Urteil des BAG vom 11.06.2013

Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 11.6.2013, 1 ABR
32/12
Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft
Leitsätze
1. § 97 Abs. 1 ArbGG lässt auch eine vergangenheitsbezogene Feststellung der
Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft zu.
2. In dem Verfahren um die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung sind weder die
Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite noch die obersten
Arbeitsbehörden des Bundes und der Länder beteiligt.
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde von ver.di wird der Beschluss des
Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 21. Februar 2012 - 4 TaBV 7/10 -
aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht auf die Beschwerde der
DHV den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 18. Juni 2010 -
13 BV 23/09 - in Bezug auf die Anträge zu 1. und zu 2. abgeändert hat.
Die Beschwerde der DHV gegen den vorgenannten Beschluss des
Arbeitsgerichts Hamburg wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der
Tenor des arbeitsgerichtlichen Beschlusses in Bezug auf den Antrag zu 1.
lautet:
Es wird festgestellt, dass die DHV bis zum 9. Januar 2013 nicht zuständig
war für den Abschluss von Tarifverträgen für die bei der DRK-
Blutspendedienst West gGmbH beschäftigten Arbeitnehmer, soweit diese
nicht kaufmännische oder verwaltende Berufe ausüben.
Im Übrigen wird der Antrag zu 1. abgewiesen.
II. Die weitergehende Rechtsbeschwerde von ver.di wird zurückgewiesen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten über die Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft.
2 Antragsteller ist ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Deren
Organisationsbereich umfasst nach § 4 Nr. 1 ver.di-Satzung ua. Unternehmen, Betriebe,
Einrichtungen und Verwaltungen der im Anhang 1 zur Satzung abschließend aufgeführten
Bereiche. Zu diesen zählen auch solche im öffentlichen und privaten Gesundheitswesen
(Nr. 1.4 Anhang 1 ver.di-Satzung).
3 Die Beteiligte zu 2. ist die „DHV - Die Berufsgewerkschaft e. V.“. Deren
Organisationsbereich erstreckt sich über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. § 2
Nr. 1 ihrer Satzung in der bis zum 12. März 2007 geltenden Fassung (DHV-Satzung)
lautete:
§ 2 Aufgaben und Ziele
1. Der DHV ist eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer in kaufmännischen und
verwaltenden Berufen, die in der privaten Wirtschaft und dem öffentlichen
Dienst tätig sind. ...“
4 Auf ihrem ordentlichen Verbandstag vom 28./29. Oktober 2006 beschloss die DHV eine
Satzungsänderung, die am 12. März 2007 in das Vereinsregister eingetragen wurde
(DHV-Satzung 2007). In deren § 2 Nr. 1 war bestimmt:
§ 2 Aufgaben und Ziele
1. Die DHV ist eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer insbesondere in
kaufmännischen und verwaltenden Berufen. …“
5 In § 2 Nr. 1 der vom 12. Juni 2009 bis zum 22. Februar 2011 geltenden Satzung der DHV
(DHV-Satzung 2009) lautete:
§ 2 Aufgaben und Ziele
1. Die DHV ist eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer insbesondere in
kaufmännischen und verwaltenden Berufen. Sie ist damit zuständig zum
Abschluss von Tarifverträgen für diese Arbeitnehmergruppen.
Andere Arbeitnehmergruppen können in Tarifverträge einbezogen werden,
wenn sie in einer Branche oder in Unternehmen beschäftigt sind, die durch
kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten geprägt sind. Hierzu gehören der
Groß-, Außen- und Einzelhandel und die Warenlogistik, die Finanz- und
Versicherungswirtschaft, die gesetzliche Sozialversicherung sowie diesen
Branchen zuzuordnende Dienstleistungsbetriebe.
In Tarifverträge können auch andere Arbeitnehmergruppen einbezogen
werden, soweit sie in Unternehmen oder Branchen beschäftigt werden, in
denen die DHV Tarifpartner ist oder in denen die DHV über eine hinreichende
Repräsentativität verfügt. Diese sind im Anhang zur Satzung abschließend
aufgeführt. Der Anhang ist Bestandteil der Satzung.
...“
6 Im Anhang zu § 2 DHV-Satzung 2009 waren im Einzelnen bezeichnete Branchen und
Unternehmen aufgeführt. Zu diesen gehörten Wohlfahrtsverbände sowie Einrichtungen in
Trägerschaft von Wohlfahrtsverbänden. In der ab dem 23. Februar 2011 geltenden
Satzung der DHV (DHV-Satzung 2011) waren im Anhang zu § 2 der Satzung ua. das
Deutsche Rote Kreuz sowie Einrichtungen unter dessen Trägerschaft gleich welcher
Rechtsform benannt.
7 In der am 9. Januar 2013 in das Vereinsregister eingetragenen Satzung der DHV (DHV-
Satzung 2013) heißt es:
§ 2 Organisationsbereich
1. DHV ist tarifzuständig für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den
nachfolgenden Bereichen und schließt für diese Tarifverträge ab:
• Deutsches Rotes Kreuz
sowie Nebenbetriebe, die Dienstleistungen für diese erbringen, jedoch
rechtlich ausgegliedert und selbstständig sind.
2. DHV ist tarifzuständig für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in
kaufmännischen und verwaltenden Berufen.
3. Die Tarifzuständigkeit erstreckt sich auch auf Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, die in einer in Ziffer 1 aufgeführten Branche im Sinne des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes überlassen werden.
…“
8 Die zu 7. beteiligte Arbeitgeberin betreibt einen Blutspendedienst in der Rechtsform einer
gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH). Nach § 3 Nr. 1 ihres
Gesellschaftsvertrags vom 19. Dezember 2001 ist die Arbeitgeberin eine Einrichtung der
Landesverbände Nordrhein, Westfalen-Lippe, Rheinland-Pfalz und Saarland des
Deutschen Roten Kreuz e. V. (DRK).
9 Die am 12. November 2009 in das Vereinsregister eingetragene Bundessatzung des DRK
lautet:
Präambel
Deutsche Rote Kreuz e. V.
Kreuzes auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. …
(6) Das Deutsche Rote Kreuz ist föderal gegliedert in Bundesverband, Landes-,
Kreisverbände und Ortsvereine sowie den Verband der Schwesternschaften
vom Deutschen Roten Kreuz e. V. mit seinen Gliederungen. Die
Gliederungen arbeiten sämtlich auf der Basis von einheitlichen,
systematisch aufeinander aufbauenden Satzungen, die die Rechte und
Pflichten im Rahmen der Mitgliedschaft im Deutschen Roten Kreuz regeln,
zusammen.
§ 1
(1) Das Deutsche Rote Kreuz ist die Gesamtheit aller Mitglieder, Verbände,
Vereinigungen, privatrechtlichen Gesellschaften und Einrichtungen des
Roten Kreuzes in der Bundesrepublik Deutschland. …
(2) Das Deutsche Rote Kreuz bekennt sich zu den sieben Grundsätzen der
Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung:
-
Menschlichkeit
-
Unparteilichkeit
-
Neutralität
-
Unabhängigkeit
-
Freiwilligkeit
-
Einheit
-
Universalität.
Diese Grundsätze sind für alle Verbände, Vereinigungen, privatrechtlichen
Gesellschaften und Einrichtungen des Deutschen Roten Kreuzes sowie
deren Mitglieder verbindlich.
Das Deutsche Rote Kreuz ist gemeinsam mit dem Internationalen Komitee
vom Roten Kreuz (IKRK), der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und
Rothalbmond-Gesellschaften sowie den anderen anerkannten Nationalen
Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften ein Bestandteil der
Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung.
§ 3
(1) Das Deutsche Rote Kreuz (Bundesverband) hat die Rechtsform eines
eingetragenen Vereins. …
(2) Mitglieder des Deutschen Roten Kreuzes e. V. sind als Mitgliedsverbände
die Landesverbände
Nordrhein
Rheinland-Pfalz
Saarland
Westfalen-Lippe
(3) Die Mitgliedsverbände des Deutschen Roten Kreuzes e. V. vermitteln ihren
Gliederungen (nachgeordneten Verbänden, Organisationen,
privatrechtlichen Gesellschaften und Einrichtungen) sowie deren
Mitgliedern die Mitgliedschaft im Deutschen Roten Kreuz. …“
10 Die Arbeitgeberin schloss am 31. Oktober 2006 mit der DHV einen Mantel- und
Entgelttarifvertrag sowie einen Tarifvertrag über die Berufsausbildung ab, die zum
1. Januar 2007 in der Fassung einer nachträglich am 9. Februar 2007 verhandelten
Protokollnotiz in Kraft traten. Daneben vereinbarte die Arbeitgeberin mit ver.di am
18. Januar 2007 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007 einen Haustarifvertrag.
11 Mit einer am 21. August 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat ver.di
11 Mit einer am 21. August 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat ver.di
das vorliegende Verfahren über die Tarifzuständigkeit der DHV eingeleitet. Die
Vorinstanzen haben entsprechend den Angaben in der Antragsschrift die Bundesrepublik
Deutschland als Beteiligte zu 3., das Land Nordrhein-Westfalen als Beteiligten zu 4., den
Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) als Beteiligten zu 5. sowie den Christlichen
Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) als Beteiligten zu 6. angehört.
12 Ver.di hat die Auffassung vertreten, die DHV sei nicht tarifzuständig für die bei der
Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer, soweit diese keine kaufmännischen und
verwaltenden Berufe ausüben. Nach der bis zum 12. März 2007 geltenden Satzung der
DHV sei diese ausschließlich zuständig gewesen für Arbeitnehmer in kaufmännischen
und verwaltenden Berufen. Dieser Organisationsbereich sei auch durch die
nachfolgenden Satzungen nicht wirksam auf alle Arbeitsverhältnisse der bei der
Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer erstreckt worden.
13 Ver.di hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - beantragt festzustellen,
1. dass die DHV nicht tarifzuständig ist für den Abschluss von Tarifverträgen für
bei der DRK-Blutspendedienst West gGmbH beschäftigten
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, soweit sie nicht kaufmännische und
verwaltende Berufe ausüben,
2. dass die DHV zum Zeitpunkt des Abschlusses des Manteltarifvertrags,
Entgelttarifvertrags sowie des Tarifvertrags über die Berufsausbildung, jeweils
abgeschlossen am 31. Oktober 2006, in der Fassung der Protokollnotiz vom
9. Februar 2007, mit der DRK-Blutspendedienst West gGmbH nicht
tarifzuständig war für den Abschluss von Tarifverträgen für bei der DRK-
Blutspendedienst West gGmbH beschäftigten Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, soweit sie nicht kaufmännische und verwaltende Berufe
ausüben.
14 Die DHV und die Arbeitgeberin haben beantragt, die Anträge abzuweisen. Die DHV hat
den Antrag zu 2. für unzulässig gehalten. Ein Feststellungsinteresse für eine
vergangenheitsbezogene Klärung der Tarifzuständigkeit bestehe nicht. Jedenfalls seit
ihrer im Januar 2013 wirksam gewordenen Satzungsänderung sei sie für sämtliche
Arbeitnehmer der Arbeitgeberin tarifzuständig.
15 Das Arbeitsgericht hat beiden Anträgen entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf
die Beschwerde der DHV abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt ver.di die
Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
16 B. Die Rechtsbeschwerde von ver.di ist überwiegend begründet. Die DHV ist erst seit dem
9. Januar 2013 tarifzuständig für Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, die keine
kaufmännischen und verwaltenden Berufe ausüben. Vor diesem Zeitpunkt bestand keine
Tarifzuständigkeit für diese Arbeitnehmergruppe.
17 I. Der von ver.di zu 1. erhobene Antrag ist zulässig und weitgehend begründet.
18 1. Der Antrag ist zulässig.
19 a) In zeitlicher Hinsicht erfasst ein Antrag über die Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft
die Entscheidung über deren Tarif(un)zuständigkeit von seiner Rechtshängigkeit bis zum
Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung. Dies folgt aus dem Normzweck des § 97
Abs. 1 ArbGG. Die Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG dienen der Sicherung der
durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie. Entsprechend diesem
Ordnungszweck soll eine nach § 97 Abs. 1 ArbGG antragsberechtigte Gewerkschaft oder
Stelle klären können, ob die Vereinigung, deren Tarifzuständigkeit umstritten ist, in der
Lage ist, für ihre Mitglieder eine normative Regelung von Arbeitsbedingungen
herbeizuführen (BAG 17. April 2012 - 1 ABR 5/11 - Rn. 45). Von einem
Feststellungsantrag nach § 97 Abs. 1 ArbGG wird daher die Tarifzuständigkeit ab dem
Zeitpunkt der Zustellung der Antragsschrift bis zu dem der letzten Anhörung zur
gerichtlichen Entscheidung gestellt. Dies kann anders zu beurteilen sein, wenn der
Antragsteller sein Begehren in zeitlicher Hinsicht beschränkt (vgl. BAG 14. Dezember
2010 - 1 ABR 19/10 - Rn. 33, BAGE 136, 302) oder eine ausschließlich
vergangenheitsbezogene Feststellung erreichen will. Eine solche Beschränkung hat ver.di
weder im Antrag zu 1. noch in der dazu gegebenen Begründung vorgenommen. Von dem
im August 2009 rechtshängig gewordenen Feststellungsantrag ist daher die
Tarifzuständigkeit der DHV im zeitlichen Geltungsbereich ihrer seit dem 12. Juni 2009
geltenden Satzungen erfasst. Die Tarifzuständigkeit richtet sich nach dem in der Satzung
der Vereinigung autonom festgelegten Organisationsbereich. Dieser kann nicht nach
einzelnen Zeitabschnitten, sondern nur einheitlich bestimmt werden (vgl. BAG 23. Mai
2012 - 1 AZB 58/11 - Rn. 8).
20 b) Der so verstandene Antrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des auch im
Beschlussverfahren anwendbaren § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Begriff der
Tarifzuständigkeit wird in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG vorausgesetzt und bezeichnet die
Fähigkeit eines Verbands, Tarifverträge mit einem bestimmten Geltungsbereich
abzuschließen. Dementsprechend ist der Antrag von ver.di auf die gerichtliche
Feststellung gerichtet, dass der DHV die Tarifzuständigkeit für den Abschluss von
Tarifverträgen der bei der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer fehlt, soweit diese
nicht kaufmännische und verwaltende Berufe ausüben.
21 c) Ver.di besitzt die nach § 97 Abs. 1 ArbGG nötige Antragsbefugnis. Diese steht
Vereinigungen zu, deren Tarifzuständigkeit sich in räumlicher und sachlicher Hinsicht
zumindest teilweise mit der gerade umstrittenen Tarifzuständigkeit einer anderen
Vereinigung deckt (BAG 10. Februar 2009 - 1 ABR 36/08 - Rn. 22, BAGE 129, 322). Nach
Nr. 1 Anhang 1 ver.di-Satzung umfasst der Organisationsbereich von ver.di die
Arbeitsverhältnisse in den im Anhang 1 aufgeführten Branchen, Wirtschaftszweigen und
Berufen. Zu diesen zählen auch Verwaltungen, Betriebe und Einrichtungen des
öffentlichen und privaten Gesundheitswesens (Nr. 1.4 Anhang 1 ver.di-Satzung). Damit
liegt hinsichtlich der Beschäftigten der Arbeitgeberin die erforderliche Konkurrenz mit der
DHV vor.
22 d) Ver.di hat für den Antrag zu 1. das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Hierfür genügt
es, dass die DHV nach ihrer aktuellen wie auch den vorangegangenen Satzungen die
Tarifzuständigkeit für sämtliche Arbeitnehmer der Arbeitgeberin beansprucht. Daneben
muss nicht noch geprüft werden, ob für den Antrag ein Feststellungsinteresse nach § 256
Abs. 1 ZPO besteht. Diese Vorschrift findet in den Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG
keine Anwendung. Deren Gegenstand ist nicht auf das Bestehen eines
Rechtsverhältnisses, sondern auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Eigenschaft
gerichtet.
23 e) Gegenüber dem gegenwartsbezogenen Antrag von ver.di sind außer dieser und der
DHV nur noch die Arbeitgeberin nach § 97 Abs. 2, § 83 Abs. 3 ArbGG am Verfahren
beteiligt.
24 aa) In den Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG sind die §§ 80 bis 84, 87 bis 96a
ArbGG entsprechend anzuwenden (§ 97 Abs. 2 ArbGG). Nach § 83 Abs. 3 ArbGG sind der
Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach den in der Vorschrift
aufgeführten Gesetzen im einzelnen Fall beteiligt sind. Zu den in § 83 Abs. 3 ArbGG
genannten Normen gehört das Arbeitsgerichtsgesetz nicht. In § 10 Satz 2 ArbGG wird
jedoch für die Verfahren über die Tariffähigkeit und -zuständigkeit die Parteifähigkeit der
beteiligten Arbeitnehmer- und Arbeitgebervereinigungen sowie der Arbeitsbehörden des
Bundes und der Länder bestimmt.
25 bb) Aus der durch § 97 Abs. 2 ArbGG bewirkten entsprechenden Anwendung von § 83
Abs. 3 ArbGG folgt, dass sich der Kreis der in den Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG
anzuhörenden Personen und Stellen wie in den anderen in § 2a Abs. 1 ArbGG
aufgeführten Verfahren nach materiellem Recht bestimmt. Die Beteiligtenstellung setzt
grundsätzlich voraus, dass die anzuhörenden Personen und Stellen von dem Verfahren
nach § 97 Abs. 1 ArbGG in einer durch die Rechtsordnung geschützten Rechtsposition
unmittelbar betroffen werden (vgl. BAG 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 - Rn. 58,
BAGE 136, 302). Eine nur mittelbare Betroffenheit oder ein rechtlich nicht geschütztes
Interesse, in das Verfahren einbezogen zu werden, reichen nicht aus.
26 cc) Die Beteiligung an einem Verfahren zur Entscheidung über die Tarifzuständigkeit einer
Gewerkschaft ist wegen des auch in den Verfahren nach § 2a Abs. 1 ArbGG geltenden
Untersuchungsgrundsatzes (§ 97 Abs. 2, § 83 Abs. 1 ArbGG) von Amts wegen zu prüfen.
Die Angaben in der Antragsschrift stellen nur Anregungen an das Gericht dar, die dort
aufgeführten Personen und Stellen in das Verfahren einzubeziehen. Das Gericht hat
selbständig darüber zu befinden, ob diese oder noch weitere Personen oder Stellen in
ihrer Rechtsstellung unmittelbar betroffen und im Verfahren anzuhören sind.
27 dd) Danach sind im vorliegenden Verfahren nur ver.di als Antragsteller sowie die DHV und
die Arbeitgeberin beteiligt. Die Frage der Tarifzuständigkeit der DHV für die Betriebe nur
einer Arbeitgeberin berührt die anderen in das Verfahren einbezogenen Stellen nicht
unmittelbar in ihrer Rechtsstellung. Die Vorinstanzen haben - offenbar aufgrund der
Angaben in der Antragsschrift - die Spitzenorganisationen auf Arbeitnehmerseite sowie
die obersten Arbeitsbehörden des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen in das
Verfahren einbezogen. Anders als in den Verfahren um die Tariffähigkeit einer
Arbeitnehmervereinigung sind die tariflichen Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer- und
Arbeitgeberseite in einem Verfahren um die Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft nicht
anzuhören (BAG 13. März 2007 - 1 ABR 24/06 - Rn. 12, BAGE 121, 362). Die Beteiligung
der Spitzenorganisationen in einem Verfahren um die Tariffähigkeit erfolgt auch nicht, weil
sie in ihrer Stellung als Arbeitnehmervereinigung unmittelbar betroffen sind. Ihre Anhörung
soll es ihnen als Vertreter der jeweiligen Seite lediglich ermöglichen, zum Auftreten der in
ihrer Gewerkschaftseigenschaft umstrittenen Vereinigung im Arbeitsleben Stellung zu
nehmen. Eines solchen Vortrags bedarf es in den Verfahren um die Tarifzuständigkeit, in
denen regelmäßig nur über die Auslegung der Satzung zu befinden ist, nicht.
28 2. Der Antrag zu 1. ist nur für den Zeitraum bis zum 9. Januar 2013 begründet.
29 a) Die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung richtet sich nach dem in ihrer Satzung autonom
festgelegten Organisationsbereich. Dies ist Ausdruck der in Art. 9 Abs. 1, Abs. 3 GG
verfassungsrechtlich garantierten Vereins- und Koalitionsfreiheit. Dementsprechend kann
etwa eine Arbeitnehmervereinigung ihren Organisationsbereich betriebs- oder
unternehmensbezogen, branchen- oder berufsbezogen, regional- oder personenbezogen
festlegen. Ebenso gut kann sie eine Kombination mehrerer Kriterien wählen. Zulässig ist
es auch, die Tarifzuständigkeit für die Arbeitnehmer von konkret bezeichneten
Unternehmen zu beanspruchen (BAG 17. April 2012 - 1 ABR 5/11 - Rn. 53).
30 b) Der in der Satzung festgelegte Organisationsbereich muss allerdings hinreichend
bestimmt sein. Die den Tarifvertragsparteien nach § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG
zukommende Normsetzungsbefugnis verlangt nach einer ausreichenden Transparenz der
Zuständigkeitsgrenzen. Diese müssen für die handelnden Organe der Vereinigung selbst,
für den sozialen Gegenspieler und für Dritte zuverlässig zu ermitteln sein, weil sie die
Grenze wirksamen Handelns der Vereinigung bilden (BAG 17. April 2012 - 1 ABR 5/11 -
Rn. 54).
31 c) Für die Bestimmung des Organisationsbereichs einer Tarifvertragspartei ist deren
Satzung ggf. auszulegen. Maßgeblich ist der objektivierte Wille des Satzungsgebers.
Wegen der normähnlichen Wirkung der Satzung körperschaftlich strukturierter
Vereinigungen gelten die Grundsätze der Gesetzesauslegung. Danach sind maßgeblich
zunächst der Wortlaut und der durch ihn vermittelte Wortsinn, ferner der
Gesamtzusammenhang, der Sinn und Zweck und die Entstehungsgeschichte der Satzung.
Umstände außerhalb der Satzung, die sich in ihr nicht niederschlagen, sind nicht
berücksichtigungsfähig. Das gebietet die Rechtssicherheit (BAG 10. Februar 2009 - 1 ABR
36/08 - Rn. 27, 38, BAGE 129, 322). Unerheblich sind auch der tatsächliche Abschluss
von Tarifverträgen oder die Praxis der Aufnahme von Mitgliedern als solche. Durch ein
bloßes Tätigwerden außerhalb des satzungsgemäßen Organisationsbereichs kann dieser
nicht erweitert und eine nach der Satzung fehlende Tarifzuständigkeit nicht begründet
werden (BAG 17. April 2012 - 1 ABR 5/11 - Rn. 55). Im Zweifelsfall gebührt derjenigen
Auslegung der Vorzug, die zu einem gesetzeskonformen und praktikablen
Satzungsverständnis führt (BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - Rn. 41, BAGE 119, 103).
32 d) Der DHV fehlte nach ihren bis zum 9. Januar 2013 geltenden Satzungen die
Tarifzuständigkeit für die bei der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer, die keine
kaufmännischen oder verwaltenden Berufe ausgeübt haben.
33 aa) In der bis zum 12. März 2007 geltenden Satzung war der Organisationsbereich der
DHV und damit deren Tarifzuständigkeit - entsprechend ihrem historischen
Selbstverständnis - auf die Arbeitnehmer in kaufmännischen und verwaltenden Berufen
beschränkt. Der Senat hat § 2 Nr. 1 DHV-Satzung 2007 dahingehend ausgelegt, dass
dieser Organisationsbereich durch die mit Wirkung vom 12. März 2007 vorgenommene
Satzungsänderung nicht verändert worden ist. Er hat ausgeführt, dass die DHV die
Begründung einer Tarifzuständigkeit für andere als kaufmännische und verwaltende
Berufe nicht dadurch erreichen könne, dass sie zugleich für eine dieser beiden
Berufsgruppen tätig wird. Der DHV bleibe es jedoch unbenommen, ihre Zuständigkeit
durch eine Satzungsänderung unter Benennung des erfassten Personenkreises zu
erstrecken (BAG 10. Februar 2009 - 1 ABR 36/08 - Rn. 36, 39, BAGE 129, 322).
34 bb) Mit der zum 12. Juni 2009 wirksam gewordenen Satzungsänderung wollte die DHV
diesen Vorgaben des Senats ersichtlich Rechnung tragen. Zwar versteht sie sich nach § 2
Nr. 1 Unterabs. 1 Satz 1 DHV-Satzung 2009 weiterhin als eine Gewerkschaft der
Arbeitnehmer insbesondere in kaufmännischen und verwaltenden Berufen. Ihr
Organisationsbereich sollte jedoch durch die Anfügung von § 2 Nr. 1 Unterabs. 2 und
Unterabs. 3 DHV-Satzung 2009 erweitert werden. Unter den dort bestimmten
Voraussetzungen sollten andere Arbeitnehmergruppen als solche in kaufmännischen und
verwaltenden Berufen in Tarifverträge einbezogen werden. Dazu müssen diese
Arbeitnehmer entweder in einer Branche oder in Unternehmen beschäftigt sein, die durch
kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten geprägt sind (Unterabs. 2 Satz 1) oder in
einer Branche oder in einem Unternehmen beschäftigt sein, in denen die DHV Tarifpartner
ist oder über eine hinreichende Repräsentativität verfügt (Unterabs. 3 Satz 1).
35 cc) Allerdings hat der Senat die in § 2 Nr. 1 Unterabs. 3 DHV-Satzung 2009 getroffene
Festlegung des Organisationsbereichs der DHV für unwirksam gehalten. Die DHV kann
ihre Tarifzuständigkeit nicht durch ein bestimmtes Tätigwerden oder eine nicht näher
beschriebene Form ihres Vertretenseins ausweiten. Der Organisationsbereich einer
Gewerkschaft muss sich nach objektiven Kriterien aus der Satzung ergeben und darf sich
nicht abhängig vom Betätigungswillen der handelnden Organe oder der Arbeitgeberseite
bestimmen. An einer eindeutigen Festlegung des Organisationsbereichs fehlt es daher bei
einer Satzungsbestimmung, nach der die Tarifzuständigkeit der DHV von ihrer Eigenschaft
als Tarifpartner abhängt. Das in § 2 Nr. 1 Unterabs. 3 Satz 1 DHV-Satzung 2009
verwandte Merkmal der „hinreichenden Repräsentativität“ genügt ebenfalls nicht dem für
Satzungen geltenden Bestimmtheitserfordernis. Das Vertretensein einer Gewerkschaft in
Unternehmen und Branchen kann ohne Verknüpfung zu Bezugspunkten, nach denen sich
diese Eigenschaft beurteilt, nicht rechtssicher festgestellt werden. Es bindet die
Tarifzuständigkeit zudem nicht an eine eigene Festlegung der Gewerkschaft, sondern an
das Handeln ihrer Mitglieder oder Dritter (BAG 17. April 2012 - 1 ABR 5/11 - Rn. 59 - 64).
36 dd) Die DHV konnte ihre Tarifzuständigkeit für Arbeitnehmer in kaufmännischen und
verwaltenden Berufen auch nicht durch die Aufnahme eines Unternehmens in den Anhang
zu § 2 DHV-Satzung 2009 erweitern. Der Senat hat aus dem Wortlaut und der Systematik
der DHV-Satzung gefolgert, dass deren Organisationsbereich allein durch § 2 Nr. 1 DHV-
Satzung 2009 festgelegt wird. Die Tarifzuständigkeit der DHV kann daher nicht allein
durch dessen namentliche Bezeichnung im Anhang zu § 2 DHV-Satzung 2009 begründet
werden (BAG 17. April 2012 - 1 ABR 5/11 - Rn. 65 - 69).
37 ee) Danach war die DHV bis zum 9. Januar 2013 nicht für Arbeitnehmer der Arbeitgeberin
tarifzuständig, die außerhalb von kaufmännischen und verwaltenden Berufen beschäftigt
waren.
38 (1) Eine Tarifzuständigkeit der DHV nach ihrer bis zum 12. Juni 2009 geltenden Satzung
bestand nicht, weil deren Organisationsbereich nach der Senatsentscheidung vom
10. Februar 2009 (- 1 ABR 36/08 - BAGE 129, 322) nicht wirksam auf Arbeitnehmer
außerhalb der kaufmännischen und verwaltenden Berufe erstreckt worden ist.
39 (2) An der Tarifzuständigkeit fehlte es auch im Geltungsbereich der DHV-Satzung 2009.
Das Unternehmen der Arbeitgeberin ist weder in § 2 Nr. 1 Unterabs. 2 DHV-Satzung 2009
aufgeführt noch gehört dieses den dort genannten Branchen an. Da die Regelung in § 2
Nr. 1 Unterabs. 3 DHV-Satzung 2009 unwirksam ist, konnte die DHV ihren
Organisationsbereich auch nicht durch den Abschluss von Tarifverträgen mit der
Arbeitgeberin erweitern. Ebenso ist eine Tarifzuständigkeit für Arbeitnehmer außerhalb der
kaufmännischen und verwaltenden Berufe nicht durch die Aufnahme der
Wohlfahrtsverbände sowie Einrichtungen in deren Trägerschaft in den Anhang zu § 2
DHV-Satzung 2009 begründet worden. Der Anhang enthält keine konstitutive Regelung
über den Organisationsbereich der DHV.
40 (3) Eine Tarifzuständigkeit für die bei der Arbeitgeberin außerhalb von kaufmännischen
und verwaltenden Berufen beschäftigten Arbeitnehmer bestand auch im zeitlichen
Geltungsbereich der DHV-Satzung 2011 nicht. Deren Regelungen über den
Organisationsbereich waren mit denen der DHV-Satzung 2009 identisch.
41 e) Die DHV ist erst seit dem 9. Januar 2013 auch für Arbeitnehmer der Arbeitgeberin
tarifzuständig, die keine kaufmännischen und verwaltenden Berufe ausüben.
42 aa) Die DHV hat mit der auf dem Bundesgewerkschaftstag im November 2012
beschlossenen Satzung ihre Tarifzuständigkeit erheblich erweitert. Nach § 2 Nr. 1 DHV-
Satzung 2013 schließt sie für alle Arbeitnehmer in den dort angeführten Bereichen
Tarifverträge ab. Ihr Organisationsbereich ist damit nicht mehr auf die Arbeitnehmer in
kaufmännischen und verwaltenden Berufen beschränkt. Für diese bleibt sie unabhängig
von den jeweiligen Bereichen tarifzuständig (§ 2 Nr. 2 DHV-Satzung 2013). Hinzu tritt
nach § 2 Nr. 3 DHV-Satzung 2013 eine Zuständigkeit für Arbeitnehmer, die in einen des in
§ 2 Nr. 1 DHV-Satzung 2013 genannten Bereichs überlassen werden. Mit dieser
Satzungsänderung hat die DHV den Senatsentscheidungen vom 10. Februar 2009 (-
1 ABR 36/08 - BAGE 129, 322) und vom 17. April 2012 (- 1 ABR 5/11 -) Rechnung
getragen und ihren Organisationsbereich unabhängig von einem vorherigen Tätigwerden
und einem Vertretensein in der Belegschaft festgelegt.
43 bb) Danach ist die DHV im Geltungsbereich der DHV-Satzung 2013 auch für
Arbeitnehmer der Arbeitgeberin tarifzuständig, die keine kaufmännischen und
verwaltenden Berufe ausüben. Die Arbeitgeberin wird aufgrund der Mitgliedschaft ihrer
Gesellschafter im Bundesverband des Deutschen Roten Kreuzes vom
Organisationsbereich der DHV erfasst. Dies folgt aus der Auslegung von § 2 Nr. 1 DHV-
Satzung 2013.
44 (1) Nach dem Satzungswortlaut erstreckt sich die Tarifzuständigkeit auf den Bereich des
Deutschen Roten Kreuzes. Der Begriff „Bereich“ verdeutlicht, dass hiervon nicht nur ein,
sondern eine Mehrzahl von Rechtsträgern erfasst wird. Damit hat die DHV ihren
Organisationsbereich nicht unternehmensbezogen bestimmt, sondern nach den in § 2
Nr. 1 DHV-Satzung 2013 festgelegten Wirtschaftsbereichen. Für die dem Deutschen
Roten Kreuz zugeordneten Rechtsträger begründet die Vorschrift eine Tarifzuständigkeit
der DHV.
45 (2) Hierfür spricht zudem die historische Auslegung. Die DHV hat im Anhang zu § 2 DHV-
Satzung 2009 eine Tarifzuständigkeit für „Wohlfahrtsverbände sowie Einrichtungen in
Trägerschaft von Wohlfahrtsverbänden“ beansprucht. In der ab 23. Februar 2011
geltenden Satzung der DHV ist diese zwar beschränkt worden auf die dort genannten
Wohlfahrtsverbände (Deutsches Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt, Paritätischer
Wohlfahrtsverband). Jedoch werden nach wie vor deren Einrichtungen in den
Organisationsbereich der DHV-Satzung 2011 einbezogen. Dies legt ein
Satzungsverständnis nahe, wonach der in § 2 Nr. 1 DHV-Satzung 2013 verwandte Begriff
„Deutsches Rotes Kreuz“ Rechtsträger erfasst, die der Organisation des Deutschen Roten
Kreuzes in einer bestimmten Weise zugeordnet sind.
46 (3) Von dem in § 2 Nr. 1 DHV-Satzung 2013 verwandten Begriff „Deutsches Rotes Kreuz“
sind das DRK und die ihm mitgliedschaftlich verbundenen Rechtsträger erfasst. Das
Erfordernis der Mitgliedschaft genügt den satzungsrechtlichen
Bestimmtheitserfordernissen.
47 (a) Allerdings weist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hin, dass die Arbeitgeberin
nicht unmittelbar von dem in § 2 Nr. 1 DHV-Satzung 2013 verwandten Begriff „Deutsches
Rotes Kreuz“ erfasst wird. Ein solcher Rechtsträger existiert nicht. Nach Abs. 1 Präambel
DRK-Satzung 2009 ist das DRK die Nationale Gesellschaft des Roten Kreuzes auf dem
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Das Deutsche Rote Kreuz ist föderal gegliedert
in Bundesverband, Landes-, Kreisverbände und Ortsvereine sowie den Verband der
Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz e. V. mit seinen Gliederungen. Diese
arbeiten auf der Basis von einheitlichen, systematisch aufeinander aufbauenden
Satzungen, die die Rechte und Pflichten im Rahmen der Mitgliedschaft im Deutschen
Roten Kreuz regeln, zusammen (Abs. 6 Präambel DRK-Satzung 2009). Nach § 3 Abs. 2
und Abs. 3 DRK-Satzung 2009 vermitteln die Landesverbände des DRK ua. ihren
Gliederungen (nachgeordneten Verbänden, Organisationen, privatrechtlichen
Gesellschaften und Einrichtungen) die Mitgliedschaft im Deutschen Roten Kreuz.
48 (b) Der Organisationsbereich des Deutschen Roten Kreuzes wird durch die DRK-Satzung
2009 hinreichend beschrieben. Er besteht aus dem Bundesverband als eingetragenem
Verein und der Gesamtheit aller Mitglieder, Verbände, Vereinigungen, privatrechtlichen
Gesellschaften und Einrichtungen des Roten Kreuzes in der Bundesrepublik Deutschland
(§ 1 Abs. 1 DRK-Satzung 2009). Diese sind sämtlich den in § 1 Abs. 2 DRK-Satzung 2009
genannten sieben Grundsätzen der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung
verpflichtet. Auch künftige Mitglieder unterliegen diesen Bindungen.
49 (c) Für die Zuordnung zum Deutschen Roten Kreuz ist die satzungsmäßige Mitgliedschaft
im DRK erforderlich. Eine „Nähe“ bzw. „Verbundenheit“ der jeweiligen Arbeitgeber zum
DRK oder dessen Einflussnahme auf diese sind für die Bestimmung des
Organisationsbereichs der DHV ungeeignet. Diese Kriterien beschreiben die Zuordnung
der einzelnen Rechtsträger zum DRK nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit. Es wäre
ansonsten für einen Außenstehenden nicht erkennbar, nach welchen Kriterien und
aufgrund welcher Gewichtung sich die wechselseitigen Beziehungen zwischen dem DRK
und einem Rechtsträger beurteilen müssen, damit die DHV für diesen tarifzuständig ist.
Dies gilt für die Mitgliedschaft nicht. Diese bestimmt sich nach § 3 Abs. 2 und Abs. 3 DRK-
Satzung 2009. Mitglieder des DRK sind die in § 3 Abs. 2 DRK-Satzung 2009 aufgeführten
Landesverbände. Nach § 3 Abs. 3 DRK-Satzung 2009 vermitteln diese „ihren“
Gliederungen die Mitgliedschaft im DRK. Zu diesen zählen auch privatrechtliche
Gesellschaften. Deren Gesellschaftsanteile müssen allerdings vollständig von den
Landesverbänden gehalten werden. Ansonsten fehlt es an der nach § 3 Abs. 3 Satz 1
DRK-Satzung 2009 gebotenen Zuordnung zu den Mitgliedsverbänden.
50 (4) Danach ist die DHV im Geltungsbereich ihrer im November 2012 beschlossenen
Satzung für die Arbeitgeberin tarifzuständig. Diese ist Mitglied im DRK. Die
Gesellschaftsanteile der Arbeitgeberin werden sämtlich von den vier DRK-
Landesverbänden Nordrhein, Westfalen-Lippe, Rheinland-Pfalz und dem Saarland
gehalten.
51 II. Der Antrag zu 2. ist zulässig und begründet.
52 1. Der Antrag ist zulässig.
53 a) Er betrifft die Feststellung der fehlenden Tarifzuständigkeit der DHV für die am
31. Oktober 2006 und am 9. Februar 2007 mit der Arbeitgeberin abgeschlossenen
Vereinbarungen, soweit sich deren persönlicher Geltungsbereich auf Arbeitnehmer
erstreckt, die nicht in kaufmännischen oder verwaltenden Berufen beschäftigt sind. Beide
Zeitpunkte werden nicht von dem Antrag zu 1. umfasst, da sich dieser erst auf die ab dem
12. Juni 2009 geltenden Satzungen der DHV erstreckt.
54 b) Der Antrag ist trotz seines Vergangenheitsbezugs zulässig. Der Wortlaut von § 97
Abs. 1 ArbGG schließt eine Entscheidung über die Tarifzuständigkeit für vergangene
Zeiträume nicht aus. Das Landesarbeitsgericht hat seine gegenteilige Auffassung zu
Unrecht auf § 97 Abs. 5 ArbGG gestützt. Diese Vorschrift erweitert nur den Kreis der
Antragsberechtigten für ein Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG, stellt aber keine
Sonderregelung für eine vergangenheitsbezogene Antragsbefugnis dar. § 97 Abs. 1
ArbGG soll eine gerichtliche Entscheidung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der in
§ 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG genannten Eigenschaften ermöglichen. Durch diese wird mit
Rechtskraft gegenüber jedermann geklärt, ob die abschließende Vereinigung in dem
durch den Antrag bestimmten Zeitraum Tarifnormen für die vom Geltungsbereich ihrer
Vereinbarung erfassten Arbeitnehmer und Arbeitgeber schaffen konnte. Für eine solche
Entscheidung fehlt ein Rechtsschutzbedürfnis nur dann, wenn die
Arbeitnehmervereinigung im streitbefangenen Zeitraum keine Kollektivvereinbarungen
abgeschlossen hat, die normative Geltung beanspruchen. Diese Voraussetzungen liegen
nicht vor. Die DHV hat mit der Arbeitgeberin zu den im Antrag genannten Zeitpunkten als
Tarifvertrag bezeichnete Vereinbarungen abgeschlossen.
55 2. Der Antrag ist begründet. Der DHV fehlte am 31. Oktober 2006 und am 9. Februar 2007
die Tarifzuständigkeit für die bei der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer, soweit
diese nicht in kaufmännischen oder verwaltenden Berufen tätig waren. Nach ihrer für
beide Zeitpunkte geltenden Satzung war der Organisationsbereich auf die vorgenannten
Arbeitnehmergruppen beschränkt. Gegenteiliges macht auch die DHV nicht geltend.
Schmidt
Linck
Koch
Manfred Gentz
D. Wege