Urteil des BFH vom 19.01.2010

Beerdigungskosten als dauernde Last - Abziehbarkeit von wiederkehrenden Leistungen als dauernde Last im Rahmen der Vermögensübergabe

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 19.1.2010, X R 32/09
Beerdigungskosten als dauernde Last - Abziehbarkeit von wiederkehrenden Leistungen als dauernde Last im Rahmen der
Vermögensübergabe
Leitsätze
Hat sich der Vermögensübernehmer gegenüber dem Vermögensübergeber verpflichtet, die Kosten einer standesgemäßen
Beerdigung zu tragen, sind die Bestattungskosten dann nicht als dauernde Last i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar,
wenn er Alleinerbe des Vermögensübergebers wird.
Tatbestand
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I. Die Eltern des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) übertrugen diesem auf der Grundlage eines
Hofübergabevertrages ihren landwirtschaftlichen Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Im Gegenzug
verpflichtete sich der Kläger, seinen Eltern auf Lebenszeit ein Altenteil zu gewähren. U.a. sollte er den "Eltern nach
deren Tod ein standesgemäßes und christliches Begräbnis bereiten und für die übliche weitere Grabpflege Sorge
tragen".
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Der Vater des Klägers verstarb im Januar 2004. Seine Alleinerbin, die Mutter des Klägers, verstarb im April 2004. Der
Kläger ist Alleinerbe nach seiner Mutter. Die Beerdigungskosten für die Mutter des Klägers beliefen sich auf insgesamt
ca. 5.100 EUR.
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In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 machten die Kläger die Beerdigungskosten beider Elternteile
als Sonderausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte diese Kosten
nicht. Beerdigungskosten seien keine dauernden Lasten, sondern außergewöhnliche Belastungen. Da die
Aufwendungen aus dem Nachlass bestritten werden könnten, käme ein Abzug nach § 33 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht in Betracht.
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Im Einspruchsverfahren erkannte das FA die Kosten für die Beerdigung des Vaters als abziehbare Sonderausgaben
an. Hinsichtlich der Beerdigungskosten für die Mutter des Klägers wies es den Einspruch zurück.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1377 veröffentlichtem Urteil
statt. Auch einmalige Aufwendungen, die --wie die Kosten für die Beerdigung und ein angemessenes Grabmal des
Altenteilers-- nach dem Zivilrecht zum Inbegriff "typischer" Versorgungsleistungen gehörten, seien als
Sonderausgaben abziehbar. Sie gehörten zu einer zusammenhängenden steuerrechtlichen Einheit von
verschiedenartigen Versorgungsleistungen, bei der sich eine isolierte Betrachtung einmalig zu erbringender
Leistungsbestandteile verbiete. Beerdigungskosten seien solche Leistungsbestandteile; sie lägen zeitlich am Ende
einer Reihe unterschiedlicher laufender Zuwendungen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Februar 2006 X
R 5/04, BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160).
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Der Abziehbarkeit der Beerdigungskosten stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger als Alleinerbe seiner Mutter die
Beerdigungskosten nach § 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) hätte tragen müssen. Die Verpflichtung im
Altenteilsvertrag überlagere die erbrechtliche Verpflichtung.
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Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe nicht berücksichtigt, dass der
Abziehbarkeit der Aufwendungen für den Letztversterbenden das Prinzip der korrespondierenden Besteuerung der
Leistungen entgegenstehe (Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 10 EStG Rz 109). Im Fall des
Letztversterbenden könnten die Aufwendungen, die der Verpflichtete leiste, an niemanden mehr erbracht werden, da
kein Berechtigter aus dem Altenteilsvertrag mehr vorhanden sei. Dies gelte insbesondere dann, wenn der
Altenteilsverpflichtete Alleinerbe sei. Zudem werde in der Literatur auch die Auffassung vertreten, Beerdigungskosten
seien nicht als Sonderausgaben abziehbar, da sie nur einmalig anfielen.
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Das FA beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
10 Der vom FA vorgetragene Grundsatz der materiell-rechtlichen Korrespondenz sei erstmalig mit dem
Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008) kodifiziert worden und demzufolge im Streitjahr 2004 nicht anwendbar. Zudem
ende die Abziehbarkeit der dauernden Last nicht, wenn der Altenteilsverpflichtete zugleich Alleinerbe des
überlebenden Altenteiler-Ehegatten werde.
Entscheidungsgründe
11 II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass die
Aufwendungen für die Beerdigung der Mutter des Klägers als Sonderausgaben abziehbar sind.
12 1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und
dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer
Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Handelt es sich steuerrechtlich um eine dem Vertragstypus des
"Versorgungsvertrages"/"Altenteilsvertrages" vergleichbare Vermögensübergabe, sind die --grundsätzlich schon
aufgrund der Rechtsnatur des Vertrages abänderbaren-- wiederkehrenden Leistungen in der Regel als "dauernde
Last" abziehbar (ausführlich hierzu Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161,
317, 328, BStBl II 1990, 847; zusammenfassend Senatsurteil vom 25. August 1999 X R 38/95, BFHE 190, 302, BStBl II
2000, 21, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
13 2. Zutreffend ist das FG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats davon ausgegangen,
dass das bürgerlich-rechtliche Altenteil Versorgungsleistungen verschiedener Art umfasst, die durch die gemeinsame
Zweckbestimmung, den Berechtigten ganz oder teilweise zu versorgen, zu einer rechtlichen Einheit verbunden sind,
und dass auch die Kosten für die Beerdigung des Altenteilers Bestandteil dieser Leistungen sind (vgl. Senatsurteil in
BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160, m.w.N.). Das FG ist der Rechtsprechung des erkennenden Senats auch insoweit
gefolgt, als es die generelle Abziehbarkeit der Beerdigungskosten als Sonderausgaben --obwohl nicht
wiederkehrend-- aus deren Zugehörigkeit zum "Inbegriff der Versorgungsleistungen" folgert. Zudem ist das FG in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats davon ausgegangen, dass im Streitfall der
Altenteilsvertrag als Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zu werten ist (Senatsurteil vom 25. März
1992 X R 196/87, BFHE 167, 408, BStBl II 1992, 1012).
14 3. Die aufgrund der getroffenen vertraglichen Verpflichtung geschuldeten und erbrachten Aufwendungen für die
Beerdigungskosten des letztversterbenden Altenteilers sind jedoch --entgegen der Auffassung des FG-- nicht als
dauernde Last abziehbar, wenn dieser Alleinerbe ist (so auch HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 79; Stöcker in
Bordewin/Brandt, § 10 EStG Rz 225, sowie Blümich/Hutter, § 10 EStG Rz 152, die allerdings beide darauf abstellen,
dass Beerdigungskosten nicht laufend gezahlt werden, sondern nur einmalig entstehen können; anderer Ansicht
Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rz D 196; Kanzler, Finanz-Rundschau 2006, 743).
15 a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kennzeichnet die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen,
dass sich der Vermögensübergeber Teile der nunmehr vom Vermögensübernehmer zu erwirtschaftenden
Nettoerträge vorbehält. Der Vorbehalt der Erträge stellt sich dar als ein "Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit".
Dieser wird in der Weise rechtstechnisch verwirklicht, dass die Aufwendungen beim Übernehmer nach § 10 Abs. 1 Nr.
1a EStG abziehbar und die entsprechenden Zuflüsse beim Übergeber nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbar sind,
und bedingt eine materiell-rechtliche Korrespondenz zwischen Abzugs- und Besteuerungstatbestand (vgl. z.B.
Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 X R 14/06, BFHE 219, 160, BStBl II 2008, 123). Die materiell-rechtliche
Korrespondenz von Abziehbarkeit und Steuerbarkeit ist dem Rechtsprinzip des Vorbehalts der Vermögenserträge
immanent. Deshalb kommt es entgegen dem Vorbringen der Kläger im Revisionsverfahren nicht darauf an, ob
erstmalig mit dem JStG 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150) das Korrespondenzprinzip kodifiziert
wurde.
16 b) Die Qualifizierung der Beerdigungskosten als dauernde Last scheitert nach Auffassung des erkennenden Senats
im Streitfall an der fehlenden Korrespondenz zwischen Abziehbarkeit und Steuerbarkeit. Für die Abziehbarkeit der
dauernden Last ist die normleitende Vorstellung maßgeblich, dass der Übergeber "das Vermögen --ähnlich wie beim
Nießbrauchsvorbehalt-- ohne die vorbehaltenen Erträge, die ihm nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen,
übertragen hat" (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12. Mai 2003 GrS 1/00, BFHE 202, 464, BStBl II 2004,
95, unter C.II.2.c). Da die Versorgungsleistungen somit als vorbehaltene Vermögenserträge zu charakterisieren sind,
kommt eine Abziehbarkeit von wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgaben nur dann in Betracht, wenn die
vorbehaltenen Erträge in Gestalt der Beerdigungskosten einem Empfänger als wiederkehrende Einkünfte (§ 22 Nr. 1
Satz 1 EStG) zugerechnet werden können. Diese Voraussetzung war in dem dem Senatsurteil in BFHE 212, 450,
BStBl II 2007, 160, zugrunde liegenden Streitfall erfüllt, da aus dem Altenteilsrecht beide Ehegatten
anspruchsberechtigt waren und somit der überlebende Ehegatte steuerbare Einkünfte bezog. Daran fehlt es aber im
Streitfall. Die Beerdigungskosten der letztverstorbenen Mutter des Klägers könnten höchstens dem Kläger selbst als
dem Alleinerben seiner Mutter zugerechnet werden. Könnte dieser die wiederkehrenden Leistungen als
Sonderausgaben abziehen, würden die Beerdigungskosten als vorbehaltene Erträge bei ihm zu nach § 22 Nr. 1 Satz
1 EStG steuerbaren Einkünften führen. Forderung (Anspruch auf Entlastung von den Beerdigungskosten, die der Erbe
nach § 1968 BGB zu tragen hat) und Schuld (Verpflichtung aus dem Altenteilsvertrag zur Tragung der
Beerdigungskosten) vereinen sich in einer Person und führen zur Konfusion mit der Folge, dass Forderung und
Schuld erlöschen und dementsprechend weder der Ansatz von steuerbaren Einkünften noch der Abzug von
Sonderausgaben in Betracht kommt.
17 c) Der so verstandenen materiell-rechtlichen Korrespondenz zwischen Abziehbarkeit und Steuerbarkeit
wiederkehrender Leistungen steht nicht der Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 202, 464, BStBl II 2004,
95 entgegen. Auch wenn --worauf der Große Senat zutreffend hinweist-- sich dem EStG nicht die generelle Geltung
eines Korrespondenzprinzips entnehmen lässt und sich die Abziehbarkeit von wiederkehrenden Leistungen als
Sonderausgaben und ihre Steuerbarkeit als wiederkehrende Bezüge nur mit der Unentgeltlichkeit der
Vermögensübertragung rechtfertigen lassen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 202, 464, BStBl II
2004, 95, unter C.II.2.d), führt doch die Überlegung, dass der Vermögensübergeber das Vermögen --ähnlich wie beim
Vorbehaltsnießbrauch-- ohne die vorbehaltenen Erträge, die ihm nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen,
übergeben hat, zwar nicht zu einer verfahrensrechtlichen, aber doch zu einer materiell-rechtlichen Korrespondenz
zwischen Abziehbarkeit und Steuerbarkeit der dauernden Last (Gröpl, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 8 Rz B
59; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 28. Aufl., § 22 Rz 56 und 83; HHR/Kulosa § 10 EStG Rz 109).