Urteil des BFH vom 04.03.2015

Keine Klagebefugnis eines zum Einspruchsverfahren einer GmbH hinzugezogenen Gesellschafters gegen Schenkungsteuerbescheid

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 4.3.2015, II R 1/14
Keine Klagebefugnis eines zum Einspruchsverfahren einer GmbH hinzugezogenen
Gesellschafters gegen Schenkungsteuerbescheid
Leitsätze
Hat das FA den Einspruch einer GmbH gegen einen ihr gegenüber ergangenen
Schenkungsteuerbescheid als unbegründet zurückgewiesen, ist ein zum Einspruchsverfahren
der GmbH hinzugezogener Gesellschafter nicht befugt, gegen die Einspruchsentscheidung und
den Schenkungsteuerbescheid zu klagen.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 13.
November 2013 4 K 788/13 Erb aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Gesellschafter der Beigeladenen, einer
Wirtschaftsprüfungs-GmbH, die durch formwechselnde Umwandlung der ... KG
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (A-KG) mit Wirkung zum 1. Juli 2000 entstanden war.
2 Neben dem Gesellschaftsvertrag haben die Gesellschafter der Beigeladenen einen
Poolvertrag abgeschlossen, der am 30. Juni 2004 zu notarieller Urkunde neu gefasst
wurde. Gegenstand des Poolvertrags ist die Regelung des Verhältnisses der
Gesellschafter der Beigeladenen untereinander und die gemeinschaftliche Ausübung der
Gesellschafterrechte in der Beigeladenen.
3 Der Poolvertrag hat mehrere Anlagen, insbesondere verschiedene aufschiebend bedingte
Kaufverträge über die Geschäftsanteile, deren Anwendbarkeit jeweils vom Grund des
Ausscheidens aus der GmbH abhängt (Anlagen 8 bis 11 zum Poolvertrag), sowie einen
Treuhandvertrag für den Pooltreuhänder (Anlage 13 zum Poolvertrag). Darin ist u.a.
Folgendes vorgesehen:
4 Die Gesellschafter halten jeweils einen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 50.000 EUR,
den sie als frühere Gesellschafter der A-KG bei deren Umwandlung in die Beigeladene
oder durch Kauf zum Nominalwert erworben haben. Einer der Gesellschafter fungiert als
Pooltreuhänder. Er hält einen Geschäftsanteil im Nominalwert von 50.000 EUR im
eigenen Namen und zudem als fremdnütziger Treuhänder für alle Gesellschafter den
Geschäftsanteil, der nach Abzug der von ihm im eigenen Namen und den übrigen
Gesellschaftern gehaltenen Geschäftsanteile vom Stammkapital der Beigeladenen
verbleibt. Wesentliche Aufgabe des Pooltreuhänders ist es auch, Geschäftsanteile von
jeweils 50.000 EUR zum Nominalwert auf neu aufzunehmende Poolmitglieder zu
übertragen und die Geschäftsanteile ausscheidender Poolmitglieder für sämtliche
verbleibenden Poolmitglieder zu erwerben. Im Außenverhältnis ist der Pooltreuhänder
Vollrechtsinhaber.
5 Die Poolmitglieder scheiden spätestens mit Erreichen einer bestimmten Altersgrenze aus
der Beigeladenen aus. Für den Fall des Ausscheidens enthält der Poolvertrag als
Anlagen je nach dem Grund des Ausscheidens unterschiedliche, aufschiebend bedingte
Kaufverträge zwischen dem ausscheidenden Poolmitglied bzw. dessen Erben und dem
Pooltreuhänder. Beim Ausscheiden aus Altersgründen ist der Kaufvertrag Typ A
(Anlage 8 zum Poolvertrag) maßgebend. Danach verkauft und überträgt der
ausscheidende Gesellschafter sowohl den von ihm direkt gehaltenen Geschäftsanteil als
auch die von ihm indirekt über den Pooltreuhänder gehaltenen Geschäftsanteile an den
Pooltreuhänder. Der Pooltreuhänder hat an den ausscheidenden Gesellschafter als
Kaufpreis die Nominalwerte dieser Geschäftsanteile zu zahlen. Diese
Zahlungsverpflichtungen des Pooltreuhänders bestehen allerdings nur dann und
insoweit, als ihm die hierfür erforderlichen Beträge von der Beigeladenen zu Lasten der
übrigen Poolmitglieder zur Verfügung gestellt werden können.
6 Gesellschafter der Beigeladenen war neben dem Kläger u.a. X. X übertrug seinen
Geschäftsanteil aus Altersgründen auf der Grundlage des dem Poolvertrag als Anlage
beigefügten, aufschiebend bedingten Kaufvertrags zum 30. Juni 2005 gegen einen
Kaufpreis von 50.000 EUR auf den Pooltreuhänder.
7 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nahm an, dass die Übertragung
des Geschäftsanteils des X auf den Pooltreuhänder gegen Zahlung eines Kaufpreises
von 50.000 EUR nach § 7 Abs. 7 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) bei der Beigeladenen der Schenkungsteuer
unterliege, und setzte demgemäß durch Bescheid vom 25. November 2011 gegen die
Beigeladene Schenkungsteuer fest.
8 Dagegen erhob die Beigeladene Einspruch. Das FA zog den Kläger und die anderen am
30. Juni 2005 vorhandenen Gesellschafter der Beigeladenen bzw. deren Erben gemäß
§ 174 Abs. 5 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) zum Einspruchsverfahren hinzu und ging
in der Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2013 von einem höheren gemeinen Wert
des Geschäftsanteils des X aus. Es erhöhte demgemäß die gegen die Beigeladene
festgesetzte Schenkungsteuer.
9 Der Kläger erhob gegen den Schenkungsteuerbescheid vom 25. November 2011 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2013 Klage. Das Finanzgericht
(FG) lud die Beigeladene mit Beschluss vom 17. September 2013 gemäß § 60 Abs. 3
Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu dem Klageverfahren notwendig bei. Mit
Bescheid vom 13. November 2013 setzte das FA die Schenkungsteuer gegenüber der
Beigeladenen auf der Grundlage eines niedrigeren gemeinen Werts des Geschäftsanteils
des X herab.
10 Das FG gab der auf Aufhebung der Steuerfestsetzung gerichteten Klage des Klägers mit
der Begründung statt, die Klage sei zulässig. Der Kläger sei durch den auch ihm bekannt
gegebenen Schenkungsteuerbescheid vom 13. November 2013, der an die Stelle der
Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2013 getreten sei, formell beschwert, weil dem
Einspruchsbegehren der Beigeladenen in der Sache nicht entsprochen worden sei. Der
Kläger als ehemaliger Gesellschafter der Beigeladenen stelle eine Steuerpflicht des
Übertragungsvorgangs vom 30. Juni 2005 in Abrede. Er sei durch den angefochtenen
Schenkungsteuerbescheid vom 13. November 2013 auch materiell beschwert. Zwar habe
das FA seine Steuerschuldnerschaft verneint. Die Klage der Beigeladenen gegen diesen
Bescheid könnte insoweit aber zu einem anderen Ergebnis führen. Werde der Bescheid
bestandskräftig, wären die übrigen Ausführungen des FA in der Einspruchsentscheidung
gegenüber dem Kläger bindend. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Verwirklichung
des Tatbestands des § 7 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Die Klage sei auch begründet. Die
Festsetzung von Schenkungsteuer gegenüber der Beigeladenen sei rechtswidrig.
11 Mit der Revision rügt das FA in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass das FG die übrigen
zum Einspruchsverfahren der Beigeladenen hinzugezogenen Gesellschafter der
Beigeladenen nicht zum Klageverfahren beigeladen habe. Die Beiladung sei daher im
Revisionsverfahren nachzuholen. In materiell-rechtlicher Hinsicht rügt das FA eine
Verletzung des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG. Das FG habe der Klage zu Unrecht
stattgegeben. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG seien entweder in der
Person der Beigeladenen oder des Klägers erfüllt.
12 Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
13 Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
14 Die Beigeladene hat sich im vorliegenden Verfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
15 II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Klage ist entgegen der Ansicht
des FG unzulässig. Die Zulässigkeit der Klage ist eine Sachurteilsvoraussetzung, die vom
Bundesfinanzhof (BFH) auch im Revisionsverfahren und unabhängig von erhobenen
Revisionsrügen von Amts wegen zu prüfen ist (BFH-Urteil vom 28. Februar 1990
I R 156/86, BFHE 160, 123, BStBl II 1990, 696, unter II.A.3.).
16 1. Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend
macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese
Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
17 a) Der gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO durch die Finanzbehörde zum Einspruchsverfahren
hinzugezogene Dritte erlangt zwar im Einspruchsverfahren die Stellung eines
Verfahrensbeteiligten (§ 359 Nr. 2, § 360 Abs. 1 und 4 AO). Die Hinzuziehung begründet
aber für sich betrachtet nicht die Klagebefugnis des Hinzugezogenen (BFH-Urteile vom
20. Juli 1988 I R 174/85, BFHE 154, 495, BStBl II 1989, 87, unter II.A.; in BFHE 160, 123,
BStBl II 1990, 696, unter II.A.2.c; vom 29. Mai 2001 VIII R 10/00, BFHE 195, 486, BStBl II
2001, 747, unter I.2., und vom 29. April 2009 X R 16/06, BFHE 225, 4, BStBl II 2009, 732,
unter II.2.c aa aaa, m.w.N.).
18 Eine Rechtsverletzung des Hinzugezogenen i.S. des § 40 Abs. 2 FGO ist gegeben, wenn
er durch die Einspruchsentscheidung formell und materiell-​rechtlich beschwert ist (BFH-​
Urteil in BFHE 225, 4, BStBl II 2009, 732, unter II.2.c aa bbb, m.w.N.). Die formelle
Beschwer setzt voraus, dass der Hinzugezogene Anträge im Verfahren des
Hauptbeteiligten stellt und diese Anträge zurückgewiesen werden (BFH-Urteil in BFHE
160, 123, BStBl II 1990, 696, unter II.A.2.c). Entgegen der Ansicht des FG genügt es nicht,
dass dem Einspruchsbegehren des Hauptbeteiligten nicht entsprochen worden ist.
19 Der gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO zum Einspruchsverfahren hinzugezogene Dritte ist
materiell-rechtlich beschwert, wenn der Steuerbescheid zugunsten des Hauptbeteiligten
geändert wird und damit in verbindlicher Weise gegenüber dem Hinzugezogenen
entschieden ist, welche die diesem gegenüber zu ziehenden "richtigen steuerlichen
Folgen" gemäß § 174 Abs. 4 und 5 AO sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 4, BStBl II 2009,
732, unter II.2.c aa bbb, m.w.N.). Sieht die Finanzbehörde den angefochtenen
Steuerbescheid als rechtmäßig an und weist es daher den Einspruch des
Hauptbeteiligten als unbegründet zurück, beschwert die Einspruchsentscheidung den
hinzugezogenen Dritten materiell-rechtlich nicht. Das FA kann in diesem Fall nicht gemäß
§ 174 Abs. 4 und 5 AO aus der Einspruchsentscheidung den Dritten belastende
Folgerungen ziehen. Dass eine Klage des Hauptbeteiligten gegen den Steuerbescheid
Erfolg haben könnte, begründet abweichend von der Auffassung des FG nicht die
Klagebefugnis des Dritten. Die Beschwer des Hinzugezogenen i.S. des § 40 Abs. 2 FGO
muss sich aus der Einspruchsentscheidung selbst ergeben. Diese ist zusammen mit der
Steuerfestsetzung aufzuheben, wenn die Anfechtungsklage des Hauptbeteiligten Erfolg
hat. Die von der Finanzbehörde in der Einspruchsentscheidung vertretenen Ansichten
sind dann gegenstandslos. Sie können daher keine bindende Wirkung zulasten der zum
Einspruchsverfahren hinzugezogenen Dritten entfalten.
20 b) Der Kläger ist somit durch den Steuerbescheid vom 13. November 2013 und die
Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2013 nicht i.S. des § 40 Abs. 2 FGO beschwert.
Zum einen fehlt es nach Aktenlage an der formellen Beschwer. Das FG hat nicht
festgestellt und aus der Einspruchsentscheidung sowie aus den dem BFH vorgelegten
Akten ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger im Einspruchsverfahren der
Beigeladenen Anträge gestellt habe und diese zurückgewiesen worden seien. Zum
anderen ist der Kläger auch materiell-rechtlich nicht beschwert. Das FA hat in der
Einspruchsentscheidung die Steuerschuldnerschaft der Beigeladenen bejaht und durch
den während des Klageverfahrens ergangenen Steuerbescheid vom 13. November 2013
die festgesetzte Steuer lediglich wegen einer geänderten Bewertung herabgesetzt.
Folgerungen zulasten des Klägers kann das FA somit weder aus der
Einspruchsentscheidung noch aus dem Bescheid vom 13. November 2013 ziehen.
21 c) Die Klagebefugnis des Klägers lässt sich auch nicht aus seiner Stellung als früherer
Gesellschafter der Beigeladenen ableiten. Der Kläger ist nicht Inhaltsadressat des
Steuerbescheids vom 13. November 2013 und der Einspruchsentscheidung vom
14. Februar 2013 und somit dadurch nicht in einer Weise betroffen, die sich als eine
Verletzung seiner eigenen Rechte darstellen könnte (vgl. BFH-Urteil vom 27. August 2003
II R 18/02, BFH/NV 2004, 203).
22 2. Dem Antrag des FA, die übrigen zum Einspruchsverfahren der Beigeladenen
hinzugezogenen Gesellschafter der Beigeladenen gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO
notwendig beizuladen, war nicht stattzugeben. Zwar ist eine notwendige Beiladung im
Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO zulässig. Die Voraussetzungen für
eine notwendige Beiladung sind aber schon deshalb nicht erfüllt, weil die Klage des
Klägers wegen fehlender Beschwer (§ 40 Abs. 2 FGO) offensichtlich unzulässig ist (vgl.
BFH-Beschlüsse vom 26. August 2013 IV B 62/13, BFH/NV 2013, 1940, Rz 14, und vom
7. Mai 2014 II B 117/13, BFH/NV 2014, 1232, Rz 23, je m.w.N.).
23 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die außergerichtlichen Kosten
der Beigeladenen sind nicht gemäß § 139 Abs. 4 FGO aus Billigkeit dem Kläger
aufzuerlegen; denn sie hat sich im vorliegenden Verfahren nicht geäußert.