Urteil des BFH vom 08.07.2008

BFH: rechtliches gehör, neues vorbringen, urteilsbegründung, erlass, verwaltungsakt, rechtsschutz, entlastung, abweisung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 8.7.2008, II B 57/07
Verweisung des FG auf Einspruchsentscheidung
Gründe
1 Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2
FGO dargelegt werden.
2 Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben das Vorliegen des von ihnen geltend gemachten Verfahrensmangels
(§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), nämlich dass die Vorentscheidung nicht mit Gründen versehen sei (§ 119 Nr. 6 FGO), nicht
schlüssig dargelegt.
3 a) Die Abweisung der Klage der Klägerin hinsichtlich der Vermögensteuerfestsetzung auf den 1. Januar 1996 hat das
Finanzgericht (FG) damit begründet, dass die Klage insoweit mangels Beschwer der Klägerin und wegen des Fehlens
eines Vorverfahrens unzulässig sei. Darauf sind die Kläger in der Beschwerdebegründung nicht eingegangen.
4 b) Das FG hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils im Übrigen ausgeführt, der Beklagte und
Beschwerdegegner (das Finanzamt) habe in den zu den angefochtenen Vermögensteuerfestsetzungen auf den 1.
Januar der Jahre 1993, 1995 und 1996 ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 27. Juli 2006 die Rechtslage
zutreffend wiedergegeben. Das Gericht folge diesen beiden Einspruchsentscheidungen ohne Einschränkung und sehe
zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 105 Abs. 5 FGO
ab.
5 aa) Das FG hat damit von den ihm durch § 105 Abs. 5 FGO eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Nach
dieser Vorschrift ist es verfahrensrechtlich zulässig, dass das Gericht von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe absieht, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder der Entscheidung über den
außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt. Diese Regelung dient der Entlastung
der Gerichte von der Formulierungs- und Schreibarbeit bei der Urteilsbegründung, wenn deren Zweck, den Beteiligten
Kenntnis davon zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Verhältnissen oder rechtlichen Erwägungen die
Entscheidung beruht, ohne Nachteil für den Rechtsschutz des Klägers auch durch Bezugnahme auf bereits vorliegende
Verwaltungsentscheidungen erreicht werden kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. November 2006
XI B 147/05, BFH/NV 2007, 267, m.w.N.). Das Gericht kann dabei die eigene Begründung vollständig durch eine
Bezugnahme auf die Gründe der Einspruchsentscheidung ersetzen. Eine über die Feststellung, dass das FG der
Verwaltungsentscheidung folgt, hinausgehende Urteilsbegründung ist dann nicht erforderlich (BFH-Beschluss vom 20.
November 2003 III B 88/02, BFH/NV 2004, 517).
6 Die gebotene verfassungskonforme Anwendung des § 105 Abs. 5 FGO setzt allerdings zum einen voraus, dass das
Gericht wegen des Anspruchs des Rechtsschutzsuchenden auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes)
auf dessen wesentliches neues Vorbringen im Klageverfahren eingeht, und zum anderen, dass der Verwaltungsakt
oder die Einspruchsentscheidung selbst eine aussagekräftige Begründung zu den wesentlichen tatsächlichen und
rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren, enthält
(ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. Mai 1994 VI R 10/94, BFHE 174, 391, BStBl II 1994, 707, und
vom 23. April 1998 IV R 30/97, BFHE 186, 120, BStBl II 1998, 626; BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 267, m.w.N.). Die
Begründungserleichterung des § 105 Abs. 5 FGO darf nicht dazu führen, dass geringere Anforderungen an die
Auseinandersetzung des Gerichts mit entscheidungserheblichem Vorbringen des Rechtsschutzsuchenden, d.h. mit den
vom ihm vorgetragenen selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmitteln, gestellt werden (BFH-Beschluss in BFH/NV
2007, 267).
7 bb) Die Kläger haben nicht schlüssig dargelegt, aus welchen Gründen das FG nach diesen Grundsätzen zu
weitergehenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen verpflichtet gewesen sein soll. Sie tragen nicht vor, dass
sie im Klageverfahren neue Gesichtspunkte vorgebracht hätten, mit denen sich das FG hätte auseinandersetzen
müssen. Sie verweisen vielmehr auf ein Schreiben vom 20. November 2004, das noch aus der Zeit vor Erlass der
angefochtenen Steuerbescheide stammt. Sie führen auch nicht aus, inwiefern die vom FG in Bezug genommenen
Einspruchsentscheidungen keine aussagekräftige Begründung zu den wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen
Erwägungen enthalten sollen. Stattdessen wiederholen sie lediglich auf unsubstantiierte Art und Weise ihr
tatsächliches Vorbringen zum Bestehen eines Treuhandverhältnisses zwischen dem Kläger und seinem Bruder. Einen
Grund für die Zulassung der Revision machen sie damit nicht geltend (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 517, und in
BFH/NV 2007, 267).