Urteil des BAG vom 21.02.2013

Besitzstandszulage nach § 25 TV-Fleischuntersuchung - keine Berücksichtigung von Urlaubszeiten und Zeiten der Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 21.2.2013, 6 AZR 539/11
Besitzstandszulage nach § 25 TV-Fleischuntersuchung - keine Berücksichtigung von
Urlaubszeiten und Zeiten der Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 9. Mai 2011 - 5 Sa 609/10 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte die Besitzstandszulage nach § 25 TV-
Fleischuntersuchung richtig berechnete, nachdem die tarifliche Stückvergütung auf
Stundenentgelt umgestellt worden war.
2 Die Klägerin ist seit 1997 als Fleischkontrolleurin bei dem beklagten Landkreis beschäftigt.
Nach § 3 des Arbeitsvertrags vom 28. Juli 1997 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach
dem Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der amtlichen Tierärzte und
Fleischkontrolleure außerhalb öffentlicher Schlachthöfe (TV Ang aöS vom 1. April 1969
zuletzt idF des 31. Änderungstarifvertrags vom 14. September 2000) und den diesen
ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Der TV Ang aöS lautete auszugsweise:
„§ 12 Vergütung
(1) Für die Tätigkeiten, für die in den Anlagen 1 und 2 zu diesem Tarifvertrag
Stückvergütungen vorgesehen sind, stehen dem Angestellten
Stückvergütungen zu. Soweit nicht Unterabsatz 3 eingreift, erhält der
Angestellte Stückvergütungen nach der Anlage 1. …
§ 13 Krankenbezüge
(3) Als Krankenbezüge werden für jeden Werktag 1/300 der Bezüge
(Stückvergütungen, Stundenvergütungen, Vergütungen nach § 12 Abs. 3
Unterabs. 2 und § 24, Zeitzuschläge, Zuschläge nach § 12 Abs. 1
Unterabs. 2, Abs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 1, 3 und 4, Krankenbezüge,
Krankengeldzuschuß und Urlaubsvergütung) des vorangegangenen
Kalenderjahres gezahlt. …
§ 17 Erholungsurlaub
(2) Als Urlaubsvergütung werden für jeden Werktag 1/300 der Bezüge
(Stückvergütungen, Stundenvergütungen, Vergütungen nach § 12 Abs. 3
Unterabs. 2 und § 24, Zeitzuschläge, Zuschläge nach § 12 Abs. 1
Unterabs. 2, Abs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 1, 3 und 4, Krankenbezüge,
Krankengeldzuschuß und Urlaubsvergütung) des vorangegangenen
Kalenderjahres gezahlt. ...
…“
3 Rückwirkend zum 1. September 2008 trat der Tarifvertrag zur Regelung der
Rechtsverhältnisse der Beschäftigten in der Fleischuntersuchung vom 15. September 2008
in Kraft (TV-Fleischuntersuchung). Der Tarifvertrag ersetzte für den Bereich der
kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) die Tarifverträge für die Angestellten in der
Fleischuntersuchung innerhalb und außerhalb öffentlicher Schlachthöfe. Er stellte in
Großbetrieben mit einer Schlachtzahl von über 20 Großvieheinheiten,
Wildbearbeitungsbetrieben und Geflügelschlachtbetrieben von Stück- auf
Stundenvergütung um (§ 7 TV-Fleischuntersuchung). Die Umstellung auf
Stundenvergütung ist mit Vergütungseinbußen verbunden. § 25 TV-Fleischuntersuchung
sieht eine Besitzstandszulage vor, die bei künftigen Tarifentgelterhöhungen abhängig von
der Beschäftigungszeit in einem Zeitraum von vier bis acht Jahren abgeschmolzen wird. Im
TV-Fleischuntersuchung in seiner Ursprungsfassung vom 15. September 2008 heißt es ua.:
㤠11
Bemessungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung
1
In den Fällen der Entgeltfortzahlung nach § 6 Abs. 2, § 12 Abs. 1, § 17 Abs. 1, § 18
werden für jeden Werktag 1/300 der Entgelte (Stundenentgelte, Stückvergütungen,
Zeitzuschläge, Entgelte im Krankheitsfall und Urlaubsentgelte sowie sonstige
Zuschläge und Entgelte einschließlich einer Besitzstandszulage nach § 25 Abs. 1
Satz 1, ausgenommen Leistungsentgelte, Jubiläumszuwendungen sowie
Reisekostenvergütungen und Wegstreckenentschädigungen) des vorangegangenen
Kalenderjahres gezahlt. …
§ 12
Entgelt im Krankheitsfall
(1)
1
Werden Beschäftigte durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der
Arbeitsleistung verhindert, ohne dass sie ein Verschulden trifft, erhalten sie
bis zur Dauer von sechs Wochen das Entgelt nach § 11. …
§ 17
Erholungsurlaub, Sonderurlaub
(1)
1
Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub
unter Fortzahlung des Entgelts (§ 11). …
§ 25
Überleitung von Beschäftigten außerhalb öffentlicher Schlachthöfe aus der
Stückvergütung in das Stundenentgelt
(1)
1
Beschäftigte in Großbetrieben und Wildbearbeitungsbetrieben, die bis zum
Inkrafttreten dieses Tarifvertrages eine Stückvergütung nach § 12 des
Tarifvertrages über die Regelung der Rechtsverhältnisse der amtlichen
Tierärzte und Fleischkontrolleure außerhalb öffentlicher Schlachthöfe
(TV Ang aöS) oder nach § 12 des Tarifvertrages über die Regelung der
Rechtsverhältnisse der amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure
außerhalb öffentlicher Schlachthöfe (TV Ang-O aöS) bezogen haben,
erhalten neben dem Entgelt nach § 7 Abs. 2 für ihre Tätigkeit je Stunde eine
individuelle, nicht dynamisierte Besitzstandszulage, die ohne
Unterscheidung der Tierart gezahlt wird.
2
Die Besitzstandszulage ergibt sich
aus der Differenz des nach den Absätzen 2 bis 4 ermittelten individuellen
Stundenentgelts je Schlachtbetrieb und dem Entgelt nach § 7 Abs. 2.
3
Eine
Besitzstandszulage für bislang mit der Stundenvergütung abgegoltene
Tätigkeit wird nicht gewährt.
(2)
1
Die im Jahr 2007 (Referenzzeitraum) gezahlte Summe der
Stückvergütungen nach § 12 Abs. 1 Unterabs. 3 TV Ang aöS, § 12 Abs. 1
Unterabs. 3 TV Ang-O aöS und 50 v.H. der Zuschläge nach § 12 Abs. 2
TV Ang aöS, § 12 Abs. 2 TV Ang-O aöS wird durch die von der/dem
Beschäftigten für die Erzielung der Stückvergütungen aufgewendete
Arbeitszeit dividiert.
2
Dieser Entgeltbetrag pro Stunde bildet das individuelle
Stundenentgelt.
3
Die Arbeitszeit darf dabei nicht geringer sein als das
Produkt aus den Stückzahlen und den Mindestuntersuchungszeiten je Tierart
nach § 9 des 4. Abschnitts der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die
Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung von
Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs und zum
Verfahren zur Prüfung von Leitlinien für eine gute Verfahrenspraxis (AVV
Lebensmittelhygiene - AVV LmH) vom 12. September 2007.
4
Ist die/der
Beschäftigte im Referenzzeitraum in mehreren Schlachtbetrieben eingesetzt
gewesen, ist das individuelle Stundenentgelt für jeden Schlachtbetrieb
gesondert zu ermitteln.
5
Werden in einem Betrieb verschiedene Tierarten
geschlachtet, so sind in die Berechnung alle Tierarten mit einzubeziehen.
(3)
1
Ist die im Referenzzeitraum aufgewendete Arbeitszeit der/des Beschäftigten
nicht erfasst, wird die vom Schlachtbetrieb zu übermittelnde
Tagesschlachtzahl durch die tägliche Schlachtdauer, ggf. abzüglich
havariebedingter Bandstillstandzeiten dividiert.
2
Die so ermittelte
Schlachtzahl pro Stunde ist durch die Anzahl der eingesetzten, mindestens
durch die Anzahl der nach dem Dienstplan einzusetzenden Beschäftigten zu
dividieren.
3
Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.
(4)
1
Sofern die nach Absatz 3 notwendigen Angaben nicht verfügbar sind, wird
die Mindestuntersuchungszeit nach § 9 des 4. Abschnitts der AVV LmH
zuzüglich 40 v.H. als Arbeitszeit pro Stück zugrunde gelegt.
2
Die so
ermittelten Zeiten gelten als geleistete Arbeitsstunden.
3
Die Summe der
Stückvergütungen für das Jahr 2007 (Referenzzeitraum) ist unter Anwendung
der Anlage 2 des TV Ang aöS, TV Ang-O aöS in der im Referenzzeitraum
anzuwendenden Fassung zu ermitteln und durch die Summe der
Untersuchungszeit nach Satz 1 zu dividieren.
3
Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt
entsprechend.
Protokollerklärung zu Satz 3:
Waren im Referenzzeitraum von der Anlage 2 des TV Ang aöS, TV Ang-O
aöS aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung abweichende
Stückvergütungen vereinbart, sind diese maßgebend.
(5)
1
Die Besitzstandszulage nach Absatz 1 Satz 2 erhält die/der Beschäftigte für
die geleisteten Arbeitsstunden, jedoch nicht über die im Referenzzeitraum
über die durchschnittlich monatlich nach den Absätzen 2 bis 4
berücksichtigten Arbeitsstunden hinaus, soweit sie die entsprechende
Tätigkeit im selben Betrieb weiter ausüben. …
…“
4 Der Beklagte errechnete für die Klägerin im Referenzzeitraum des Jahres 2007 eine
tägliche Arbeitszeit von 3,08 Stunden, für die er die Besitzstandszulage zahlte.
5 Die Klägerin macht eine höhere Besitzstandszulage für die Zeit von September 2008 bis
März 2010 geltend. Sie hat die Auffassung vertreten, für die Besitzstandszulage seien
aufgrund ausgefallener Arbeit während Erkrankungen, an Urlaubs- und Feiertagen weitere
16,42 Arbeitsstunden monatlich zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung der für die
Stückvergütung aufgewendeten Gesamtarbeitszeit nach § 25 Abs. 2 TV-
Fleischuntersuchung seien im Referenzzeitraum des Jahres 2007 zu Unrecht
64 Krankheits-, Urlaubs- und Feiertage nicht in die Berechnung eingeflossen. Für die
Monate September 2008 bis August 2009 errechne sich ein monatlicher
Unterschiedsbetrag von 161,24 Euro (16,42 Stunden x 9,82 Euro = 161,24 Euro x
12 Monate = 1.934,88 Euro). Für die Monate September 2009 bis März 2010 belaufe sich
die monatliche Differenz auf 129,06 Euro (16,42 Stunden x 7,86 Euro = 129,06 Euro x
7 Monate = 903,42 Euro). § 25 Abs. 2 TV-Fleischuntersuchung regle zwar nicht
ausdrücklich die individuell zu ermittelnde Stundenzahl, für die die Besitzstandszulage
geleistet werden müsse. Zwischen § 25 Abs. 2 Satz 1 und § 25 Abs. 5 Satz 1 TV-
Fleischuntersuchung sei aber zu unterscheiden. Die tatsächlich aufgewendete Arbeitszeit
diene nur dazu, das individuelle Stundenentgelt nach § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-
Fleischuntersuchung zu errechnen. Im Rahmen der auf den Monat bezogenen Obergrenze
des § 25 Abs. 5 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung seien Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage
hinzuzurechnen. Bei einem anderen Auslegungsergebnis trete jedenfalls eine unbewusste
Regelungslücke auf, die dadurch zu schließen sei, dass auch Krankheitszeiten, Urlaubs-
und Feiertage einzubeziehen seien. Die gesetzlichen Pflichten zur Gewährung bezahlten
Erholungsurlaubs und zur Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an gesetzlichen Feiertagen
ließen es nicht zu, diese Zeiten für die Besitzstandszulage nicht zu berücksichtigen.
6 Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.934,88 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Februar 2010 zu zahlen;
2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 387,18 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Februar 2010 zu zahlen;
3. den Beklagten zu verurteilen, an sie 516,24 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3. Mai 2010 zu zahlen.
7 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, der Klägerin stehe keine
weitere Besitzstandszulage zu. In die Berechnung sei nur Arbeit einzubeziehen, die im
Referenzzeitraum des Jahres 2007 tatsächlich gegen Stückvergütung geleistet worden sei.
Die Besitzstandszulage gleiche die aufgrund der Ablösung des TV Ang aöS weggefallene
Erfolgsvergütung für Stückzahlen aus. Zeiten ausgefallener Arbeit blieben deshalb
unberücksichtigt. Schon der Wortlaut des § 25 Abs. 5 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung und
sein Zusammenhang mit § 25 Abs. 2 TV-Fleischuntersuchung ließen keinen Spielraum für
die von der Klägerin eingeforderte erweiternde Auslegung. Danach erhalte der Beschäftigte
die Besitzstandszulage für die „geleisteten Arbeitsstunden“, jedoch nicht über die im
Referenzzeitraum über die durchschnittlich monatlich nach den Absätzen 2 bis 4 des § 25
TV-Fleischuntersuchung berücksichtigten Arbeitsstunden hinaus. Dadurch sei klargestellt,
dass auf die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit abgestellt werde. Der Referenzzeitraum des
Jahres 2007 sei eine repräsentative Zeitspanne, die durchschnittliche Fehlzeiten
einschließe.
8 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Leistungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
9 Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
10 A. Die Klage ist zulässig. Die objektive Klagehäufung (§ 260 ZPO) ist hinreichend
bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Monate, für die die Klägerin eine höhere
Besitzstandszulage verlangt, sind bezeichnet. Der Klageantrag zu 1. umfasst die Zeit von
September 2008 bis August 2009, der Antrag zu 2. die Monate September bis
November 2009 und der Antrag zu 3. die Zeit von Dezember 2009 bis März 2010. Die
Klagegründe sind damit konkretisiert.
11 B. Die Klage ist unbegründet. Der TV-Fleischuntersuchung wurde Teil des
Arbeitsvertrags. Der Klägerin steht jedoch keine höhere Besitzstandszulage zu.
12 I. Der TV-Fleischuntersuchung wurde Vertragsbestandteil, als der TV Ang aöS zum
1. September 2008 durch den TV-Fleischuntersuchung ersetzt wurde. Im Arbeitsvertrag
fehlt eine Tarifsukzessionsklausel. Die Geltung des TV-Fleischuntersuchung folgt
entweder aus einer ergänzenden Vertragsauslegung oder einer ergänzenden
(konkludenten) Vereinbarung der Parteien, weil die materiellen Regelungen des TV-
Fleischuntersuchung einvernehmlich auf das Arbeitsverhältnis angewandt werden (vgl.
BAG 26. September 2012 - 10 AZR 336/11 - Rn. 13 mwN, DB 2013, 290).
13 II. Die Klägerin kann keine höhere Besitzstandszulage für die Monate September 2008 bis
März 2010 beanspruchen. Die Zeiten, in denen sie im Referenzzeitraum des Jahres 2007
arbeitsunfähig erkrankt war, ihr Urlaub gewährt wurde oder für die sie Entgeltfortzahlung
an Feiertagen erhielt, sind keine „aufgewendete Arbeitszeit“ iSv. § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-
Fleischuntersuchung. Das ergibt die Auslegung des § 25 TV-Fleischuntersuchung.
14 1. Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, lässt schon der Wortlaut des in § 25
Abs. 1 bis Abs. 5 TV-Fleischuntersuchung geregelten abgestuften Überleitungs-,
Berechnungs- und Höchstbegrenzungssystems für früher stückvergütete Arbeitnehmer es
nicht zu, Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage zu berücksichtigen. In die Berechnung der
Besitzstandszulage fließen nur tatsächlich gegen Stückvergütung geleistete Arbeit und
50 % der Zuschläge nach § 12 Abs. 2 TV Ang aöS im Referenzzeitraum des Jahres 2007
ein (§ 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung).
15 a) Der TV-Fleischuntersuchung, der ua. den TV Ang aöS ablöste, bestimmt seit seiner
Erstfassung vom 15. September 2008 in § 25 Abs. 1 Satz 1, dass Beschäftigten in
Großbetrieben und Wildbearbeitungsanlagen, die in der Vergangenheit eine
Stückvergütung nach § 12 TV Ang aöS erhielten, neben ihrem Entgelt eine individuelle,
nicht dynamisierte Besitzstandszulage zu gewähren ist.
16 aa) Um die Besitzstandszulage zu ermitteln, wird in einem abgestuften System ein fiktives
Stundenentgelt gebildet, je nachdem, welche Datengrundlage dem Arbeitgeber zur
Verfügung steht. Vorrangig ist § 25 Abs. 2 TV-Fleischuntersuchung. Ist die von § 25 Abs. 2
Satz 1 TV-Fleischuntersuchung vorausgesetzte „aufgewendete Arbeitszeit“ nicht erfasst,
wird die Stundenvergütung nach § 25 Abs. 3 TV-Fleischuntersuchung oder, wenn auch
hierfür die erforderlichen Daten nicht vorliegen, nach § 25 Abs. 4 TV-Fleischuntersuchung
ermittelt (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 745/10 - Rn. 18). § 25 Abs. 5 Satz 1 TV-
Fleischuntersuchung kappt den Höchstbetrag der Besitzstandszulage, wenn die
durchschnittlich monatlich nach den Absätzen 2 bis 4 des § 25 TV-Fleischuntersuchung
berücksichtigten Arbeitsstunden überschritten werden. Berechnungsgrundlage ist nach
§ 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung vorrangig die vom Beschäftigten im
Referenzzeitraum des Kalenderjahres 2007 aufgewendete Arbeitszeit. § 25 Abs. 2 Satz 1
TV-Fleischuntersuchung legt im Einzelnen fest, welche im Referenzzeitraum gezahlten
Beträge in die Besitzstandszulage einfließen. Dabei handelt es sich um die
Stückvergütungen nach § 12 Abs. 1 Unterabs. 3 TV Ang aöS und 50 % der Zuschläge
nach § 12 Abs. 2 TV Ang aöS. Alle anderen Entgeltbestandteile, die den Arbeitnehmern
nach dem TV Ang aöS zustanden, sollen nach dem klaren Wortlaut unberücksichtigt
bleiben (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 745/10 - Rn. 19).
17 bb) Schon dieses aufeinander aufbauende System der Ermittlung der Besitzstandszulage
in den Absätzen 1 bis 5 des § 25 TV-Fleischuntersuchung spricht dafür, dass § 25 Abs. 5
Satz 1 TV-Fleischuntersuchung den - auch in § 25 Abs. 4 Satz 2 TV-Fleischuntersuchung
verwandten - Begriff der „geleisteten Arbeitsstunden“ synonym mit dem Begriff der
„aufgewendeten Arbeitszeit“ in § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung gebraucht.
Darauf deutet der Bedeutungsgehalt der Begriffe „aufwenden“ und „leisten“ in der
Allgemeinsprache hin. Diese allgemeinsprachliche Bedeutung ist entscheidend.
18 (1) Verwenden die Tarifvertragsparteien einen Rechtsbegriff, ist zwar anzunehmen, dass
sie ihn in seiner rechtlichen Bedeutung gebrauchen wollen. Enthält eine Tarifnorm einen
bestimmten Fachbegriff, ist im Zweifel davon auszugehen, dass er im Geltungsbereich des
betreffenden Tarifvertrags in seiner allgemeinen fachlichen Bedeutung gelten soll
(st. Rspr., vgl. BAG 24. Mai 2012 - 6 AZR 703/10 - Rn. 37, NZA-RR 2013, 81; 19. Mai 2011
- 6 AZR 841/09 - Rn. 15 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Krankenanstalten Nr. 9 =
EzTöD 100 TV-L § 6 Abs. 1 Nr. 1).
19 (2) Die Begriffe „aufwenden“ oder „leisten“ werden in der Rechts- und Fachsprache jedoch
nicht so einheitlich gebraucht, dass die rechts- oder fachsprachliche Bedeutung die
allgemeinsprachliche Bedeutung verdrängte. Die Begriffe werden in der Rechts- und
Fachsprache insbesondere nicht durchgehend mit den Begriffen der „Arbeitszeit“ oder der
„Arbeitsstunden“ verknüpft.
20 (a) In der Rechtssprache findet sich der Begriff der „Aufwendungen“. Er wird ua. im
Auftragsrecht in § 670 BGB verwandt und umfasst nicht nur Vermögensopfer, sondern
auch Körperschäden (vgl. Creifelds Rechtswörterbuch 20. Aufl. Stichworte:
„Aufwendungen“ und „Auftrag“).
21 (b) Auch der in der Rechtssprache gebrauchte Begriff der „Leistung“ wird regelmäßig nicht
im Zusammenhang mit den Begriffen der „Arbeitszeit“ oder der „Arbeitsstunden“ verwandt.
Die „Leistung“ kann vielmehr jeden rechtlich möglichen Inhalt im Sinn eines Tuns oder
Unterlassens haben (vgl. Creifelds Rechtswörterbuch 20. Aufl. Stichworte: „Leistung“ und
„Schuldverhältnis“).
22 (3) Entscheidend für die Auslegung der Begriffe „aufwenden“ und „leisten“ in dem System
zur Ermittlung der Höhe der Besitzstandszulage in § 25 Abs. 2 bis Abs. 5 TV-
Fleischuntersuchung ist daher ihre allgemeinsprachliche Bedeutung.
23 (a) „Aufwenden“ in diesem Sinn meint „für einen bestimmten Zweck, ein erstrebtes Ziel
aufbringen, einsetzen“ (vgl. Duden Das Große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl.
Stichwort: „aufwenden“; Duden Das Bedeutungswörterbuch 4. Aufl. Stichwort:
„aufwenden“), „leisten, aufbieten“, zB „für eine Arbeit viel Fleiß, Zeit aufbieten“ (vgl. Wahrig
Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort: „aufwenden“). Das Wort „aufwenden“ hat damit
eine leistungs- und erfolgsbezogene Komponente.
24 (b) Das gilt auch für den Begriff „leisten“, der mitunter synonym mit „aufwenden“ gebraucht
wird. „Leisten“ ist in einem seiner Wortsinne als „schaffen, vollbringen, zustande bringen,
erreichen, erbringen“ zu verstehen (vgl. Duden Das Große Wörterbuch der deutschen
Sprache 3. Aufl. Stichwort: „leisten“; Duden Das Bedeutungswörterbuch 4. Aufl. Stichwort:
„leisten“; Duden Das Synonymwörterbuch 4. Aufl. Stichwort: „leisten“). Ein weiterer
Wortsinn von „leisten“ ist mit „ausführen, erfüllen“ gleichzusetzen (vgl. Wahrig Deutsches
Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort: „leisten“). Gebräuchliche Wendungen in der Arbeitswelt sind
zB „ganze Arbeit oder Überstunden leisten“ (vgl. Duden Das Große Wörterbuch der
deutschen Sprache Stichwort: „leisten“), „durch Arbeiten erreichen, dass ein bestimmtes
Ergebnis erzielt wird“ (vgl. Duden Das Bedeutungswörterbuch Stichwort: „leisten“).
25 (c) Eine Entsprechung zu der Rechtssprache haben die allgemeinsprachlichen Begriffe
„aufwenden“ und „leisten“ insofern, als sie ein zielgerichtetes Tun oder Unterlassen
voraussetzen und ein nicht erfolgsorientiertes „Nichtstun“ nicht ausreichen lassen.
26 b) Der zielgerichtete und erfolgsorientierte allgemeinsprachliche Bedeutungsgehalt der
Begriffe „aufwenden“ und „leisten“ spricht dafür, unter „aufgewendeter Arbeitszeit“ iSv. § 25
Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung ebenso wie unter „geleisteten
Arbeitsstunden“ iSv. § 25 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung nur
geleistete Arbeit im Sinn erbrachter Arbeitsleistung gegen Stückvergütung zu verstehen.
Eine relevante inhaltliche Unterscheidung der ua. in § 25 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1
TV-Fleischuntersuchung gebrauchten verschiedenen Begriffe der „aufgewendeten
Arbeitszeit“ und der „geleisteten Arbeitsstunden“ besteht aufgrund der Analyse ihres
Bedeutungsgehalts entgegen der Ansicht der Revision nicht. Den Merkmalen unterfallen
keine Tatbestände, für die der Beklagte im Referenzzeitraum des Jahres 2007 trotz nicht
geleisteter Arbeit Urlaubsentgelt oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder an
Feiertagen schuldete. Mit Blick auf den allgemeinsprachlichen Erfolgsbezug beider
Begriffe müssten solche Ausnahmen im Wortlaut oder Zusammenhang des § 25 Abs. 1 bis
Abs. 5 TV-Fleischuntersuchung zumindest anklingen. Das ist nicht der Fall.
27 2. Dem Zusammenhang des TV-Fleischuntersuchung ist nicht zu entnehmen, dass die
Tarifvertragsparteien Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage abweichend vom Wortlaut des
§ 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung in die Berechnung der Besitzstandszulage
einbeziehen wollten.
28 a) Der Zusammenhang des § 25 Abs. 1 bis Abs. 5 TV-Fleischuntersuchung stützt die
Auslegung nach dem Wortlaut des § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung. § 25
Abs. 1 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung regelt, ob dem sog. Beschäftigten eine
Besitzstandszulage zusteht. § 25 Abs. 1 Satz 3 TV-Fleischuntersuchung verdeutlicht, dass
für eine bisher nach Stunden vergütete Tätigkeit keine Besitzstandszulage gewährt wird.
In § 25 Abs. 2 bis Abs. 4 TV-Fleischuntersuchung ist geregelt, wie sich die Höhe der
Besitzstandszulage errechnet. § 25 Abs. 5 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung enthält eine
Kappungsgrenze für die Besitzstandszulage. § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung
bestimmt insbesondere, welche im Referenzzeitraum gezahlten Beträge in die
Besitzstandszulage einfließen. Die Leistungen, die berücksichtigt werden, sind im
Unterschied zu Zeiten, für die Urlaubsentgelt oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
oder an Feiertagen geleistet wird, ausdrücklich und abschließend genannt (vgl. zum
abschließenden Charakter von § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung BAG 28. Juni
2012 - 6 AZR 745/10 - Rn. 20).
29 b) Auch der Zusammenhang des § 25 TV-Fleischuntersuchung mit § 11 Satz 1, § 12
Abs. 1 Satz 1 und § 17 Abs. 1 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung spricht für das
Auslegungsergebnis der nicht in die Berechnung der Besitzstandszulage
einzubeziehenden Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage. Für die Berechnung der sog.
Entgeltfortzahlung ist die allgemeine Bemessungsgrundlage in § 11 Satz 1 TV-
Fleischuntersuchung heranzuziehen, die auf dem Lohnausfallprinzip beruht. Sie bezieht
Entgelte im Krankheitsfall, Urlaubsentgelte und die Besitzstandszulage nach § 25 Abs. 1
Satz 1 TV-Fleischuntersuchung des vorangegangenen Kalenderjahres ausdrücklich in die
Berechnung ua. der sog. Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub ein. Damit knüpft sie
- bis auf die Einbeziehung des damals noch nicht begründeten Anspruchs auf die
Besitzstandszulage - an die Vorgängerregelungen der Krankenbezüge und der
Urlaubsvergütung in §§ 13 und 17 TV Ang aöS an. § 25 TV-Fleischuntersuchung, der die
Grundlage und die Höhe der Besitzstandszulage regelt, nennt die Entgeltfortzahlung bei
Krankheit und das Urlaubsentgelt dagegen an keiner Stelle. Die Tarifvertragsparteien
griffen für die Berechnung der Besitzstandszulage auch nicht auf die allgemeine
Berechnungsvorschrift des § 11 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung zurück. Besonders
deutlich wird das an der Auffangregelung in § 25 Abs. 4 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung.
Sie knüpft nicht an § 11 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung an. Maßgeblich ist vielmehr die
Mindestuntersuchungszeit des vierten Abschnitts der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift
über die Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung von
Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs und zum Verfahren zur Prüfung
von Leitlinien für eine gute Verfahrenspraxis (AVV LmH) zuzüglich 40 % der Arbeitszeit
pro Stück. In § 11 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung und der fehlenden Verweisung auf
diese Berechnungsbestimmung in § 25 TV-Fleischuntersuchung kommt zum Ausdruck,
dass die Tarifvertragsparteien die Entgeltfortzahlung bei Krankheit, das Urlaubsentgelt
und die Besitzstandszulage des Vorjahres zwar in die Berechnung der Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall und des Urlaubsentgelts einfließen lassen wollten. In die Bemessung der
Besitzstandszulage sollte demgegenüber nach ihrem erklärten Regelungswillen keine
dieser Vergütungen eingehen.
30 3. Sinn und Zweck des § 25 TV-Fleischuntersuchung sprechen entscheidend dafür, die
Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen sowie das Urlaubsentgelt nicht in die
Besitzstandszulage des § 25 Abs. 1 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung einzubeziehen. Ziel
der ablösenden Neuregelung ist ua., die bisher außerhalb öffentlicher Schlachthöfe
gezahlte Stückvergütung durch ein Stundenentgelt zu ersetzen. Die Tarifvertragsparteien
wollten damit dem erheblichen Anstieg der Stückvergütungen durch die zunehmende
Geschwindigkeit bei der Bandschlachtung aufgrund der fortschreitenden Automatisierung
entgegenwirken (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 745/10 - Rn. 21). Sie knüpften deshalb
für die Besitzstandszulage bewusst an die tatsächliche Arbeitsleistung an, die im
Referenzzeitraum des Jahres 2007 gegen Stückvergütung erbracht wurde.
31 4. Die vorzunehmende Auslegung des § 25 TV-Fleischuntersuchung nach seinem
Wortlaut, Zusammenhang und Zweck lässt unzweifelhaft erkennen, dass die
Tarifvertragsparteien die Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen sowie das
Urlaubsentgelt bewusst nicht in die Bemessung der Besitzstandszulage einbezogen.
Dieser Regelungswille steht einer unbeabsichtigten Tariflücke entgegen. Die
Arbeitsgerichte dürfen nicht gegen den - hier erkennbar geäußerten - Willen der
Tarifvertragsparteien ergänzende tarifliche Regelungen „schaffen“ oder die schlechte
Verhandlungsführung einer Tarifvertragspartei durch Vertragshilfe ausgleichen. Das wäre
ein unzulässiger Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (vgl. nur
BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 745/10 - Rn. 25 mwN).
32 III. § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung verletzt kein höherrangiges Recht. Die
ablösende Tarifvorschrift ist weder gleichheitswidrig, noch verletzt sie die
verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie.
33 1. § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung ist nicht gleichheitswidrig.
34 a) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nach der Rechtsprechung
des Senats nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzpflichtfunktion der
Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, solchen Tarifregelungen die
Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen
führen und deswegen gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Dabei kommt den
Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern aufgrund der von Art. 9 Abs. 3
GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser
reicht, hängt von den im Einzelfall gegebenen Differenzierungsmerkmalen ab. Es genügt
regelmäßig, wenn ein sachlich vertretbarer Grund für die getroffene Regelung besteht (vgl.
für die st. Rspr. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 745/10 - Rn. 34 mwN).
35 b) Nach diesen Maßstäben ist § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung nicht
gleichheitswidrig. Die Tarifvertragsparteien begünstigten oder benachteiligten mit der
Bestimmung keine Personengruppe gegenüber einer anderen Personengruppe.
36 aa) Die Klägerin hat zumindest in den Vorinstanzen beanstandet, Arbeitnehmer, die von
ihren gesetzlichen Rechten auf Entgeltfortzahlung und Urlaubsentgelt Gebrauch machten,
seien gegenüber Arbeitnehmern schlechtergestellt, die darauf verzichteten, diese Rechte
auszuüben.
37 bb) Daraus folgt kein tariflicher Gleichheitsverstoß. Die Vergütungseinbuße der Klägerin
ergibt sich nicht aus einer tariflichen Ungleichbehandlung. Die Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall und an Feiertagen sowie das Urlaubsentgelt fließen bei keiner
Personengruppe in die Besitzstandszulage des § 25 TV-Fleischuntersuchung ein. Im
Übrigen gewährleistet der Referenzzeitraum des § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-
Fleischuntersuchung von einem Jahr hinreichend, dass ein repräsentativer Querschnitt
aus zu berücksichtigenden und nicht zu berücksichtigenden Entgeltbestandteilen ermittelt
wird. Es liegt in der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien, einen solchen
Referenzzeitraum festzulegen. Hier setzen sich die im Referenzzeitraum des Jahres 2007
vergüteten Arbeitszeiten aus gegen Stückvergütung geleisteter Arbeit, die in die
Berechnung der Besitzstandszulage eingeht, und vergüteten Fehlzeiten, die nicht in die
Bemessung einfließen, zusammen. Wurde im Referenzzeitraum - etwa wegen dauernder
Arbeitsunfähigkeit - überhaupt keine Stückvergütung erzielt, ist nach dem zu
respektierenden Regelungswillen der Tarifvertragsparteien kein Besitzstand zu sichern.
38 2. Eine Auslegung des § 25 TV-Fleischuntersuchung, die die Urlaubs-, Krankheits- und
Feiertage des Jahres 2007 bei der Berechnung der Besitzstandszulage nach § 25 TV-
Fleischuntersuchung außer Acht lässt, verletzt nicht die Rechte der Klägerin aus Art. 14
Abs. 1 Satz 1 GG.
39 a) Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hindert Tarifvertragsparteien auch
dann nicht daran, ein tarifliches Vergütungssystem durch ein anderes zu ersetzen, wenn
dies zu einer geringeren Vergütung führt. Nur bereits entstandene Ansprüche sind zu
schützen. Auch rechtlich gesicherte Anwartschaften von Arbeitnehmern können so
verfestigt sein, dass sie durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt werden (vgl. schon
BVerfG 31. Oktober 1984 - 1 BvR 35/82, 1 BvR 356/82, 1 BvR 794/82 - zu C II 1 a der
Gründe, BVerfGE 68, 193). Die Eigentumsgarantie gewährleistet grundsätzlich nur
Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, und nicht bloße
Vergütungserwartungen (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 745/10 - Rn. 39; 9. Juni 2011 -
6 AZR 867/09 - Rn. 15 mwN, AP TVÜ § 5 Nr. 7 = EzTöD 300 TVÜ-Bund § 5 Abs. 2
Ortszuschlag Nr. 1). Das Grundrecht schützt zudem nur durch die Rechtsordnung
anerkannte einzelne Vermögensrechte, nicht aber das Vermögen als solches (vgl. BVerfG
29. Februar 2012 - 1 BvR 2378/10 - Rn. 40 mwN, NZA 2012, 788).
40 b) Die Hoffnung der Klägerin darauf, das im Jahr 2007 geleistete Urlaubsentgelt sowie die
Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen werde nach Umstellung der tariflichen
Stückvergütung auf Stundenentgelt in die Berechnung der tariflichen Besitzstandszulage
einbezogen, fällt damit nicht unter die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
41 IV. Die Tarifvertragsparteien überschritten mit § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung,
der im Jahr 2007 vergütete Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage nicht in die Berechnung
der Besitzstandszulage einbezieht, nicht die Grenzen ihrer Regelungsmacht.
42 1. Tarifvertragsparteien kommt für ihre Regelungen ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
Sie haben hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine
Einschätzungsprärogative. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob jeweils die
sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung gefunden wurde (st. Rspr., vgl. zB BAG
28. Juni 2012 - 6 AZR 745/10 - Rn. 42 mwN).
43 2. Die Tarifvertragsparteien wahrten hier die Grenzen ihrer Regelungsmacht, indem sie
das Urlaubsentgelt und die Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen nicht in die
Bemessung der Besitzstandszulage einbezogen. Die Verengung der Besitzstandszulage
auf die tatsächlich gegen Stückvergütung geleistete Arbeit im Referenzzeitraum des
Jahres 2007 entspricht dem tariflichen Regelungsziel des Abbaus der erheblich
angestiegenen Stückvergütungen aufgrund der fortschreitenden Automatisierung der
Bandschlachtung. Sie gleicht die Einkommenseinbuße dennoch teilweise aus. Hinzu
kommt, dass im Jahr 2007 aufgetretene Zeiten der Krankheit sowie Urlaubs- und Feiertage
nach § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung zwar nicht in die Berechnung der
Besitzstandszulage eingehen. Die im Vorjahr des Jahres der Erkrankung oder des
Urlaubs - nach dem Ende des Referenzzeitraums - geleistete Besitzstandszulage fließt
aber ihrerseits nach § 11 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung in die Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall und das Urlaubsentgelt ein (§ 12 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 1 TV-
Fleischuntersuchung). Dieses Regelungskonzept der Tarifvertragsparteien ist mit Blick auf
ihren Gestaltungsspielraum hinzunehmen. Die getroffene Gesamtregelung berücksichtigt
auch die Belange der betroffenen Arbeitnehmer. Sie mildert die Härte der tariflichen
Umstellung des Entgeltsystems von Stückvergütung auf Stundenentgelt, obwohl sie den
Einkommensverlust nicht vollständig ausgleicht.
44 C. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Fischermeier
Gallner
Spelge
Augat
M. Jostes