Urteil des BFH vom 20.11.2013

BFH: Grunderwerbsteuer bei Grundstücksschenkung unter Auflage

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.11.2013, II R 38/12
Grunderwerbsteuer bei Grundstücksschenkung unter Auflage
Leitsätze
Ist bei einer Grundstücksschenkung unter Auflage (hier Verpflichtung zur Einräumung eines
Wohnrechts am Grundstück) die Auflage bei der Schenkungsteuer dem Grunde nach
bereicherungsmindernd abziehbar, unterliegt sie mit ihrem nach den für die Grunderwerbsteuer
geltenden Vorschriften zu ermittelnden Wert der Grunderwerbsteuer. § 3 Nr. 2 GrEStG gebietet es
nicht, die Auflage bei der Schenkungsteuer und bei der Grunderwerbsteuer nach
übereinstimmenden Maßstäben zu bewerten.
Tatbestand
1 I. Die 1944 geborene Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) übertrug mit notariell
beurkundetem Vertrag vom 11. Januar 2011 ein in ihrem Alleineigentum stehendes
Wohngrundstück auf B. B räumte der Klägerin auf deren Lebenszeit ein unentgeltliches
Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht an dem Grundstück ein. Der Jahreswert des
Wohnungsrechts wurde mit 9.000 EUR beziffert. Zudem verpflichtete sich B, für den
Bedarfsfall auf seine Kosten einen Pflegedienst zu beauftragen. Im Übrigen sollte die
Übertragung des Grundstücks unentgeltlich erfolgen. Die Klägerin verpflichtete sich zur
Übernahme der mit der Grundstücksübertragung verbundenen Verkehrsteuern. Bei der
Bemessung der für den Grundstückserwerb festgesetzten Schenkungsteuer wurde die
Einräumung des Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an die Klägerin mit einem Wert von
98.110 EUR erwerbsmindernd berücksichtigt.
2 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Klägerin mit
Bescheid vom 17. Februar 2011 Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.912 EUR fest. Dabei legte
er als Bemessungsgrundlage einen nach den allgemeinen Vorschriften des
Bewertungsgesetzes (BewG) ermittelten Wert des unentgeltlichen Wohnungsrechts in Höhe
von 109.170 EUR (Jahreswert 9.000 EUR x Vervielfältiger von 12,130) zugrunde. Die für
Zwecke der Schenkungsteuer geltende Begrenzung des Jahreswerts der Nutzungen (§ 16
BewG) berücksichtigte er nicht. Der Einspruch blieb erfolglos.
3 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, bei der Bemessung der
Grunderwerbsteuer sei der Kapitalwert des Wohnungsrechts nur in der Höhe zu
berücksichtigen, in der er tatsächlich bei der Schenkungsteuer abgezogen werden könne,
also in Höhe von 98.110 EUR. Das Urteil des FG ist in Deutsches
Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2013, 939 veröffentlicht.
4 Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung des § 3 Nr. 2 Satz 2 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und des § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG. Entgegen der
Auffassung des FG sei der Bemessung der Grunderwerbsteuer bei einer Schenkung unter
einer Auflage der nach §§ 13 bis 15 BewG ermittelte Kapitalwert der Auflage zugrunde zu
legen. Die Begrenzung der schenkungsteuerrechtlichen Abziehbarkeit der Auflage müsse
gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG unberücksichtigt bleiben.
5 Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6 Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
7 II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entgegen der Auffassung des FG entspricht der Grunderwerbsteuerbescheid den
Vorschriften des GrEStG und ist auch mit Verfassungsrecht vereinbar.
8 1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf
Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Von der
Besteuerung ausgenommen sind gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG Grundstücksschenkungen
unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
Soweit die Schenkung unter einer Auflage erfolgt, die bei der Schenkungsteuer abziehbar
ist, unterliegt der Vorgang jedoch hinsichtlich des Werts der Auflage der Grunderwerbsteuer
(§ 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG).
9 a) Eine Schenkung unter einer Auflage (§ 525 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--
) in diesem Sinn liegt vor, wenn die Leistung des Beschenkten nicht für die Zuwendung,
sondern auf der Grundlage und aus dem Wert der Zuwendung erfolgen soll (Urteil des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Januar 1992 II R 41/89, BFHE 167, 189, BStBl II 1992,
420). Dies ist etwa der Fall, wenn die Grundstücksschenkung unter der Auflage einer
Nießbrauchsbestellung oder der Bestellung eines dinglichen Wohnungsrechts (§§ 1090,
1093 BGB) zugunsten des Schenkers oder eines Dritten vorgenommen wird (BFH-Urteil vom
13. April 2011 II R 27/09, BFHE 233, 174, BStBl II 2011, 730, Rz 12).
10 Derartige Nutzungs- oder Duldungsauflagen mindern bei der Schenkungsteuer die
Bereicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001
II R 72/99, BFHE 196, 296, BStBl II 2002, 25, unter II.3.b; Gebel in Troll/Gebel/ Jülicher,
ErbStG, § 7 Rz 160, 494, § 10 Rz 4; Geck in Kapp/ Ebeling, ErbStG, Einleitung Rz 25.1 ff.,
§ 7 ErbStG, Rz 76 ff.). Dies gilt für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31. Dezember 2008
auch dann, wenn die Grundstücksnutzung dem Schenker oder dessen Ehegatten zusteht;
denn das insoweit früher in § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG vorgesehene Abzugsverbot wurde
durch Art. 1 Nr. 20 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des Erbschaftsteuerreformgesetzes (ErbStRG) vom
24. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 3018) mit Wirkung ab 1. Januar 2009 aufgehoben und gilt
daher gemäß § 37 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 29 Buchst. a ErbStRG nicht mehr für
Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2008 entsteht (vgl. z.B. Gebel, a.a.O.,
§ 25 Rz 5; Geck, a.a.O., Einleitung Rz 25.1 f., 28.1, § 7 Rz 76; Eisele in Kapp/Ebeling, § 25
ErbStG, Rz 1; Meßbacher-Hönsch in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 3
Rz 262).
11 b) Die Abziehbarkeit der Nutzungs- oder Duldungsauflagen bei der Schenkungsteuer hat
gemäß § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG zur Folge, dass der Grundstückserwerb mit dem Wert der
Auflage der Grunderwerbsteuer unterliegt (Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar,
9. Aufl., § 3 Rz 24 f.; Meßbacher-Hönsch in Boruttau, a.a.O.). Ist die freigebige Zuwendung
(§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) unter der bei der Schenkungsteuer abziehbaren Auflage erfolgt,
dass der Bedachte dem Schenker ein lebenslängliches Wohnungsrecht einräumt, entspricht
der Wert der Auflage dem Wert des Wohnungsrechts, das nach § 1 Abs. 1 i.V.m. §§ 14 und
15 BewG mit seinem Kapitalwert zu bewerten ist. Bei dem Wohnungsrecht handelt es sich
um eine Nutzung, die nicht in Geld besteht und deren Jahreswert deshalb gemäß § 15
Abs. 2 BewG mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts anzusetzen ist. Der
Jahreswert ist für die Anwendung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG anders als bei der
Bemessung der Schenkungsteuer nicht nach § 16 BewG auf den Wert beschränkt, der sich
ergibt, wenn der für das zugewendete Grundstück für Zwecke der Schenkungsteuer gemäß
§ 12 Abs. 3 ErbStG nach den Vorschriften des BewG (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 157
Abs. 3, §§ 176 bis 198) anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird. § 16 BewG findet gemäß
§ 17 Abs. 3 Satz 2 BewG auf die Grunderwerbsteuer keine Anwendung.
12 Dem § 3 Nr. 2 GrEStG lässt sich nichts anderes entnehmen. Die Vorschrift begründet weder
eine verfahrensrechtliche noch eine materiell-rechtliche Bindung der Bemessung der
Grunderwerbsteuer an den Wert, mit dem die Auflage bei der Festsetzung der
Schenkungsteuer berücksichtigt wurde oder zu berücksichtigen ist. Vielmehr ist der ohne
Berücksichtigung des § 16 BewG ermittelte Wert der Auflage der Bemessung der
Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen (Gottwald, Zeitschrift für die Steuer- und
Erbrechtspraxis 2006, 83, 85; a.A. Beschluss des FG Nürnberg vom 23. Juli
2013 4 V 545/13, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1789). Es spielt dabei keine
Rolle, ob Schenkungsteuer festgesetzt wurde und ggf. mit welchem Wert die Auflage sich
dabei bereicherungsmindernd auswirkte. Dies hat der BFH bereits mit dem Beschluss vom
5. März 1975 II B 61/74 (BFHE 115, 151, BStBl II 1975, 419) und den Urteilen vom
17. September 1975 II R 42/70 (BFHE 117, 280, BStBl II 1976, 126) und vom 20. April 1977
II R 48/76 (BFHE 122, 355, BStBl II 1977, 676) zur seinerzeitigen Fassung des § 3 Nr. 2
GrEStG entschieden (vgl. auch BFH-Urteil vom 7. September 1994 II R 99/91, BFH/NV 1995,
433, unter II.1.a; Hofmann, a.a.O., § 3 Rz 7).
13 Die Neufassung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG durch Art. 7 Nr. 2 des Jahressteuergesetzes
1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049) hat daran nichts geändert. Durch diese
Vorschrift, nach der Schenkungen unter einer Auflage der Besteuerung hinsichtlich des
Werts solcher Auflagen unterliegen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind, hat der
Gesetzgeber lediglich im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
15. Mai 1984 1 BvR 464/81 u.a. (BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608, unter C.IV.) klargestellt,
dass Auflagen, die bei der Schenkungsteuer nicht abziehbar sind, sondern nur zu einer
Stundung der Steuer nach § 25 ErbStG a.F. führen, der Bemessung der Grunderwerbsteuer
nicht zugrunde gelegt werden dürfen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 433).
14 Dies hat indes nichts daran geändert, dass die Festsetzung von Schenkungsteuer einerseits
und von Grunderwerbsteuer andererseits verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich
grundsätzlich unabhängig voneinander nach den jeweils geltenden Vorschriften zu erfolgen
haben (Meßbacher-Hönsch, a.a.O., § 3 Rz 100). Wie sich aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 2
Satz 2 GrEStG ergibt, der den Nebensatz "die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind",
grammatikalisch an "Auflagen" anknüpft, soll es für die Grunderwerbsteuer nur darauf
ankommen, dass die Auflage bei der Schenkungsteuer dem Grunde nach abziehbar ist.
Hätte der Gesetzgeber etwas anderes regeln wollen, hätte er dies durch eine entsprechende
Formulierung zum Ausdruck bringen können und müssen, etwa durch die Anordnung, dass
eine Schenkung unter einer Auflage der Grunderwerbsteuer unterliegt, soweit der Wert der
Auflage bei der Schenkungsteuer abgezogen wurde oder abziehbar ist.
15 Ein Verfassungsverstoß liegt in der getroffenen gesetzlichen Regelung auch dann nicht,
wenn aufgrund der unterschiedlichen Bewertungsvorschriften der Wert der Auflage, der der
Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen ist, höher ist als der bei der
Schenkungsteuer abziehbare Wert. Die Hinnahme solcher Wertdifferenzen ist vielmehr auch
aus verfassungsrechtlicher Sicht zumutbar.
16 2. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die
Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet und war
daher abzuweisen. Das FA hat gegen die Klägerin zutreffend Grunderwerbsteuer nach § 1
Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG in Höhe von 4.912 EUR festgesetzt. Den
Jahreswert der Nutzung hat es zu Recht dem Vertrag vom 11. Januar 2011 entnommen.
Dass dieser Wert überhöht sei, macht die Klägerin nicht geltend und ist auch nicht
ersichtlich. Die für Zwecke der Schenkungsteuer gemäß § 16 BewG geltende Begrenzung
des Jahreswerts des Nutzungsrechts ist auf die Grunderwerbsteuer nicht anwendbar. Der
Vervielfältiger von 12,130 ist zwar fehlerhaft. Der Vervielfältiger von 12,165, der sich aus
§ 14 Abs. 1 Satz 4 BewG in Verbindung mit dem Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen vom 8. November 2010 (BStBl I 2010, 1288) aufgrund des von der Klägerin beim
Abschluss des Vertrags vom 11. Januar 2011 vollendeten Lebensalters von 66 Jahren
ergibt, ist aber höher als 12,130 und kann daher wegen des im gerichtlichen Verfahren
geltenden Verböserungsverbots der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden.