Urteil des BFH vom 14.10.2015

Aufwendungen für eine Golfturnierreihe als abziehbare Betriebsausgaben

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 14.10.2015, I R 74/13
Aufwendungen für eine Golfturnierreihe als abziehbare Betriebsausgaben
Leitsätze
Zwar können durch das Veranstalten eines Golfturniers veranlasste Aufwendungen einen
den Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten "ähnlichen
Zweck" erfüllen und dadurch den Betriebsausgabenabzugsausschluss nach § 4 Abs. 5 Satz
1 Nr. 4 EStG 2002 auslösen. Dies gilt aber nicht für Aufwendungen im Zusammenhang mit
einer Golfturnierreihe (20 Veranstaltungen) mit freier Teilnahmemöglichkeit für jeden
Interessenten, zu deren Finanzierung sich ein Brauereibetrieb gegenüber seinen
Geschäftspartnern (hier: Vereine bzw. Gastronomiebetriebe) im Rahmen von
Bierliefervereinbarungen vertraglich verpflichtet.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 19.
September 2013 6 K 38/12 aufgehoben.
Die Körperschaftsteuer 2005 bis 2007 und die Gewerbesteuermessbeträge 2004 bis 2007
werden unter Abänderung der angefochtenen Bescheide auf jeweils den Betrag festgesetzt,
der sich ergibt, wenn Aufwendungen in Höhe von 32.782 EUR (2004), 43.599 EUR (2005),
35.649 EUR (2006) und 44.580 EUR (2007) als abziehbare Betriebsausgaben angesetzt
werden.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
1 I. Streitig ist, ob Aufwendungen im Zusammenhang mit Golfturnieren als nicht
abziehbare Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes
--EStG 2002--) anzusehen sind.
2 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb in den Streitjahren
2004 bis 2007 eine Brauerei; sie hatte in jenen Jahren ein vom Kalenderjahr
abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober bis 30. September des Folgejahres
(§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG 2002 i.V.m. § 7 Abs. 4 Satz 1, 2 des
Körperschaftsteuergesetzes --KStG 2002--). Im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit
schloss sie u.a. mit Betreibern von Golfplätzen (Vereinen) und den Betreibern der
angeschlossenen Gastronomiebetriebe Verträge über die Lieferung von Getränken
(insbesondere Bier). Dabei hatte sie sich (grundsätzlich bereits bei Abschluss der
Liefervereinbarungen) verpflichtet, Golfturniere durchzuführen und die Durchführung
solcher Turniere durch die Golfvereine finanziell zu unterstützen (in der Regel ein
Turnier pro Jahr). Dies erfolgte im Rahmen einer Golfturnierreihe ("X Cup") mit in den
Streitjahren durchschnittlich 20 Turnieren pro Jahr. Die Vereine übernahmen die
Organisation, die Ausschreibung sowie die Turnierausrichtung und luden zur
Teilnahme ein. Einzelheiten zu den Preisen und der Verpflegung sprach ein
Außendienstmitarbeiter der Klägerin mit dem Spielführer bzw. Präsidenten sowie mit
der Gastronomie des jeweiligen Klubs ab. Nach eigenen Angaben der Klägerin hatte
sie keinen Einfluss auf die Teilnehmerliste. Die Teilnehmer der Turniere meldeten sich
auf die Ausschreibungen der Vereine zur Teilnahme an. Es nahmen sowohl Mitglieder
der ausschreibenden Klubs als auch Gäste aus anderen Vereinen teil. Die
Siegerehrung erfolgte in der Regel durch einen Vertreter der Klägerin. Jene übernahm
die Kosten für die Platzmiete, die Verpflegung und die Preise nach jeweiliger
Rechnungstellung durch die Vereine (jeweils etwa 2.000 EUR bis 3.000 EUR pro
Turnier; Gesamtbeträge: 32.782 EUR [2004]; 43.599 EUR [2005]; 35.649 EUR [2006];
44.580 EUR [2007]). Gemäß den Bierliefervereinbarungen brachten die Golfvereine im
Gegenzug beim "X Cup", während der anderen Golfturniere sowie in der
angeschlossenen Gastronomie das gesamte Jahr über das Bier und weitere Getränke
der Klägerin zum Ausschank.
3 Die Klage gegen geänderte Festsetzungen zur Körperschaftsteuer (2005 bis 2007) und
den Gewerbesteuermessbeträgen (2004 bis 2007) unter Ansatz von nicht abziehbaren
Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002,
§ 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes 2002) blieb erfolglos (Niedersächsisches
Finanzgericht --FG--, Urteil vom 19. September 2013 6 K 38/12, abgedruckt in
Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 122).
4 Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuer bzw. die
Gewerbesteuermessbeträge der Streitjahre ohne den Ansatz nichtabziehbarer
Betriebsausgaben (Aufwendungen "X Cup") festzusetzen.
5 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
6 II. Die Revision ist begründet; das FG hat im angefochtenen Urteil die streitigen
Betriebsausgaben zu Unrecht als nicht abziehbare Betriebsausgaben i.S. des § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 angesehen. Die Revision führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--).
7 1. Die Aufwendungen für die Golfturniere sind keine gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4
EStG 2002 nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben, die bei der Einkommens- bzw.
Gewerbeertragsermittlung wieder hinzuzurechnen sind.
8 a) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 dürfen Aufwendungen für Jagd oder
Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die
hiermit zusammenhängenden Bewirtungen den Gewinn nicht mindern. Unter den
Begriff der Aufwendungen für "ähnliche Zwecke" im Sinne dieser Vorschrift fallen
Aufwendungen, die der sportlichen Betätigung, der Unterhaltung von
Geschäftsfreunden, der Freizeitgestaltung oder der Repräsentation dienen
(Senatsurteile vom 3. Februar 1993 I R 18/92, BFHE 170, 537, BStBl II 1993, 367;
vom 7. Februar 2007 I R 27-29/05, BFHE 216, 536). Jene Aufwendungen können
durch eine entsprechende Einrichtung, die Ausübung der Tätigkeiten oder die
Benutzung der Einrichtungen entstehen. Es ist ohne Bedeutung, ob es sich um eigene
oder gepachtete Einrichtungen handelt. Auch Aufwendungen für die Nutzung fremder
Anlagen oder Wirtschaftsgüter fallen unter das Abzugsverbot (Senatsurteil in BFHE
170, 537, BStBl II 1993, 367; s.a. Bode in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 4 Rz 210;
Schmidt/ Heinicke, EStG, 34. Aufl., § 4 Rz 567; Söhn in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff,
EStG, § 4 Rz J 18; Stapperfend in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 4 EStG Rz 1320;
Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 753).
9 b) Das Abzugsverbot wurde geschaffen, weil der Gesetzgeber die genannten
Ausgaben "ihrer Art nach als überflüssige und unangemessene Repräsentation"
ansah und "im Interesse der Steuergerechtigkeit und des sozialen Friedens" den
Aufwand "nicht länger durch den Abzug ... vom steuerpflichtigen Gewinn auf die
Allgemeinheit abgewälzt" wissen wollte (Begründung zum Regierungsentwurf des
Steueränderungsgesetzes 1960, BTDrucks III/1811, S. 8; in Bezug auf den damaligen
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 [heute Nr. 4] EStG bestätigt durch die Stellungnahme des
Finanzausschusses, BTDrucks III/1941, S. 3). Ungeachtet ihrer betrieblichen
Veranlassung dürfen die Ausgaben danach bei der Ermittlung des Gewinns nicht
abgezogen werden. Eines konkret feststellbaren Zusammenhangs mit der
Lebensführung des Steuer-pflichtigen bedarf es dafür nicht. Vielmehr stellt das
Gesetz auf den Zusammenhang der Aufwendungen mit der wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Stellung der Geschäftsfreunde des Steuerpflichtigen ab und
unterstellt diesen Zusammenhang bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 4 EStG 2002. Insoweit wird der (mögliche) Streit um die private
Veranlassung der Aufwendungen typisierend "erledigt" (Hey in Tipke/Lang,
Steuerrecht, 22. Aufl., § 8 Rz 291). Deshalb gilt das Abzugsverbot auch für
Körperschaftsteuersubjekte, die nach der Rechtsprechung des Senats keine
außerbetriebliche Sphäre haben können (vgl. etwa Senatsurteile in BFHE 170, 537,
BStBl II 1993, 367, und in BFHE 216, 536, jeweils betreffend eine GmbH). Soweit in
der Versagung des Abzugs der Ausgaben ein Verstoß gegen das sog. objektive
Nettoprinzip liegt, ist dieser jedenfalls durch den typisiert angenommenen
Zusammenhang mit der Lebensführung des Steuerpflichtigen oder seiner
Geschäftsfreunde gerechtfertigt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. August
2012 IV R 25/09, BFHE 238, 132, BStBl II 2012, 824; zustimmend z.B. Bode in
Kirchhof, a.a.O., § 4 Rz 209; Hey, a.a.O., § 8 Rz 291; Stapperfend in Herrmann/
Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1301).
10 c) Vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG
2002 allerdings einschränkend dahingehend ausgelegt, dass das Abzugsverbot nur
für solche Aufwendungen gelten soll, die eine Berührung zur Lebensführung und zur
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung der durch sie begünstigten
Geschäftsfreunde des Steuerpflichtigen haben (Senatsurteil in BFHE 170, 537, BStBl
II 1993, 367, unter II.2.; s.a. Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 754). Der den Eingriff in das
sog. objektive Nettoprinzip rechtfertigende Typisierungsspielraum des Gesetzgebers
ist überschritten, wenn und soweit eine private Mitveranlassung nicht typisierend
angenommen werden kann (Hey, a.a.O., § 8 Rz 292). Scheidet danach etwa die
Verwendung eines Schiffs zu Unterhaltungs- oder sportlichen Zwecken oder zur
unangemessenen Repräsentation aus tatsächlichen Gründen aus, weil das Schiff als
"schwimmender Besprechungsraum" oder reines Transportmittel genutzt wird,
werden die betreffenden Aufwendungen nicht von dem Abzugsverbot erfasst
(Senatsurteil in BFHE 170, 537, BStBl II 1993, 367). Auch Kosten für Fahrten
zwischen Wohnung und Betriebsstätte mit einem Schiff sind nicht nach § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 insgesamt vom Abzug ausgeschlossen (BFH-Urteil vom
10. Mai 2001 IV R 6/00, BFHE 195, 323, BStBl II 2001, 575). Kann hingegen nicht
ausgeschlossen werden, dass ein Schiff zu Unterhaltung, Sport oder Repräsentation
eingesetzt wird, greift das Abzugsverbot ein (BFH-Urteil in BFHE 238, 132, BStBl II
2012, 824; s.a. Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 754; Nacke in Littmann/Bitz/ Pust, Das
Einkommensteuerrecht, §§ 4, 5, Rz 1707).
11 d) Die der Klägerin entstandenen Aufwendungen für die Golfturniere unterliegen
danach nicht dem Abzugsverbot.
12 aa) Das FG hat im angefochtenen Urteil allerdings maßgeblich auf den
Vereinfachungszweck der Regelung abgestellt (s. insoweit auch Senatsurteil in BFHE
216, 536; Hessisches FG, Urteil vom 22. Mai 2013 11 K 1165/12, EFG 2013, 1477):
Es widerspräche diesem Zweck, wenn für die Frage des Abzugs der im
Zusammenhang mit der Ausrichtung der Golfturniere anfallenden Kosten zu prüfen
wäre, ob die Anbahnung und Förderung von Geschäftsabschlüssen im Vordergrund
gestanden habe oder ob diese der Unterhaltung von Geschäftsfreunden oder der
Befriedigung einer Neigung des Unternehmers gedient habe. Die auf Kosten der
Klägerin durchgeführten Golfturniere dienten jedenfalls auch der sportlichen
Betätigung der Teilnehmer und der Repräsentation des klägerischen Unternehmens.
13 bb) Entgegen der Auffassung des FG reicht ein mittelbarer Zusammenhang der
Aufwendungen mit einer sportlichen Betätigung der Teilnehmer oder die Würdigung
der Turnierreihe als Repräsentation des klägerischen Unternehmens für den
Tatbestand des Abzugsausschlusses indessen nicht aus. Denn es fehlt im Streitfall
ein möglicher (sportlicher/gesellschaftlicher) Nutzen für Gesellschafter oder
Geschäftsfreunde der Klägerin (s. insoweit auch BFH-Beschluss vom 29. Dezember
2008 X B 123/08, BFH/NV 2009, 752, zu 2. der Gründe a.E.; Hessisches FG, Urteil in
EFG 2013, 1477). Zwar können auch durch das Veranstalten eines Golfturniers
veranlasste Aufwendungen entsprechend der vom Rechtsanwender anzustellenden
"Ähnlichkeitswertung" (Crezelius, Finanz-Rundschau 2008, 889, 895) einen den
Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten "ähnlichen
Zweck" erfüllen. Dies gilt aber nicht für die Ausrichtung einer Golfturnierreihe
(20 Veranstaltungen), zu der sich ein Unternehmen (hier eine Brauerei) gegenüber
den Geschäftspartnern (hier: Vereine bzw. Gastronomiebetriebe) im Zusammenhang
mit laufenden Geschäftskontrakten --wie hier den Bierliefervereinbarungen--
vertraglich verpflichtet hat. Die Durchführung der Turniere ist in einer solchen Situation
als eine Art Preisbestandteil anzusehen.
14 Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sind die einzelnen Turniere zwar Teil
eines einheitlichen und aus der Außensicht dem Unternehmen der Klägerin
zuzuordnenden Wettbewerbs ("X Cup"), was nicht zuletzt auch durch die von einem
Vertreter der Klägerin durchgeführte Siegerehrung zum Ausdruck kommt. Die
organisatorische Verantwortung obliegt allerdings den einzelnen Klubs, die
insbesondere durch eine offene Ausschreibung zur Teilnahme an einen nicht
eingeschränkten Interessentenkreis einen von dem unternehmerischen Bereich der
Klägerin (Gesellschafter, Geschäftspartner, Geschäftsfreunde) unabhängigen
Teilnehmerkreis jedes einzelnen Turniers gewährleisten. Auf dieser Grundlage --und
damit abweichend insbesondere zu den Sachumständen zum Urteil des Hessischen
FG in EFG 2013, 1477-- ist der sportliche/gesellschaftliche Nutzen der
Turnierteilnahme von diesem unternehmerischen Bereich der Klägerin gelöst: Ein
Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Stellung von z.B. Geschäftsfreunden der
Klägerin ist rein zufällig und fällt zahlenmäßig (gerade mit Blick auf die Anzahl der
dem Wettbewerb zuzuordnenden Turniere) nicht ins Gewicht. Die Turniere dienen
angesichts der freien Teilnahmemöglichkeit für jeden Interessenten nicht --über die
betriebliche Veranlassung (Bierliefervereinbarungen; Werbeeffekt) hinausgehend--
zusätzlich einem besonderen Repräsentationszweck gegenüber dem Personenkreis,
der Zielpunkt des Abzugsausschlusses ist. Vielmehr dienen die Turniere
ausschließlich dazu, die Verpflichtung der Klägerin aus den Bierliefervereinbarungen
zu erfüllen und im Zusammenhang mit den Veranstaltungen den Fortbestand der
Liefermöglichkeiten auch für die Zukunft zu sichern.
15 2. Die Berechnung der Körperschaftsteuer bzw. der Gewerbesteuermessbeträge der
Streitjahre nach Maßgabe der Entscheidungsgründe wird dem FA übertragen (§ 121
Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
16 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.