum, a.a.O., § 148 BewG Rz 41 f.). Die Klägerin hat jedoch für das
erbbaurechtsbelastete Grundstück kein Wertgutachten vorgelegt.
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3. Das FG hat durch die Nichteinholung eines Gutachtens zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nicht
seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) verletzt. Der Steuerpflichtige selbst muss ein solches Gutachten einholen
und vorlegen. Ihm obliegt die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert einer wirtschaftlichen Einheit
gemäß § 138 Abs. 4 BewG (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 2005 II R 21/02, BFHE 210, 48, BStBl II 2005, 686, zu
§ 145 Abs. 3 Satz 3 BewG a.F., m.w.N.). Führt der Steuerpflichtige diesen Nachweis nicht, kann das FG von der
Wertfeststellung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben ausgehen.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.