Urteil des BFH vom 20.02.2009

BFH (anspruch auf rechtliches gehör, rechtliches gehör, trennung von verfahren, antragsteller, umsatzsteuer, trennung, antrag, verhandlung, aussicht, anhörung)

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 4.11.2009, V S 18/09 (PKH)
Zur Anfechtbarkeit von Trennungsbeschlüssen
Tatbestand
1 I. Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) im Verfahren V B
39/09 gegen die Nichtzulassung der Revision. Zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens beantragt er
Prozesskostenhilfe (PKH).
2 Der Antragsteller macht mit der Beschwerde im Verfahren V B 39/09 geltend, das Finanzgericht (FG) habe seinen
Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2009
mit Beschluss vom 20. Februar 2009 das Verfahren wegen Umsatzsteuer 2003 und Umsatzsteuervorauszahlung 3. und
4. Kalendervierteljahr 2006 abgetrennt und die Klage unter dem Az. 16 K 46/09 abgewiesen habe, ohne ihn, den
Antragsteller bzw. seinen Prozessbevollmächtigten, hierzu vorher zu hören.
Entscheidungsgründe
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II. Der Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung erhält ein Beteiligter,
der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil
oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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2. Das Beschwerdeverfahren hat aber keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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a) Der Antragsteller macht mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend, das FG habe durch die Trennung seinen
Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil der Rechtsstreit insgesamt noch nicht entscheidungsreif gewesen sei.
Dies ergebe sich daraus, dass am 24. Februar 2009 noch ein gerichtlicher Hinweis ergangen sei und am 9. April 2009
noch eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe.
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b) Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht durch Beschluss anordnen, dass mehrere in einem Verfahren
zusammengefasste Klagegegenstände in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden. Nach § 73 Abs.
1 Satz 1 FGO kann es zudem durch Beschluss zuvor verbundene Verfahren wieder trennen. Der Trennungsbeschluss
ist eine prozessleitende Verfügung, die der Senat im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht nachprüfen kann (§ 128
Abs. 2 FGO i.V.m. § 124 Abs. 2 FGO). Dies gilt ebenso für das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der
Revision (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. April 2008 I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445; vom 9. Februar
2006 X B 138/05, BFH/NV 2006, 972). Derartige Anordnungen begründen allenfalls dann einen Verfahrensmangel
i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, wenn das FG sie willkürlich --also ohne sachlichen Grund-- erlassen hat oder wenn
der Steuerpflichtige dadurch prozessual in der Wahrnehmung seiner Rechte behindert wird (vgl. etwa BFH-Urteil vom
27. September 1994 VIII R 36/89, BFHE 176, 289, BStBl II 1995, 353; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2008, 1445; vom 20.
August 1998 XI B 110/95, BFH/NV 1999, 329, m.w.N.).
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c) Vor dem FG fand am 20. Februar 2009 eine mündliche Verhandlung statt, die neben Umsatzsteuer 2004 und 2005
sowie Umsatzsteuervorauszahlung 1. und 2. Kalendervierteljahr 2006 auch den Umsatzsteuerbescheid 2003 und die
Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für das 3. und 4. Kalendervierteljahr 2006 zum Gegenstand hatte.
Ausweislich der Sitzungsniederschrift wurde dabei auch die Sach- und Rechtslage erörtert.
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) gewährleistet, dass einer
gerichtlichen Entscheidung nur Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden dürfen, zu denen sich die
Beteiligten vorher äußern konnten (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 14. Januar 1969 2 BvR
314/68, BVerfGE 25, 40, 43, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG). Beschlüsse über die Verbindung
und Trennung von Verfahren gehören nicht zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweismitteln, sondern
werden gemäß § 128 Abs. 2 FGO vom Gericht ohne Beschwerdemöglichkeit der Beteiligten gefasst. Da die Beteiligten
hierzu nicht gehört werden müssen, kann sich aus dem Unterlassen der Anhörung grundsätzlich keine Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör ergeben, sondern nur dann, wenn durch die Trennung ihre prozessualen Rechte
beeinträchtigt werden können (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1445, m.w.N.).
10 d) Der Antragsteller hat keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, weshalb der Rechtsstreit in Bezug auf den
im angefochtenen Urteil entschiedenen Sachverhalt betreffend Umsatzsteuer 2003 und Umsatzsteuervorauszahlung
3. und 4. Kalendervierteljahr 2006 noch nicht entscheidungsreif gewesen sein könnte; sie ergeben sich insbesondere
nicht aus dem Hinweis aus dem vom Antragsteller erwähnten Schreiben des FG vom 24. Februar 2009, das
ausdrücklich nur Umsatzsteuer 2004 und 2005 sowie Umsatzsteuervorauszahlungen 1. und 2. Kalendervierteljahr
2006 betraf. Der Antragsteller hat, soweit er die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, auch nicht --
wie erforderlich (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 2008 V B 110/07, BFH/NV 2009, 396; vom 11. Februar
2003 V B 157/02, BFH/NV 2003, 929)-- vorgetragen, was er bei der vermissten Anhörung in Bezug auf die seiner
Ansicht nach zu Unrecht erfolgte Trennung vorgetragen hätte.
11 Da die Nichtzulassungsbeschwerde hiernach keine Aussicht auf Erfolg hat, war dem Antrag auf PKH nicht
stattzugeben.
12 3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 1 Nr. 3, § 3 Abs. 2 des
Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis).