Urteil des BFH vom 03.05.2006

Unternehmensgründung durch Beteiligungsgesellschaft kein Anteilserwerb i.S. von § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG 2002

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 3.5.2006, I R 100/05
Unternehmensgründung durch Beteiligungsgesellschaft kein Anteilserwerb i.S. von § 8b Abs. 7
Satz 2 KStG 2002
Leitsätze
Ein Unternehmen, das von ihm gehaltene Anteile an Vorratsgesellschaften veräußert, die es
zuvor selbst gegründet hat, hat diese Anteile nicht i.S. von § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG 2002 mit
dem Ziel des kurzfristigen Eigenhandelserfolges erworben.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die Vorratsgesellschaften
verschiedenster Rechtsformen gründet und veräußert. Im Streitjahr 2002 erzielte sie aus
dem Verkauf selbst gegründeter GmbH einen Gewinn in Höhe von 47 131 EUR, den sie in
ihrer Körperschaftsteuererklärung als steuerfreien Veräußerungsgewinn i.S. des § 8b Abs.
2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) behandelte. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht und erließ entsprechende
Bescheide über Körperschaftsteuer 2002 sowie Körperschaftsteuervorauszahlungen 2004
und ab 2005.
2 Die dagegen erhobene Klage war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln vom
7. September 2005 13 K 6940/03 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006,
366 abgedruckt.
3 Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-
Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
4 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
5 II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
Körperschaftsteuer und die Körperschaftsteuervorauszahlungen (vgl. § 37 Abs. 3 Satz 2
und 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002) ohne
Berücksichtigung der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an den
Vorratsgesellschaften mbH festzusetzen sind.
6 1. Nach § 8b Abs. 2 KStG 2002 bleiben bei der Ermittlung des Einkommens u.a. Gewinne
aus der Veräußerung eines Anteils an einer anderen Körperschaft, deren Leistungen
beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören, außer Ansatz.
7 Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Gewinnausschüttungen der von der
Klägerin veräußerten GmbH gehören zu den Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1
EStG, auch wenn sie nach § 8 Abs. 2 KStG 2002 bei der Klägerin Einkünfte aus
Gewerbebetrieb darstellen (vgl. hierzu Gosch KStG § 8b Rz. 102).
8 2. Die Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG 2002 wird im Streitfall nicht durch Abs. 7 der
Vorschrift ausgeschlossen.
9 Nach dessen hier allein einschlägigem Satz 2 ist § 8b Abs. 2 KStG 2002 (u.a.) nicht auf
den Verkauf von Anteilen anzuwenden, die von Finanzunternehmen im Sinne des
Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines
Eigenhandelserfolges erworben werden. Unabhängig von der Streitfrage, ob ein
Unternehmen wie das von der Klägerin unterhaltene ein Finanzunternehmen im
vorstehenden Sinne sein kann, fehlt es an den tatbestandlichen Voraussetzungen von §
8b Abs. 7 Satz 2 KStG 2002 deswegen, weil die Klägerin die in Rede stehenden Anteile
an den Vorratsgesellschaften nicht zum Zwecke des kurzfristigen Eigenhandelserwerbs
"erworben" hat. Erwerb von Anteilen i.S. des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG 2002 ist in erster
Linie ein solcher, der auf einen Veräußerungsvorgang zurückzuführen ist. Möglicherweise
sind --ohne dass dies abschließend zu entscheiden wäre-- auch Einlagen oder
Einbringungen einbezogen (Gosch, a.a.O., § 8b Rz. 586; Frotscher in Frotscher/Maas,
KStG/UmwStG, § 8b KStG Rz. 111b; Kröner in Ernst & Young, KStG, § 8b Rz. 280;
einschränkend Pyszka/Brauer, Betriebs-Berater 2002, 1669, 1672). Nach den den Senat
bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) tatrichterlichen
Feststellungen sind die Gegebenheiten des Streitfalles jedoch andere. Die Klägerin hat
die Vorratsgesellschaften selbst gegründet und damit keine Anteile an diesen
Gesellschaften (durch einen Übertragungsakt von einem Dritten) erworben. Den
einschränkenden Tatbestandsvoraussetzungen der Ausschlussregelung des § 8b Abs. 7
KStG 2002 ist deswegen nicht genügt.
10 Der dem entgegenstehenden Auffassung des FA, dass Gründungsvorgänge im
Ertragsteuerrecht gleichermaßen wie Erwerbsvorgänge als Anschaffungs- und nicht als
Herstellungsvorgänge zu beurteilen seien, ist jedenfalls im Zusammenhang mit § 8b Abs.
7 Satz 2 KStG 2002 nicht beizupflichten. Der Gründung einer Kapitalgesellschaft liegt
kein (abgeleiteter) Erwerb zugrunde. Darüber, ob die Rechtslage in anderen gesetzlichen
Zusammenhängen (beispielsweise --wie vom FA ins Feld geführt-- der Spaltung durch
Neugründung gemäß §§ 11 bis 13 i.V.m. § 15 Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes --
UmwStG 1995-- oder des Ansatzes fiktiver Anschaffungskosten gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1
UmwStG 1995 aus Sicht des Einbringenden) hiervon abweichend zu beurteilen ist, ist
vorliegend nicht zu entscheiden.