Urteil des BFH vom 13.11.2013

Mindestlaufzeit des Gewinnabführungsvertrags: Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres; "wichtiger Grund" bei vorzeitiger Vertragsbeendigung

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 13.11.2013, I R 45/12
Mindestlaufzeit des Gewinnabführungsvertrags: Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres; "wichtiger
Grund" bei vorzeitiger Vertragsbeendigung
Leitsätze
1. Wird ein Gewinnabführungsvertrag auf die gesetzliche Mindestlaufzeit von fünf Zeitjahren nach §
14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG 2002 abgeschlossen, scheitert die steuerrechtliche
Anerkennung der Organschaft weder daran, dass der Vertrag aus wichtigem Grund kündbar ist,
noch daran, dass die Organgesellschaft nachfolgend ihr Wirtschaftsjahr umstellt und den
Gesamtzeitraum von fünf Zeitjahren durch Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres verkürzt
(Abgrenzung zum Senatsurteil vom 12. Januar 2011 I R 3/10, BFHE 232, 426, BStBl II 2011, 727).
2. Wird der Gewinnabführungsvertrag vorzeitig aufgehoben, weil er aus Sicht der Parteien seinen
Zweck der Konzernverlustverrechnung erfüllt hat, liegt kein unschädlicher wichtiger
Kündigungsgrund i.S. von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG 2002 vor.
Tatbestand
1 I. Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Gewinnabführungsvertrag aus wichtigem Grund
beendet worden und damit für das Streitjahr 2006 steuerrechtlich zu berücksichtigen ist.
2 Die W-KG war seit dem 1. April 2005 alleinige Gesellschafterin der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH. Am 12. Mai 2005 schlossen beide Gesellschaften
einen Gewinnabführungsvertrag (GAV). Jener wurde "auf die Dauer von 5 Jahren
abgeschlossen" (§ 3 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 1 GAV); weiter heißt es: "Dieser Vertrag findet
erstmals Anwendung auf das Geschäftsjahr der ... (Klägerin), welches am 1. Juli 2005 beginnt
und am 30. Juni 2006 enden wird." (§ 3 Nr. 1 GAV). Der Vertrag war nur aus wichtigem Grund
kündbar (§ 3 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 GAV); ein solcher sollte nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GAV auch
bei einer Veräußerung der Anteile an der Klägerin vorliegen.
3 Am 25. November 2005 beantragte die Klägerin eine Umstellung des Wirtschaftsjahres auf
den Zeitraum vom 1. April bis zum 31. März und eine entsprechende Verkürzung des
laufenden Wirtschaftsjahres (bisher: 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2006) bis zum 31. März 2006.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stimmte dem zu.
4 Mit Vereinbarung vom 6. März 2007 hoben die Klägerin und die W-KG den
Gewinnabführungsvertrag einvernehmlich mit Wirkung zum 31. März 2007 auf. Anschließend
veräußerte die W-KG ihre Geschäftsanteile an der Klägerin mit Vertrag vom 28. März 2007 an
die Holding-GmbH, die Obergesellschaft des deutschen ...-Teilkonzerns. Jene erzielt im
Wesentlichen Einkünfte aus Gewinnabführungsverträgen mit den operativ tätigen
Tochtergesellschaften sowie aus den Zinsen des von ihr für die deutschen
Tochtergesellschaften geführten sog. Cash-pools. Die Muttergesellschaft des Konzerns hat
ihren Sitz in Großbritannien. Sie ist über eine niederländische Holding an der deutschen
Holding-GmbH beteiligt. Nach Angaben der Klägerin erfolgte die Umstrukturierung, um eine
anderenfalls drohende Anwendung der Regeln zu den "controlled foreign companies" (CFC-
rules) bei der Besteuerung der Konzernmuttergesellschaft in Großbritannien zu vermeiden.
5 Für das Streitjahr ermittelte die Klägerin auf der Grundlage ihres für den Zeitraum vom 1. Juli
2005 bis 31. März 2006 erstellten Jahresabschlusses einen Jahresüberschuss von 0 EUR,
einen Betrag von ./. 523.726 EUR zur Anpassung der Handelsbilanz an die steuerlich
maßgeblichen Wertansätze, eine Gewinnabführung in Höhe von 1.533.130 EUR und ein
Einkommen der Organgesellschaft vor Einkommenszurechnung in Höhe von 1.009.404 EUR.
In den Festsetzungen zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag erkannte
das FA die Organschaft an.
6 Später erließ das FA einen Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer und einen Bescheid
zum Gewerbesteuermessbetrag, in denen es --ohne Berücksichtigung einer Organschaft-- zu
einer Steuer- bzw. Messbetragsfestsetzung kam. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos
(Niedersächsisches Finanzgericht --FG--, Urteil vom 10. Mai 2012 6 K 140/10, abgedruckt in
Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1591).
7 Die Klägerin rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuer sowie den
Gewerbesteuermessbetrag unter Abänderung der Bescheide jeweils auf 0 EUR
herabzusetzen.
8 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
9 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat ohne Rechtsfehler entschieden, dass der
Gewinnabführungsvertrag im Streitjahr nicht die Rechtsfolgen des § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.
§ 17 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) --für die Gewerbesteuer i.V.m. § 2
Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 2002)-- auslöst. Eine Zurechnung des
Einkommens zur W-KG als Organträgerin scheidet aus.
10 1. Verpflichtet sich eine GmbH mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft)
durch einen Gewinnabführungsvertrag i.S. des § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG),
ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist
das Einkommen der Organgesellschaft, soweit sich aus § 16 KStG 2002 nichts anderes
ergibt, nach § 14 Abs. 1 Satz 1 1. Satzteil und § 17 KStG 2002 dem Träger des
Unternehmens (Organträger) unter den dort benannten Voraussetzungen zuzurechnen. Eine
dieser Voraussetzungen ist, dass der Vertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und
während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1
KStG 2002). Eine vorzeitige Beendigung des Vertrags durch Kündigung ist nach § 14 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG 2002 (nur) unschädlich, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung
rechtfertigt. Diesem Erfordernis genügt der zwischen der Klägerin und der W-KG
geschlossene Gewinnabführungsvertrag nicht.
11 2. Er ist allerdings ungeachtet der Umstellung des Wirtschaftsjahres der Klägerin --und der
damit einhergehenden Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres im ersten Jahr der
Vertragslaufzeit-- ausreichende Vertragsgrundlage für eine tatsächliche Durchführung
während der gesetzlichen Mindestvertragsdauer (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG
2002).
12 a) Mit dem Erfordernis der fünfjährigen Mindestdauer des Gewinnabführungsvertrags verfolgt
der Gesetzgeber das Ziel, Manipulationen zu verhindern: Die Organschaft soll nicht zum
Zweck willkürlicher Beeinflussung der Besteuerung und zu Einkommensverlagerungen von
Fall zu Fall abgeschlossen bzw. beendet werden können (Senatsurteil vom 12. Januar 2011
I R 3/10, BFHE 232, 426, BStBl II 2011, 727; s.a. Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom
19. Oktober 2011 12 K 12078/08, EFG 2012, 443; Neumann in Gosch, KStG, 2. Aufl., § 14
Rz 212, jeweils m.w.N.).
13 b) Die Laufzeit des Vertrags vom 12. Mai 2005 entspricht den Vorgaben des § 14 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG 2002. Denn der Vertrag war ausdrücklich (zur Frage der
Vertragsauslegung s. Senatsurteil vom 28. November 2007 I R 94/06, BFHE 220, 51;
Senatsbeschlüsse vom 2. November 2010 I B 71/10, BFH/NV 2011, 849, und vom
23. Januar 2013 I R 1/12, BFH/NV 2013, 989) auf die Dauer von fünf Jahren nur mit dem
Vorbehalt einer Kündigung "aus wichtigem Grunde" abgeschlossen worden und sollte
erstmals auf das vom Kalenderjahr abweichende (zwölfmonatige) Wirtschaftsjahr vom 1. Juli
2005 bis 30. Juni 2006 Anwendung finden (Vertragsdauer daher bis zum Ablauf des
Wirtschaftsjahres 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010). Daraus folgt eine Vertragslaufzeit von fünf
Zeitjahren (s. insoweit allgemein Senatsurteil in BFHE 232, 426, BStBl II 2011, 727; Walter
in Ernst & Young, KStG, § 14 Rz 637; Blümich/Danelsing, § 14 KStG Rz 121; Sterner in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 200).
14 Die Frage, ob die Vereinbarung grundsätzlich dazu geeignet ist, eine feste Vertragslaufzeit
von fünf Zeitjahren zu gewährleisten, wird entgegen der Ansicht der Revision (s.a. Altrichter-
Herzberg, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 2012, 921, 922; Herzberg, GmbHR 2014, 85) nicht
dadurch berührt, dass die Parteien von einer Vertragspartei beeinflussbare Gründe als
wichtigen Kündigungsgrund qualifiziert haben (wie im Streitfall z.B. die "Veräußerung der
Beteiligung", s. § 3 Nr. 2 Satz 2 f. GAV). Ob ein solcher Kündigungsgrund, wenn er innerhalb
der Mindestvertragsdauer konkret werden sollte, nach der Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 Satz 2 KStG 2002 die (bisherige) steuerrechtliche Anerkennung der Organschaft
unberührt lässt, ist für die Laufzeitvoraussetzung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG
2002 (zunächst) ohne Belang (ebenso Walter in Ernst & Young, a.a.O., § 14 Rz 781). Der
Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG 2002 lässt eine ex-ante-Beurteilung
möglicher Auflösungsgründe --unabhängig von der Frage, inwieweit vertraglich vereinbarte
Gründe einer außerordentlichen Kündigung den Tatbestand des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
Satz 2 KStG 2002 ausfüllen (s. dazu sogleich unter II.3.)-- nicht zu. Die Voraussetzung des
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 KStG 2002 ist damit bei einer der
Mindestvertragsdauer entsprechenden festen Vertragslaufzeit erfüllt.
15 c) Das FG hat nicht festgestellt, dass die Vertragsparteien schon im Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses davon ausgegangen waren, dass der Gewinnabführungsvertrag
(konkret zeitlich fixiert) vor Ablauf der fest vereinbarten Vertragslaufzeit beendet werden
würde. Es kommt damit nicht in Betracht, das Organschaftsverhältnis schon unter dem
Gesichtspunkt einer nicht ernsthaft vereinbarten Mindestlaufzeit steuerrechtlich nicht
anzuerkennen (s. dazu R 60 Abs. 6 Satz 3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien --KStR-- 2004;
ebenso z.B. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG
Rz 228; Müller in Mössner/Seeger, Körperschaftsteuergesetz, § 14 Rz 573; Stangl/Brühl, Die
Unternehmensbesteuerung --Ubg-- 2012, 657, 662 f.).
16 d) Die steuerrechtliche Anerkennung der Organschaft scheitert nicht an der Umstellung des
Wirtschaftsjahres der Klägerin (Verkürzung des ersten Wirtschaftsjahres durch Bildung eines
Rumpfwirtschaftsjahres), da die feste Vertragslaufzeit (fünf Zeitjahre) unberührt blieb.
17 Der Senat hat zwar in seinem Urteil in BFHE 232, 426, BStBl II 2011, 727 ausgeführt, dass
"bei Vorhandensein von Rumpfwirtschaftsjahren letztlich eine längere Mindestlaufzeit als
fünf Jahre erforderlich wird" (dort Rz 19). Er hat diese Feststellung aber im Zusammenhang
mit der in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG 2002 geregelten Rückwirkung einer
Vertragsauflösung auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft getroffen. Ein
generelles Erfordernis, den Mindestzeitraum mit fünf zwölfmonatigen Wirtschaftsjahren
auszufüllen, war damit nicht verbunden (Pyszka, GmbHR 2011, 1030, 1032; Herzberg,
GmbHR 2014, 85; a.A. wohl Walter, Handelsblatt Steuerboard vom 19. Juli 2012,
DB0483635; derselbe in Ernst & Young, a.a.O., § 14 Rz 781, dort Seite 282g Fußn. 1 [Stand:
November 2012]; derselbe, GmbHR 2011, 546, 547; Müller in Mössner/Seeger, a.a.O., § 14
Rz 571). Auch wenn die Vereinbarung ihrer Laufzeit nach im laufenden Geschäftsjahr der
Organgesellschaft endet, bleiben die Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung bis zu
diesem Termin unberührt (Bundesgerichtshof --BGH--, Urteil vom 5. April 1993 II ZR 238/91,
BGHZ 122, 211, Rz 36, 49 des juris-Nachweises; s.a. Pyszka, ebenda; Brink in
Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 14 Rz 563). Auf welche Weise die Vertragsparteien zu
diesem Termin (im Streitfall: zum 30. Juni 2010) sicherstellen, dass den auf das
Wirtschaftsjahr (im Streitfall: 1. April 2010 bis 31. März 2011) bezogenen steuerrechtlichen
Folgerungen der Organschaft Rechnung getragen wird (z.B. durch eine Fortsetzung des
Vertrags zum Ablauf des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft, s. insoweit z.B. Neumann
in Gosch, a.a.O., § 14 Rz 212 a.E.), ist (ebenfalls) nicht Gegenstand einer ex-ante-
Beurteilung für das Durchführungserfordernis (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 Alternative 2
KStG 2002) während der Vertragslaufzeit.
18 3. Die steuerrechtliche Anerkennung des Gewinnabführungsvertrags scheitert indessen
daran, dass die vorzeitige Beendigung des Vertrags (in 2007) nicht als unschädlich i.S. des
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG 2002 anzusehen ist.
19 a) Weder der Wortlaut noch der Zweck des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG 2002
rechtfertigen es, für den steuernormspezifischen Rechtsbegriff des wichtigen Grundes mit
unmittelbarer Wirkung auf diejenigen Maßgaben zurückzugreifen, die in zivilrechtlicher
Hinsicht die Vertragsauflösung aus wichtigem Grund ermöglichen.
20 aa) Zivilrechtlich wird zwischen der einvernehmlichen Aufhebung eines
Unternehmensvertrags i.S. des § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG und einer Kündigung aus
wichtigem Grund unterschieden (s. z.B. Schaefer/Wind/Mager, Deutsches Steuerrecht --
DStR-- 2013, 2399, 2401 ff., m.w.N.). Ein Unternehmensvertrag kann zum Ende eines
Geschäftsjahres aufgehoben werden, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund erforderlich ist
(§ 296 Abs. 1 Satz 1 AktG). Außerdem ist eine Kündigung aus wichtigem Grund ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist möglich (§ 297 Abs. 1 Satz 1 AktG), namentlich dann, wenn
der andere Vertragsteil voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine aufgrund des
Vertrags bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen (§ 297 Abs. 1 Satz 2 AktG). Dies kann sich
z.B. auf die Verpflichtung des Organträgers zur Verlustübernahme (§ 302 AktG) beziehen.
Ein wichtiger Grund liegt --in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die zur
außerordentlichen Kündigung von Dauerschuldverhältnissen entwickelt worden sind--
außerdem immer dann vor, wenn die Fortsetzung des Vertrags einer oder beiden Parteien
nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann (BGH-Urteil in BGHZ 122, 211),
z.B. nach einer schwerwiegenden Vertragsverletzung durch eine Partei. Schließlich wird
auch dann ein wichtiger Grund angenommen, wenn die wirtschaftliche Existenz eines
Vertragspartners wegen unvorhersehbarer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse
bei Fortsetzung des Vertrags gefährdet wäre. Im Rahmen der Vertragsfreiheit können die
Vertragspartner im Übrigen bestimmen, dass auch Tatsachen, die eine Partei (z.B. das
herrschende Unternehmen) selbst herbeiführen kann, als wichtiger Grund für eine
außerordentliche Kündigung eines Unternehmensvertrags gelten soll und hierdurch eine
Rechtslage vereinbaren, die einem ordentlichen Kündigungsrecht nahe steht (BGH-Urteil in
BGHZ 122, 211; Landgericht München I., Beschluss vom 14. Dezember
2006 5 HK O 17059/06, 5 HKO 17059/06, Der Konzern 2007, 279); dies kann auch die
Anteilsveräußerung durch das herrschende Unternehmen einschließen (Hanseatisches
Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 30. Dezember 1998 11 U 35/97, OLG-Report
Hamburg 1999, 175).
21 bb) § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG 2002 trifft ausdrücklich eine Regelung zur Mindestlaufzeit
"des" Gewinnabführungsvertrags i.S. des § 291 Abs. 1 AktG (s. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG
2002). Insoweit sind --als Grundlage für die in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG 2002
angesprochene vorzeitige Loslösung vom Vertrag-- auch die Voraussetzungen einer
(rechtswirksamen) Kündigung oder Vertragsaufhebung den einschlägigen Normen des
Zivilrechts (z.B. §§ 296, 297 AktG) zu entnehmen (zutreffend Heurung/Engel/Müller-
Thomczik, GmbHR 2012, 1227, 1228). Bezogen auf die Kündigung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
Satz 2 und 3 KStG 2002) oder Aufhebung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG 2002) des
Vertrags fehlt es indessen an einer Bezugnahme auf zivilrechtliche Maßgaben. Dass § 14
Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG 2002 das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die
vorzeitige Beendigung des Gewinnabführungsvertrags durch Kündigung als unschädlich
ansieht, ändert daran nichts. Es ließe sich zwar erwägen, insoweit Anleihe bei § 297 Abs. 1
AktG zu nehmen, der in ähnlicher Weise das Vorliegen eines wichtigen Grundes als
Voraussetzung für eine Vertragskündigung ohne Einhaltung einer Frist bestimmt. Doch wird
das der steuerbegrifflichen Eigenständigkeit des wichtigen Grundes in § 14 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 Satz 2 KStG 2002 nicht gerecht. Diese Eigenständigkeit verdeutlicht sich daran, dass
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG 2002 eine vorzeitige Beendigung des Vertrags durch
Aufhebung (Aufhebungsvereinbarung) nicht erwähnt, jene aber nach dem Gesetzeszweck
sinnentsprechend derselben Rechtsfolge wie die vorzeitige Kündigung unterliegen muss
(sog. verdeckte Gesetzeslücke, im Ergebnis ebenso z.B. FG Berlin-Brandenburg, Urteil in
EFG 2012, 443; Blümich/Danelsing, § 14 KStG Rz 139; Brink in Schnitger/ Fehrenbacher,
a.a.O., § 14 Rz 551; Frotscher in Frotscher/ Maas, KStG/UmwStG/GewStG, § 14 KStG
Rz 680; Dötsch in Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 14 KStG Rz 223a; Sterner in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 212; Schaefer/Wind/Mager, DStR 2013, 2399,
2402 f.; s.a. R 60 Abs. 6 Satz 1 KStR 2004). Ohnehin wiegt die terminologische
Übereinstimmung mit § 297 Abs. 1 AktG nicht auf, dass den zivilrechtlichen Vorgaben für
einen wirksamen Gewinnabführungsvertrag eine Mindestlaufzeit unbekannt ist und daher die
dortige Auslegung einem solchen Erfordernis abweichend vom steuerrechtlichen
Bedeutungszusammenhang nicht Rechnung tragen muss.
22 cc) In Einklang damit widerspräche eine Anlehnung an das Zivilrecht vor allem aber dem
beschriebenen Zweck der Mindestlaufzeit, nämlich willkürliche Beeinflussungen der
Besteuerung zu verhindern. Anders als im Zivilrecht kann der wichtige Grund, der eine
Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags rechtfertigen soll, nicht im Belieben der Parteien
stehen. Vielmehr muss jener Grund für die Vertragsbeendigung nach eigenen
steuerrechtlichen Maßstäben objektiv vorliegen. Das schließt es zwar nicht aus,
entsprechend den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zur außerordentlichen
Kündigung bzw. zur Beendigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund eine
Verkürzung der Mindestlaufzeit ausreichen zu lassen, insbesondere bei wesentlichen
Störungen der Vertragsbeziehungen, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar waren.
Geht es einer Partei oder den Parteien jedoch darum, die Rechtsfolgen der Organschaft
mittels Vertragsaufhebung zeitlich zu begrenzen, um die fünfjährige Mindestlaufzeit zu
unterlaufen, so liegt kein wichtiger Grund im Steuerrechtssinne vor (im Ergebnis ebenso
Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 14 KStG Rz 680 f.; Lange, GmbHR 2011, 806, 807;
Dötsch in Dötsch/Pung/ Möhlenbrock, a.a.O., § 14 KStG Rz 223b; Streck/Olbing, KStG,
7. Aufl., § 14 Rz 105, 113; Stangl/Brühl, Ubg 2012, 658, 662; Müller in Mössner/Seeger,
a.a.O., § 14 Rz 573; wohl auch Hahn, DStR 2009, 589, 593; a.A. Walter in Ernst & Young,
a.a.O., § 14 Rz 781; Heurung/Engel/Müller-Thomczik, GmbHR 2012, 1227, 1233).
23 b) So aber verhält es sich nach den Feststellungen des FG zur Motivation des
Vertragsabschlusses und der Vertragsaufhebung im Streitfall.
24 aa) Das FG hat in seiner Entscheidung zum Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grundes
darauf abgestellt, dass eine konzerninterne Veräußerung der Beteiligung an der Klägerin
nicht zureiche, da die Mindestdauer eines Gewinnabführungsvertrags ansonsten dem
Belieben der beteiligten Gesellschaften überlassen würde. Zugleich hat es darauf
verwiesen, dass auch die Änderung der steuerlichen Rahmenbedingungen in den
Niederlanden keinen wichtigen Grund darstelle. Zwar wäre infolge dieser Gesetzesänderung
ohne Umstrukturierung bei der britischen Muttergesellschaft eine belastende Steuerfolge
eingetreten; es sei der Klägerin allerdings bewusst gewesen, dass ihre Beteiligungsstruktur
in Deutschland bei einem vierstufigen Konzernaufbau nicht den Anforderungen der
britischen Vorschriften entsprach. Gleichwohl habe sie diese Konzernstruktur, die außerdem
der ansonsten im Konzern üblichen Zuordnung von Gesellschaften nach Betätigungsfeldern
widersprach, gewählt, um bei Vertragsbeginn vorhandene gewerbesteuerliche
Verlustvorträge der W-KG zu verbrauchen. Nach dem Verbrauch dieser Verlustvorträge habe
eine vorzeitige Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags zum 1. März 2007 dem Ziel einer
steuerlich optimalen Gestaltung der Konzernstrukturen entsprochen.
25 bb) Das FG hat damit zugrunde gelegt, dass die nach den sonst üblichen Umständen
konzernatypische Zuordnung der Beteiligung und der Abschluss der Vereinbarung --
ungeachtet einer möglicherweise drohenden Besteuerungsfolge bei der (ausländischen)
Muttergesellschaft-- allein durch das Motiv getragen war, die Verlustvorträge der W-KG bei
der Klägerin zu verbrauchen, um anschließend vermittels der konzerninternen
Beteiligungsveräußerung die Vereinbarung wieder zu beenden. Auch wenn das FG die
Beteiligungsveräußerung als solche und die Besteuerungsfolgen außerhalb der Organschaft
am Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grundes gemessen und diesen Aspekten keine
ausreichende außerorganschaftliche Motivation beigemessen hat: Tragend ist die
Würdigung, dass die Vereinbarung, die bei einer konzerntypischen Beteiligungsstruktur nicht
hätte abgeschlossen werden können, jedenfalls faktisch unter die (zeitlich ungewisse)
auflösende Bedingung des vollständigen Verlustverbrauchs gestellt wurde. Diese
Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
26 4. Das FG hat eine Befugnis des FA zum Erlass der Änderungsbescheide auf § 164 Abs. 1
der Abgabenordnung bzw. auf § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG 2002 gestützt. Dies ist unter den
Beteiligten zu Recht nicht im Streit; der Senat sieht von einer weiteren Begründung dazu ab.