Urteil des BFH vom 18.02.2015

Beitrittsaufforderung an das BMF: Kürzung der abziehbaren Pflichtteilslast nach § 10 Abs. 6 ErbStG?

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 18.2.2015, II R 12/14
Beitrittsaufforderung an das BMF: Kürzung der abziehbaren Pflichtteilslast nach § 10 Abs. 6
ErbStG?
Leitsätze
Das BMF wird aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten und zu der Frage Stellung zu
nehmen, ob die Verbindlichkeit aus einem geltend gemachten Pflichtteil nur anteilig als
Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden kann, wenn zum Nachlass ein nach § 13a ErbStG
begünstigter Anteil an einer Kapitalgesellschaft gehört.
Tenor
Das Bundesministerium der Finanzen wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist neben ihrem Bruder (B) zur Hälfte
Miterbin ihres im November 2001 verstorbenen Vaters (V), nachdem die Ehefrau (E) des V
die Erbschaft ausgeschlagen hatte. Zum Nachlass gehörten u.a. Beteiligungen des V von
jeweils 76 % an einer GmbH mit einem Stammkapital von 50.000 DM und an einer KG. An
der GmbH waren vor dem Erbfall auch die Klägerin und B beteiligt gewesen, an der KG
aber nicht.
2 Zur Erfüllung des Anspruchs der E auf Zugewinnausgleich übertrugen die Klägerin und B
durch notariell beurkundete Vereinbarung vom 17. Mai 2002 40 % der Anteile an der
GmbH im Nominalwert von 20.000 DM sowie 40 % der Anteile am Vermögen der KG auf E.
Sie teilten dazu den GmbH-Anteil des V in zwei Stammeinlagen von 20.000 DM und
18.000 DM und traten die Stammeinlage von 20.000 DM an E ab.
3 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Erbschaftsteuer
gegen die Klägerin zunächst mit Bescheid vom 5. März 2004 unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung fest. Dabei nahm das FA an, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile
an der GmbH und der KG auf E zur Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs zum
anteiligen Wegfall der Steuervergünstigung nach § 13a Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (ErbStG) geführt habe.
Den auf die Klägerin entfallenden Anteil am Zugewinnausgleichsanspruch der E
berücksichtigte das FA in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit. Den von E geltend
gemachten Pflichtteilsanspruch zog das FA gemäß § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG nur zum Teil
als Nachlassverbindlichkeit ab.
4 Mit der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2010 erhöhte das FA die
Erbschaftsteuer auf 954.696,98 EUR. Für die von der Klägerin erworbenen Anteile an der
GmbH und der KG im Wert von 21.361.320 DM bzw. 826.385 DM gewährte es neben dem
in § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG vorgesehenen Freibetragsanteil von 250.000 DM einen
Abschlag nach § 13a Abs. 2 ErbStG in Höhe von 4.103.986 DM. Den auf die Klägerin
entfallenden Anteil am Pflichtteilsanspruch der E ließ es nur mit einem Teilbetrag von
1.744.535 DM zum Abzug als Nachlassverbindlichkeit zu. Den Anteil an der Pflichtteilslast,
der nach seiner Ansicht auf den nach § 13a ErbStG begünstigten Erwerb der Beteiligung
an der GmbH entfällt, berücksichtigte es nicht als abziehbare Nachlassverbindlichkeit. Der
Berechnung des nicht abgezogenen Teilbetrags von 288.983 DM legte es das Verhältnis
der jeweiligen Verkehrswerte zugrunde. Die Begünstigung des Erwerbs der Beteiligung an
der KG nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 ErbStG führte nicht zu einer weiteren
Kürzung der abziehbaren Pflichtteilslast.
5 Mit dem während des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 17. Mai 2011
setzte das FA die Erbschaftsteuer wegen einer Neuberechnung der Erbfallkosten
(Nachlassregelungskosten) auf 951.005,46 EUR herab. Den auf die Klägerin entfallenden
Teil der Erbfallkosten von 77.798 DM ließ es in voller Höhe zum Abzug als
Nachlassverbindlichkeit zu.
6 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, das FA habe die
Übertragung der Gesellschaftsanteile an der GmbH und der KG auf E zum Ausgleich ihres
Zugewinnausgleichsanspruchs zu Recht als Veräußerung i.S. des § 13a Abs. 5 ErbStG
angesehen und ebenfalls zutreffend die Pflichtteilsschuld nur teilweise als
Nachlassverbindlichkeit abgezogen.
7 Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4
und § 10 Abs. 6 ErbStG.
8 Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid
vom 17. Mai 2011 dahingehend zu ändern, dass bei der Berechnung der Erbschaftsteuer
eine Steuerbegünstigung nach § 13a Abs. 2 ErbStG für den Anteil an der GmbH im Wert
von 21.361.320 DM und für den Anteil an der KG im Wert von 826.385 DM berücksichtigt
wird und die Pflichtteilslast in voller Höhe von 2.033.518 DM als Nachlassverbindlichkeit
abgezogen wird.
9 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
10 II. Die Aufforderung zum Beitritt beruht auf § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, weil
das vorliegende Revisionsverfahren eine auf Bundesrecht beruhende Abgabe und eine
Rechtsstreitigkeit über Bundesrecht, nämlich Vorschriften des ErbStG, betrifft. Die Frage
nach der richtigen Auslegung des § 10 Abs. 6 ErbStG weist Schwierigkeiten von solchem
Gewicht auf, dass dem Senat die Beitrittsaufforderung als sachgerecht erscheint.
11 1. Schulden und Lasten sind nach § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG nicht abzugsfähig, soweit
sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der
Besteuerung nach dem ErbStG unterliegen. Schulden und Lasten, die mit teilweise
befreiten Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind
gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem
steuerpflichtigen Teil entspricht. Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a ErbStG
befreiten Betriebsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind nach § 10
Abs. 6 Satz 4 ErbStG in vollem Umfang abzugsfähig. Schulden und Lasten, die mit dem
nach § 13a ErbStG befreiten Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder
mit den nach § 13a ErbStG befreiten Anteilen an Kapitalgesellschaften in wirtschaftlichem
Zusammenhang stehen, sind gemäß § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG nur mit dem Betrag
abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a ErbStG anzusetzenden
Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a ErbStG entspricht.
12 2. Diese Vorschriften betreffen nach ihrem Wortlaut nur Schulden und Lasten, die
aufgrund ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs den Vermögensgegenständen, die nicht
der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegen oder teilweise von der Steuer befreit sind,
oder dem nach § 13a ErbStG befreiten Vermögen oder den nach § 13a ErbStG befreiten
Anteilen an Kapitalgesellschaften konkret zugeordnet werden können. Keine
ausdrückliche Regelung wird für den Fall getroffen, dass eine konkrete Zuordnung von
Schulden oder Lasten zu bestimmten Vermögensgegenständen oder zu einem
bestimmten Vermögen nicht möglich ist. Insbesondere wird nicht vorgeschrieben, dass
solche Schulden und Lasten nur mit dem Betrag abzugsfähig sind, der dem Verhältnis
des Verkehrswerts oder Steuerwerts des steuerpflichtigen Vermögens und
gegebenenfalls des nach § 13a ErbStG befreiten Betriebsvermögens zum
entsprechenden Wert des steuerfreien Vermögens entspricht.
13 Davon geht abgesehen von den Pflichtteilsansprüchen, für die R 31 Abs. 2 Satz 1 der
Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) 2003 (BStBl I 2003, Sondernummer 1, 2) und
nunmehr auch R E 10.10 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011 (BStBl I 2011, Sondernummer 1, 2)
eine Sonderregelung trifft, auch die Finanzverwaltung aus. Nach R 31 Abs. 2 Satz 2
ErbStR 2003 und R E 10.10 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011 besteht "bei anderen allgemeinen
Nachlassverbindlichkeiten" kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den einzelnen
erworbenen Vermögensgegenständen. Diese allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten
sind daher auch dann in voller Höhe abziehbar, wenn zum Erwerb von Todes wegen
auch ganz oder teilweise steuerbefreite Vermögensgegenstände oder Vermögen i.S. des
§ 10 Abs. 6 Satz 1, 3 und 5 ErbStG gehören. Zu den allgemeinen
Nachlassverbindlichkeiten rechnet die Finanzverwaltung beispielsweise ein
Konsumentendarlehen (H E 10.10 "Pflichtteilskürzung" der Hinweise zu den ErbStR 2011
--ErbStH 2011--, BStBl I 2011, Sondernummer 1, 117), die Erbfallkosten und, wie die
Berechnung der Steuer im vorliegenden Fall zeigt, bisher auch die Pflicht des Erben zur
Zahlung des Zugewinnausgleichs an den überlebenden Ehegatten des Erblassers
(anders nunmehr der im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen
Länder ergangene Erlass des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-
Württemberg vom 14. Januar 2015 3-S381.0/46).
14 3. Wie sich aus H 31 der Hinweise zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003 (BStBl I 2003,
Sondernummer 1, 91) "Wirtschaftlicher Zusammenhang von Schulden und Lasten mit
Vermögensgegenständen" letzter Satz und H 10.10 ErbStH 2011 "Wirtschaftlicher
Zusammenhang von Schulden und Lasten mit Vermögensgegenständen" letzter Satz
ergibt, stützt die Finanzverwaltung die in R 31 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2003 und R E 10.10
Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011 getroffene Anordnung, nach der bei Pflichtteilsansprüchen ein
wirtschaftlicher Zusammenhang mit den einzelnen erworbenen Vermögensgegenständen
unabhängig davon besteht, inwieweit sie steuerpflichtig oder steuerbefreit sind, auf das
Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Juli 1972 III R 44/70 (BFHE 107, 147, BStBl II
1973, 3).
15 Dieses Urteil betraf die Frage, ob die Verpflichtung der Erben zur Zahlung des Pflichtteils
bei der Ermittlung des nach dem Lastenausgleichsgesetz abgabepflichtigen
Inlandsvermögens vom Rohvermögen abzuziehen ist, soweit sie auf das
Inlandsvermögen entfällt. Der BFH bejahte diese Frage und führte zur Begründung aus:
Zur Ermittlung des abgabepflichtigen Inlandsvermögens seien von dem Rohvermögen i.S.
des § 77 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes in der vor dem Bewertungsgesetz 1965
geltenden Fassung (im Folgenden: BewG) die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit
diesem Vermögen stehenden Schulden abzuziehen (§ 77 Abs. 3 i.V.m. § 74 BewG). Der
wirtschaftliche Zusammenhang zwischen einem Vermögensgegenstand und einer Schuld
setze voraus, dass die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen
beruhe, die diesen Vermögensgegenstand beträfen. Ein rechtlicher Zusammenhang sei
für den Schuldabzug weder erforderlich noch für sich allein ausreichend.
16 Zwischen dem Vermögensübergang aufgrund des Erbfalls und der durch den Erbfall
ausgelösten Verpflichtung der Erben zur Zahlung des Pflichtteils bestehe grundsätzlich
ein bei der Besteuerung zu beachtender wirtschaftlicher Zusammenhang. Der ursächliche
und unmittelbare Zusammenhang ergebe sich daraus, dass die Erbschaft aufgrund
letztwilliger Verfügung an eine Person falle, die nur Erbe sein könne, weil durch
letztwillige Verfügung bestimmte gesetzliche Erben von der Erbfolge ausgeschlossen
seien. Zudem werde der Pflichtteilsanspruch ebenso wie die Gesamtrechtsnachfolge
bezüglich des Vermögens des Erblassers durch dessen Tod ausgelöst. Hierin liege zwar
auch, aber nicht nur ein rechtlicher Zusammenhang. Der über den rechtlichen
Zusammenhang hinaus gegebene wirtschaftliche Zusammenhang folge aus dem
Charakter des Pflichtteilsrechts; es sei wirtschaftlich ein Ersatz für den
Vermögensentgang, der dadurch eintrete, dass ein bestimmter gesetzlicher Erbe von der
Erbfolge durch letztwillige Verfügung des Erblassers ausgeschlossen werde. Insoweit
unterscheide sich der vorliegende Fall von dem mit BFH-Urteil vom 17. Dezember 1965
III 342/60 U (BFHE 86, 191, BStBl III 1966, 483) entschiedenen Fall, in dem der
wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem Anfall einer Erbschaft und der Belastung
mit Vermächtnissen verneint worden sei. Denn der durch letztwillige Verfügung
eingesetzte Erbe, durch den ein Pflichtteilsberechtigter von der Erbschaft ausgeschlossen
werde, könne nicht Erbe werden, ohne dass der Pflichtteilsanspruch entstehe, während
die Belastung eines Erben mit Vermächtnissen grundsätzlich nicht in diesem
notwendigen inneren Zusammenhang stehe. Dieser Beurteilung stehe auch nicht
entgegen, dass der Pflichtteilsanspruch beim Erben erst dann zu einem Schuldabzug
führen könne, wenn der Anspruch geltend gemacht werde. Für die Frage des
wirtschaftlichen Zusammenhangs komme es nicht darauf an, von welchem Zeitpunkt ab
ein Schuldabzug möglich sei, sondern mit welchem Sachverhalt der Pflichtteilsanspruch
verbunden sei. Der wirtschaftliche Zusammenhang sei auch nicht deshalb zu verneinen,
weil der Erbe für den Pflichtteilsanspruch grundsätzlich mit seinem ganzen Vermögen
hafte. Es treffe zwar zu, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen einem
Vermögensgegenstand und einer Schuld grundsätzlich dann nicht gegeben sei, wenn
wegen dieser Schuld in den betreffenden Vermögensgegenstand nicht vollstreckt werden
könnte. Dagegen schließe der umgekehrte Fall, dass wegen dieser Schuld auch in
andere Wirtschaftsgüter vollstreckt werden könne, den wirtschaftlichen Zusammenhang
nicht aus.
17 4. Der Senat hat Bedenken, ob es mit diesen oder anderen sachlichen Gründen unter
Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes)
gerechtfertigt werden kann, dass bei teilweiser Steuerpflicht und teilweiser Steuerfreiheit
eines Erwerbs von Todes wegen der Erbe, der einen bestimmten Betrag als Pflichtteil
schuldet, mit einer höheren Erbschaftsteuer belastet wird als wenn er diesen Betrag
beispielsweise als Vermächtnis oder andere allgemeine Nachlassverbindlichkeit (z.B.
vom Erblasser aufgenommenes Konsumentendarlehen) zahlen müsste.
18 a) Entgegen der vom BFH im Urteil in BFHE 107, 147, BStBl II 1973, 3 vertretenen
Ansicht setzen das Entstehen eines Pflichtteilsanspruchs und die Pflicht zur Erfüllung
dieses Anspruchs keine Verfügung des Erblassers von Todes wegen voraus, durch die
ein gesetzlicher Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen und der zur Zahlung des
Pflichtteils verpflichtete Erbe eingesetzt wurde. Vielmehr kann es auch bei gesetzlicher
Erbfolge zum Entstehen eines Pflichtteilsanspruchs kommen, nämlich in den Fällen des
§ 1371 Abs. 3 Halbsatz 1 i.V.m. § 2303 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(BGB) bei Ausschlagung der Erbschaft bzw. des Erbteils. Wer anstelle des
Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher Erbe wird, hat nach § 2320 Abs. 1 BGB im Verhältnis
zu Miterben die Pflichtteilslast und, wenn der Pflichtteilsberechtigte ein ihm zugewendetes
Vermächtnis annimmt, das Vermächtnis in Höhe des erlangten Vorteils zu tragen. Auch
einem Erben kann gemäß § 2305 BGB ein Pflichtteilsanspruch zustehen, nämlich wenn
der Erbteil geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
19 b) Ob die Bemessung des Pflichtteils nach dem Wert des Nachlasses (§§ 2311 ff. BGB)
einen wirtschaftlichen Zusammenhang der Pflichtteilslast mit allen zum Nachlass
gehörenden aktiven Vermögensgegenständen oder Vermögen i.S. des § 13a ErbStG
begründen und die unterschiedliche Besteuerung des Erben je nachdem, ob er einen
bestimmten Betrag als Pflichtteil oder aus einem anderen der oben unter II.2. genannten
allgemeinen Gründe zahlen muss, rechtfertigen kann, erscheint dem Senat fraglich
(ablehnend Meincke, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2006, 199; ders.,
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 10 Rz 55). Nach
dem allerdings in anderem Zusammenhang ergangenen BFH-Urteil vom 2. März 1993
VIII R 47/90 (BFHE 170, 566, BStBl II 1994, 619, unter 1.d) ist der Pflichtteilsanspruch
nicht gegenständlich konkretisiert in Bezug auf das Betriebsvermögen oder einzelne
betriebliche Wirtschaftsgüter.
20 c) Im Übrigen erscheint es dem Senat nicht nachvollziehbar, aus welchen sachlichen
Gründen es gerechtfertigt sein soll, dass entsprechend der vom FA in der Streitsache
vertretenen Ansicht zwar der nach § 13a ErbStG begünstigte Erwerb eines Anteils an
einer Kapitalgesellschaft dazu führen soll, dass die Pflichtteilslast nur teilweise abziehbar
ist, dies aber nicht auch für den Erwerb eines nach dieser Vorschrift begünstigten
Betriebsvermögens gelten soll. Dies könnte für eine Auslegung des § 10 Abs. 6 ErbStG
sprechen, die im Rahmen des Wortlauts der Vorschrift eine solche auch im Hinblick auf
den allgemeinen Gleichheitssatz problematische Differenzierung vermeidet.