Urteil des BFH vom 28.01.2016

Negative Hinzurechnung der Verlustübernahme eines stillen Gesellschafters

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 28.1.2016, I R 15/15
Negative Hinzurechnung der Verlustübernahme eines stillen Gesellschafters
Leitsätze
Die Betragsgrenze für die Hinzurechnung (§ 8 Nr. 1 GewStG 2002 i.d.F. des UntStRefG 2008) von 100.000 EUR ist im
Fall einer negativen Summe der hinzuzurechnenden Finanzierungsanteile nicht spiegelbildlich anzuwenden. Lautet daher
die Summe der Einzelhinzurechnungsbeträge auf einen Betrag zwischen ./. 1 EUR und ./. 100.000 EUR, dann ist ein
Viertel dieser Summe dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (negativ) hinzuzurechnen.
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 29. Januar 2015 4 K 1292/10 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, streitet mit dem Beklagten und Revisionskläger
(Finanzamt --FA--) über die Nichtberücksichtigung sog. negativer Hinzurechnungen gemäß § 8 Nr. 1 des
Gewerbesteuergesetzes 2002 i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes (UntStRefG) 2008 vom 14. August
2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) --GewStG 2002 n.F.-- in Bezug auf Verlustanteile eines typisch stillen
Gesellschafters.
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Die Klägerin erklärte für das Streitjahr 2008 einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 466 EUR. Des Weiteren
gab sie Finanzierungskosten nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F. in Höhe von ./. 3.217 EUR an. Der negative
Hinzurechnungsbetrag von ./. 3.217 EUR ergab sich aus einer Saldierung von Schuldzinsen (+ 1.589 EUR),
Mietzinsen (13/20 von + 2.640 EUR = + 1.716 EUR) und dem Verlustanteil des typisch stillen Gesellschafters
(./. 6.522 EUR). Davon machte die Klägerin ein Viertel, also ./. 804 EUR, als sog. negative Hinzurechnungen geltend.
Das FA folgte dem nicht. Es ermittelte bezüglich der Finanzierungskosten nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F. einen
Saldo von ./. 3.217 EUR. Davon berücksichtigte es 0 EUR.
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Das nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren angerufene Sächsische Finanzgericht (FG) war
demgegenüber der Auffassung, dass in Höhe von ./. 804 EUR Hinzurechnungen, also negative Hinzurechnungen,
gewerbesteuerrechtlich anzusetzen sind (Urteil vom 29. Januar 2015 4 K 1292/10, nicht veröffentlicht).
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Dagegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Seines Erachtens folgt aus der Geltung der Betragsgrenze von
100.000 EUR, dass der Gesetzgeber den Begriff des Hinzurechnens auf positive Beträge beschränkt wissen wollte.
Selbst wenn negative Hinzurechnungen als zulässig erachtet würden, müsse jedenfalls die 100.000 EUR-Grenze
spiegelbildlich mit der Folge angewendet werden, dass negative --wie positive-- Bagatellbeträge nicht zu
berücksichtigen seien.
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Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das
FG hat zu Recht entschieden, dass im Fall der Verlustbeteiligung eines stillen Gesellschafters auch negative
Hinzurechnungsbeträge bei der Ermittlung des Gewerbeertrags anzusetzen sind. Dabei setzt die Berücksichtigung
solcher Beträge nicht zusätzlich voraus, dass eine Betragsgrenze von ./. 100.000 EUR überschritten werden muss.
Auch geringfügige negative Hinzurechnungsbeträge von ./. 1 EUR bis ./. 100.000 EUR sind mithin
berücksichtigungsfähig.
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1. Soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind, unterliegen u.a. die Gewinnanteile des stillen
Gesellschafters der Hinzurechnung (§ 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG 2002 n.F.). Sind daneben weitere gemäß § 8 Nr. 1
Buchst. a, b und d bis f GewStG 2002 n.F. hinzuzurechnende Beträge zu berücksichtigen, dann ist aus den
Einzelbeträgen eine Summe zu bilden und ein Viertel dieser Summe wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder
hinzugerechnet, soweit die Summe den Betrag von 100.000 EUR übersteigt.
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2. Erzielt der Inhaber des Handelsgewerbes einen Verlust und hat sich der stille Gesellschafter im
Gesellschaftsvertrag --entsprechend der dispositiven gesetzlichen Regelung in § 231 des Handelsgesetzbuchs-- zur
anteiligen Verlusttragung verpflichtet, dann ist dieser Verlustanteil in Form eines Betrages mit negativem Vorzeichen
bei der Hinzurechnung zu berücksichtigen (sog. negative Hinzurechnung), was dazu führen kann, dass der nach
einkommen- oder körperschaftsteuerrechtlichen Vorschriften zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb zu
erhöhen (vgl. Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 192 mit einem Beispiel für eine solche Konstellation) oder, was
häufiger vorkommen dürfte, ein ertragsteuerlich ausgewiesener Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe der vom stillen
Gesellschafter getragenen Verluste für gewerbesteuerrechtliche Zwecke zu erhöhen ist. Eine solche negative
Hinzurechnung ist auch dann geboten, wenn wegen eines hohen Verlustanteils des stillen Gesellschafters die in § 8
Nr. 1 GewStG 2002 n.F. in einer Zwischenrechnung auszuwerfende Summe der Einzelhinzurechnungsbeträge
insgesamt negativ ist (a.A. R 8.1 Abs. 3 Satz 3 der Gewerbesteuer-Richtlinien 2009). Letzteres hat der Senat mit
eingehender Begründung bereits entschieden (Senatsurteil vom 1. Oktober 2015 I R 4/14, BFHE 251, 73, BFH/NV
2016, 145).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall eine negative Hinzurechnung in Höhe von ./. 804 EUR zu
berücksichtigen. Denn die 100.000 EUR-Grenze ist in einem solchen Fall nicht spiegelbildlich anzuwenden.
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Bei der 100.000 EUR-Grenze handelt es sich ausweislich der Gesetzesbegründung um einen "Freibetrag", der "zur
Entlastung kleinerer und mittlerer Unternehmen dienen" soll (vgl. BTDrucks 16/4841, S. 80). Als Freibetrag setzt
die Regelung aber einen positiven --freizustellenden-- Betrag voraus. Zudem verkehrt sich der Entlastungszweck in
sein Gegenteil, wenn die 100.000 EUR-Grenze spiegelbildlich zu Lasten des Steuerpflichtigen angewendet würde.
Angesichts dieser, den Steuerpflichtigen (einseitig) begünstigenden Regelungsabsicht kann der Senat der Ansicht
des FA, Bagatellbeträge müssten um der Gleichmäßigkeit der Besteuerung willen sowohl bei positivem wie bei
negativem Vorzeichen steuerlich unberücksichtigt bleiben, nicht folgen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.