Urteil des BFH vom 19.03.2013

Maßgeblichkeit des Referenzjahrs 1998 bei der Berechnung des nach § 10 StromStG a.F. zu gewährenden Spitzenausgleichs

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 19.3.2013, VII R 57/11
Maßgeblichkeit des Referenzjahrs 1998 bei der Berechnung des nach § 10 StromStG a.F. zu
gewährenden Spitzenausgleichs
Leitsätze
1. Die Gewährung des Spitzenausgleichs nach § 10 Abs. 2 StromStG a.F. setzt nicht voraus, dass
das begünstigte Unternehmen, das im Antragsjahr alle Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1
StromStG a.F. erfüllt, bereits im Jahr 1998 als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes tätig
gewesen ist.
2. Für Unternehmen, die vor dem 1. Januar 1998 gegründet worden sind, ist bei der Berechnung
des Spitzenausgleichs und der Ermittlung der Arbeitgeberanteile an den
Rentenversicherungsbeiträgen nach § 10 Abs. 2 StromStG a.F. selbst dann auf die
Arbeitnehmerzahl im Referenzjahr 1998 abzustellen, wenn diese im Antragsjahr infolge einer
gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung erheblich höher sein sollte.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde mit der Eintragung im Handelsregister
am 24. März 1997 unter der Firma X-gesellschaft mbH als Vorrats- bzw. Projektgesellschaft
gegründet. Zum 4. Juni 1998 wurde sie mit Änderung des Unternehmensgegenstandes in
Y GmbH umbenannt. Unter dieser Firma fand jedoch zu keinem Zeitpunkt eine betriebliche
Tätigkeit statt. Aufgrund eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom
26. September 2001 wurden die Firma und der Unternehmensgegenstand erneut geändert.
Der nunmehr als Z GmbH firmierenden Gesellschaft wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 2001
gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 1, § 131 Abs. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) von der K GmbH
der Teilbetrieb (Geschäftsbereich) A-produkte übertragen.
2 Mit Stromsteueranmeldung vom 6. Februar 2003 beantragte die Klägerin für das Jahr 2002
eine Vergütung der Stromsteuer nach § 10 des Stromsteuergesetzes (StromStG) in Höhe von
4.089.783,74 EUR. Sie gab an, im Referenzjahr 1998 keine Arbeitnehmer beschäftigt zu
haben. Unter sinngemäßer Anwendung des § 10 Abs. 3 StromStG setzte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) mit Bescheid vom 15. August 2003 den
Vergütungsbetrag lediglich auf 1.402.182,42 EUR fest. Bei der Berechnung dieses Betrags
legte er die Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung zugrunde, die von der Klägerin im
Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2002 entrichtet worden waren. Der daraufhin
eingelegte Einspruch führte unter Anwendung des § 10 Abs. 1 und 2 StromStG zu einer
Neuberechnung der Vergütung unter Berücksichtigung der Arbeitgeberanteile an den
Rentenversicherungsbeiträgen für den Teilbetrieb A-produkte, die im Kalenderjahr 1998 im
Bereich der damaligen K GmbH angefallen waren. Mit Einspruchsentscheidung vom
17. Februar 2004 wurde der zu vergütende Betrag auf nunmehr 1.639.963,49 EUR.
festgesetzt. Schließlich setzte das HZA den Entlastungsbetrag mit Änderungsbescheid vom
10. Mai 2011 auf 0 EUR fest mit der Begründung, die Klägerin habe im Referenzjahr 1998 das
Kriterium eines Unternehmens des Produzierenden Gewerbes nicht erfüllt. Deshalb müsse es
bei der gezahlten Stromsteuer verbleiben.
3 Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage begehrte die Klägerin eine Festsetzung der
Stromsteuervergütung für den Zeitraum vom 8. Februar bis zum 31. Dezember 2002 in Höhe
von 3.661.173,96 EUR. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, zwar
habe die Klägerin im Zeitraum vom 8. Februar bis zum 31. Dezember 2002 alle
Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StromStG erfüllt. Jedoch habe ihre eigenbetriebliche
Tätigkeit bis zur Aufnahme des Teilbetriebs ausschließlich darin bestanden, zunächst als
Vorrats- und später als Projektgesellschaft zu dienen und damit die Aufnahme des operativen
Teils des A-geschäfts vorzubereiten. Da die Klägerin als der aufnehmende Rechtsträger im
Jahr 1998 lediglich einen Unternehmensmantel darstellte, habe sie keine Tätigkeit ausgeübt,
die nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes dem
Produzierenden Gewerbe zugeordnet werden könnte. Dies habe zur Folge, dass eine der in
§ 10 Abs. 2 StromStG genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sei. Deshalb sei mangels
eines Entlastungsbetrags ein diesen übersteigender Vergütungsbetrag nicht errechenbar.
Mithin habe es bei der von der Klägerin entrichteten Stromsteuer zu verbleiben.
4 Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen die Rechtsauffassung des HZA und des
FG, dass mit der Aufnahme des Geschäftsbereichs A-produktion nach wirtschaftlicher
Betrachtungsweise von einer Neugründung des Unternehmens auszugehen sei, so dass auf
die Mitarbeiterzahl im Jahr 1998 nicht abgestellt werden könne. Zu Unrecht seien die
Arbeitgeberanteile an den Rentenversicherungsbeiträgen diesem Geschäftsbereich fiktiv
zugeordnet worden. Es sei unstreitig, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum
als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes Strom zu eigenbetrieblichen Zwecken
entnommen habe. Weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der in § 10
Abs. 2 StromStG getroffenen Regelung ergebe sich das Erfordernis einer Tätigkeit als
Unternehmen des Produzierenden Gewerbes bereits im Referenzjahr 1998, wenn erst für das
Jahr 2002 eine Entlastung nach § 10 StromStG beantragt werde. Der Gesetzeswortlaut
beschränke sich in § 10 Abs. 2 StromStG auf die Bezeichnung "Unternehmen". Mit der
Entlastungsregelung habe der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, energieintensive Unternehmen
über einen Selbstbehalt hinaus nicht mit der Stromsteuer zu belasten. Die Anforderung, dass
die Steuerverschonung nur Unternehmen zugutekomme, die bereits im Referenzjahr 1998 als
Unternehmen des Produzierenden Gewerbes tätig gewesen seien, stelle eine rechtliche
Sanktion dar, die nicht zu rechtfertigen sei. Auch den Materialien zum
Gesetzgebungsverfahren könne nicht entnommen werden, dass eine auslegungsbedürftige
Regelungslücke bestehe und es auf die betriebliche Tätigkeit im Jahr 1998 ankommen solle.
Hinsichtlich der Berechnung des Vergütungsbetrags könne deshalb nicht auf die
Mitarbeiterzahl bzw. auf die Arbeitgeberanteile an den Rentenversicherungsbeiträgen der K
GmbH für den Teilbetrieb A-produktion abgestellt werden.
5 Das HZA trägt vor, die Regelung des § 10 Abs. 2 StromStG könne nur so ausgelegt werden,
dass es sich bei dem antragstellenden Unternehmen im wirtschaftlichen Sinn im
Wesentlichen um dasselbe Unternehmen wie im Jahr 1998 handeln müsse. Die Klägerin
habe als aufnehmender Rechtsträger im Jahr 1998 lediglich einen Unternehmensmantel
dargestellt und infolgedessen keine Arbeitnehmer beschäftigt. Da sie im Referenzjahr 1998
nicht als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes tätig gewesen sei, müsse ihr die
Entlastung in vollem Umfang versagt werden. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 10
Abs. 1 StromStG, nach dem der Entlastungsbetrag "nach Maßgabe" der Absätze 2 bis 4 zu
berechnen sei.
Entscheidungsgründe
6 II. Die Revision ist begründet. Der Klägerin steht für den Zeitraum vom 8. Februar bis zum
31. Dezember 2002 ein Vergütungsanspruch nach § 10 Abs. 1 und 2 StromStG in Höhe von
3.661.173,96 EUR zu, der nicht daran scheitert, dass die Klägerin im Referenzjahr 1998
noch nicht als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes tätig gewesen ist. Für die
Berechnung des Vergütungsbetrags ist auf die Verhältnisse der Klägerin in diesem Jahr
abzustellen, so dass eine Berücksichtigung der Arbeitgeberanteile an den
Rentenversicherungsbeiträgen für den erst im Oktober 2001 übernommenen Teilbetrieb A-
produkte nicht in Betracht kommt.
7 1. Nach § 10 Abs. 1 StromStG i.d.F. des Art. 2 Nr. 6 des Gesetzes zur Fortführung der
ökologischen Steuerreform (BGBl I 1999, 2423) wird auf Antrag die Steuer für nachweislich
versteuerten Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes entnommen hat,
nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 erlassen, erstattet oder vergütet. Entlastungsberechtigt ist
das Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, das den Strom zu betrieblichen Zwecken
entnommen hat. Gemäß § 10 Abs. 2 StromStG wird die Stromsteuerentlastung für vor dem
1. Januar 1998 gegründete Unternehmen nur insoweit gewährt, als die Steuer im
Kalenderjahr das 1,2fache des Betrages übersteigt, um den sich für das Unternehmen der
Arbeitgeberanteil an den Rentenversicherungsbeiträgen des Kalenderjahrs 1998 bei
entsprechender Anwendung der jeweils gültigen Beitragssätze in der Rentenversicherung
des Kalenderjahrs, für das der Antrag gestellt wird (Antragsjahr), vermindert hätte.
8 Aus der Begründung des Gesetzes zur Fortführung der ökologischen Steuerreform geht
hervor, dass die Änderung von § 10 StromStG in der ursprünglichen Fassung von Art. 1 des
Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24. März 1999 (BGBl I 1999,
378) und die dadurch vorgenommene Differenzierung nach der Gründung eines
Unternehmens vor dem 1. Januar 1998, nach dem 31. Dezember 1998 oder im Kalenderjahr
1998 lediglich klarstellende Funktion haben sollte (BTDrucks 14/1524). Nicht beabsichtigt
war daher eine Erweiterung oder Einschränkung des Begünstigtenkreises oder eine
Modifizierung des Entlastungstatbestandes. Die erst auf Empfehlung des
Finanzausschusses in das StromStG eingefügte Entlastungsregelung soll gewährleisten,
dass energieintensive Unternehmen durch die Einführung der neuen Steuer nicht über einen
tragbaren Selbstbehalt hinaus belastet werden (BTDrucks 14/440, S. 16). Nach dem
erklärten Ziel des Gesetzgebers sollten die Einnahmen aus der Stromsteuer u.a. zur
Senkung der Abgabenlast auf den Faktor Arbeit und damit zur Senkung der
Rentenversicherungsbeiträge verwendet werden. Dabei sollte die Entlastung in der
Rentenversicherung bei der Bemessung des zu gewährenden Spitzenausgleichs durch eine
Gegenrechnung Berücksichtigung finden. Es sollten nur solche energieintensiven
Unternehmen in den Genuss des Steuervorteils kommen, bei denen die Belastung mit der
sog. Ökosteuer das 1,2fache der Entlastung in der Rentenversicherung übersteigt. Als
Referenzjahr wurde das Jahr vor Einführung der Stromsteuer festgelegt. Damit wollte der
Gesetzgeber verhindern, dass Unternehmen den Vergütungsanspruch dadurch hätten
erhöhen können, dass sie im Antragsjahr Arbeitnehmer entlassen (BTDrucks 14/440, S. 16).
Diese Begründung kann auch nach der Änderung des § 10 StromStG Geltung
beanspruchen. Bei der Berechnung der einem vor dem 1. Januar 1998 gegründeten
Unternehmen zustehenden Vergütung ist demnach zu unterstellen, dass die abgesenkten
Beitragssätze des Antragsjahres bereits im Jahr 1998 gegolten haben. Daraus folgt, dass
auch hinsichtlich der zu berücksichtigenden Arbeitnehmerzahl auf das Referenzjahr 1998
abzustellen ist. Dies muss selbst dann gelten, wenn das Unternehmen in diesem Jahr keine
Mitarbeiter beschäftigt hat (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 31. März
2004 4 K 4622/03 VSt, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2005, 132, und
Urteil des FG Bremen vom 8. Dezember 2005 4 K 15/05 (2), Entscheidungen der
Finanzgerichte 2007, 710).
9 2. Dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 StromStG lässt sich nicht entnehmen, dass ein
energieintensives und damit nach der Zielsetzung des Spitzenausgleichs
entlastungsbedürftiges Unternehmen, das im Antragsjahr sämtliche Voraussetzungen für die
Gewährung einer Vergünstigung nach § 10 Abs. 1 StromStG erfüllt, nur dann eine Entlastung
erlangen kann, wenn es auch im Jahr 1998 als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes
tätig gewesen ist. Vielmehr setzt die Erfüllung des Entlastungstatbestandes lediglich voraus,
dass ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes Strom zu betrieblichen Zwecken
entnimmt. Auf eine Tätigkeit vor dem Antragsjahr nimmt die Gesetzesformulierung keinen
Bezug. Ohne Weiteres hätte der Gesetzgeber bereits bei der Ausgestaltung der
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StromStG Umstrukturierungen in den
Blick nehmen und auf eine produzierende Tätigkeit des Unternehmens im Jahr 1998
abstellen können.
10 Auf bei Umstrukturierungen evtl. entstehende Probleme ist der Gesetzgeber zwar
hingewiesen worden --so hat die Bundestagsabgeordnete Frau Dr. Hasselfeldt in den
Beratungen ausgeführt, es sei unklar, was für Unternehmen gelte, die fusionieren oder
getrennt werden (BTPlPro 14/24, S. 1832 f.)--, jedoch hat er es unterlassen, für
Umwandlungsfälle eine besondere gesetzliche Regelung zu treffen. Auch entsprechende
Hinweise im nachfolgenden Gesetzgebungsverfahren, in dem der Bundesverband der
Deutschen Industrie mit Schreiben vom 24. September 1999 beanstandet hat, dass der
gesamte Bereich der Umstrukturierungen wiederum nicht gesondert geregelt werde (vgl.
Urteil des FG Düsseldorf in ZfZ 2005, 132), hat der Gesetzgeber nicht zum Anlass
genommen, bei der Abfassung des Gesetzes zur Fortführung der ökologischen Steuerreform
in § 10 StromStG ergänzende Bestimmungen aufzunehmen, die starke Schwankungen in
der Mitarbeiterzahl berücksichtigen, und die Fälle einer Aufnahme der produzierenden
Tätigkeit erst nach dem 31. Dezember 1998 gesondert zu regeln. In Kenntnis der
Problematik hat er sich vielmehr mit einer generalisierenden Regelung begnügt, die in
Einzelfällen eine überschießende Begünstigung in Kauf nimmt.
11 3. Entgegen der Ansicht des HZA ist auch keine Regelungslücke ersichtlich, die durch eine
von den Vorgaben des § 2 Nr. 4 StromStG abweichende Auslegung des
Unternehmensbegriffs geschlossen werden müsste. Das StromStG unterscheidet nicht
zwischen einem Unternehmen im rechtlichen und einem Unternehmen im wirtschaftlichen
Sinn. Entgegen der Ansicht des HZA kann der in § 10 Abs. 2 StromStG verwendete
Unternehmensbegriff nicht einschränkend dahingehend verstanden werden, dass es sich bei
dem antragstellenden Unternehmen im wirtschaftlichen Sinn im Wesentlichen um dasselbe
Unternehmen wie im Jahr 1998 handeln muss oder, anders gewendet, dass bei dem in § 10
Abs. 2 StromStG angesprochenen Unternehmen nicht nur die rechtliche Selbständigkeit,
sondern auch die wirtschaftliche Betätigung in den Blick genommen werden muss. Nach
dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist die Gründung des Unternehmens vor
dem 1. Januar 1998 maßgebend. Als Unternehmen wird in § 2 Nr. 4 StromStG die kleinste
rechtlich selbständige Einheit bezeichnet. Der stromsteuerrechtliche Unternehmensbegriff ist
nach der Begründung des Gesetzgebers inhaltsgleich mit den Vorgaben des Statistischen
Bundesamtes für dessen Erhebungen zum Produzierenden Gewerbe (Fachserie 4,
Reihe 4.1.1). Wie der Senat entschieden hat, wird mit dieser Regelung eine weitgehende
Kongruenz zwischen den zu statistischen und stromsteuerlichen Zwecken zu erfassenden
Unternehmen hergestellt, die die Anwendung der Klassifikation der Wirtschaftszweige
wesentlich erleichtert, wenn nicht sogar erst ermöglicht (Senatsentscheidungen vom
24. August 2004 VII R 23/03, BFHE 207, 88, ZfZ 2005, 88, und vom 15. September 2006
VII B 234/05, BFH/NV 2007, 278). Dabei ist der stromsteuerrechtliche Unternehmensbegriff
nicht deckungsgleich mit dem umsatzsteuerrechtlichen Unternehmensbegriff oder dem
Begriff der Betriebsstätte in § 12 der Abgabenordnung (Senatsurteil vom 2. November 2010
VII R 48/09, BFH-PR 2011, 246). Eine von den Vorgaben des UmwG und der Klassifikation
der Wirtschaftszweige abweichende und ausschließlich nach wirtschaftlichen Kriterien
ausgerichtete Betrachtung, die sich zudem von der in § 2 Nr. 4 StromStG festgelegten
Definition entfernt, ist aus stromsteuerrechtlicher Sicht nicht geboten. Wie der Senat bereits
entschieden hat, geht das StromStG von einer formalen Betrachtungsweise aus, die auf die
rechtlichen Gegebenheiten abstellt. Einem eigenständigen wirtschaftlichen
Unternehmensbegriff steht die in § 2 Nr. 4 StromStG festgelegte Definition entgegen (so
auch FG Düsseldorf in ZfZ 2005, 132).
12 Bei der vom HZA vertretenen Sichtweise würden Unternehmen, die im Referenzjahr 1998
über keine Mitarbeiter verfügten, in Umstrukturierungsfällen von jeglicher Vergünstigung
ausgeschlossen, obwohl sie in einem folgenden Antragsjahr alle Voraussetzungen für einen
Spitzenausgleich nach § 10 StromStG erfüllten. Alleiniges Kriterium für die Verweigerung
der Begünstigung wäre eine nicht begünstigte Tätigkeit im Jahr 1998. Dies widerspräche
jedoch dem Ziel der wettbewerbspolitisch motivierten Steuerverschonung. Zudem lassen
sich auch aus der in § 9 Abs. 3 StromStG getroffenen Regelung keine Anhaltspunkte dafür
gewinnen, die Anwendung des Unternehmen des Produzierenden Gewerbes gewährten
ermäßigten Steuersatzes könne für solche Unternehmen nicht in Betracht kommen, die vor
dem Jahr, für das die Begünstigung beantragt wird, nicht produzierend tätig gewesen seien.
Sofern sich bei Anwendung des § 10 Abs. 2 StromStG für bestimmte Unternehmen eine aus
wirtschaftspolitischer Sicht unerwünschte Steuerentlastung ergeben sollte, ist dies eine
hinzunehmende Folge der vom Gesetzgeber bewusst unterlassenen Vorsorge für
Umstrukturierungsfälle.
13 4. Nach den Feststellungen des FG ist die Klägerin am 24. März 1997 gegründet worden;
somit ist im Streitfall von einer Unternehmensgründung der Klägerin vor dem Referenzjahr
1998 auszugehen, so dass § 10 Abs. 2 StromStG anwendbar ist. Zwar war die Klägerin zu
diesem Zeitpunkt noch nicht als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes tätig, doch
ändert dieser Umstand nichts daran, dass sie als rechtlich selbständiges Unternehmen i.S.
des § 2 Nr. 4 StromStG anzusehen ist. Für die Berechnung des Vergütungsbetrags ist auf die
Mitarbeiterzahl im Referenzjahr 1998 abzustellen. Insofern kommt eine Berücksichtigung der
Mitarbeiter und der Arbeitgeberanteile an den Rentenversicherungsbeiträgen des erst im
Oktober 2001 übernommenen Teilbetriebs A-produkte nicht in Betracht. Da die Klägerin im
Jahr 1998 keine Mitarbeiter beschäftigte, ergibt sich auch keine Entlastung bei den
Arbeitgeberanteilen an den Rentenversicherungsbeiträgen, die sie sich entgegenhalten
lassen müsste. Daher steht ihr der mit der Klage geltend gemachte Entlastungsanspruch in
ungekürzter Höhe zu.
14 Da das FG zu einer vom erkennenden Senat abweichenden Rechtsauffassung gelangt ist,
war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben. Auch die angefochtenen
Verwaltungsentscheidungen können keinen Bestand haben.