Urteil des BFH vom 06.10.2009

BFH: verpachtung, vermietung, einkünfte, erbengemeinschaft, absicht, genossenschaft, rückübertragung, verhinderung, zugehörigkeit, eigentum

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 6.10.2009, IX R 50/08
Aufwendungen zur Abwehr von Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gehört neben zwei weiteren Personen einer Erbengemeinschaft an,
die Eigentümerin von landwirtschaftlichen Nutzflächen war, welche sie zum großen Teil an eine landwirtschaftliche
Genossenschaft verpachtet hatte. Zwei der betroffenen Flurstücke wurden im Juni 1999 und Mai 2000 nach den
Widerspruchsbescheiden des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen an die Alteigentümer
zurückübertragen. Nach dem Jahr 2002 ist das Pachtverhältnis mit der Genossenschaft nicht mehr verlängert worden.
2 Die Klägerin hat im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der Erbengemeinschaft für
die Streitjahre 1998 bis 2002 Aufwendungen als Sonderwerbungskosten geltend gemacht, die ihr zur Abwehr der
Rückübertragungsansprüche entstanden sind. Diese hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--)
nicht anerkannt, da die Rückübertragung von Vermögenswerten steuerneutral erfolge. Rechtsanwaltskosten, die dem
Steuerpflichtigen in einem Zivilrechtsstreit erwüchsen, seien dann keine Werbungskosten bei den Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung, wenn die Mieteinnahmen dem Steuerpflichtigen aufgrund des wirtschaftlichen
Eigentums zugeflossen seien und vom Prozessgegner für die abgelaufene Zeit auch nicht beansprucht würden. Die
Einsprüche der Klägerin hiergegen hatten keinen Erfolg.
3 Das Finanzgericht (FG) hat die Klage, mit der die Klägerin den Abzug von Ausgaben zur Vermeidung der
Rückübertragung geltend gemacht hat, als unbegründet abgewiesen. Es stellt maßgeblich darauf ab, dass die
Aufwendungen in Gestalt von Rechtsanwalts-, Fahrt- und sonstigen Recherchekosten durch die Geltendmachung von
Restitutionsansprüchen ausgelöst worden seien. In den Verfahren vor dem Amt zur Regelung offener
Vermögensfragen gehe es um die Zuordnung von Vermögen; es werde über unmittelbar die Vermögenssphäre
betreffende Vorgänge entschieden. Eine etwaige Auskehrung der Mietentgelte nach § 7 Abs. 7 Satz 3 des
Vermögensgesetzes würde steuerrechtlich an der Zurechnung der Einkünfte für die Vergangenheit nichts ändern. Ein
Werbungskostenabzug sei auch insoweit nicht zu bejahen, als es der Klägerin mit den Bemühungen zur Abwehr der
Restitution auch um die Sicherung der Einkünfte für die Zukunft nach Abwehr der Restitutionsanträge gegangen sein
sollte.
4 Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts (§§ 9, 21 des
Einkommensteuergesetzes --EStG--) rügt. Im Streitfall seien die geltend gemachten Abwehrkosten als Werbungskosten
abziehbar, weil die abzuwehrende Gefahr mit der Absicht, Einkünfte zu erzielen, im Zusammenhang stehe. Es gehe um
ein zur Einkünfteerzielung verwendetes Wirtschaftsgut.
5 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die von der Klägerin getragenen Kosten zur Abwehr von Restitutionsansprüchen
nach dem Vermögensgesetz bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der Erbengemeinschaft
aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1998 bis 2002 als Werbungskosten zu berücksichtigen.
6 Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die sonstige Beteiligte X wurde mit Beschluss des FG vom 14. Juli 2008 zum Verfahren beigeladen. Insoweit wird
das Rubrum des FG berichtigt.
III.
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Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht
hat das FG die streitigen Aufwendungen zur Abwehr von Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz
hinsichtlich der verpachteten landwirtschaftlichen Flächen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung zum Abzug zugelassen.
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1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der
Einnahmen. Dies gilt auch für sog. Abwehrkosten, soweit diese mit einer Einkunftsart, vorliegend den Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG), im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.
10 Derartige Aufwendungen sind indes mangels eines Veranlassungszusammenhangs mit der Einkunftserzielung nicht
als Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar, wenn die Zugehörigkeit eines der Einkunftserzielung
dienenden Wirtschaftsgutes zum Vermögen des Steuerpflichtigen bedroht ist; denn in einem solchen Falle steht nicht
die Absicht der Einkunftserzielung, sondern die Verhinderung der Beeinträchtigung des Vermögens des
Steuerpflichtigen im Vordergrund (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 11. Mai 1993 IX R 25/89, BFHE 171, 445,
BStBl II 1993, 751; vom 19. Dezember 2000 IX R 13/97, BFHE 194, 172, BStBl II 2001, 342, m.w.N.).
11 2. Danach stellen die streitigen Aufwendungen, insbesondere die Prozesskosten zur Abwehr der hinsichtlich der
vermieteten Grundstücke geltend gemachten Restitutionsansprüche, keine Werbungskosten bei den Einkünften der
Erbengemeinschaft aus Vermietung und Verpachtung dar. Sie wurden getätigt, um das Eigentum an den
Vermietungsobjekten zu bewahren. Die Aufwendungen sind durch die geltend gemachten Restitutionsansprüche
veranlasst. Wenn sie zugleich bewirken, die Grundstücke weiterhin durch Verpachtung nutzen zu können, ist dies
Folge und Ausprägung der Eigentümerstellung (§ 903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Ein hinreichender
wirtschaftlicher Zusammenhang der Zahlungen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung lässt sich allein
damit nicht begründen (vgl. Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 188, m.w.N.).