Urteil des BFH vom 30.11.2011

Grundstücksschenkung an ein Kind bei anschließender Weiterschenkung als Zuwendung an das Schwiegerkind

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 30.11.2011, II B 60/11
Grundstücksschenkung an ein Kind bei anschließender Weiterschenkung als Zuwendung an
das Schwiegerkind
Tatbestand
1 I. Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist mit S verheiratet.
2 S erhielt von seinem Vater (V) mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30. Juni 2010
(URNr. 1175/2010 B) einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück A, verbunden mit dem
Sondereigentum an der Wohnung Nr. 1 zum Alleineigentum. Die Vertragsteile waren sich
über den Eigentumsübergang einig und beantragten entsprechend der Bewilligung des V
die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch. Eine Auflassungsvormerkung wurde
nicht eingetragen. S räumte zugunsten des V ein Nutzungsrecht an einem zur Wohnung
gehörenden Raum ein und verpflichtete sich, an seinen Bruder 50.000 EUR zur Abfindung
von dessen väterlichen Pflichtteilsansprüchen zu zahlen. Die Überlassung des
Miteigentumsanteils am Grundstück an S sollte unentgeltlich erfolgen, soweit dessen Wert
die von S zu erbringenden Gegenleistungen übersteigen sollte. S hatte sich die
unentgeltliche Zuwendung auf seine Pflichtteilsansprüche anrechnen zu lassen; eine
Ausgleichspflicht nach §§ 2050 Abs. 3, 2052 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sollte nicht
bestehen. S verzichtete mit Wirkung für sich und seine Abkömmlinge gegenüber V auf
seine Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche bei dessen Ableben. V war
berechtigt, die unentgeltliche Rückauflassung des Vertragsobjekts u.a. dann zu verlangen,
wenn S dieses zu Lebzeiten des V ohne dessen Zustimmung veräußern sollte. Im Hinblick
darauf stimmte V der Veräußerung eines Hälfteanteils an dem S übertragenen
Miteigentumsanteil an die Klägerin unwiderruflich zu.
3 Mit notarieller Urkunde ebenfalls vom 30. Juni 2010 (URNr. 1176/2010 B) übertrug S als
ehebezogene Zuwendung ohne besonderes Entgelt die Hälfte seines mit dem
Sondereigentum an der Wohnung Nr. 1 verbundenen Miteigentumsanteils an dem
Grundstück auf die Klägerin. Die Vertragsteile erklärten die Auflassung und beantragten
die Eintragung der Ehegatten als Miteigentümer im Grundbuch. Auf die
Zwischeneintragung des S als Alleineigentümer wurde verzichtet. Dem S wurde das Recht
eingeräumt, im Fall der Scheidung oder bei einem Vorversterben der Klägerin die
Zuwendung zurückzuverlangen.
4 Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ging davon
aus, dass V jeweils einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück dem S und der
Klägerin freigebig zugewendet habe. Für die Zuwendung an die Klägerin setzte das FA
ausgehend von einem geschätzten Grundbesitzwert mit Bescheid vom 16. November 2010
Schenkungsteuer in Höhe von 23.200 EUR gegen die Klägerin fest. Der Einspruch blieb
ohne Erfolg. Das Klageverfahren ist beim Finanzgericht (FG) unter dem Az. X anhängig.
5 Den Antrag der Klägerin, die Vollziehung des Schenkungsteuerbescheids auszusetzen,
lehnten das FA und das FG ab. Das FG führte zur Begründung seines Beschlusses aus,
dass ein Zwischenerwerber schenkungsteuerrechtlich nicht bereichert sei, wenn er den
Gegenstand sogleich weiterschenke, selbst wenn zivilrechtlich zwei Zuwendungen
anzunehmen seien. Bei einer solchen Kettenschenkung seien regelmäßig Personen
beteiligt, die enge persönliche Beziehungen zueinander hätten. Die Weitergabe des
geschenkten Gegenstands sei zwischen den Beteiligten abgestimmt und durch Verträge
vorbereitet. Der Zwischenerwerb führe deshalb nicht zu einer Steigerung der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
6 Mit der Beschwerde verfolgt die Klägerin ihr Aussetzungsbegehren weiter. Zur Begründung
trägt sie vor, dass die Übertragungsvorgänge voneinander unabhängig seien. S habe ihr
aufgrund seiner eigenen Entscheidung einen hälftigen Anteil an dem Miteigentumsanteil
am Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 1 übertragen.
Zum Zeitpunkt dieser Übertragung sei S bereits hinsichtlich des gesamten ihm
überlassenen Miteigentumsanteils am Grundstück bereichert gewesen, weil er
uneingeschränkt darüber habe verfügen können. V habe bei der Überlassung an S keine
Auflagen zur Verwendung oder Nutzung des Grundstücks gemacht.
7 Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Vollziehung
des Schenkungsteuerbescheids vom 16. November 2010 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2011 ab Fälligkeit bis zum Abschluss des
Klageverfahrens vor dem FG München auszusetzen.
8 Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
9 II. Die Beschwerde ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben; die Vollziehung
des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids ist ab Fälligkeit bis zum Abschluss des
Klageverfahrens beim FG auszusetzen. Entgegen der Auffassung des FG ist es ernstlich
zweifelhaft, dass die Übertragung des Miteigentumsanteils am Grundstück durch V auf S
und die anschließende Übertragung eines hälftigen Anteils am Miteigentumsanteil durch
S auf die Klägerin aus schenkungsteuerrechtlicher Sicht eine freigebige Zuwendung
eines hälftigen Miteigentumsanteils von V an die Klägerin beinhaltet.
10 1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der
Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise
aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche
Zweifel sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen
Steuerbescheids neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen
gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der
Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. August 2010 I B 49/10, BFHE 230, 445, BStBl II 2011,
826).
11 2. Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) des
angefochtenen Schenkungsteuerbescheids erfüllt. Eine freigebige Zuwendung des V an
die Klägerin liegt nicht vor.
12 a) Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) gilt
als Schenkung jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch
sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
13 Bei der Prüfung der Frage, wer als Zuwendender und Bedachter an einer freigebigen
Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG beteiligt ist, kommt es ausschließlich auf die
Zivilrechtslage an; denn die Schenkungsteuer ist eine Verkehrsteuer (vgl. BFH-Urteil vom
9. Dezember 2009 II R 22/08, BFHE 228, 165, BStBl II 2010, 363, unter II.1.a aa). Wird
dem Bedachten der Schenkungsgegenstand nicht unmittelbar von dessen
ursprünglichem Inhaber zugewendet, sondern noch ein Dritter zwischengeschaltet, kommt
es für die Bestimmung der Person des Zuwendenden darauf an, ob der Dritte über eine
eigene Entscheidungsmöglichkeit hinsichtlich der Verwendung des
Schenkungsgegenstands verfügte (BFH-Urteile vom 13. Oktober 1993 II R 92/91, BFHE
172, 520, BStBl II 1994, 128; vom 10. März 2005 II R 55/03, BFH/NV 2005, 1309).
Maßgeblich für die Beurteilung sind insoweit die Ausgestaltung der Verträge unter
Einbeziehung ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie die mit der
Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Ziele der Parteien. Die Verpflichtung zur
Weitergabe kann sich damit aus einer ausdrücklichen Vereinbarung im
Schenkungsvertrag oder aus den Umständen ergeben (vgl. Piltz, Zeitschrift für Erbrecht
und Vermögensnachfolge --ZEV-- 1994, 55).
14 Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend
einer bestehenden Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergibt, liegt
schenkungsteuerrechtlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an
den Dritten vor (vgl. BFH-Urteil in BFHE 172, 520, BStBl II 1994, 128). Wegen der
Verpflichtung zur Weitergabe besteht keine Bereicherung der Mittelsperson aus dem
Vermögen des Zuwendenden; eine Schenkung der Mittelsperson an den Dritten kommt
nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 172, 520, BStBl II 1994, 128).
15 Wendet der Bedachte den ihm zugewendeten Gegenstand ohne Veranlassung des
Zuwendenden und ohne rechtliche Verpflichtung freigebig einem Dritten zu, scheidet die
Annahme einer Schenkung des Zuwendenden an den Dritten aus. Dies gilt auch dann,
wenn der Zuwendende weiß oder damit einverstanden ist, dass der Bedachte den
zugewendeten Gegenstand unmittelbar im Anschluss an die Schenkung an einen Dritten
weiterschenkt (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1962 II 218/59 U, BFHE 74, 554, BStBl III
1962, 206).
16 Nach diesen Grundsätzen ist auch zu entscheiden, wer Zuwendender und Bedachter ist,
wenn Eltern ein Grundstück schenkweise auf ein Kind übertragen und das Kind
unmittelbar im Anschluss an die ausgeführte Schenkung einen Miteigentumsanteil an
dem erhaltenen Grundstück an seinen Ehegatten weiterschenkt. In solchen Fällen kann,
wenn das Kind nicht zur Weiterschenkung verpflichtet ist und die Eltern die Weitergabe
des Miteigentumsanteils am Grundstück nicht veranlasst haben, entgegen der Auffassung
des FG schenkungsteuerrechtlich regelmäßig nicht von einer Zuwendung der Eltern an
das Schwiegerkind ausgegangen werden.
17 b) Im Streitfall ist eine der Schenkungsteuer unterliegende Zuwendung des V an die
Klägerin nicht gegeben. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass zivilrechtlich zwei
Schenkungen vorliegen, und zwar eine Zuwendung des Miteigentumsanteils am
Grundstück durch den Übergeber V an seinen Sohn S, soweit der Wert des
Miteigentumsanteils den Wert des Nutzungsrechts zugunsten des V und die an den
Bruder zu zahlende Abfindung übersteigt, und eine Zuwendung des hälftigen
Miteigentumsanteils am Grundstück durch S an seine Ehefrau, die Klägerin.
18 V hat den gesamten Miteigentumsanteil am Grundstück seinem Sohn S und nicht anteilig
seiner Schwiegertochter, der Klägerin, zugewendet. Die Schenkung des V an S war
bereits ausgeführt, als S den zugewendeten Miteigentumsanteil am Grundstück zur Hälfte
auf die Klägerin übertragen hat. Eine ausgeführte Grundstücksschenkung setzt --was
vorliegend gegeben war-- ein wirksames Schenkungsversprechen, die Auflassung und
die Eintragungsbewilligung voraus (vgl. Viskorf, Finanz-Rundschau 2005, 854). Die
Eintragung des S im Grundbuch war hierfür nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 26.
September 1990 II R 150/88, BFHE 163, 214, BStBl II 1991, 320).
19 Der zwischen V und S geschlossene Überlassungsvertrag enthielt keine Verpflichtung
des S zur Weiterübertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück auf die
Klägerin. Es sind ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass V den S zu einer
Weiterübertragung auf die Klägerin veranlasst haben könnte. Eltern haben regelmäßig
kein Interesse daran, ihre Grundstücke im Wege der vorweggenommenen Erbfolge nicht
auf ihre Kinder, sondern unmittelbar auf Schwiegerkinder zu übertragen (vgl. Schuck in
Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz,
3. Aufl., § 7 ErbStG Rz 94; Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 3. Aufl., §
7 Rz 127; Gebel, ZEV 2005, 263, 264;
Reymann, ZEV 2006, 55; Spiegelberger, Festschrift für Spindler 2011, 809, unter II.4.).
Das gilt insbesondere dann, wenn --wie im Streitfall-- für bestimmte Fälle ein
Rückübertragungsanspruch des zuwendenden Elternteils gegenüber dem bedachten
Kind vereinbart wird. Insoweit ist unerheblich, dass auch bei einer Zuwendung von Eltern
an das Schwiegerkind nach Scheitern der Ehe Rückforderungsansprüche der Eltern nach
den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und nach Bereicherungsrecht
entstehen können (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. Februar 2010 XII ZR 189/06,
BGHZ 184, 190). Denn diese Rückforderungsansprüche betreffen das Verhältnis der
Eltern zum Schwiegerkind und nicht das Verhältnis zum eigenen Kind.
20 Eine freigebige Zuwendung des V an die Klägerin kann nicht im Hinblick darauf
angenommen werden, dass V der Veräußerung eines hälftigen Miteigentumsanteils am
Grundstück durch S an die Klägerin zugestimmt hat. Selbst wenn sich die Zustimmung zur
Veräußerung, also zu einer entgeltlichen Übertragung, auf eine unentgeltliche
Überlassung erstreckt haben sollte, kann ein bloßes Einverständnis des V mit der
Weiterübertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils durch S auf die Klägerin keine
Zuwendung des V an die Klägerin begründen.
21 Außerdem spricht gegen eine solche Zuwendung, dass nach den abgeschlossenen
Verträgen S für die Überlassung des Miteigentumsanteils an dem Grundstück an seinen
Bruder 50.000 EUR zu zahlen hatte, während die Klägerin den hälftigen
Miteigentumsanteil ohne besonderes Entgelt erhalten hat. Die Bereicherung der Klägerin
um den Wert des hälftigen Miteigentumsanteils beruht ausschließlich auf der Zuwendung
des S, der die Zahlungsverpflichtung gegenüber seinem Bruder nicht anteilig auf die
Klägerin abgewälzt hat.
22 c) Bei der summarischen Prüfung im Rahmen des Verfahrens wegen AdV kann
dahinstehen, wie die im Vertrag zwischen V und S vereinbarte Anrechnung der
unentgeltlichen Zuwendung auf seine "Pflichtteilsansprüche" (Tz IV.3. der notariellen
Urkunde) zu verstehen ist. Denn S hat gegenüber V auf seine gesetzlichen
Pflichtteilsansprüche bei dessen Ableben verzichtet.
23 d) Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch (§ 42 der Abgabenordnung) liegen
nicht vor.