Urteil des BFH vom 21.01.2014

Fremdwährungsgeschäfte

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 21.1.2014, IX R 11/13
Fremdwährungsgeschäfte
Leitsätze
Mit der Entgegennahme eines Fremdwährungsguthabens als Gegenleistung für die Veräußerung
von Wertpapieren werden beide Wirtschaftsgüter getauscht, d.h. die Wertpapiere veräußert und
das Fremdwährungsguthaben angeschafft.
Tatbestand
1 I. Streitig ist, in welcher Höhe bei der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer
vermögensverwaltenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts, im Veranlagungszeitraum 1999
(Streitjahr) ein Verlust aus der Veräußerung von im Jahr 1998 angeschaffter Fremdwährung
zu berücksichtigen ist.
2 Die Klägerin erwarb am 12. Januar 1998 für 1.088.778.000 DM insgesamt 600.000.000 US-$
(Wechselkurs 1,81463 DM/US-$), die auf einem Kontokorrentkonto bei der Bank
gutgeschrieben wurden. Noch am gleichen Tag erwarb sie insgesamt 4 850 000 Anteile am
X-Fonds (WKN XXX, ISIN YYY), einem geldmarktnahen Fonds in US-$ mit dem Anlageziel
einer von Zins- und Währungsschwankungen weitgehend unabhängigen geldmarktnahen
Wertentwicklung in US-$.
3 Am 28. Dezember 1998 veräußerte die Klägerin insgesamt 2 940 772 Anteile am X-Fonds.
Der Nettoerlös von rd. 380.000.000 US-$ wurde dem Fremdwährungskonto mit Valuta am
30. Dezember 1998 gutgeschrieben. Von diesem Betrag wurden 310.000.000 US-$ in das
US-Geschäft der Klägerin eingelegt. 70.000.000 US-$ tauschte die Klägerin am 11. Januar
1999 wieder bei einem Wechselkurs von 1,68000 DM/US-$ in 117.600.000 DM um.
4 In ihrer Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen des Jahres 1999 erklärte die Klägerin einen Verlust aus privaten
Veräußerungsgeschäften in Höhe von 9.389.426 DM, der sich daraus ergebe, dass am
12. Januar 1998 bei einem Wechselkurs von 1,81463 DM/US-$ 70.000.000 US-$
angeschafft worden seien, die zu einer Belastung von 127.024.100 DM geführt hätten,
während sie beim Rücktausch eben dieses Betrages von 70.000.000 US-$ am 11. Januar
1999 bei einem Wechselkurs von 1,68000 DM/US-$ nur 117.600.000 DM zurückerhalten
habe. Der erlittene Verlust (9.424.100 DM) sei noch mit einem, aus einem anderen
Geschäftsvorfall stammenden Veräußerungsgewinn in Höhe von 34.674 DM zu saldieren.
Mithin ergebe sich für die Klägerin im Jahr 1999 ein Verlust aus privaten
Veräußerungsgeschäften in Höhe von 9.389.426 DM.
5 In dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung
(AO) stehenden Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen 1999 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt --FA--) den von der Klägerin geltend gemachten Verlust aus privaten
Veräußerungsgeschäften zunächst an. Im Anschluss an eine Außenprüfung in den Jahren
2005 bis 2008 kam das FA zum Ergebnis, dass lediglich ein Verlust aus privaten
Veräußerungsgeschäften in Höhe von 91.326 DM anzuerkennen sei. Bei der Berechnung
des geltend gemachten Verlustes aus privaten Veräußerungsgeschäften sei nicht der
12. Januar 1998, sondern der 28. Dezember 1998 als Anfangsstichtag heranzuziehen. Das
FA änderte entsprechend gemäß § 164 Abs. 2 AO die gesonderte und einheitliche
Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin für das Jahr 1999.
6 Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied mit seinem in
Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 779 veröffentlichten Urteil, das FA habe den
streitigen Verlust zutreffend angesetzt. Denn die Klägerin habe keine Festgeldanlage in
Fremdwährung getätigt, sondern am 12. Januar 1998 Anteile an einem Investmentfonds
gekauft. Sie habe damit entgeltlich von einem Dritten eigenständige Wirtschaftsgüter --die
Fondsanteile-- erworben, diese am 28. Dezember 1998 wieder veräußert und den Erlös in
Fremdwährung vereinnahmt. Die Klägerin könne mit ihrer Argumentation, dass sie mit dem
Rücktausch der 70.000.000 US-$ in DM am 11. Januar 1999 (bei einem Wechselkurs von
1,68000 DM/US-$) einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von
9.389.426 DM berücksichtigt wissen wolle, nur durchdringen, wenn man bezüglich des An-
und Verkaufs der Anteile am X-Fonds das sog. Stichtagsverfahren anwendete.
Demgegenüber habe das FA zutreffend zum Zeitpunkt des An- und Verkaufs nicht nur die
Wertdifferenz des Wertpapiers in US-$ an sich, sondern auch den jeweiligen Währungs-
Wechselkurs an diesen beiden Tagen (Wechselkurs am 12. Januar 1998 von
1,81463 DM/US-$ bei Ankauf der Wertpapiere sowie Wechselkurs am 28. Dezember 1998
von 1,68180 DM/US-$ bei Verkauf der Wertpapiere) zugrunde gelegt (Zeitbezugsverfahren).
7 Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese die Verletzung materiellen
Rechts rügt. Das FG habe nicht berücksichtigt, dass das Wirtschaftsgut "Fremdwährung" das
Wirtschaftsgut "Fondsanteil" überlagere (also als zweites Wirtschaftsgut neben diesem
bestehe), zumindest solange der Fremdwährungsbereich nicht verlassen werde.
Fremdwährungskapital werde erst dann veräußert und gelte als zugeflossen, wenn es den
Fremdwährungsbereich im Sinne eines marktoffenbaren Veräußerungsvorgangs verlasse.
Erst in diesem Zeitpunkt lägen die Realisation eines Fremdwährungsgeschäfts und ein
tatsächlicher Zufluss i.S. des § 11 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vor.
8 Die Überlegung, in der Anlage der Fremdwährung in Wertpapieren einen
Veräußerungsvorgang des nämlichen Wirtschaftsguts "Fremdwährung" zu sehen, basiere
lediglich auf einer gesetzeswidrigen Fiktion, denn tatsächlich sei die Hingabe der
Fremdwährung nur die Gegenleistung bei der Abwicklung des Kaufvertrags. Der Kauf und
Verkauf der Wertpapiere werde nämlich im Bereich der Fremdwährung vollzogen, und der
Steuerpflichtige habe zu keiner Zeit die freie Verfügung über den ursprünglich eingesetzten
DM-Betrag. Er bleibe vielmehr über den ganzen Zeitraum der Wertpapieranlage in der
Fremdwährung gebunden.
9 Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Januar 2012 IX R 62/10 (BFHE 236, 362,
BStBl II 2012, 564) habe Einkünfte i.S. des § 17 EStG zum Gegenstand. Diese entstünden
zwar durch Veräußerung von Kapitalanteilen im Privatvermögen, seien jedoch kraft Fiktion
den gewerblichen Einkünften zuzurechnen. Bei gewerblichen Einkünften unterlägen
Wertveränderungen aus Währungsgeschäften dem steuerlichen Bereich und seien
steuerverhaftet.
10 Bei Wertpapiertransaktionen in Fremdwährung werde das Fremdwährungsrisiko mangels
Zuflusses überhaupt nicht realisiert, sondern nur verlagert. Die Verlagerung des
Fremdwährungsguthabens als solche führe jedoch nicht zu einem Vermögenszuwachs i.S.
des § 11 Abs. 1 EStG.
11 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999 vom 7. September 2001, geändert durch
den Bescheid vom 16. Oktober 2001 und vom 21. Juli 2008, zuletzt geändert durch den
Bescheid vom 9. Oktober 2008, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2010
dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des
§ 23 EStG von - (minus) 91.326 DM auf - (minus) 9.389.426 DM festgesetzt werden.
12 Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
13 Abzustellen sei auf das BFH-Urteil in BFHE 236, 362, BStBl II 2012, 564, in dem der BFH
sich für den Bereich des § 17 EStG für das Zeitbezugsverfahren entschieden habe. Gleiches
habe für § 23 EStG zu gelten.
14 Unzutreffend sehe die Klägerin in der Hingabe der Fremdwährung zum Erwerb von
Wertpapieren ähnlich der Hingabe von Geld nur die "Gegenleistung bei der Abwicklung des
Kaufvertrags". Ausgehend davon, dass es sich bei einem Fremdwährungsguthaben um ein
eigenständiges Wirtschaftsgut handele, liege vielmehr ein Tausch vor, der auf der einen
Seite zu einem Anschaffungs- und auf der anderen Seite zu einem Veräußerungsvorgang
führe.
15 Die Klägerin verkenne, dass sich die erhöhte Leistungsfähigkeit nicht erst beim Rücktausch
der Währung zeige, sondern auch in der Kaufkraft im Vergleich zur Landeswährung, die sich
im Einsatz der Fremdwährung zum Erwerb anderer Wirtschaftsgüter realisiere.
Entscheidungsgründe
16 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung). Zutreffend hat das FG den streitigen Fremdwährungsverlust der
Klägerin aus dem Umtausch in DM am 11. Januar 1999 nicht ausgehend vom Wechselkurs
DM/US-$ am 12. Januar 1998, sondern nach dem Wechselkurs am 28. Dezember 1998
berechnet.
17 1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der im
Streitjahr geltenden Fassung unterliegen private Veräußerungsgeschäfte bei anderen
Wirtschaftsgütern als den in Nr. 1 der Vorschrift genannten Grundstücken und
grundstücksgleichen Rechten, insbesondere bei Wertpapieren, als sonstige Einkünfte der
Einkommensteuer, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung --unter
Beachtung des auch insoweit geltenden Grundsatzes der Nämlichkeit (vgl. BFH-Urteile vom
24. November 1993 X R 49/90, BFHE 173, 107, BStBl II 1994, 591; vom 22. Mai 2003
IX R 9/00, BFHE 202, 309, BStBl II 2003, 712)-- nicht mehr als ein Jahr beträgt (sog.
gestreckter oder zweiaktiger Tatbestand; vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003
IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B.III.1.b; insgesamt BFH-Urteil vom
25. August 2009 IX R 55/07, BFH/NV 2010, 387). Das gilt auch dann, wenn die Veräußerung
zu einem Verlust führt (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG; vgl. auch Beschluss des Großen Senats des
BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, unter B.III.2.d bb).
18 Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts können auch Fremdwährungsbeträge
sein. Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb eines bereits vorhandenen Wirtschaftsguts von
einem Dritten, Veräußerung die entgeltliche Übertragung auf einen Dritten (vgl. BFH-Urteil
vom 30. November 2010 VIII R 58/07, BFHE 232, 337, BStBl II 2011, 491, m.w.N.). Eine
Anschaffung bzw. Veräußerung kann auch im Wege des Tausches erfolgen (vgl. BFH-
Urteile vom 19. August 2008 IX R 71/07, BFHE 222, 484, BStBl II 2009, 13; vom 6. April
2011 IX R 41/10, BFH/NV 2011, 1850). Fremdwährungsbeträge werden insbesondere
angeschafft, indem sie gegen Umtausch von nationaler Währung erworben werden, und
veräußert, indem sie in die nationale Währung zurückgetauscht oder in eine andere
Fremdwährung umgetauscht werden (BFH-Urteil vom 2. Mai 2000 IX R 74/96, BFHE 192,
88, BStBl II 2000, 469). Dabei wird die Wertsteigerung im Privatvermögen in Form eines
erzielten Kursgewinns nach § 23 EStG durch einen marktoffenbaren Veräußerungsvorgang
realisiert und steuerbar, wenn die ausländische Währung in nationale Währung
zurückgetauscht wird. In dem durch den günstigen/ungünstigen Rücktausch
erhöhten/geminderten Betrag in nationaler Währung liegt der Zufluss des
Veräußerungspreises i.S. von § 23 letzter Absatz i.V.m. § 11 Abs. 1 EStG (BFH-Urteil in
BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 469).
19 2. Im Streitfall hat die Klägerin die am 11. Januar 1999 in DM zurückgetauschte und damit
veräußerte Fremdwährung von 70.000.000 US-$ nicht schon am 12. Januar 1998, sondern
erst am 28. Dezember 1998 angeschafft, indem sie diese Fremdwährung gegen X-
Fondsanteile eingetauscht hat.
20 a) Fondsanteile wie Fremdwährungsguthaben stellen jeweils eigenständige Wirtschaftsgüter
dar.
21 Mit der Hingabe des Fremdwährungsguthabens von 600.000.000 US-$ zum Kauf von
4 850 000 X-Anteilen am 12. Januar 1998 hat die Klägerin beide Wirtschaftsgüter getauscht,
d.h. die X-Anteile erworben und die US-$ veräußert. Der Preis für die Veräußerung der X-
Anteile am 28. Dezember 1998 waren 380.000.000 US-$, d.h. dieses
Fremdwährungsguthaben wurde am 28. Dezember 1998 angeschafft und z.T. --in Höhe von
70.000.000 US-$-- am 11. Januar 1999 in DM umgetauscht, d.h. veräußert.
22 Das zum Kurs von 1,81463 DM/US-$ am 12. Januar 1998 angeschaffte
Fremdwährungsguthaben ist danach nicht mehr das nämliche, welches am 11. Januar 1999
in Höhe von 70.000.000 US-$ umgetauscht wurde. Vielmehr wurden die ursprünglichen
600.000.000 US-$ vollständig für den Anteilserwerb am 12. Januar 1998 verbraucht. Erst
durch die Veräußerung der X-Anteile am 28. Dezember 1998 erlangte die Klägerin wieder
neue US-$, die dann am 11. Januar 1999 als nämliche Wirtschaftsgüter veräußert werden
konnten.
23 b) Diese Lösung des Streitfalls entspricht der Rechtsprechung des Senats zu § 17 EStG,
wonach zur Berechnung des Auflösungsgewinns aus einer in ausländischer Währung
angeschafften und veräußerten Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft sowohl die
Anschaffungskosten als auch der Veräußerungspreis zum Zeitpunkt ihres jeweiligen
Entstehens in EUR umzurechnen sind und nicht lediglich der Saldo des in ausländischer
Währung errechneten Veräußerungsgewinns/Veräußerungsverlustes zum Zeitpunkt der
Veräußerung (BFH-Urteil in BFHE 236, 362, BStBl II 2012, 564). Dies ist vor der parallelen
Tatbestandsstruktur von § 23 EStG und § 17 EStG auch geboten. Nach beiden Vorschriften
ist die Wertdifferenz eines Wirtschaftsguts zwischen zwei Stichtagen zu besteuern. Alle
wertbildenden Faktoren des jeweiligen Wirtschaftsguts sind deshalb zum Zeitpunkt der
Anschaffung bzw. Veräußerung zu berücksichtigen.