Urteil des BFH vom 09.04.2014

Verluste aus Termingeschäften als Veräußerungskosten nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 9.4.2014, I R 52/12
Verluste aus Termingeschäften als Veräußerungskosten nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002
Leitsätze
1. Die in § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 angeordnete Freistellung der Gewinne aus der
Veräußerung von Kapitalanteilen bezieht sich auf einen um etwaige Veräußerungskosten
gekürzten Nettobetrag, von welchem nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 sodann 5 v.H. als fiktive
nichtabziehbare Betriebsausgaben behandelt werden.
2. Zu den Veräußerungskosten i.S. von § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 gehören alle
Aufwendungen, welche durch die Veräußerung der Anteile veranlasst sind. Das können auch die
Verluste aus der Veräußerung von Zertifikaten auf die entsprechenden Aktien aus
Wertpapiertermingeschäften sein.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, war im Streitjahr 2005 als
Reiseveranstalter tätig. Daneben führte sie verschiedene Aktiengeschäfte sowie
Termingeschäfte auf Aktien und Zertifikate durch, im Einzelnen wie folgt:
2 Im November 2004 und im Mai 2005 erwarb sie Aktien der A-AG (925.900 Aktien zum Preis
von 10,80 EUR je Stück sowie 969.000 Aktien zum Preis von 10,32 EUR je Stück) sowie im
August 2005 Aktien der B-AG (308.000 Aktien zum Preis von 40,60 EUR je Stück). Aktien
derselben Gattung wurden im Mai 2005 und im Oktober 2005 an die D-Bank veräußert, und
zwar nach Ablauf des jeweils zugrunde liegenden Termingeschäfts mit der D-Bank. Der
Rücknahmekurs lag dabei jeweils über dem aktuellen Börsenkurs (10,91 EUR bzw.
10,41 EUR); er verringerte sich aber, wenn der Börsenkurs während der Laufzeit des
Termingeschäfts zu irgendeinem Zeitpunkt eine gewisse Schwelle --den sog. Barrierepreis--
überschritt. Wahlweise war es der Klägerin gestattet, zum festgelegten Termin statt der Aktien
ein Aktienzertifikat zu liefern, dessen Börsenpreis mit dem Preis der Aktie der betreffenden
Aktiengesellschaft zu jenem Zeitpunkt identisch war. Auf dieser Basis machte die Klägerin in
drei Fällen von ihrem Wahlrecht zur Lieferung der Zertifikate Gebrauch; in einem Fall erfolgte
hingegen die Lieferung von Aktien in das Termingeschäft. Insgesamt führte die Erfüllung der
Termingeschäfte durch die Lieferung der Zertifikate zu einem Verlust von 2.780.570 EUR. Aus
der Rückveräußerung der Aktien wurde hingegen ein Gewinn von insgesamt 2.391.969 EUR
vereinnahmt.
3 Nach Auffassung der Klägerin waren die Gewinne aus den Aktienverkäufen jeweils nach § 8b
Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) steuerfrei, während die Verluste aus den
Verkäufen der Zertifikate in voller Höhe gewinnmindernd zu berücksichtigen seien. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) war dementgegen der Auffassung,
lediglich das Gesamtergebnis aus beiden Transaktionen sei nach § 8b Abs. 2 KStG 2002
steuerfrei zu stellen. Aufgrund dessen unterfalle der aus den Geschäftsvorfällen
erwirtschaftete Verlust von insgesamt 388.601 EUR dem Abzugsverbot nach § 8b Abs. 3
Satz 3 KStG 2002. Hilfsweise --falls man § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG 2002 für nicht anwendbar
halte--, scheitere der Verlustabzug an § 15 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG
2002).
4 Die (Sprung-)Klage gegen den hiernach geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2005 blieb
erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf wies sie mit Urteil vom 12. Juni
2012 6 K 2435/09 K ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012,
2055 abgedruckt.
5 Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid dahingehend
abzuändern, dass der Verlust aus der Veräußerung der Zertifikate in Höhe von
2.780.570 EUR zum Abzug zugelassen wird.
6 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
7 II. Die Revision ist unbegründet.
8 1. Nach § 8b Abs. 2 Satz 1 (i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1) KStG 2002 bleiben bei der Ermittlung
des Einkommens u.a. einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft (vgl. § 1
Abs. 1 Nr. 1 KStG 2002) --und damit im Streitfall auch der Klägerin-- Gewinne aus der
Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren
Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a
EStG 2002 gehören, außer Ansatz. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind im
Streitfall erfüllt. Der Gewinn aus der Veräußerung der diversen Kapitalbeteiligungen bleibt
deswegen bei der Ermittlung der im Streitjahr erwirtschafteten Gewinne zu Recht
unberücksichtigt. Darüber besteht unter den Beteiligten denn auch kein Streit.
9 2. Veräußerungsgewinn i.S. von § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 ist nach Satz 2 der Vorschrift
der Betrag, um den der Veräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach
Abzug der Veräußerungskosten den Wert übersteigt, der sich nach den Vorschriften über die
steuerliche Gewinnermittlung im Zeitpunkt der Veräußerung ergibt (Buchwert).
10 a) Der gesetzlich angeordnete Abzug der Veräußerungskosten kann nicht deswegen
unterbleiben, weil nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 von dem jeweiligen Gewinn i.S. des
Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift 5 v.H. als Ausgaben gelten, die nicht als Betriebsausgaben
abgezogen werden können.
11 Argumentiert wird zwar dahin, das pauschale Abzugsverbot fiktiver Betriebsausgaben nach
§ 8b Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 einerseits und der tatsächliche Abzug der
Veräußerungskosten bei Ermittlung des betreffenden Veräußerungsgewinns andererseits
ziehe eine "doppelte" Berücksichtigung ein und derselben Kosten nach sich, die vom
Regelungszweck nicht getragen sei. Letzteres mag durchaus zutreffen und in systematischer
Hinsicht nicht vollkommen überzeugen (vgl. z.B. Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8b Rz 283;
Gröbl/Adrian in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl., § 8b Rz 172; Kröner in Ernst & Young, KStG, § 8b
Rz 120, 137; Rödder/Schumacher, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2003, 1725, 1728;
ähnlich Watermeyer in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 8b KStG Rz 83; Hill/Kavazidis, Der
Betrieb --DB-- 2003, 2028; Riedel, Finanz-Rundschau --FR-- 2014, 356, 359; Ebel, FR 2014,
410, 415). Das ändert jedoch nichts daran, dass der Regelungswortlaut eindeutig ist. Auch
für eine teleologisch einschränkende Auslegung der Norm besteht keine Veranlassung.
Beides --sowohl der Abzug der Veräußerungskosten als auch der Nichtabzug der fiktiven
Kosten-- verhält sich im Rahmen der hinnehmbaren gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit.
Ungeachtet dessen, dass die Steuerfreistellung der Veräußerungsgewinne --
gewissermaßen als "verdichtete" Gewinne (vgl. Senatsurteil vom 22. Dezember 2010
I R 58/10, BFHE 232, 185)-- im Prinzip die Steuerfreistellung der Gewinnausschüttungen
flankieren soll, ist es dem Gesetzgeber doch unbenommen, diese --typisierte--
Gleichbehandlung zu begrenzen. Das kann gleichermaßen typisierend dadurch geschehen,
dass im Veräußerungsfall von dem in der üblichen Weise berechneten Veräußerungsgewinn
--also unter Einschluss der Veräußerungskosten-- zusätzlich ein pauschaler Vomhundertsatz
des Nettogewinns als fiktive Nichtabzugspositionen quantifiziert wird (ebenso z.B. FG
München, Urteil vom 28. September 2009 7 K 558/08, EFG 2010, 257; Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 13. März 2008, BStBl I 2008, 506; Gosch,
ebenda; Gröbl/Adrian in Erle/Sauter, ebenda; Pung in Dötsch/Pung/ Möhlenbrock, Die
Körperschaftsteuer, § 8b Rz 109; Dötsch/Pung, DB 2004, 151; Schnitger in
Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8b Rz 341 f. und 354; Riedel, FR 2014, 356, 357; Ebel, FR
2014, 410, 414 f.; Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbH-Rundschau 2003, 1385; anders
z.B. M. Frotscher in G. Frotscher/Maas, KStG/ GewStG/UmwStG, § 8b KStG Rz 215 f.; Krug,
DStR 2011, 598; differenzierend Ditz/Tcherveniachki, DStR 2012, 1161). Das objektive
Nettoprinzip als Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips wird dadurch nicht in
unverhältnismäßiger Weise verletzt (s.a. Senatsurteil vom 13. Oktober 2010 I R 79/09, BFHE
231, 529).
12 b) Im Streitfall ist allerdings kontrovers, ob es sich bei den Verlusten aus den
Zertifikategeschäften um einschlägige Veräußerungskosten handelt. Das hat das FG bejaht
und dem ist aus Revisionssicht und unter Beachtung der hierfür geltenden Bindungen nach
Maßgabe von § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzustimmen.
13 aa) Nach der zwischenzeitlich ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
werden die Veräußerungskosten (i.S. des § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG 2002) von den laufenden
Betriebsausgaben nicht (mehr) danach abgegrenzt, ob sie "in unmittelbarer sachlicher
Beziehung" zu dem Veräußerungsgeschäft stehen, sondern danach, ob ein
Veranlassungszusammenhang zu der Veräußerung besteht. Abzustellen ist auf das
"auslösende Moment" für die Entstehung der Aufwendungen und ihre größere Nähe zur
Veräußerung oder zum laufenden Gewinn (BFH-Urteile vom 16. Dezember 2009 IV R 22/08,
BFHE 227, 481, BStBl II 2010, 736; vom 25. Januar 2000 VIII R 55/97, BFHE 191, 111,
BStBl II 2000, 458; Senatsurteil vom 27. März 2013 I R 14/12, BFH/NV 2013, 1768). Ebenso
hat der BFH zu § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 6. Dezember 2005
VIII R 34/04, BFHE 212, 122, BStBl II 2006, 265; Senatsurteil in BFH/NV 2013, 1768; s.a.
BFH-Urteile vom 2. April 2008 IX R 73/04, BFH/NV 2008, 1658; vom 8. Februar 2011
IX R 15/10, BFHE 233, 100, BStBl II 2011, 684) entschieden, und dem schließt sich der
erkennende Senat auch bezogen auf § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 an. Das gebietet neben
der Wortgleichheit des Begriffs der Veräußerungskosten im Rahmen der Gesetzesdefinition
des Veräußerungsgewinns vor allem die übereinstimmende wirtschaftliche Sachlage und
das steht überdies in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung.
Das Gesetz gibt keine begründbare Handhabe, hiervon für die Regelungszusammenhänge
des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 abzuweichen (ebenso z.B. Schnitger in
Schnitger/Fehrenbacher, a.a.O., § 8b Rz 341; Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach,
§ 8b KStG Rz 52; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 8b Rz 109; Ebel, FR 2014,
410, 415; im Ausgangspunkt anders Riedel, FR 2014, 356; Ditz/Tcherveniachki, DStR 2012,
1161, 1164).
14 Das gilt auch im Hinblick auf das neuerliche Urteil des IX. Senats des BFH vom 9. Oktober
2013 IX R 25/12 (BFHE 242, 513, BStBl II 2014, 102). Zwar hat der IX. Senat sich dort
bezogen auf § 17 EStG (und dort konkret auf die Aufwendungen eines in Deutschland
beschränkt Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit einem abkommensrechtlichen
Verständigungsverfahren zwischen Deutschland und den USA wegen des
Besteuerungsrechts hinsichtlich eines Gewinns aus der Veräußerung einer GmbH-
Beteiligung) auf das Erfordernis einer unmittelbaren veräußerungsbedingten Kausalität des
angefallenen Aufwands zurückgezogen. Es ist aber nicht erkennbar, dass er sich insoweit
von der Entwicklung der letzten Jahre hat distanzieren wollen. Denn die besagte
Rechtsentwicklung wird vom IX. Senat weder erwähnt noch diskutiert. Er begnügt sich
stattdessen mit der Zitation der BFH-Urteile in BFHE 233, 100, BStBl II 2011, 684 sowie vom
11. Mai 2010 IX R 26/09 (BFH/NV 2010, 2067), welche allerdings im Einklang mit den
zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen die gebotene wirtschaftliche Veranlassung
des angefallenen Aufwands zur Veräußerung gerade einfordern. In Anbetracht dessen
handelt es sich bei der Zuordnung der in Streit stehenden Aufwendungen offenbar um eine
Sachverhaltswürdigung und Subsumtion im Einzelfall, bei welcher der IX. Senat --wie nicht
zuletzt der gleichermaßen gegebene Hinweis auf das frühere BFH-Urteil vom 1. Dezember
1992 VIII R 43/90 (BFH/NV 1993, 520) zeigt-- das frühere Unmittelbarkeitserfordernis mit
einem wirtschaftlich wertenden Veranlassungszusammenhang gleichstellt (siehe denn auch
Jachmann, juris PraxisReport Steuerrecht 7/2014 Anm. 3; Bode, FR 2014, 191). Es besteht
deswegen auch keine Veranlassung, insoweit von einer divergierenden Entscheidung
auszugehen, die wiederum den erkennenden Senat zu einer Divergenzanfrage zwänge (vgl.
§ 11 Abs. 2 FGO).
15 bb) Davon ausgehend bleibt der Veranlassungszusammenhang für die in Rede stehenden
Transaktionen aber gewahrt. Den erschöpfenden tatrichterlichen Wertungen, welche die
Vorinstanz vorgenommen hat, ist insofern nichts hinzuzufügen. Sie lassen keinen Verstoß
gegen die Denkgesetze und den festgestellten Sachverhalt erkennen und sind deswegen für
den Senat bindend. Rechtliche Aspekte widersprechen dem nicht. Zwar stehen die
Zertifikategeschäfte einerseits und die Aktiengeschäfte andererseits in lediglich
wirtschaftlichem Zusammenhang und sind als solche voneinander unabhängige,
selbständige Geschäfte. Auch entstehen der Gewinn hier und der Verlust dort nicht
zeitgleich. Und schließlich mag das Sicherungsgeschäft zuvörderst die Marktentwicklung der
betreffenden Anteile im Auge haben, nicht aber die daraus generierten
Veräußerungsgewinne (Ebel, FR 2014, 410, 415 f.). Doch ändert das alles nichts daran,
dass die einzelnen Geschäfte in ihren Teilschritten sowohl nach den tatsächlichen Abläufen
als auch nach der Anlageplanung aufeinander abgestimmt sind und sich wechselseitig
bedingen: Die Zertifikategeschäfte sind von vornherein nur zur "Gegenfinanzierung" der
Veräußerungsgewinne eingegangen worden; sie sind ihrem wirtschaftlichen Sinn nach
unmittelbar auf die Veräußerung der Beteiligungen bezogen und machen isoliert gesehen
"keinen Sinn". Die gebotene wertende Zuordnung offenbart sonach eine größere Nähe zu
den einzelnen Veräußerungsvorgängen als zum allgemeinen Geschäftsbetrieb, und
dementsprechend sind die Verluste aus den kompensatorischen Sicherungsgeschäften
Aufwand, um den Veräußerungsgewinn zu erzielen. Dass die Sicherungsgeschäfte und die
daraus erwirtschafteten Verluste keinen "zwangsläufigen" unmittelbaren Rechtsbezug zu
dem Erwerb und der Veräußerung der Kapitalbeteiligungen haben, erweist sich
demgegenüber als unbeachtlich (ähnlich für eine parallele Sachverhaltsgestaltung FG
Nürnberg, Urteil vom 1. März 2011 1 K 69/2009, EFG 2013, 966; Niedersächsisches FG,
Urteil vom 24. Oktober 2013 6 K 404/11, juris; anders Fischler, Recht der Finanzinstrumente
--RdF-- 2013, 83; Haisch, RdF 2013, 222, 224 f.; Kröger, RdF 2013, 259; Pung in
Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 8b Rz 110).
16 cc) Allerdings wird der Kaufpreis für eine veräußerte Beteiligung nach Auffassung des
IX. Senats des BFH in seinem Urteil in BFH/NV 2008, 1658 nicht durch die Kurssicherung
des Preises durch Devisengeschäfte beeinflusst und sind die dadurch entstehenden
Aufwendungen für den Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 2 EStG deshalb
unbeachtlich. Der IX. Senat bezieht sich dabei auf das BFH-Urteil vom 21. Oktober 1980
VIII R 190/78 (BFHE 132, 38, BStBl II 1981, 160) zur Frage der Abzinsung von
Kaufpreisraten. In jenen beiden Fällen hat sich der BFH indessen allein damit
auseinandergesetzt, ob sich die Kurssicherung auf den Kaufpreis der veräußerten Anteile
auswirkt, weil die daraus resultierenden Verluste dem Käufer weiterbelastet worden seien
und sie deswegen als dessen Gegenleistung anzusehen sein könnte. Das wurde verneint.
Der IX. Senat hat jedoch nicht erwogen, ob es sich bei den Verlusten um gegenzurechnende
Veräußerungskosten handelt. Er hat diese Erwägung folglich auch nicht verneinen können,
so dass dadurch, dass im Streitfall Veräußerungskosten angenommen werden, im Ergebnis
keine Divergenz ausgelöst wird. Unabhängig davon sind die hier in Rede stehenden
Zertifikategeschäfte auch nicht mit der dort zu beurteilenden Kurssicherung mittels
Devisengeschäften vergleichbar (s.a. FG Nürnberg, Urteil in EFG 2013, 966, zur
Berücksichtigung von Optionsprämien für sog. Put-Optionen).
17 dd) Der Senat weicht gleichermaßen nicht von seinem Urteil vom 6. März 2013 I R 18/12
(BFHE 240, 357, BStBl II 2013, 588) ab. Durch jenes Urteil hat er entschieden, dass
Prämien, welche der Veräußerer als sog. Stillhalter für Optionsgeschäfte im Zusammenhang
mit dem Erwerb und der Veräußerung von Anteilen i.S. von § 8b Abs. 2 KStG 2002
vereinnahmt, nicht zu den nach § 8b Abs. 2 KStG 2002 außer Ansatz bleibenden Gewinnen
aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften gehören. Die Prämien sind
deswegen unabhängig von ihrer bilanziellen Behandlung aus dem Veräußerungsgewinn
herauszurechnen. Diese Entscheidung ist im Schrifttum teilweise dahingehend
missverstanden worden, dass sich die "Isolierung" der Optionsprämien auch auf die
umgekehrte Situation beziehe, dass also die für die Anschaffung der Optionen
aufgewendeten Kosten ebenfalls --gewissermaßen symmetrisch-- herauszurechnen wären
(z.B. Schmid/Renner, DStR 2013, 2734; Schmid, Neue Wirtschafts-Briefe 2014, 57; Kröger,
RdF 2013, 259; ggf. auch Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 8b Rz 110). Diese
Sichtweise verkennt indessen, dass es im Rahmen von § 8b Abs. 2 KStG 2002 lediglich um
die Ermittlung des steuerbefreiten --und damit gegenständlich verengten-- Gewinns aus der
Veräußerung der betreffenden Anteile geht, nicht aber darum, die für den Erwerb der Anteile
aufgewendeten Kosten zu verkürzen. (Auch) in diesem Punkt ist vielmehr der
Verwaltungspraxis (BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2012, BStBl I 2012, 953, dort Rz 22
einerseits und Rz 26 und 33 andererseits) beizupflichten. Für die im Streitfall in Rede
stehenden Verluste aus den angekauften Zertifikaten bedeutet das, dass sie den
Veräußerungsgewinn als Veräußerungskosten unabhängig davon beeinflussen, ob es sich
hierbei um Anschaffungs(neben)kosten der Anteile handelt.
18 ee) Schließlich verhindert auch die in § 15 Abs. 4 Satz 3 und 5 EStG 2002 (i.V.m. § 8 Abs. 1
KStG 2002) angeordnete Beschränkung für den Verlustabzug bei Termingeschäften den hier
befürworteten Veranlassungszusammenhang der Verluste aus den Zertifikateverkäufen mit
den Aktienverkäufen nicht. Es ist zwar richtig, dass diese Beschränkungen nicht gelten,
wenn es sich um Geschäfte handelt, die der Absicherung von Aktiengeschäften dienen, bei
denen der Veräußerungsgewinn (u.a.) nach § 8b Abs. 2 KStG 2002 bei der Ermittlung des
Einkommens außer Ansatz bleibt. Es mag auch zutreffen, dass mit § 15 Abs. 4 Satz 5 EStG
2002 eine spezielle Missbrauchsvermeidungsvorschrift konzipiert wurde und dass die
spezialgesetzliche Wertungsentscheidung allgemeinen Regeln zur Verhinderung
steuerlicher Missbräuche vorgeht (vgl. allgemein zuletzt Senatsurteil vom 18. Dezember
2013 I R 25/12, juris, m.w.N., und konkret zu § 15 Abs. 4 Satz 5 EStG 2002 Ebel, FR 2014,
410, 416 f.; Kröger, RdF 2013, 259). Bei § 8b Abs. 2 KStG 2002 handelt es sich aber nicht
um eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift. Deswegen beeinflusst die (Ausnahme-
)Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 5 EStG 2002 zu den in Satz 3 dieser Vorschrift bestimmten
allgemeinen Abzugsbeschränkungen auch nicht die Frage, in welcher Weise der nach § 8b
Abs. 2 KStG 2002 außer Ansatz bleibende Veräußerungsgewinn zu errechnen ist (anders
Ebel und wohl auch Kröger, jeweils ebenda).
19 3. In Anbetracht dieses Ergebnisses kommt es nicht mehr darauf an, ob die Verluste aus den
Zertifikategeschäften aufgrund der Rechtsfigur des sog. Gesamtplans in die gesetzliche
Steuerfreistellung einzubeziehen sind oder ob die von der Klägerin gewählte
Vertragsgestaltung als gestaltungsmissbräuchlich i.S. von § 42 der Abgabenordnung
anzusehen sein könnte. Unbeantwortet bleiben kann gleichermaßen, ob die
Voraussetzungen der besagten Verlustabzugsbeschränkung nach § 15 Abs. 4 Satz 3 bis 5
EStG 2002 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 erfüllt sind.