Urteil des BFH vom 29.04.2014

Lotsrevier einer Lotsenbrüderschaft als weiträumige Betriebsstätte

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 29.4.2014, VIII R 33/10
Lotsrevier einer Lotsenbrüderschaft als weiträumige Betriebsstätte
Leitsätze
1. Fahrtkosten eines Lotsen zwischen seiner Wohnung und dem mit einer Lotsenstation
versehenen Hafen des Lotsreviers seiner Lotsenbrüderschaft sind regelmäßig nach § 4 Abs. 5 Satz
1 Nr. 6 Satz 1 EStG nur in Höhe der Entfernungspauschale als Betriebsausgabe abziehbar.
2. Das Lotsrevier einer Lotsenbrüderschaft ist eine großräumige Betriebsstätte, weil es alle
Fahrstrecken in einem durch normative Regelungen begrenzten Einzugsbereich umfasst und über
eine Lotsenstation als ortsfeste Einrichtung der Lotsenbrüderschaft zur Organisation der Einsätze
der Lotsen in dem räumlich begrenzten Zuständigkeitsbereich der Lotsenbrüderschaft verfügt.
3. Der prägende --regionbezogene-- Schwerpunkt der Arbeitstätigkeit des Lotsen schließt es aus,
den Mittelpunkt der Lotsentätigkeit auf den jeweils gelotsten Schiffen (Anschluss an BFH-Urteil
vom 16. November 2005 VI R 12/04, BFHE 212, 64, BStBl II 2006, 267) oder in den nur der
Arbeitsvorbereitung oder Arbeitsnachbereitung dienenden Büros der Lotsen zu sehen.
Tatbestand
1 I. Die Beteiligten streiten über die steuerrechtliche Beurteilung von Fahrten des Klägers und
Revisionsklägers (Kläger) in den Streitjahren 2003 bis 2006 mit seinem PKW von seinem
von ihm bewohnten Mehrfamilienhaus zu seinen Einsätzen als Seelotse.
2 Der Kläger ist seit dem 1. November 2002 als Lotse für ein Seelotsrevier bestellt und seitdem
Mitglied der dafür gebildeten Lotsenbrüderschaft. Er übt nach § 21 Abs. 1 des Gesetzes über
das Seelotswesen (Seelotsgesetz) einen freien Beruf aus.
3 Dieses Seelotsrevier gliedert sich in drei Lotsbezirke.
4 Für jeden Lotsbezirk besteht eine Lotsenstation, von der der Einsatz der Lotsen erfolgt. Nach
§ 8 Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Lotsverordnung (ALV) hat der Seelotse grundsätzlich jede
Lotsung durchzuführen, für die er nach der Börtordnung bestimmt ist. Nach Abs. A 2,
Lotsendienst allgemein, der Bört- und Dienstfolgeordnung der Lotsenbrüderschaft sind alle
Seelotsen der Lotsenbrüderschaft verpflichtet, auf allen Fahrstrecken der drei Lotsbezirke zu
lotsen. Jeder Lotse hat an 263 Tagen im Jahr 24 Stunden Rufbereitschaft. Außerdem hat
jeder Lotse drei bis fünf Mal im Jahr für jeweils eine Woche den Wachlotsendienst in einer
Lotsenstation zu verrichten.
5 Die rufbereiten Lotsen werden vom wachhabenden Lotsen der Reihe nach eingesetzt. Dabei
kann ein im Einsatz befindlicher Lotse aus Gründen der Zweckmäßigkeit noch für weitere
zwei bis drei Lotsungen abgerufen werden, bevor er wieder an das Ende der Reihe gesetzt
wird.
6 Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Nähe einer der Lotsenstationen. Im Untergeschoss
seines teils von ihm, teils von Fremdmietern bewohnten Mehrfamilienhauses befindet sich
räumlich getrennt vom übrigen Wohnbereich sein --über einen separaten Eingang
erreichbares-- 17 qm großes Büro, in dem er seine Lotsentätigkeit vor- und nachbereitet
sowie sich über seinen PC und eine verschlüsselte Internetseite der Lotsenbrüderschaft ein
aktuelles Bild über die Lotsungen verschaffen kann.
7 Für seine Einsätze von dieser Lotsenstation aus hat der Kläger zudem einen Dauerparkplatz
am Hafen angemietet, den er in den Streitjahren jeweils nach Anforderung zu einem Einsatz
in dem betreffenden Lotsbezirk mit seinem eigenen PKW von seinem Wohnhaus aus anfuhr,
soweit er nicht unmittelbar zu dem zu lotsenden Schiff fuhr oder in anderer Weise anreiste.
Die Weiterfahrt von seinem Dauerparkplatz zu den von ihm zu lotsenden Schiffen bzw. zu
den seewärtigen Lotsenversetzpositionen erfolgte jeweils mit dem Taxi und/oder dem
Lotsenversetzboot. Die Rückfahrten des Klägers von den zu lotsenden Schiffen zum
Dauerparkplatz und von dort zurück zu seinem Wohnhaus gestalteten sich in den
Streitjahren nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) entsprechend.
8 In den Streitjahren ermittelte der Kläger den Gewinn aus seiner selbständigen Tätigkeit als
Lotse nach dem Überschuss seiner Einnahmen über die Betriebsausgaben. Für die Fahrten
mit seinem PKW zu seinen Lotseinsätzen und zu seinen sonstigen Dienstreisen setzte er in
den Einnahmenüberschussrechnungen die tatsächlich entstandenen PKW-Kosten an.
9 Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Kläger zunächst
weitgehend erklärungsgemäß für die Streitjahre unter Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt
hatte, ging er aufgrund einer Außenprüfung für den Streitzeitraum davon aus, dass der
Kläger für seine Fahrten von seinem Wohnhaus zu dem Dauerparkplatz am Hafen nach § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für
die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) nur die dort geregelten Pauschbeträge als
Aufwand ansetzen könne. Denn diese Fahrten seien solche zwischen Wohnung und
regelmäßiger Betriebsstätte gewesen, weil der Kläger in den Jahren 2004 bis 2006 mit
Ausnahme von 28, 35 bzw. 4 Tagen immer diesen Parkplatz als Zwischenstation zu seinen
Lotseinsätzen angefahren habe.
10 Gegen die entsprechend für die Streitjahre ergangenen
Einkommensteueränderungsbescheide legte der Kläger Einspruch mit der Begründung ein,
er habe eine Einsatzwechseltätigkeit ausgeübt. Das FA wies den Einspruch als unbegründet
zurück.
11 Mit der daraufhin erhobenen Klage machte der Kläger geltend, er sei im Rahmen seiner
Rufbereitschaft grundsätzlich verpflichtet, auf Anforderung des wachhabenden Lotsen
Einsätze im gesamten Lotsrevier durchzuführen. Es liege ausschließlich in seiner
Verantwortung, wie und mit welchen Verkehrsmitteln er die Anreise zu den jeweils zu
lotsenden Schiffen organisiere. Der Gesetzgeber habe in Fällen wechselnder Einsatzstellen
das Abzugsverbot für Verpflegungsmehraufwendungen in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3
EStG ausdrücklich aufgehoben und einen Betriebsausgabenabzug mit den dort in Satz 2
genannten Pauschbeträgen zugelassen. Hätte der Gesetzgeber den Abzug der Fahrtkosten
zu wechselnden Einsatzstellen beschränken wollen, dann hätte er diesen Willen ebenso
deutlich zum Ausdruck gebracht. Auch nach der jüngeren Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) seien für Wege zwischen Wohnung und ständig wechselnden
Tätigkeitsstätten nicht die Entfernungspauschalen, sondern die nachgewiesenen
tatsächlichen Kosten anzusetzen. Schließlich erkenne auch das FA an, dass es sich bei den
zu lotsenden Schiffen um ständig wechselnde Einsatzstellen des Klägers handele. Wenn
das FA dementsprechend hinsichtlich der Verpflegungsmehraufwendungen von einer
Einsatzwechseltätigkeit ausgehe, müsse es dies aus Gründen der Folgerichtigkeit und zum
Zweck der Vereinfachung auch für die Fahrten zu seinen ständig wechselnden
Tätigkeitsorten, den zu lotsenden Schiffen, anerkennen.
12 Das FG gab der Klage nur insoweit statt, als es für das Streitjahr 2003 weitere
Betriebsausgaben in Höhe von 4.171,80 EUR berücksichtigte. Im Übrigen wies es die Klage
als unbegründet ab.
13 Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des Verfahrensrechts sowie des materiellen
Rechts.
14 Zu Unrecht habe das FG seinen Vortrag, dass sich sein Büro in einem Mehrfamilienhaus mit
mehreren --teils fremd vermieteten-- Wohnungen befunden habe und deshalb --sowie wegen
seiner technischen Ausstattung-- seine Betriebsstätte sei, unberücksichtigt gelassen und
darauf bezogene Sachaufklärungsmaßnahmen unterlassen. Fehlerhaft sei auch die
Sachverhaltsdarstellung des angefochtenen Urteils, der Kläger sei "von seiner Wohnung" zu
den Lotseneinsätzen gefahren. Denn er sei von seinem Büro aus dorthin gefahren. Des
Weiteren hätte das FG ergänzend erwähnen müssen, dass es eine Lotsenstation im
eigentlichen Sinn in dem Lotsrevier nicht gebe und diese nur aus einem Wachzimmer
bestehe. Dies sei entscheidungserheblich, da die Seelotsen ihre Rufbereitschaft nicht in der
Lotsenstation ausüben könnten, sondern insoweit --insbesondere wegen der erforderlichen
PC-Nutzung-- jeweils auf ihr Büro angewiesen seien.
15 Im Übrigen habe das FG unbeachtet gelassen, dass der Kläger nicht ausschließlich den
Dauerparkplatz auf dem Weg zu seinen Einsätzen angefahren, sondern zum Teil auch
unmittelbar zu dem Liegeplatz des zu lotsenden Schiffes oder zu dem Lotsenversetzboot
gefahren sei. Dementsprechend hätten die darauf bezogenen Darstellungen im
angefochtenen Urteil nicht als unstreitig dargestellt werden dürfen.
16 Im Übrigen habe das FG zu Unrecht eine einheitliche großräumige Betriebsstätte
angenommen. Die zu lotsenden Schiffe hätten sowohl im Lotsrevier als auch in den
einzelnen Lotsbezirken keine Nähebeziehung. Entgegen der Ansicht des FG seien diese
Schiffe jeweils als Betriebsstätte anzusehen. Die abweichende Entscheidung des FG
beruhe darauf, dass es die Begriffe "betrieblich genutztes Büro" und "häusliches
Arbeitszimmer" sowie "wechselnde Einsatzstellen" in Abweichung von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung fehlerhaft ausgelegt habe.
17 Schließlich verstoße das angefochtene Urteil auch gegen die Denkgesetze.
18 Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben sowie die angefochtenen
Einkommensteueränderungsbescheide für die Streitjahre 2003 bis 2006 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung in der Weise zu ändern, dass die Einkommensteuer für 2003 auf
35.796 EUR, für 2004 auf 25.878 EUR, für 2005 auf 25.518 EUR und für 2006 auf
44.034 EUR festgesetzt wird.
19 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
20 II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
21 1. Entgegen der Auffassung des Klägers verletzt die angefochtene Entscheidung nicht
Bundesrecht.
22 Vielmehr hat das FG zu Recht das Begehren des Klägers abgelehnt, seine Aufwendungen
für die Fahrten von seinem u.a. von ihm bewohnten Mehrfamilienhaus bzw. dem dort
ebenfalls befindlichen und von ihm beruflich genutzten Büro hin zu den einzelnen
Lotseneinsätzen über die vom FA anerkannte Entfernungspauschale hinaus als
Betriebsausgabe anzusetzen.
23 a) Rechtsgrundlage für diese Rechtsauffassung des FG ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1
EStG. Danach dürfen die Aufwendungen für Fahrten zwischen der Wohnung des
Steuerpflichtigen und der Betriebsstätte nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden,
soweit sie über die Entfernungspauschale nach Satz 2 der Vorschrift i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3
Nr. 4 und 5 Sätze 1 bis 6 sowie Abs. 2 EStG hinausgehen.
24 b) Zu Recht hat das FG die streitigen Fahrten zwischen dem vom Kläger bewohnten
Mehrfamilienhaus bzw. von dem in diesem Haus befindlichen Büro zu der vorbezeichneten
Lotsenstation als solche Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG angesehen.
25 aa) Der Begriff der Betriebsstätte im Sinne der Vorschrift ist dabei nicht deckungsgleich mit
dem Betriebsstättenbegriff in § 12 der Abgabenordnung (AO). Maßgeblich ist insoweit --wie
der BFH insbesondere zur Lotsentätigkeit entschieden hat (BFH-Urteil vom 31. Juli 1996
XI R 5/95, BFH/NV 1997, 279)-- der Ort, an dem oder von dem aus die beruflichen oder
gewerblichen Leistungen erbracht werden, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen.
Eine abgrenzbare Fläche oder Räumlichkeit und eine hierauf bezogene eigene
Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen ist --im Unterschied zur Geschäftseinrichtung oder
zur Anlage i.S. des § 12 Satz 1 AO-- nicht erforderlich (BFH-Urteile vom 19. September 1990
X R 44/89, BFHE 162, 77, BStBl II 1991, 97; vom 18. September 1991 XI R 34/90, BFHE
165, 411, BStBl II 1992, 90). Nach diesen Grundsätzen ist etwa bei einem Schulungsleiter
oder Trainer Betriebsstätte der Unterrichts- oder Sportraum, bei einem Händler im
Reisegewerbe der Ort, an dem die Leistungen gegenüber dem Kunden erbracht werden
(BFH-Urteil vom 15. April 1993 IV R 5/92, BFH/NV 1993, 719), bei einem
Bezirksschornsteinfeger der Kehrbezirk (BFH-Urteil vom 19. September 1990 X R 110/88,
BFHE 162, 82, BStBl II 1991, 208).
26 Entsprechendes gilt für die jeweiligen Einsatzorte des Klägers in seinem Lotsbezirk (BFH-
Urteil in BFH/NV 1997, 279). Die dafür maßgebenden Grundsätze hat der BFH in der Weise
konkretisiert, dass bei vorübergehenden Einsätzen an Bord eines Schiffes und
anschließender Rückkehr an eine ortsfeste Station an Land nicht das jeweilige Schiff,
sondern die an Land befindliche Station regelmäßige Arbeitsstätte ist (BFH-Urteil vom
16. November 2005 VI R 12/04, BFHE 212, 64, BStBl II 2006, 267).
27 Auf dieser Grundlage ist der Begriff der Betriebsstätte schon wegen der Verweisung in § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG auf die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (BFH-Urteil
vom 11. Mai 2005 VI R 16/04, BFHE 209, 518, BStBl II 2005, 789) gleichermaßen wie der
dort für Arbeitnehmer verwendete Begriff der "Arbeitsstätte" dadurch gekennzeichnet, dass er
eine ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung voraussetzt, die der Steuerpflichtige nicht
nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, das heißt fortdauernd und
immer wieder zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit aufsucht.
28 Dies erfordert, jeweils den ortsgebundenen Mittelpunkt der dauerhaft angelegten Tätigkeit
(regelmäßige Arbeitsstätte) zu bestimmen (BFH-Urteil vom 9. Juni 2011 VI R 55/10, BFHE
234, 164, BStBl II 2012, 38). Dabei kann auch ein größeres, räumlich geschlossenes Gebiet
regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und Tätigkeitsmittelpunkt i.S.
des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG sein, wenn
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es sich um ein zusammenhängendes Gelände handelt, auf dem der Steuerpflichtige
auf Dauer und mit einer gewissen Nachhaltigkeit tätig wird (so BFH-Urteil vom 18. Juni
2010 VI R 61/06, BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564) und
-
sich in diesem Gelände jedenfalls eine ortsfeste betriebliche Einrichtung befindet, die
nach ihren infrastrukturellen Gegebenheiten mit einem Betriebssitz oder mit einer
sonstigen betrieblichen Einrichtung eines Arbeitgebers vergleichbar ist (BFH-Urteil
vom 17. Juni 2010 VI R 20/09, BFHE 230, 533, BStBl II 2012, 32).
30 bb) Diese Voraussetzungen erfüllt auch das im Streitfall betroffene Lotsrevier.
31 (1) Es ist zum einen eine großräumige Betriebsstätte, weil es alle Fahrstrecken in seinem
durch normative Regelungen der ALV begrenzten Einzugsbereich umfasst, in dem der
Kläger gemeinschaftlich mit den anderen Mitgliedern der Seelotsenbrüderschaft den
Mittelpunkt seiner betrieblichen Tätigkeit, Schiffe sicher durch diesen Bereich zu lotsen, hat.
32 Dieser prägende --regionbezogene-- Schwerpunkt der Arbeitstätigkeit des Klägers schließt
es aus, den Mittelpunkt der Lotsentätigkeit auf den jeweils gelotsten Schiffen (vgl. für die
regelmäßige Arbeitsstätte eines Marinesoldaten BFH-Urteil in BFHE 212, 64, BStBl II 2006,
267) oder aber in dem nur der Arbeitsvorbereitung oder Arbeitsnachbereitung dienenden
sog. Büro des Klägers in dem von ihm auch zu Wohnzwecken genutzten Mehrfamilienhaus
zu sehen.
33 (2) Zum anderen weist diese großräumige Betriebsstätte in der Form der Lotsenstation eine
ortsfeste Einrichtung im Sinne der dargestellten Rechtsprechung auf.
34 Für eine solche ortsfeste Einrichtung genügt nämlich eine Lotsenstation, selbst wenn sich
der Lotse dort --wie vom Kläger geltend gemacht-- nur für kurze Zeit aufhält und seine
Tätigkeit im Wesentlichen auf den Schiffen und im Wachdienst auf den Außenstationen oder
zu Hause (in einem häuslichen Arbeitszimmer oder Büro) erbringt (BFH-Urteil vom
17. Dezember 2003 XI R 13/01, BFH/NV 2004, 909, in Abgrenzung zum BFH-Urteil vom
9. August 1995 XI R 109/92, BFH/NV 1996, 404; ebenso Schleswig-Holsteinisches FG,
Urteil vom 2. Oktober 2002 2 K 268/00, Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 74: Nur
Entfernungspauschale für Fahrtkosten von der Wohnung zur Lotsenstation). Sie ist nämlich
als ortsfeste Einrichtung für die Durchführung der von der Lotsenbrüderschaft in ihrer
gesamthänderischen Verbundenheit zu leistenden Lotsendienste wesentlicher Teil zur
Organisation und Steuerung der Lotseneinsätze.
35 (3) Soweit der Kläger für seine gegenteilige Auffassung auf das BFH-Urteil vom 6. Februar
2014 VI R 34/13 (BFH/NV 2014, 691) Bezug nimmt, nach dem der Fahrer eines
Müllfahrzeugs schwerpunktmäßig auf einem Fahrzeug und damit auswärts mit Anspruch auf
Fahrtaufwendungsersatz nach Dienstreisegrundsätzen tätig ist, rechtfertigt dies keine andere
Beurteilung.
36 Diese Entscheidung geht im Ausgangspunkt von der bisherigen --auch den Ausführungen
unter II.1.b aa zugrunde gelegten-- Rechtsprechung aus, dass regelmäßige Arbeitsstätte der
ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit und damit der Ort
ist, an dem die geschuldete Leistung zu erbringen ist. Dies ist der Betrieb oder die
Betriebsstätte, die der Steuerpflichtige nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen
Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht (BFH-Urteile vom 10. Juli 2008
VI R 21/07, BFHE 222, 391, BStBl II 2009, 818; vom 9. Juli 2009 VI R 21/08, BFHE 225, 449,
BStBl II 2009, 822; vom 17. Juni 2010 VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852; vom
22. September 2010 VI R 54/09, BFHE 231, 127, BStBl II 2011, 354, m.w.N.; in BFHE 234,
164, BStBl II 2012, 38; vom 9. Februar 2012 VI R 44/10, BFHE 236, 431, BStBl II 2013, 234,
und vom 28. März 2012 VI R 48/11, BFHE 237, 82, BStBl II 2012, 926). Des Weiteren nimmt
die Entscheidung in BFH/NV 2014, 691 die vom Senat angewandte Rechtsprechung des
VI. Senats zur weiträumigen Betriebsstätte (BFH-Urteil in BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564)
ohne jede Distanzierung in Bezug, sodass ersichtlich unverändert von weiträumigen
Betriebsstätten ausgegangen werden kann, wenn sie entsprechend der BFH-Entscheidung
in BFHE 230, 533, BStBl II 2012, 32 (zuletzt zustimmend in Bezug genommen durch BFH-
Urteil vom 11. Juli 2013 VI R 62/12, BFH/NV 2014, 147) über ortsfeste --
betriebsstättenähnliche-- Einrichtungen verfügen.
37 Ob die jeweilige ortsfeste Einrichtung der weiträumigen Betriebsstätte tatsächlich den
Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit bildet, bestimmt sich nach den
qualitativen Merkmalen sowie nach dem konkreten Gewicht der dort verrichteten Tätigkeit
(BFH-Urteile vom 19. Januar 2012 VI R 36/11, BFHE 236, 353, BStBl II 2012, 503, und
VI R 32/11, BFH/NV 2012, 936, sowie in BFHE 234, 164, BStBl II 2012, 38; vom 9. Juni 2011
VI R 36/10, BFHE 234, 160, BStBl II 2012, 36, und VI R 58/09, BFHE 234, 155, BStBl II
2012, 34).
38 Für das Verfahren in BFH/NV 2014, 691 hat der BFH das Vorliegen einer solchen eigenen
betrieblichen Einrichtung (in Gestalt des Betriebshofs eines Dritten für Zwecke der
Abstellung von Müllfahrzeugen) verneint sowie den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit
(Müllentsorgung) nicht auf dem streitbefangenen Grundstück gesehen.
39 Diese auf den konkreten Sachverhalt bezogene Würdigung bietet keine Anhaltspunkte für
die hier zu beurteilende Lotsenstation einer Lotsenbrüderschaft, die von jedem der ihr
angehörigen Lotsen mit zu unterhalten ist, für jeden der von ihnen zu erfüllenden
Lotsaufträge als ortsfeste Einrichtung die organisatorischen Voraussetzungen schafft und
damit von zentraler funktioneller Bedeutung für die Abwicklung der Lotsaufträge im
Einzugsbereich der weiträumigen Betriebsstätte ist.
40 c) Danach ist das FG im Streitfall zu Recht davon ausgegangen, dass die Fahrten des
Klägers zwischen dem von ihm bewohnten Mehrfamilienhaus --ungeachtet der dort
genutzten Büroräume-- zu der Lotsenstation solche sind, für die Fahrtaufwendungen nur
nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG im Umfang der Entfernungspauschale als
Betriebsausgabe in Ansatz zu bringen sind.
41 aa) Allerdings ist es nach der BFH-Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der
Gleichbehandlung von Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug geboten, die von der
Rechtsprechung für den Fahrtkostenabzug von Arbeitnehmern mit ständig wechselnden
Einsatzstellen entwickelten Grundsätze auch auf den Regelungsbereich des § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 6 EStG zu übertragen und Fahrtkosten ausnahmsweise zum uneingeschränkten
Betriebsausgabenabzug zuzulassen, soweit sie zwischen Wohnung und ständig
wechselnden Beschäftigungsstätten angefallen sind (BFH-Urteil vom 5. November 1987
IV R 180/85, BFHE 151, 413, BStBl II 1988, 334).
42 Diese Ausnahme setzt aber voraus, dass der Fahrtaufwand im Einzelfall --entsprechend der
Situation von Arbeitnehmern mit wechselnden Einsatzstellen-- deshalb regelmäßig höher ist,
weil der Steuerpflichtige nicht die Möglichkeit hat, durch eine entsprechende
Wohnsitznahme vorzusorgen und dadurch selbst die Höhe seiner Fahrtaufwendungen zu
bestimmen (BFH-Urteile vom 31. Oktober 1973 VI R 98/73, BFHE 111, 76, BStBl II 1974,
258; vom 11. Juli 1980 VI R 198/77, BFHE 131, 64, BStBl II 1980, 654; vom 20. November
1987 VI R 6/86, BFHE 152, 232, BStBl II 1988, 443).
43 bb) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall hinsichtlich der streitigen Fahrten des
Klägers zu der Lotsenstation nicht vor; der Bereich der von der Regelung des § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG erfassten Fahrten wird im Streitfall nicht
verlassen, zumal das FA für Fahrten des Klägers zu anderen Lotsenstationen einen Ansatz
der Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen nach Maßgabe der Entscheidung in BFHE
151, 413, BStBl II 1988, 334 berücksichtigt hat.
44 d) Auf dieser Grundlage kommt es auf den weiteren Einwand des Klägers, das in dem von
ihm bewohnten Mehrfamilienhaus unterhaltene Büro sei --wegen der räumlichen Trennung
von den eigentlichen Wohnräumen und wegen der teilweisen Fremdvermietung des
Hauses-- kein häusliches Arbeitszimmer, ersichtlich nicht an.
45 Zum einen kommt es für die Frage, ob es sich um eine Fahrt zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte handelt, nach dem dargestellten Zweck der Regelung nur darauf an, dass die
jeweilige Fahrstrecke einerseits durch das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, und
andererseits durch die Räumlichkeiten der Arbeitsstätte gekennzeichnet ist als diejenige
Fahrstrecke, deren regelmäßige Nutzung es ermöglicht, durch entsprechende
Wohnsitznahme vorzusorgen und dadurch selbst die Höhe der Fahrtaufwendungen zu
bestimmen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 111, 76, BStBl II 1974, 258; in BFHE 131, 64, BStBl II
1980, 654; in BFHE 152, 232, BStBl II 1988, 443).
46 Zum anderen kommt das Büro --gleich ob es als häusliches oder außerhäusliches
Arbeitzimmer anzusehen ist-- als Betriebsstätte schon deshalb nicht in Betracht, weil nach
dem Gesamtbild der Verhältnisse bei einer Lotsentätigkeit --wie ausgeführt-- das Lotsrevier
mit der für die Lotsentätigkeit erforderlichen Lotsenstation als ortsfester Einrichtung die
Betriebsstätte ist, an der oder von der aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen
erbracht werden.
47 2. Auf die geltend gemachten Verfahrensmängel kommt es danach nicht an.