Urteil des BFH vom 09.02.2017

Grunderwerbsteuer bei Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 9.2.2017, II B 38/15
ECLI:DE:BFH:2017:B.090217.IIB38.15.0
Grunderwerbsteuer bei Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 5. März
2015 4 K 410/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Gründe
für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen.
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a) Entgegen der Auffassung der Kläger weicht das Urteil des Finanzgerichts (FG) nicht von der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. Mai 1984 1 BvR 464/81 (BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608) ab,
wonach § 3 Nr. 2 Satz 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass
bei belastet erworbenem Vermögen im Ausmaß der Belastung neben der Schenkungsteuer keine
Grunderwerbsteuer zu erheben sei.
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Die Kläger rügen in diesem Zusammenhang, dass bei Auflagenschenkungen gemäß § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG
Grunderwerbsteuer anfällt, soweit die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage wegen der fehlenden
Begrenzung des Werts der Auflage nach § 17 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 16 des Bewertungsgesetzes (BewG) höher ist
als der Wert, mit dem die Auflage schenkungsteuerrechtlich gemäß § 16 BewG abgezogen wird.
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b) Die Entscheidung des BVerfG (Beschluss in BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608) ist zu einer anderen Rechtslage
ergangen. Danach war im Falle der Schenkung eines Grundstücks unter Auflage eine doppelte Besteuerung der
Auflage mit Grunderwerbsteuer und Schenkungsteuer möglich.
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Das der Entscheidung des BVerfG zugrunde liegende Verfahren betraf die Festsetzung von Grunderwerbsteuer für
ein im Jahr 1979 freigebig zugewendetes Grundstück, das zugunsten des Schenkers mit einem lebenslänglichen
Nießbrauch belastet war. Hinsichtlich der Schenkungsteuer war § 25 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der bis einschließlich 31. Dezember 2008 geltenden Fassung anzuwenden,
nach dem der Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen dem Schenker zustehen, ohne Berücksichtigung dieser
Belastungen besteuert wird. Die Belastung (Nießbrauch zugunsten des Schenkers) war bei der Ermittlung der
Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer nicht abzugsfähig. Gleichzeitig unterlag die Belastung jedoch der
Grunderwerbsteuer. Nach der Entscheidung des BVerfG sprach der Wortlaut des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG (in der
damals geltenden Fassung) dafür, dass Belastungen, die wegen ihrer Nichtabzugsfähigkeit mittelbar
Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- oder Schenkungsteuer sind, nicht noch einmal Bemessungsgrundlage für
die Grunderwerbsteuer sein sollen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608, unter C.IV.1.).
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Demgegenüber ist im Streitfall, der Auflagenschenkungen im Jahr 2010 betrifft, § 25 ErbStG nicht mehr
anzuwenden. Die Vorschrift wurde mit Wirkung ab 2009 aufgehoben (Art. 1 Nr. 20 des
Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009 vom 24. Dezember 2008, BGBl I 2008, 3018, BStBl I 2009, 140). Die
Auflage, im Streitfall der Nießbrauch zugunsten der Schenkerin, war bei der Schenkungsteuer als Belastung
abziehbar.
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Soweit aufgrund der unterschiedlichen Bewertungsvorschriften der Wert der Auflage, der der Bemessung der
Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen ist, wegen § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG höher ist als der bei der
Schenkungsteuer abziehbare Wert, ist dies auch aus verfassungsrechtlicher Sicht zumutbar (Urteil des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. November 2013 II R 38/12, BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479). Aus der
Entscheidung des BVerfG (Beschluss in BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608, unter C.IV.2.) kann nicht abgeleitet
werden, dass Auflagen bei einer Grundstücksschenkung aus verfassungsrechtlichen Gründen bei der
Grunderwerbsteuer und der Erbschaft- und Schenkungsteuer nach den gleichen Maßstäben zu bemessen und stets
mit dem gleichen Wert anzusetzen sind.
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c) Der Wortlaut des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG i.d.F. des Art. 7 Nr. 2 des Jahressteuergesetzes 1997 vom
20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049), den der Gesetzgeber aufgrund der Entscheidung des BVerfG (Beschluss
in BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608, unter C.IV.) neu gefasst hat, bestätigt dieses Ergebnis.
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Die Vorschrift stellt ihrem Wortlaut nach allein darauf ab, dass die Auflage bei der Schenkungsteuer "abziehbar ist".
Damit ist keine korrespondierende Bewertung einer Belastung im ErbStG und GrEStG gemeint. Der Gesetzgeber
hat mit dieser Gesetzesfassung klargestellt, dass Auflagen, die bei der Schenkungsteuer nicht abziehbar sind,
sondern nur zu einer Stundung der Steuer nach § 25 des ErbStG a.F. führen, der Bemessung der
Grunderwerbsteuer nicht zugrunde gelegt werden dürfen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479).
Hätte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass eine Schenkung unter einer Auflage nur insoweit der
Grunderwerbsteuer unterliegt, als der Wert der Auflage bei der Schenkungsteuer tatsächlich abgezogen wurde,
hätte er dies durch eine entsprechende Formulierung regeln können und müssen.
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d) Im Übrigen sind die Kläger nach dem Ergebnis des Verfahrens auch tatsächlich keiner Doppelbesteuerung
ausgesetzt worden. Denn neben der Grunderwerbsteuer ist --wie den Schenkungsteuerbescheiden vom
4. November 2011 zu entnehmen ist-- keine Schenkungsteuer festgesetzt worden.
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2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder zur
Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.
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a) Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder zur Fortbildung des Rechts
erfordert u.a., dass die aufgeworfene Frage im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und
Handhabung des Rechts klärungsbedürftig und im konkreten Fall auch klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung,
vgl. BFH-Beschluss vom 12. August 2015 III B 50/15, BFH/NV 2015, 1670). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es,
wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung
beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und
Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (vgl. BFH-Beschluss vom 19. September
2016 X B 159/15, BFH/NV 2017, 54, Rz 20, m.w.N.).
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b) Die Rechtsfrage, ob bei Auflagenschenkungen gemäß § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG (der Höhe nach)
Grunderwerbsteuer auch auf den anteiligen Wert der Auflage anfällt, um den die grunderwerbsteuerrechtliche
Bemessungsgrundlage der Auflage gemäß § 16 i.V.m. § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG die schenkungsteuerrechtliche
Bemessungsgrundlage der Auflage gemäß § 16 BewG übersteigt, ist bereits höchstrichterlich geklärt (BFH-Urteil in
BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479). Neue, bisher nicht berücksichtigte Gesichtspunkte sind weder vorgetragen
worden noch sonst erkennbar.
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c) Entsprechendes gilt für die von den Klägern weiter aufgeworfene Rechtsfrage, ob bei Auflagenschenkungen
gemäß § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG in Fällen, in denen der nach Abzug des Werts der Auflage verbleibende
steuerpflichtige Erwerb gemäß § 10 ErbStG geringer ist als die Summe der Steuerbefreiung gemäß § 13c ErbStG
und des Freibetrags gemäß § 16 ErbStG, der nicht verbrauchte Teil der Summe der Freibeträge von der nach den
Vorschriften des GrEStG ermittelten Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer in Abzug zu bringen ist.
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Eine solche Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer findet weder in § 3 Nr. 2 Satz 2
GrEStG noch in § 8 und § 9 GrEStG einen Anhaltspunkt. Die Festsetzung von Schenkungsteuer einerseits und von
Grunderwerbsteuer andererseits haben verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich grundsätzlich unabhängig
voneinander nach den jeweils geltenden Vorschriften zu erfolgen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juli 2016 II R 57/14, BFHE
254, 81, BStBl II 2016, 897).
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d) Aus den gleichen Gründen ist die Revision nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen, da es
sich bei dem Erfordernis einer Revisionsentscheidung zur Rechtsfortbildung um einen Unterfall des
Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 22. August 2011 III B 192/10,
BFH/NV 2011, 2043).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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4. Die Entscheidung ergeht im Übrigen gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe,
insbesondere ohne Darstellung des Tatbestands.