Urteil des BFH vom 05.02.2014

Keine Änderungen der Anforderungen an einen steuerbegünstigten Veräußerungs- oder Aufgabegewinn durch StSenkErgG - Betriebsaufgabe durch Entfallen der Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 5.2.2014, X R 22/12
Keine Änderungen der Anforderungen an einen steuerbegünstigten Veräußerungs- oder
Aufgabegewinn durch StSenkErgG - Betriebsaufgabe durch Entfallen der Voraussetzungen der
Betriebsaufspaltung
Leitsätze
Auch die ab 2001 geltende Rechtslage setzt für einen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn i.S. des
§ 34 Abs. 3 i.V.m. § 16 EStG voraus, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen entweder
veräußert oder ins Privatvermögen überführt werden.
Tatbestand
1 A. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt. Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung vermietete der im Jahr 1941 geborene
Kläger das Grundstück R an die A-GmbH, an der er bis zum 7. Februar 2001 mit 51 % beteiligt
war. Das vermietete Grundstück und die Anteile an der A-GmbH waren notwendiges
Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens. Die ebenfalls 51 % betragende Beteiligung
an der B-GmbH hatte der Kläger als gewillkürtes Betriebsvermögen aktiviert.
2 Die Anteile an der B-GmbH brachte der Kläger am 9. Januar 2001 zum Buchwert in das
Gesamthandsvermögen der neu gegründeten C-KG ein, an der er als Mitunternehmer beteiligt
war. Die Anteile an der A-GmbH veräußerte er am 7. Februar 2001 an einen Dritten. Hiermit
endete die Betriebsaufspaltung und das Grundstück R ging zum gemeinen Wert in das
Privatvermögen des Klägers über.
3 Der Kläger beantragte, auf den aus der Betriebsaufgabe seines Einzelunternehmens
resultierenden Gewinn in Höhe von 6.572.000 DM den ermäßigten Steuersatz gemäß § 34
Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2001 geltenden Fassung (EStG)
anzuwenden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte dies ab, weil
nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert worden seien. Aus den vom Kläger auf
seiner Homepage im Internet veröffentlichten Unternehmensinformationen gehe hervor, dass
die Beteiligung an der B-GmbH für die betrieblichen Zwecke der A-GmbH zumindest geeignet
und zweifelsfrei wirtschaftlich von nicht untergeordneter Bedeutung gewesen sei. Damit sei
sie eine wesentliche Betriebsgrundlage gewesen.
4 Das Vorverfahren und die Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründete die
Klageabweisung unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--
(vgl. z.B. Urteil vom 25. Februar 2010 IV R 49/08, BFHE 228, 486, BStBl II 2010, 726, unter
II.3.d) damit, die Steuervergünstigung gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 1, § 16 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 Alternative 1 und Abs. 3 Satz 1 EStG erfordere, dass alle wesentlichen
Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang veräußert und/oder entnommen werden
müssten. Daran habe es im Streitfall gefehlt, da die Anteile an der B-GmbH im engen
zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Anteile an der A-GmbH sowie der
Entnahme des Grundstücks R zu Buchwerten in ein anderes Betriebsvermögen des Klägers
überführt worden seien, was auch auf einer unbestrittenen einheitlichen Planung beruhe. Die
Anteile an der B-GmbH stünden durch die dargelegten Verhältnisse (Nutzung der
Ressourcen, Konzeption eines Einzelunternehmens als Holding) auch im funktionalen
Zusammenhang mit den Anteilen an der A-GmbH.
5 Die Neuregelung des § 34 Abs. 3 EStG durch das Steuersenkungsergänzungsgesetz
(StSenkErgG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1812) ändere nichts daran, die
Inanspruchnahme der Tarifvergünstigung weiterhin davon abhängig zu machen, dass alle
wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang veräußert, entnommen oder
anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden müssten, da es nur so zu einer
zusammengeballten Realisierung von Einkünften kommen könne.
6 Zur Begründung ihrer Revision führen die Kläger aus, die Entscheidung des FG beruhe auf
einer Auslegung der Tarifvorschrift des § 34 Abs. 3 EStG, die der ab dem
Veranlagungszeitraum 2001 geänderten Funktion der Vorschrift und ihrem veränderten
inneren Grund --nunmehr Sozialzwecknorm statt wie bislang Fiskalzwecknorm-- nicht gerecht
werde. Aufgrund des geänderten Zwecks sowie der unterschiedlichen Voraussetzungen und
Rechtsfolgen des § 34 Abs. 3 EStG müsse es möglich sein, die Tarifvergünstigung auch dann
in Anspruch zu nehmen, wenn der Betriebsveräußerer bestimmte Wirtschaftsgüter, die der
Käufer nicht erwerben wolle, vor der Veräußerung in ein anderes Betriebsvermögen überführe
und dort weiterhin betrieblich nutze. Die Tatsache, dass die in diesen Wirtschaftsgütern
ruhenden stillen Reserven später zum normalen Tarif zu besteuern seien, dürfe die einmalige
Tarifbegünstigung für die durch die Betriebsveräußerung aufgedeckten stillen Reserven nicht
ausschließen.
7 Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid 2001
vom 7. Februar 2006 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 12. April 2007 mit der
Maßgabe abzuändern, dass die Einkommensteuer der Kläger unter Berücksichtigung
laufender Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1.079.748 DM und unter
Berücksichtigung eines gemäß §§ 16, 34 EStG steuerbegünstigten Veräußerungs-
/Betriebsaufgabegewinn in Höhe von 6.572.000 DM neu festgesetzt wird.
8 Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9 Unter dem 4. April 2013 und dem 6. Juni 2013 wurde der Einkommensteuerbescheid 2001
jeweils aus zwischen den Beteiligten nicht strittigen Gründen geändert.
Entscheidungsgründe
10 B. I. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da der
während des Revisionsverfahrens ergangene Änderungsbescheid vom 6. Juni 2013 an die
Stelle des Änderungsbescheids vom 4. April 2013 trat, der seinerseits an die Stelle der
Einkommensteuerfestsetzung vom 7. Februar 2006 in Gestalt der Teil-
Einspruchsentscheidung vom 12. April 2007 getreten war. Damit liegt dem FG-Urteil ein
nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen
Bestand haben kann (siehe dazu Senatsurteil vom 21. Juli 2004 X R 46/02, BFH/NV 2004,
1643, m.w.N.).
11 Der Bescheid vom 6. Juni 2013 wurde nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
Gegenstand des Revisionsverfahrens. Da sich durch den Änderungsbescheid der bisherige
Streitstoff nicht verändert hat, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127
FGO (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 127 Rz 2). Das
finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG
getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen
sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (vgl.
BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43).
II.
12 Der Senat entscheidet in der Sache selbst.
13 Die Klage ist unbegründet und daher abzuweisen. Die Entscheidung des FA, den Gewinn
des Klägers, der sich aus der Veräußerung der Anteile an der A-GmbH und der Beendigung
der Betriebsaufspaltung ergab, nicht mit dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 und
Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alternative 1 und Abs. 3 Satz 1 EStG zu
besteuern, ist nicht zu beanstanden.
14 1. Gemäß § 34 Abs. 3 EStG konnte im Streitjahr 2001 --sofern in dem zu versteuernden
Einkommen außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG enthalten waren-- auf
Antrag abweichend von § 34 Abs. 1 EStG die auf den Teil dieser außerordentlichen
Einkünfte, der den Betrag von insgesamt 10 Millionen Deutsche Mark nicht überstieg,
entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz bemessen werden, sofern
der Steuerpflichtige --wie hier der Kläger-- das 55. Lebensjahr vollendet hatte. Der ermäßigte
Steuersatz betrug die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergeben hätte,
wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen
zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen gewesen
wäre, mindestens jedoch 19,9 %. Außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG
sind u.a. Veräußerungsgewinne gemäß § 16 EStG, so dass auch Gewinne aufgrund einer
Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG darunter fallen.
15 a) Entfallen die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung, führt dies nach der
Rechtsprechung des BFH regelmäßig zur Betriebsaufgabe und damit zur Versteuerung der
in den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens enthaltenen stillen Reserven (vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 25. August 1993 XI R 6/93, BFHE 172, 91, BStBl II 1994, 23, m.w.N.). Zu
einer Betriebsaufgabe durch Beendigung der Betriebsaufspaltung kommt es beispielsweise,
wenn die sachliche Verflechtung zwischen dem Besitzunternehmen und der
Betriebsgesellschaft durch Veräußerung der zur Beherrschung führenden Anteile wegfällt
und nicht zugleich die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung vorliegen. Das übrige
bisherige Betriebsvermögen wird dann, soweit es sich noch im Eigentum des
Besitzunternehmers befindet, aus rechtlichen Gründen zu Privatvermögen (siehe
Senatsurteil vom 22. Oktober 2013 X R 14/11, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt,
BFH/NV 2014, 406, unter II.1.a bb, m.w.N.).
16 Im Streitfall hatte die Veräußerung der Anteile an der A-GmbH den Fortfall der persönlichen
Verflechtung und damit die Beendigung der Betriebsaufspaltung zur Folge. Damit ergab sich
--zwischen den Beteiligten unstreitig-- ein Gewinn in Höhe von 6.572.000 DM aus der
Veräußerung der Anteile an der A-GmbH sowie der Überführung des Grundstücks R zum
gemeinen Wert ins Privatvermögen des Klägers.
17 b) Dieser Gewinn ist jedoch nur dann ein Betriebsaufgabegewinn i.S. des § 16 Abs. 3 Satz 1
i.V.m. § 16 Abs. 2 EStG, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen entweder an
verschiedene Erwerber veräußert oder ins Privatvermögen überführt werden oder eine
Kombination aus beiden Möglichkeiten vorliegt. Wird auch nur eine einzige wesentliche
Betriebsgrundlage im Rahmen eines anderen Betriebs verwendet und zum Buchwert in das
dortige Betriebsvermögen überführt, liegt im Ganzen keine begünstigte Betriebsaufgabe vor
(vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28. Oktober 1964 IV 102/64 U, BFHE 81, 240, BStBl III 1965, 88;
vom 9. Dezember 1986 VIII R 26/80, BFHE 148, 524, BStBl II 1987, 342, und vom
18. September 2002 X R 28/00, BFHE 200, 304, BStBl II 2003, 133; Kulosa in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Rz 520; Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 16 Rz 344
und 94; Reiß in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 16 Rz 202).
18 c) Da der Kläger am 9. Januar 2001 --und damit im engen zeitlichen Zusammenhang mit der
Veräußerung der Anteile an der A-GmbH und der dadurch bewirkten Beendigung der
Betriebsaufspaltung am 7. Februar 2001-- die Anteile an der B-GmbH, eine wesentliche
Betriebsgrundlage, zu Buchwerten in ein anderes Betriebsvermögen überführt hat, liegen die
Voraussetzungen einer begünstigten Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 EStG nicht vor.
19 aa) Die Anteile an der B-GmbH gehörten zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen des
Einzelunternehmens des Klägers. Das FG hat in seinem Urteil seine Überzeugung, die
Anteile an der B-GmbH seien eine wesentliche Betriebsgrundlage, damit begründet, in den
Anteilen seien nicht nur erhebliche stille Reserven enthalten gewesen, sondern es müsse
auch aufgrund der veröffentlichten Unternehmensangaben des Klägers von einem
funktionalen Zusammenhang der beiden Kapitalgesellschaften ausgegangen werden. Der
Geschäftszweck des Einzelunternehmens habe aus dem Halten von Beteiligungen und nicht
aus einer gewerblichen Betätigung bestanden. An diese Würdigung ist der erkennende
Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da gegen sie keine zulässigen und begründeten
Verfahrensrügen erhoben wurden, sie nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder
Denkgesetze verstößt und wenn auch nicht zwingend, aber möglich ist (vgl. BFH-Urteile vom
29. April 2008 VIII R 28/07, BFHE 220, 332, BStBl II 2009, 842; vom 28. Mai 2013
XI R 44/11, BFH/NV 2013, 1409).
20 bb) Würde man die Veräußerung der Anteile an der A-GmbH am 7. Februar 2001, die zum
Wegfall der Betriebsaufspaltung und damit zur Betriebsaufgabe führte, stichtagsbezogen
betrachten, lägen im Streitfall --ausgehend von dem Wortlaut des § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34
Abs. 2 Nr. 1, § 16 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG-- die Tatbestandsvoraussetzungen
vor, weil bezogen auf diesen Stichtag mit Ausnahme des Grundstücks R keine weiteren
wesentlichen Wirtschaftsgüter im Einzelunternehmen des Klägers mehr vorhanden waren.
Die Anteile an der B-GmbH waren nämlich, seitdem sie am 9. Januar 2001 in die C-KG
eingebracht worden waren, nicht mehr dem Einzelunternehmen des Klägers, sondern dem
Gesamthandsvermögen der C-KG zuzuordnen (so die ständige BFH-Rechtsprechung, vgl.
z.B. Urteile vom 18. Juli 1979 I R 199/75, BFHE 128, 516, BStBl II 1979, 750, unter II.2.b;
vom 22. November 1994 VIII R 63/93, BFHE 177, 28, BStBl II 1996, 93, unter II.2., und vom
24. November 1998 VIII R 61/97, BFHE 187, 297, BStBl II 1999, 483, unter II.1.).
21 cc) Die kurz vor der Veräußerung der Anteile an der A-GmbH vorgenommene Einbringung
der Anteile an der B-GmbH in die C-KG führt indes zur Versagung der Steuervergünstigung
der §§ 16, 34 EStG.
22 (1) Der IV. Senat des BFH hat unlängst erneut --wenn auch zur Rechtslage vor 2001-- zu
Recht entschieden, die an Sinn und Zweck der § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m.
§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG orientierte Auslegung stehe einer auf den
Anteilsübertragungszeitpunkt bezogenen isolierten Betrachtung entgegen (Urteil vom
30. August 2012 IV R 44/10, BFH/NV 2013, 376). Der Zweck der Tarifvergünstigung nach
§§ 16, 34 EStG bestehe darin, die zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre
entstandenen stillen Reserven nicht nach dem progressiven Einkommensteuertarif zu
erfassen. Die Tarifvergünstigung setze demnach voraus, dass alle stillen Reserven der
wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst würden;
denn eine Zusammenballung liege nicht vor, wenn dem Veräußerer oder Aufgebenden noch
stille Reserven verblieben, die erst in einem späteren Veranlagungszeitraum aufgedeckt
würden (so Beschluss des Großen Senats des BFH vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98, BFHE
189, 465, BStBl II 2000, 123, unter C.V.1.c, m.w.N.). Dies gebiete es, die Tarifvergünstigung
dann nicht zu gewähren, wenn aufgrund einheitlicher Planung und in engem zeitlichem
Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs wesentliche
Betriebsgrundlagen ohne Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven aus dem
Betriebsvermögen der Gesellschaft ausgeschieden sind. Denn dann seien durch die
Veräußerung nicht alle stillen Reserven aufgedeckt worden (vgl. auch BFH-Urteile zur
früheren Rechtslage vom 6. September 2000 IV R 18/99, BFHE 193, 116, BStBl II 2001, 229,
unter 1.; vom 12. April 2000 XI R 35/99, BFHE 192, 419, BStBl II 2001, 26, unter II.2.b; vom
24. August 2000 IV R 51/98, BFHE 192, 534, BStBl II 2005, 173, unter 3.a; vom 6. Dezember
2000 VIII R 21/00, BFHE 194, 97, BStBl II 2003, 194, unter II.1.c).
23 (2) Das FG hat --von den Beteiligten nicht bestritten-- eine einheitliche Planung sowie einen
engen zeitlichen Zusammenhang der beiden Übertragungsvorgänge bejaht. Diese
Feststellungen sind Teil der Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG, an die der
erkennende Senat gebunden ist, da sie weder gegen Denkgesetze oder allgemeine
Erfahrungssätze verstoßen.
24 2. Entgegen der Auffassung der Kläger gelten die Grundsätze der bisherigen
Rechtsprechung ebenso für den durch das StSenkErgG neugefassten § 34 EStG in der ab
2001 geltenden Fassung. Gegen eine Auslegung dieser Tarifbegünstigungsvorschrift
dergestalt, dass auf eine Zusammenballung der Einkünfte verzichtet werden könnte,
sprechen sowohl die Entstehungsgeschichte als auch der Wortlaut und der Zweck der Norm.
25 a) Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999,
402, BStBl I 1999, 304) wurde die bis zum Jahr 1998 bestehende Möglichkeit zur
Besteuerung von Veräußerungsgewinnen mit dem halben Steuersatz beseitigt; an deren
Stelle trat zunächst nur die sog. Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG. Wie die Kläger
zutreffend dargelegt haben, wurde mit dem StSenkErgG eine Entschließung des Bundesrats
(siehe BRDrucks 410/2/00) umgesetzt, den halben Steuersatz für Betriebsveräußerungen
und –aufgaben wieder einzuführen (BTDrucks 14/4217, 7). Zur Sicherung der Altersvorsorge
von aus dem Berufsleben ausscheidenden Unternehmern wurde § 34 EStG um die
Möglichkeit ergänzt, unter den Voraussetzungen, die bereits oben beschrieben wurden, für
Gewinne aus Betriebsveräußerungen und –aufgaben den halben durchschnittlichen
Steuersatz in Anspruch nehmen zu können (vgl. die Begründung des Entwurfs des
StSenkErgG, BTDrucks 14/4217, 8). Ein Hinweis darauf, dass auch die durch die ständige
BFH-Rechtsprechung herausgearbeiteten Voraussetzungen für das Vorliegen eines gemäß
§ 16 EStG begünstigten Veräußerungsgewinns zu modifizieren bzw. abzumildern seien,
kann den Gesetzesmaterialien jedoch nicht entnommen werden.
26 b) Die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG gilt aufgrund der Verweisung auf die
außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG nur für Veräußerungsgewinne
nach §§ 14, 14a, 16 und 18 EStG, soweit sie nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen.
Dieser eindeutige Wortlaut der steuerbegünstigenden Norm schließt es aus, auch auf andere
(Nichtveräußerungs-)Gewinne die Tarifermäßigung anzuwenden. Damit kann der Gewinn
des Klägers aus der Veräußerung der Anteile an der A-GmbH und der Entnahme des
Grundstücks R, der wegen der fehlenden Aufdeckung aller in wesentlichen
Betriebsgrundlagen des Einzelunternehmens enthaltenen stillen Reserven kein Gewinn
gemäß § 16 EStG ist, nicht gemäß § 34 Abs. 3 EStG ermäßigt besteuert werden.
27 c) Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der "Sonderbesteuerung" der
Veräußerungsgewinne gemäß § 34 Abs. 3 EStG (Senatsurteil vom 12. Juni 2013 X R 9/12,
BFH/NV 2013, 1918, unter II.2.). Diese gestattet die Besteuerung der außerordentlichen
Einkünfte mit ermäßigten Steuersätzen, um die Progressionswirkung zu mildern, die sich
ansonsten durch die Zusammenrechnung der einmaligen mit den laufenden Einkünften für
Letztere ergeben würde, ohne dass es zu einer nachhaltigen Erhöhung der
Leistungsfähigkeit kommt. Für die Veräußerungs- oder Aufgabegewinne des § 34 Abs. 3
i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG und § 16 EStG ergibt sich die Zusammenballung der Einkünfte
bereits aus der Erfüllung des Tatbestandes des § 16 EStG (vgl. oben B.II.1.b).
28 d) Diesem eindeutigen Auslegungsergebnis steht die Überlegung der Kläger, § 34 Abs. 3
EStG sei nunmehr eine Sozialzwecknorm, nicht entgegen. Der Charakter und die Funktion
einer Vorschrift als Sozialzwecknorm kann nicht dazu führen, trotz eines anderslautenden
klar zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willens eine Steuervergünstigung zu
gewähren. Dass § 34 EStG, insbesondere dessen Abs. 3, im Vergleich zur Rechtslage vor
1998 nunmehr einen eingeschränkteren Anwendungsbereich hat (nur noch auf Antrag und
nur noch für bestimmte Steuerpflichtige) und zudem eine geringere steuerliche Entlastung
vorsieht (nur noch einmal im Leben und nur noch für Veräußerungsgewinne bis 10 Mio. DM),
kann nicht dazu führen, auf die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale dieser Norm zu
verzichten.