Urteil des BFH vom 17.09.2013

Abzug einer Auslandsspende innerhalb der Europäischen Union

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 17.9.2013, I R 16/12
Abzug einer Auslandsspende innerhalb der Europäischen Union
Leitsätze
Spenden an eine Empfängerkörperschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU (hier
Verein mit Sitz in Italien), können steuerlich abgezogen werden, wenn die begünstigte Einrichtung
die Voraussetzungen der nationalen Rechtsvorschriften für die Gewährung von
Steuervergünstigungen erfüllt. Der Spendenabzug setzt also u.a. voraus, dass die Anforderungen
an die satzungsmäßige Vermögensbindung (§ 61 AO) gewahrt werden (Anschluss an Senatsurteil
vom 20. Dezember 2006 I R 94/02, BFHE 216, 269, BStBl II 2010, 331; BFH-Urteil vom 27. Mai
2009 X R 46/05, BFH/NV 2009, 1633).
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, leistete im Streitjahr (2004) eine
Spende in Höhe von 10.000 EUR an eine im Register für juristische Personen der Stadt Rom
eingetragene Vereinigung (im Folgenden: Verein). Mitglieder des 2004 gegründeten Vereins
können natürliche Personen und Körperschaften sein (Art. 3 der Satzung). Der Verein ist
selbst Mitglied der russisch–orthodoxen Kirche. Sein Zweck besteht nach Art. 2 der Satzung
in der Errichtung eines Kirchengebäudes in Rom sowie in der Unterrichtung und Lehre der
russisch-orthodoxen Religion und der Förderung der russischen Kultur; ferner verfolgt er
gegenüber den Gläubigen der russisch-orthodoxen Religion Ziele der sozialen Solidarität, der
Wohltätigkeit und der humanitären Hilfe und gewährt hierbei insbesondere den Gläubigen in
Italien Unterstützung (z.B. hinsichtlich der Wohnstätte). Nach Art. 22 der Satzung hat die
Mitgliederversammlung im Zeitpunkt der Auflösung des Vereins einen Beschluss über die
Bestimmung des eventuell verbleibenden Einnahmerests des Vermögens zu treffen. Dieser
"erfolgt zugunsten einer anderen nichtwirtschaftlichen Organisation, wobei solchen der
Vorrang einzuräumen ist, die mit dem Patriarchat Moskau in Verbindung stehen oder zu der
russisch-orthodoxen Religion gehören, vorbehaltlich anderweitiger gesetzlich bedingter
Verwendungsvorschriften".
2 Alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin war im Streitjahr G. Er ist weder
Mitglied der russisch–orthodoxen Kirche noch bestanden zwischen ihm und dem Verein
persönliche Beziehungen. Mit der der Klägerin im Jahr 2005 erteilten Spendenbescheinigung
bestätigte der Verein, dass die im Dezember 2004 erhaltene Zuwendung bei der Errichtung
einer russisch-orthodoxen Kathedrale in Rom verwendet werde.
3 Mit geändertem Körperschaftsteuerbescheid 2004 verneinte das zunächst zuständige
Finanzamt den Spendenabzug gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes vom
15. Oktober 2002 (BGBl I 2002, 4144, BStBl I 2002, 1169) --KStG 2002 a.F.-- mangels Vorlage
einer Spendenbescheinigung. Der dagegen erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG)
stattgegeben (Urteil des FG Bremen vom 8. Juni 2011 1 K 63/10 (6), Deutsches Steuerrecht-
Entscheidungsdienst 2012, 1321). Die Zuwendung der Klägerin sei keine verdeckte
Gewinnausschüttung (vGA) an ihren Allein-Gesellschafter (G). Die Spende sei der
Vermögens- und Ertragslage der Klägerin angepasst gewesen; persönliche Beziehungen
zwischen G und dem Verein oder der russisch-orthodoxen Kirche hätten nicht bestanden.
Auch die sonstigen Voraussetzungen für den Abzug der Zuwendung als Spende seien erfüllt.
Eine betriebliche Veranlassung für die Zuwendung sei nicht erkennbar. Der Spendenabzug
bestimme sich nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 i.d.F. des
Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher
Vorschriften vom 8. April 2010 (BGBl I 2010, 386, BStBl I 2010, 334) --KStG 2002 n.F.-- i.V.m.
dem durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I
2009, 74) neugefassten § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG 2002 n.F. Beide Vorschriften seien nach § 34
Abs. 8a Satz 5 und Abs. 5a KStG 2002 n.F. auch im Streitjahr (2004) anwendbar. Der Verein
habe i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c sowie Nr. 2 Satz 3 bis 5 KStG 2002 n.F. seinen
Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU), mit Italien bestünde ein
Amtshilfeabkommen. Auch seien die weiteren Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 und § 5
Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 KStG 2002 n.F. erfüllt, da der Verein nach den §§ 51 bis 68 der
Abgabenordnung (AO) im Streitjahr steuerbefreit gewesen wäre, wenn er in diesem Jahr
inländische Einkünfte erzielt hätte.
4 Der Senat hat die Revision mit Beschluss vom 27. Februar 2012 (Az. I B 104/11) zugelassen.
Während des Revisionsverfahrens ist die Zuständigkeit für die Besteuerung der Klägerin auf
den Beklagten und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) übergegangen.
5 Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
6 Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
7 II. Die Revision ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und die Klage
abzuweisen, da die Klägerin nicht die für den Spendenabzug nach § 9 Abs. 1 Nr. 2
KStG 2002 n.F. erforderlichen Voraussetzungen erfüllt hat.
8 1. Der Wechsel der Zuständigkeit betreffend die Besteuerung der Klägerin während des
Revisionsverfahrens hat zugleich einen Beteiligtenwechsel zur Folge, so dass die
Revisionsentscheidung gegenüber dem FA zu treffen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --
BFH-- vom 11. September 2008 VI R 63/04, BFH/NV 2008, 2018; Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 122 Rz 3, m.w.N.).
9 2. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG 2002 n.F., der auch für das Streitjahr (2004) anzuwenden ist
(§ 34 Abs. 8a Satz 5 KStG 2002 n.F.), gehören --vorbehaltlich der Gewinnhinzurechnung für
vGA (§ 8 Abs. 3 KStG 2002 a.F./n.F.)-- zu den vom Einkommen abziehbaren Aufwendungen
auch Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) zur Förderung steuerbegünstigter
Zwecke i.S. der §§ 52 bis 54 AO. Wird die Zuwendung an eine Körperschaft geleistet, die in
einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über
den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, setzt der Abzug nach § 9 Abs. 1 Nr. 2
Satz 2 Buchst. c KStG 2002 n.F. u.a. --d.h. neben den weiteren Anforderungen in Satz 3 ff.
der Vorschrift-- voraus, dass die Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 2
Halbsatz 2 KStG 2002 n.F. steuerbefreit wäre, wenn sie inländische Einkünfte erzielen
würde. Letzteres erfordert die Wahrung der für die Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke
nach den §§ 51 ff. AO zu beachtenden Voraussetzungen.
10 3. Der Senat kann offen lassen, ob er an die Würdigung des FG, nach der die Zuwendung an
den Verein nicht durch das Gesellschaftsverhältnis zwischen G und der Klägerin veranlasst
war und nicht zu einer vGA geführt hat (vgl. hierzu Senatsurteil vom 19. Dezember 2007
I R 83/06, BFH/NV 2008, 988), gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
gebunden ist (offen Winheller/Mogck, Zeitschrift für Stiftungs- und Vereinswesen 2012, 140).
Hierauf ist deshalb nicht einzugehen, weil --was zwischen den Beteiligten nicht umstritten
ist-- die Zuwendung zwar einerseits von der Klägerin zur Förderung der Zwecke des Vereins
geleistet wurde und deshalb nicht zu ihren sonstigen Betriebsausgaben gehört (vgl.
Senatsurteil vom 25. November 1987 I R 126/85, BFHE 151, 544, BStBl II 1988, 220),
andererseits jedoch --entgegen der Ansicht der Vor-instanz-- die Anforderungen an den
Spendenabzug nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG 2002 n.F. nicht erfüllt sind. Dabei erübrigt es sich,
dazu Stellung zu nehmen, ob der Verein ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke i.S. der
§§ 52 bis 54 AO verfolgt hat und der Nachweis darüber erbracht worden ist, dass die
tatsächliche Geschäftsführung den Anforderungen des § 63 AO entsprochen hat. Jedenfalls
liegen die Anforderungen an die satzungsmäßige Vermögensbindung nach § 61 AO (i.V.m.
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c und § 5 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 2 Nr. 2 KStG 2002 n.F.) nicht
vor.
11 a) Die Prüfung dieser Voraussetzungen ist nicht nach der durch das Gesetz zur Stärkung des
Ehrenamtes (Ehrenamtsstärkungsgesetz --EhrenamtStG--) vom 21. März 2013 (BGBl I 2013,
556, BStBl I 2013, 339) geschaffenen Regelung des § 60a AO n.F. einem
Feststellungsverfahren vorbehalten. Demgemäß ist auch das anhängige Revisionsverfahren
nicht nach § 74 FGO auszusetzen. Zwar ist die verfahrensrechtliche Neuregelung des § 60a
AO ab dem 29. März 2013 anwendbar (Art. 12 Abs. 2 EhrenamtStG); auch werden nach
§ 60a Abs. 1 AO n.F. die satzungsmäßigen Voraussetzungen des § 61 AO mit
Bindungswirkung gegenüber den Steuerpflichtigen festgestellt, die Spenden erbringen. Das
Feststellungsverfahren wird jedoch nach § 60a Abs. 2 AO n.F. nur auf Antrag oder --von
Amts wegen-- bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer durchgeführt (zu EU-
Körperschaften s. Hüttemann, Der Betrieb --DB-- 2013, 774, 776; Förster, Deutsches
Steuerrecht --DStR-- 2013, 1516, 1519). Im Streitfall ist für das Vorliegen dieser
Tatbestandsmerkmale nichts ersichtlich; vielmehr hat die Klägerin im erstinstanzlichen
Verfahren unwidersprochen vorgetragen, dass der Verein nicht der inländischen
(beschränkten) Steuerpflicht unterliege (FG-Urteil, S. 7).
12 b) Die Verfolgung der in den §§ 52 bis 54 AO genannten Zwecke ist nur im Falle der
Selbstlosigkeit der Tätigkeit und damit nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 AO nur dann
steuerbegünstigt, wenn bei Auflösung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen
Zwecks das Vermögen der Körperschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der
Mitglieder und den gemeinen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen
übersteigt, nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden darf (Grundsatz der
Vermögensbindung). Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn das Vermögen einer
anderen steuerbegünstigten Körperschaft oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts für
steuerbegünstigte Zwecke übertragen werden soll (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO). Durch den
Grundsatz der Vermögensbindung soll sichergestellt werden, dass das Vermögen, das die
Körperschaft unter den Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts gebildet hat, auch auf Dauer
für steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird. Darüber hinaus muss die Vermögensbindung
nach § 61 Abs. 1 AO in der Satzung so genau bestimmt sein, dass die Steuerbegünstigung
des Zwecks, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei
Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, aufgrund der Satzung geprüft
werden kann. Diese sog. satzungsmäßige Vermögensbindung --d.h. die satzungsmäßige
Festschreibung der künftigen Vermögensverwendung-- hat die Funktion eines
Buchnachweises (Senatsurteil vom 21. Juli 1999 I R 2/98, BFH/NV 2000, 297). Folge
hiervon ist, dass weder auf außerhalb der Satzung getroffene Vereinbarungen oder auf
Regelungen in anderen Satzungen Bezug genommen werden darf noch auf die
steuerbegünstigten Zwecken tatsächlich entsprechende Geschäftsführung verwiesen
werden kann (Senatsurteil vom 12. Januar 2011 I R 91/09, BFH/NV 2011, 1111, m.w.N.).
13 aa) Im Streitfall ist der Buchnachweis über die Vermögensbindung nicht geführt. Zum einen
enthält die Satzung keine Regelungen zur Vermögensverwendung bei Wegfall des Zwecks
des Vereins (BFH-Urteil vom 23. Juli 2009 V R 20/08, BFHE 226, 445, BStBl II 2010, 719).
Zum anderen kann den für den Fall der Auflösung des Vereins getroffenen
Satzungsregelungen nicht entnommen werden, dass das Vermögen nur für
steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden darf. Vielmehr hat die Mitgliederversammlung
nach Art. 22 der Satzung einen Beschluss über die Verwendung des Restvermögens
zugunsten einer anderen nichtwirtschaftlichen Organisation zu treffen, wobei vorbehaltlich
anderweitiger gesetzlich bedingter Verwendungsvorschriften solchen der Vorrang
einzuräumen ist, die mit dem Patriarchat in Moskau in Verbindung stehen oder zu der
russisch-orthodoxen Religion gehören. Da die Satzung das konkrete Tätigkeitsfeld der
Empfängerorganisationen (Destinatäre) nicht benennt, kann sie auch die
Vermögensverwendung zugunsten der steuerbegünstigten Zwecke i.S. der §§ 52 bis 54 AO
nicht sicherstellen (vgl. auch Senatsurteil in BFH/NV 2000, 297). Anderes ergibt sich nicht
aus der durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom
10. Oktober 2007 (BGBl I 2007, 2332, BStBl I 2007, 815; dazu BTDrucks 117/07, S. 27)
zwischenzeitlich aufgehobenen Sondervorschrift des § 61 Abs. 2 AO a.F., nach der bei
Vorliegen zwingender Gründe auf die genaue Angabe des künftigen Verwendungszwecks
im Zeitpunkt der Aufstellung der Satzung verzichtet werden konnte. Abgesehen davon, dass
keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass solche "zwingenden Gründe" im Streitfall
gegeben waren, setzt der Tatbestand des § 61 Abs. 2 AO a.F. jedenfalls --woran es
vorliegend fehlt-- eine Satzungsbestimmung des Inhalts voraus, dass das Vermögen der
Körperschaft im Falle seiner Auflösung oder bei Wegfall seines Zwecks zugunsten
steuerbegünstigter Zwecke i.S. der §§ 52 bis 54 AO zu verwenden ist.
14 bb) Von der Wahrung der satzungsmäßigen Vermögensbindung ist nicht nach § 62 AO a.F.
abzusehen. Die Regelung sah dies zwar u.a. für staatlich beaufsichtige Stiftungen vor (vgl.
Senatsbeschluss vom 14. Juli 2004 I R 94/02, BFHE 206, 350, BStBl II 2005, 721; dazu
BTDrucks 16/2712, 78 f.). Im Streitfall handelt es sich jedoch nicht um eine Stiftung, sondern
um einen rechtsfähigen Verein italienischen Rechts (vgl. dazu Grundmann/Zaccaria,
Einführung in das italienische Recht, 2007, 144 ff.) und damit um eine mitgliedschaftlich
organisierte Vereinigung (Verband).
15 c) Entgegen der Ansicht des FG verstößt die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c
KStG 2002 n.F., soweit aus ihr --i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 2 Nr. 2 KStG 2002 n.F.--
abzuleiten ist, dass auch für die von § 62 AO a.F. nicht ausgenommenen
Spendenempfänger mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU die satzungsmäßige
Vermögensbindung nach § 61 AO (i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) zu beachten ist, nicht gegen
die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische
Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, sowie einiger damit
zusammenhängender Rechtsakte --EG-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002,
Nr. C-325, 1), nunmehr Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und
des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --AEUV-- (Amtsblatt der
Europäischen Union 2008, Nr. C-115, 47). Demgemäß kann es auch im Streitfall nicht in
Betracht kommen, die allgemein für inländische Spendenempfänger geltenden
Anforderungen an die satzungsmäßige Vermögensbindung im Rahmen einer
unionsrechtskonformen Auslegung (dazu Senatsurteil vom 9. Mai 2012 I R 73/10, BFHE 238,
1, BStBl II 2013, 566) mit Rücksicht darauf abzumildern, dass der Verein in Rom ansässig
ist.
16 aa) Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --jetzt Gerichtshof der
Europäischen Union-- (EuGH) mit Urteil vom 27. Januar 2009 C-318/07, Persche (Slg. 2009,
I-359) entschieden, dass die Beschränkung des Spendenabzugs auf Zuwendungen an im
Mitgliedstaat des Spenders ansässige Einrichtungen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit
verstoßen kann. Zugleich hat er jedoch deutlich gemacht, dass der Schutzbereich der
Kapitalverkehrsfreiheit nicht die Übernahme des im Mitgliedstaat der Empfängereinrichtung
gegebenen Gemeinnützigkeitsstatus umfasst, sondern nur darauf gerichtet ist, die
Ungleichbehandlung zwischen inländischen und EU-ausländischen Einrichtungen zu
beseitigen. Demgemäß verstößt es auch nicht gegen die Grundfreiheit des Art. 56 EG (heute:
Art. 63 AEUV), wenn der Spendenabzug auch im Fall der Zuwendungen an im EU-Ausland
ansässige Einrichtungen den im Mitgliedstaat des Spenders geltenden nationalen
Anforderungen unterworfen wird (EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-359, Rz 54 f.; EuGH-Urteile
vom 16. Juni 2011 C-10/10, Kommission/Österreich, Slg. 2011, I-5389; vom 10. Februar
2011 C-25/10, Missionswerk Werner Heukelbach, Slg. 2011, I-497). Der EuGH hat diese
Ansicht bereits in seinem Urteil vom 14. September 2006 C-386/04, Centro di Musicologia
Walter Stauffer (Slg. 2006, I-8203, dort betreffend die Steuerbefreiung einer gemeinnützigen
und beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Stiftung) vertreten; der erkennende Senat
hat sich dem mit Urteil vom 20. Dezember 2006 I R 94/02 (BFHE 216, 269, BStBl II 2010,
331) angeschlossen und ausgeführt, dass Maßstab der Gemeinnützigkeit auch der
ausländischen Einrichtung allein das innerstaatliche (deutsche) Recht sei. Hieran ist mit der
Folge festzuhalten, dass für den Spendenabzug nichts anderes gelten kann (gleicher
Ansicht BFH-Urteil vom 27. Mai 2009 X R 46/05, BFH/NV 2009, 1633; FG Münster, Urteil
vom 8. März 2012, 2 K 2608/09 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1539; Fischer,
Juris PraxisReport Steuerrecht --jurisPR-SteuerR-- 18/2013 Anm. 1; Förster, DStR 2013,
1516, 1517; Hüttemann/Helios, DB 2009, 701, 704 ff.: Definitionskompetenz der
Mitgliedstaaten; Hahn, jurisPR-SteuerR 16/2009 Anm. 2; Thömmes, Internationale
Wirtschaftsbriefe 4/2009, Fach 11a, 1227, 1232; derselbe, Jahrbuch der Fachanwälte für
Steuerrecht 2009/2010, S. 46 f.; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom
16. Mai 2011, BStBl I 2011, 559).
17 bb) Demnach ist auch das für Spenden an Einrichtungen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der
EU aus § 61 AO n.F. i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c KStG 2002 n.F. sowie § 5 Abs. 1
Nr. 9 und Abs. 2 Nr. 2 KStG 2002 n.F. abzuleitende Erfordernis der satzungsmäßigen
Vermögensbindung unionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es führt vielmehr gerade zu einer
Gleichbehandlung der Spendenempfänger mit Sitz innerhalb der EU und entspricht damit
zugleich dem auf die Verhinderung von Diskriminierungen gerichteten Charakter der
Kapitalverkehrsfreiheit. Folglich besteht auch keine Veranlassung, die formellen
Satzungsanforderungen nach § 61 AO für Einrichtungen mit Sitz im EU-Ausland zu lockern.
18 aaa) Soweit das FG zur Begründung seiner abweichenden Beurteilung auf die staatliche
Vereinigungsaufsicht verweist, hat es außer Acht gelassen, dass diese nach den
wiedergegebenen Bestimmungen des Italienischen Zivilgesetzbuches (allenfalls) darauf
zielt, die satzungsmäßige Verwendung des nach Abschluss der Liquidation des Vereins
verbleibenden Vermögens zu kontrollieren. Genügen aber die Satzungsregelungen nicht
den für den Spendenabzug unabdingbaren Vorgaben des § 61 AO, so kann hieran auch
eine staatliche Aufsicht über die Wahrung eben dieser --aus Sicht des deutschen
Gemeinnützigkeitsrechts unzureichenden-- Bestimmungen nichts ändern.
19 bbb) Nichts anderes ergibt sich aus dem Hinweis des FG, dass ein Festhalten an der
strengen Satzungskonformität unter Berücksichtigung der Entscheidungen des EuGH in Slg.
2009, I-359 und Slg. 2006, I-8203 zu einem Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz führe,
da andernfalls Spendenempfänger mit Sitz im EU-Ausland, dessen Recht solche
Satzungsvoraussetzungen nicht kennen, von vornherein aus dem Anwendungsbereich der
innerstaatlichen Begünstigung gemeinnütziger Einrichtungen ausgeschlossen wären. Zwar
verbietet es das Effektivitätsprinzip, dass die Ausübung der durch die
Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte unmöglich gemacht oder übermäßig
erschwert wird (Senatsurteil in BFHE 238, 1, BStBl II 2013, 566; EuGH-Urteile vom 7. Januar
2004 C-201/02, Wells, Slg. 2004, I-723, Rz 67; vom 19. September 2006 C-392/04 und C-
422/04, i-21 Germany und Arcor, Slg. 2006, I-8559, Rz 57; von Bogdandy/ Schill in
Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV Rz 81); Letzteres ist
auch dann zu beachten, wenn unionsrechtliche Vorgaben bei Vollzug nationaler
Bestimmungen zu beachten sind (sog. mittelbarer mitgliedstaatlicher Vollzug; Streinz,
EUV/AEUV, 2. Aufl., Art. 4 EUV Rz 55). Die Vorinstanz hat jedoch auch in diesem
Zusammenhang die tragenden Erwägungen der Rechtsprechung des EuGH nicht
hinreichend beachtet, die nicht auf eine Verpflichtung des Spendermitgliedstaats zur
Übernahme des EU-ausländischen Gemeinnützigkeitsrechts, sondern lediglich im Sinne
eines Diskriminierungsschutzes auf eine Gleichbehandlung von Zuwendungen an
Einrichtungen innerhalb der EU gerichtet sind. Demgemäß ist auch nicht ersichtlich, weshalb
das Effektivitätsprinzip als Verbot der Vollzugsdiskriminierung (Kadelbach, Allgemeines
Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 117 f.) berührt sein soll, wenn auch
für den Abzug von Spenden an ausländische Körperschaften anhand der vorgelegten
Satzung geprüft wird, ob diese gleich einem Inlandssachverhalt die Voraussetzungen der
formellen Vermögensbindung (§ 61 AO) wahrt.
20 4. Der Senat erachtet die aufgezeigte Unionsrechtslage als eindeutig. Sie entspricht sowohl
den zitierten EuGH-Urteilen als auch der Rechtsprechung des BFH. Einer Vorlage an den
EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV bedurfte es deshalb nicht (vgl. EuGH-Urteil vom
6. Oktober 1982 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415). Die Sache ist demnach spruchreif.
Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
FGO).