Urteil des BAG vom 10.02.2015

Auslegung eines Versorgungstarifvertrags

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 10. Februar 2015
Dritter Senat
- 3 AZR 904/13 -
ECLI:DE:BAG:2015:100215.U.3AZR904.13.0
I. Arbeitsgericht Nürnberg
Endurteil vom 20. März 2012
- 6 Ca 3890/11 -
II. Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil vom 3. September 2013
- 7 Sa 484/12 -
Für die Amtliche Sammlung: Nein
Entscheidungsstichwort:
Auslegung eines Versorgungstarifvertrags
Bestimmung:
BetrAVG § 1 - Auslegung
ECLI:DE:BAG:2015:100215.U.3AZR904.13.0
- 2 -
BUNDESARBEITSGERICHT
3 AZR 904/13
7 Sa 484/12
Landesarbeitsgericht
Nürnberg
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
10. Februar 2015
URTEIL
Kaufhold, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger,
pp.
Beklagter, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter,
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ver-
handlung vom 10. Februar 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Bundes-
arbeitsgericht
Dr. Zwanziger,
die
Richterin
am
Bundesarbeitsgericht
Prof. Dr. Schlewing, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Spinner sowie die
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3 AZR 904/13
ECLI:DE:BAG:2015:100215.U.3AZR904.13.0
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ehrenamtliche Richterin Kanzleiter und den ehrenamtlichen Richter Blömeke für
Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesar-
beitsgerichts Nürnberg vom 3. September 2013 - 7 Sa
484/12 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Dynami-
sierung der Beiträge zu einer zur Durchführung der Altersversorgung abge-
schlossenen Direktversicherung.
Der im September 1954 geborene Kläger ist bei dem Beklagten tätig
und seit dem 1. Oktober 1980 im Rettungsdienst beschäftigt. Dem Arbeitsver-
hältnis der Parteien liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 1. Januar 1983 zu-
grunde. Dieser bestimmt auszugsweise:
㤠1
Herr H K
wird ab 01.10.1980 als Angestellter im Rettungsdienst be-
schäftigt.
§ 2
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen
des Manteltarifvertrages vom 18.12.1982 für die Angestell-
ten des Arbeiter-Samariter-Bundes Landesverband Bay-
ern e.V. und den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträ-
gen in ihrer jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für
die an ihre Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden
die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft be-
findlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung.
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2
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3 AZR 904/13
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§ 5
Der Beginn der Beschäftigungszeit wird auf den
01.10.1980 festgesetzt.
Seit dem 1. Juli 1981 besteht für den Kläger bei der G Versicherung ei-
ne Kapitalversicherung mit einer Laufzeit bis zum 1. Juli 2017.
Am 23. April 1985 einigten sich die Gewerkschaft ÖTV auf der einen
und der Arbeiter-Samariter-Bund - Landesverband Bayern - auf der anderen
Seite nach längeren Verhandlungen auf einen Tarifvertrag über eine betriebli-
che Altersversorgung für Angestellte/Arbeiter des ASB, Landesverband Bayern
(im Folgenden: TV Altersversorgung). Dieser bestimmt auszugsweise:
㤠1
Geltungsbereich
1.
Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für alle Dienststellen
des
Arbeiter-Samariter-Bundes,
Landesverband
Bayern.
Dieser Tarifvertrag gilt persönlich für alle Arbeitneh-
mer, die in einem versicherungspflichtigen Arbeits-
verhältnis zum Arbeiter-Samariter-Bund, Landesver-
band Bayern e.V. stehen und Mitglied der vertrags-
schließenden Gewerkschaft sind.
§ 2
Umfang der betrieblichen Altersversorgung
Arbeitnehmer, die die Voraussetzung für die BAV (betrieb-
liche Altersversorgung) nach § 4 dieses Tarifvertrages
erfüllen, sind durch den Arbeitgeber in Form einer Direkt-
versicherung gemäß § 1 Abs. 2 AVG, § 4 b EStG und
§ 40 b EStG zu versichern. Der Versicherungsschutz be-
inhaltet eine Kapitalversicherung auf den Todes- und Er-
lebensfall sowie eine Berufsunfähigkeitszusatzversiche-
rung.
§ 3
Aufbringung der Mittel
Die betriebliche Altersversorgung wird durch Beiträge des
Arbeitgebers finanziert.
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§ 4
Persönliche Voraussetzung und Beginn der Versicherung
1.
Der in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Ar-
beiter-Samariter-Bund, Landesverband Bayern, ste-
hende Arbeitnehmer ist im Rahmen der BAV zu ver-
sichern, wenn er
a)
zum Fälligkeitstag des Abschlusses von Direkt-
versicherungen das 25. Lebensjahr vollendet
hat.
(Als Fälligkeitstage werden der 1. Juni und
1. Dezember eines jeden Jahres festgelegt,)
und
b)
zum
jeweiligen
Fälligkeitstag
d r e i
J a h r e
beim Arbeiter-Samariter-Bund,
Landesverband Bayern, beschäftigt war. Dabei
zählen bei der Erfüllung dieser Wartezeit Wehr-
dienst-, Wehrersatzdienstzeiten, Zeiten des
Mutterschutzes gemäß den gesetzlichen Be-
stimmungen als Dienstzeit (§ 6 ArbplSchG,
§§ 3 u. 6 MSchG) sowie Zeiten nach dem Ge-
setz über den Mutterschaftsurlaub mit, und
§ 5
Ende der Beitragszahlungspflicht des Arbeitgebers
1.
Die Pflicht des Arbeitgebers zur Beitragszahlung en-
det mit dem Eintritt des Versicherungsfalles.
Der Versicherungsfall tritt ein bei
a)
Erreichen der vertraglich vereinbarten Alters-
grenze (Fälligkeitstag, der der Vollendung des
60. Lebensjahres folgt).
Bei Versicherungen, die am 1. Juni eines jeden
Jahres begonnen haben, ist dieses der 1. Juni
des Jahres, in dem die Versicherung abläuft;
bei Versicherungen, die am 1. Dezember eines
Jahres
begonnen
haben,
ist
dies
der
1. Dezember des Ablaufjahres.
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§ 9
Höhe der dynamischen Versorgungsleistung
1.
Der ASB-Landesverband Bayern schließt für jeden
Arbeitnehmer, der die im § 4 genannten Vorausset-
zungen erfüllt, eine Kapitallebensversicherung auf
das 60. Lebensjahr in Höhe des gewichteten Ren-
tenbarwertes einer 0,25%-igen Altersrente incl. einer
60%-igen Witwen- bzw. Witwerrente pro tatsächli-
chem und noch möglichem Dienstjahr sowie eine
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab.
2.
Als anrechnungsfähige Dienstzeit (Beschäftigungs-
zeit) gilt die Zeit ab Abschluß des Arbeitsverhältnis-
ses bis zum 60. Lebensjahr.
3.
Die Bezugsgröße für die Berechnung nach Absatz 1
ist das zum Stichtag des Abschlusses von Direktver-
sicherungen errechenbare jährliche Bruttogehalt ge-
mäß § 20 Abs. 1 Manteltarifvertrag, in der Fassung
des jeweils gültigen Vergütungstarifvertrages zuzüg-
lich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld des
Arbeitnehmers im jeweiligen Kalenderjahr.
4.
Die Berufungsunfähigkeitsrente pro Jahr beträgt
12 % der nach Ziffer 3 errechneten Kapitalversiche-
rungssumme.
5.
Die aus der Kapitallebensversicherung resultieren-
den Gewinnanteile werden ausschließlich zur Ver-
besserung der Versicherungsleistung verwendet.
Die aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
resultierenden Gewinnanteile werden ausschließlich
zur Erhöhung laufender Berufsunfähigkeitsrenten
verwendet. Wenn die Berufsunfähigkeitsrente bis
zum Fälligkeitstag der Kapitallebensversicherung
nicht in Anspruch genommen wird, werden die aufge-
laufenen Gewinnanteile der Berufsunfähigkeitszu-
satzversicherung zusammen mit der Ablaufleistung
der Kapitallebensversicherung ausgezahlt.
Damit ist die Anpassungspflicht der laufenden Leis-
tungen gemäß § 16 BetrAVG abgegolten.
§ 10
Ansprüche des Versicherten
Die Ansprüche des Versicherten richten sich nach dem
Versicherungsvertragsgesetz (VVG), diesem Tarifvertrag,
nach dem Versicherungsvertrag sowie nach den AVB des
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Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherers. Die Versi-
cherungspolice (Versicherungsvertrag) und die allgemei-
nen Versicherungsbedingungen des Lebens- und Berufs-
unfähigkeitsversicherers zum Zeitpunkt des Abschlusses
der Versicherung werden dem Arbeitnehmer unverzüglich
nach Abschluß ausgehändigt.
§ 14
Inkrafttreten/Außerkrafttreten
1.
Der Tarifvertrag tritt mit Wirkung vom 1. Juni 1985 in
Kraft.
In Durchführung des Tarifvertrags wurde vom Arbeiter-Samariter-Bund
Landesverband Bayern e. V. am 12. Juni 1985 mit der V Lebensversicherung
AG ein Gruppenversicherungsvertrag abgeschlossen. Darin ist der Vertragsbe-
ginn auf den 1. Juni 1985 festgelegt. Als Vertragsstichtag wurden der 1. Juni
und 1. Dezember (eines jeden Jahres) genannt. Der Gruppenversicherungsver-
trag (im Folgenden: GVV) bestimmt auszugsweise:
„I
Besondere Vereinbarungen
§ 1 Personenkreis
1.
Zu Vertragsbeginn werden Teilversicherungen abge-
schlossen auf das Leben derjenigen Personen, die
folgende Voraussetzungen erfüllen:
a)
sie stehen in einem versicherungspflichtigen
unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Versiche-
rungsnehmer
b)
sie
haben
bei
Versicherungsbeginn
das
25. Lebensjahr vollendet
c)
sie stehen seit mindestens 3 Jahren in den
Diensten des Versicherungsnehmers
d)
sie haben eine arbeitsvertragliche durchschnitt-
liche regelmäßige Arbeitszeit von mindestens
50 % der regelmäßigen arbeitstariflichen Ar-
beitszeit
2.
Nach Vertragsbeginn werden jeweils zum nächstfol-
genden Vertragsstichtag Teilversicherungen abge-
schlossen auf das Leben derjenigen Personen, die
zum Personenkreis gemäß Ziffer 1 hinzugekommen
sind.
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§ 2 Versicherungsform
1.
Die einzelnen Teilversicherungen sind
Todes- und Erlebensfallversicherung nach dem
Gruppenversicherungstarif D 11 B der V.
Die Versicherungssumme wird unverzüglich nach
dem Tod der versicherten Person, spätestens aber
zum Ablauf der Versicherung gezahlt.
Die Teilversicherung läuft an dem Vertragsstichtag
des Kalenderjahres ab, in dem die versicherte Per-
son das 60. Lebensjahr vollendet.
Der Vertragsstichtag ist der Stichtag, zu dem die
Teilversicherung abgeschlossen worden ist.
2.
Eingeschlossen
ist
die
Berufsunfähigkeits-
Zusatzversicherung gemäß Anlage 1 zur Sicherstel-
lung der Beitragsfreiheit im Falle von Berufsunfähig-
keit und der Berufsunfähigkeitsrente.
§ 3 Höhe der versicherten Leistungen
1.
Die Höhe der versicherten Leistungen wird in Ab-
hängigkeit von den anrechenbaren Bezügen und der
anrechenbaren Dienstzeit festgesetzt.
-
Anrechenbare Bezüge sind das jährliche Brut-
togehalt gemäß § 20 Absatz 1 Manteltarifver-
trag zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Ur-
laubsgeld zu Versicherungsbeginn und danach
zu jedem entsprechenden Vertragsstichtag.
-
Anrechenbare Dienstzeit ist die Zeit vom
Diensteintritt
bis
zur
Vollendung
des
60. Lebensjahres.
2.
Die sich hiernach ergebende Altersrente ist maßgeb-
lich für die Höhe der versicherten Leistungen. Sie
beträgt
0,25 % der anrechenbaren Bezüge.
Der so ermittelte Betrag wird mit der anrechenbaren
Dienstzeit multipliziert.
3.
Die Versicherungssumme ist gleich dem Barwert der
Altersrente mit Anwartschaft auf 60 % Witwen-/
Witwerrente abzüglich der Versicherungssumme aus
bereits vor Vertragsbeginn abgeschlossenen Direkt-
versicherungen.
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Der Barwert der Altersrente ist der nach den Richtta-
feln von Dr. Klaus Heubeck mit einem Zinsfuß von
6 % p.a. zum Alter 60 ermittelte versicherungstechni-
sche Wert der Altersrente mit Anwartschaft auf 60 %
Witwen-/Witwerrente.
4.
Die versicherte jährliche Berufsunfähigkeitsrente be-
trägt 12 % der Versicherungssumme.
§ 4 Art und Fälligkeit der Beiträge
Alle Beiträge sind gleichbleibende Jahresbeiträge.
Die Beiträge sind zu Beginn eines jeden Versiche-
rungsjahres zu zahlen, d.h. für Teilversicherungen,
die an einem 1.6. abgeschlossen worden sind, zu
jedem 1.6. und für Teilversicherungen, die an einem
1.12. abgeschlossen worden sind, zu jedem 1.12.
Die Beitragszahlung endet zum Ablauf der Versiche-
rung. Sie endet vorher, wenn die versicherte Person
stirbt oder während des Bestehens der Berufsunfä-
higkeits-Zusatzversicherung berufsunfähig wird.
Für den Kläger wurde im Jahr 1985 zur Erfüllung der Verpflichtung aus
dem TV Altersversorgung bei der V Lebensversicherung AG unter der Versiche-
rungsnummer G eine Lebensversicherung abgeschlossen.
Unter dem 14. Juni 1991 schlossen die Tarifvertragsparteien einen Än-
derungstarifvertrag über eine betriebliche Altersversorgung für Angestellte/
Arbeiter des Arbeiter-Samariter-Bundes, Landesverband Bayern vom 23. April
1985. Dieser bestimmt in seinen §§ 1 und 2:
㤠1
In § 4 Nr. 1 a des genannten Tarifvertrages werden die
Fälligkeitstage 1. Juni und 1. Dezember in 1. April und
1. Oktober eines jeden Jahres geändert.
§ 2
Diese Änderung tritt am 01.06.1991 in Kraft.
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Ein nicht datiertes Schreiben des vormaligen Geschäftsführers des Ar-
beiter-Samariter-Bundes Landesverband Bayern e. V., B, das nach dem Vor-
bringen des Beklagten den Mitarbeitern nicht bekannt gegeben wurde, lautet
auszugsweise:
„§ 7 Höhe der Versorgungsleistungen
Die Berechnung der Versicherungssumme können Sie
selbst relativ einfach nachvollziehen, wenn Sie sich an das
folgende Schema halten:
Die Höhe der Versicherungssumme wird im wesentlichen
durch 2 Faktoren bestimmt:
a)
die insgesamt maximal mögliche Dienstzeit (das ist
die Zeit, vom Eintritt in die Dienste des ASB bis zum
60. Lebensjahr)
und
b)
das Gehalt gem. § 20 Abs. 1 MTV zuzüglich Weih-
nachts- und Urlaubsgeld, das aufgrund der Dynami-
sierung nach § 9 Abs. 3 Tarifvertrag jährlich neu ge-
meldet und in die Berechnung einbezogen wird.
Bis ins Jahr 1999 wurden die jährlich vom Arbeitgeber zu zahlenden
Versicherungsbeiträge an das jeweils zum Stichtag bezogene aktuelle Gehalt
angepasst. Ab dem Jahr 2000 wurde eine solche Dynamisierung des Versiche-
rungsbeitrags nicht mehr vorgenommen. Der Versicherungsbeitrag, der für das
jeweilige Versicherungsjahr aufgewendet wurde, lag danach unverändert bei
698,02 Euro jährlich.
Mit Schreiben vom 3. März 2011 forderte der Kläger den Beklagten auf,
die zu seinen Gunsten an die V Lebensversicherung AG abzuführenden Versi-
cherungsbeiträge auch nach dem Jahr 1999 ausgehend von seinem jeweils
erzielten Jahresverdienst zu ermitteln und an die Versicherung abzuführen.
Dies hat der Beklagte abgelehnt.
Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Beklagte sei auf-
grund des TV Altersversorgung verpflichtet, auch nach dem Jahr 1999 eine Dy-
namisierung der Jahresbeiträge entsprechend des jeweiligen aktuellen Jahres-
einkommens vorzunehmen. Diese Verpflichtung ergebe sich aus § 9 TV Alters-
versorgung, jedenfalls aus betrieblicher Übung und aus dem Schreiben des
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früheren Landesgeschäftsführers B. Sie folge zudem aus dem arbeitsrechtli-
chen Gleichbehandlungsgrundsatz. Arbeitskollegen, die hinsichtlich des Ge-
halts und des Geburtsjahrs und damit der Laufzeit des Versicherungsvertrags
vergleichbar seien, erhielten höhere Versicherungsleistungen.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
1.
den Beklagten zu verurteilen, an die V Lebensversi-
cherung AG sein jährliches Bruttoentgelt zuzüglich
Weihnachts- und Urlaubsgeld für die einzelnen Ka-
lenderjahre im Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis
31. Dezember 2010 zu melden und den für diesen
Zeitraum für das jeweilige Versicherungsjahr auf der
Grundlage seines nachgemeldeten jeweiligen Brut-
toentgelts von der V Lebensversicherung AG jeweils
zu berechnenden Differenzbetrag aus neuem Versi-
cherungsbeitrag und bereits aufgewendetem Versi-
cherungsbeitrag für den für ihn unter der Versiche-
rungsnummer G bestehenden Versicherungsvertrag
zu zahlen,
2.
festzustellen,
dass
der
Beklagte
über
den
31. Dezember 2010 hinaus verpflichtet ist, den jähr-
lich für ihn aufzuwendenden Versicherungsbeitrag für
den bei der V Lebensversicherung AG unter der Ver-
sicherungsnummer G bestehenden Versicherungs-
vertrag anzupassen, indem er das jährliche Brutto-
entgelt zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld an
die V Lebensversicherung AG meldet und den für
das jeweilige Versicherungsjahr auf der Grundlage
des jeweiligen Bruttojahresentgelts von der V Le-
bensversicherung AG jeweils zu berechnenden Ver-
sicherungsbeitrag zahlt,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen
zu 1. und 2.,
3.
festzustellen, dass § 9 Nr. 1 iVm. Nr. 3 des Tarifver-
trags über eine betriebliche Altersversorgung für An-
gestellte/Arbeiter des Arbeiter-Samariter-Bundes,
Landesverband Bayern, vom 23. April 1985, eine
Dynamisierung der Versorgungsleistungen dahinge-
hend enthält, dass der Berechnung der Versiche-
rungsleistungen aus dem Versicherungsvertrag bei
der V Lebensversicherung AG als ein Unternehmen
der E Versicherungsgruppe, mit der Vertragsnummer
G, das im Zeitpunkt des Todes- oder Erlebensfalles
oder des Eintritts einer Berufsunfähigkeit, sein je-
weils aktuelles jährliches Bruttogehalt gemäß § 20
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Abs. 1 MTV idF des jeweils gültigen Vergütungstarif-
vertrages zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld für
das jeweilige Kalenderjahr zugrunde zu legen ist,
4.
festzustellen, dass die gemäß des Versicherungsver-
trages mit der Versicherungsnummer G bei der V
Lebensversicherung AG, als ein Unternehmen der E
Versicherungsgruppe, bestehende und im Erlebens-
fall mit Vollendung seines 60. Lebensjahres am
27. September 2014 auszuzahlende Versicherungs-
summe anhand seines im Kalenderjahr 2014 bezo-
genen Bruttojahresgehaltes gemäß § 20 Abs. 1 MTV
in der Fassung des jeweils gültigen Tarifvertrages
zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld
für das jeweilige Kalenderjahr zu berechnen ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht
hat die vom Kläger geführte Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision ver-
folgt der Kläger seine Anträge weiter. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung
der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist hinsichtlich des Hauptantrags zu 1. und der Hilfsanträ-
ge zu 3. und 4. unzulässig. Hinsichtlich des Hauptantrags zu 2. ist die Revision
zulässig, aber unbegründet.
I.
Soweit sich die Revision gegen die Entscheidung des Landesarbeitsge-
richts über den Hauptantrag zu 1. und die Hilfsanträge zu 3. und 4. richtet, ist
sie mangels der erforderlichen Begründung unzulässig.
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1.
Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört
zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisions-
gründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler
des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des
Revisionsangriffs erkennbar sind. Dabei muss die Revisionsbegründung eine
Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten.
Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochte-
ne Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Bei mehreren Streitgegenständen muss bei
einer unbeschränkt eingelegten Revision für jeden eine solche Begründung ge-
geben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel inso-
weit unzulässig. Eine eigenständige Begründung ist lediglich dann nicht erfor-
derlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von
der Entscheidung über den anderen abhängt, sodass mit der Begründung der
Revision über den einen Streitgegenstand gleichzeitig auch dargelegt ist, inwie-
fern die Entscheidung über den anderen unrichtig ist
.
2.
Danach genügt die Revisionsbegründung hinsichtlich des abgewiese-
nen Hauptantrags zu 1. und der Hilfsanträge zu 3. und 4. nicht den gesetzlichen
Anforderungen und die Revision ist insoweit unzulässig.
a)
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers hinsichtlich des
Hauptantrags zu 1. mit der Begründung zurückgewiesen, der Antrag sei unzu-
lässig, da er nicht bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sei. Der Kläger begeh-
re mit dem Antrag eine Geldleistung, die zu beziffern sei, woran es vorliegend
fehle. Der Hauptantrag zu 2. sei unbegründet, dem Kläger stünde der geltend
gemachte Anspruch nicht zu. Die Hilfsanträge zu 3. und 4. seien unzulässig,
denn ihnen fehle das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Wie
die Versicherungsleistung bei Eintritt des Versicherungsfalls zu berechnen sei,
ergebe sich aus dem Versicherungsvertrag zwischen dem Beklagten und der
Versicherung. Da Letztere am Rechtsstreit nicht beteiligt sei, könne ein Urteil im
vorliegenden Rechtsstreit für die Versicherung nicht bindend sein und deshalb
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zur Klärung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beklagten
nicht beitragen.
b)
Der Kläger hat gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts unbe-
schränkt Revision eingelegt, die Revision allerdings nur im Hinblick auf die Ab-
weisung des Hauptantrags zu 2. begründet. Soweit mit der Revision die Ent-
scheidung des Landesarbeitsgerichts über den Hauptantrag zu 1. und die Hilfs-
anträge zu 3. und 4. angegriffen wird, fehlt es an der erforderlichen Auseinan-
dersetzung mit den insoweit vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründun-
gen. Mit der Argumentation des Landesarbeitsgerichts, der Hauptantrag
zu 1. sei nicht bestimmt und den Hilfsanträgen zu 3. und 4. fehle das er-
forderliche Feststellungsinteresse, befasst sich die Revisionsbegründung vom
23. Dezember 2013 an keiner Stelle. Folglich fehlt jede Auseinandersetzung mit
den tragenden Begründungen des Landesarbeitsgerichts zur Unzulässigkeit
des Hauptantrags zu 1. und der Hilfsanträge zu 3. und 4.
II.
Die Revision ist - soweit sie zulässig ist - unbegründet. Die Klage ist mit
dem Hauptantrag zu 2. zulässig, aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht
hat zu Recht erkannt, dass der Kläger keinen Anspruch auf jährliche Anpas-
sung der Beitragsleistung für die Versicherung G bei der V Lebensversicherung
AG hat. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus dem TV Altersversorgung
noch aus dem undatierten Schreiben des früheren Landesgeschäftsführers o-
der betrieblicher Übung. Ebenso wenig folgt er aus dem arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz.
1.
Die Klage ist mit dem Hauptantrag zu 2. zulässig.
a)
Mit dem Antrag will der Kläger festgestellt wissen, dass der Beklagte
über den 31. Dezember 2010 hinaus verpflichtet ist, bis zum Eintritt des Versor-
gungsfalls entsprechend seinem jährlichen Bruttoeinkommen einschließlich des
tariflichen Weihnachts- und Urlaubsgelds Versicherungsbeiträge zugunsten der
für ihn bei der V Lebensversicherung AG abgeschlossenen Kapitallebensversi-
cherung G zu entrichten und damit erreichen, dass der gewählte Durchfüh-
rungsweg Direktversicherung eingehalten wird. Der Kläger hat zwar die Be-
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schränkung auf den Eintritt des Versorgungsfalls nicht in den Antrag aufge-
nommen. Diese ergibt sich jedoch aus seiner Klagebegründung.
b)
Es kann dahinstehen, ob der Kläger an dieser Feststellung das erfor-
derliche Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO hat, denn das ist nur für
ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung
. Die Klage ist je-
doch - dazu unter Rn. 25 ff. - unbegründet. Es ist deshalb vorliegend unerheb-
lich, ob der Versorgungsfall bereits zum 1. Dezember 2014 eingetreten ist oder
erst am 1. Juni 2015 eintreten wird und welche Auswirkungen das auf das Fest-
stellungsinteresse hat.
2.
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Dyna-
misierung der Versicherungsbeiträge zu seiner Direktversicherung.
a)
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Dynamisierung der Versicherungs-
beiträge für die Versicherung G bei der V Lebensversicherung AG nach § 9
TV Altersversorgung, der aufgrund von § 2 des Arbeitsvertrags Anwendung fin-
det. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.
aa)
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die
Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Ta-
rifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erfor-
schen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut
ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er
in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist
ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für
den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und
Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie
Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne
Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte
des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend
heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es
zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug,
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die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch
brauchbaren Regelung führt
.
bb)
Danach ergibt sich aus § 9 TV Altersversorgung kein Anspruch auf jähr-
liche Dynamisierung des Versicherungsbeitrags.
(1)
Der Wortlaut von § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung ist - entgegen der Auf-
fassung des Klägers - eindeutig. Danach ist die Bezugsgröße für die Berech-
nung der Leistungen nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung - und abhängig da-
von auch der nach § 3 TV Altersversorgung vom Arbeitgeber abzuführenden
Beiträge - das zum Stichtag des Abschlusses von Direktversicherungen erre-
chenbare jährliche Bruttogehalt gemäß § 20 Abs. 1 Manteltarifvertrag, in der
Fassung des jeweils gültigen Vergütungstarifvertrags, zuzüglich tariflichem
Weihnachts- und Urlaubsgeld des Arbeitnehmers im jeweiligen Kalenderjahr.
Damit stellt § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung auf das Jahreseinkommen in dem
Jahr ab, in dem die jeweilige Kapitallebensversicherung für den einzelnen Ar-
beitnehmer nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung abgeschlossen wird, dh. den
nach § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung festgelegten
„Fälligkeitstag“ für den Ab-
schluss der Versicherung.
Mit § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung wird entgegen der Auffassung des
Klägers ein einmaliger Zeitpunkt für den Abschluss der Versicherung für den
berechtigten Arbeitnehmer festgelegt. Aus der Regelung ergibt sich nicht, dass
das Jahresgehalt jährlich neu der Versicherung zu melden und der Beitrag ent-
sprechend anzupassen ist. § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung bestimmt die Vo-
raussetzungen, bei deren Vorliegen ein Arbeitnehmer Anspruch auf Abschluss
einer Direktversicherung zu seinen Gunsten hat. Dazu muss er in einem unbe-
fristeten Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten stehen, zum Fälligkeitstag des
Abschlusses von Direktversicherungen das 25. Lebensjahr vollendet haben,
zum jeweiligen Fälligkeitsdatum (1. Juni oder 1. Dezember) eine Betriebszuge-
hörigkeit von drei Jahren aufweisen und arbeitsvertraglich eine Arbeitszeit von
mindestens der Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit vereinbart haben
und nicht aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert sein, seinen dienstli-
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chen Obliegenheiten nachzukommen. Aus diesen Regelungen lässt sich nicht
ableiten, dass das Jahreseinkommen jährlich neu der Berechnung der Versi-
cherungsleistung und damit auch der Versicherungsbeiträge zugrunde gelegt
werden soll. Vielmehr legt die Bestimmung fest, wann die Versicherung abzu-
schließen ist, nachdem die tariflichen Voraussetzungen vorliegen. Der Begriff
des Fälligkeitstags hat nicht die Bedeutung, dass damit der Tag gemeint ist, an
dem jährlich die Beiträge an die Versicherung abgeführt werden, sondern be-
zeichnet ausschließlich den Tag, zu dem die Voraussetzungen für den Ab-
schluss einer Direktversicherung für den einzelnen Arbeitnehmer zu prüfen sind
und an dem ggf. die Versicherung abgeschlossen werden muss.
Das wird auch nicht durch den Wortlaut des letzten Satzteils von § 9
Abs. 3 TV
Altersversorgung „in der Fassung des jeweils gültigen Vergütungsta-
rifvertrags zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld des Arbeitneh-
mers im jeweiligen Kalenderjahr“ infrage gestellt. Damit stellen die Tarifver-
tragsparteien lediglich klar, dass es für die Berechnung der Versicherungsleis-
tung nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung auf das Jahreseinkommen des Ar-
beitnehmers in dem Jahr des Abschlusses der Versicherung ankommen soll.
Maßgeblich ist dabei der im Jahr des Vertragsschlusses gültige Vergütungsta-
rifvertrag. Eine Abweichung von dem im ersten Satzteil bestimmten Stichtag
des Abschlusses der einzelnen Direktversicherung ist damit nicht gewollt. Zu
Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, die Annahme, dass im
ersten Satzteil von § 9 Abs. 3 TV Altersverso
rgung ein „jeweilig“ eingefügt sein
müsste, sei unzutreffend. Der Abschluss der einzelnen Direktversicherung er-
folgt nach § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung einmalig. Es kann also nur auf den
Abschluss des einzelnen (Teil-)Versicherungsvertrags abgestellt werden. Die
Formulierung im zweiten Satzteil dient dazu sicherzustellen, dass die Berech-
nung der Versicherungsleistung nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung für jeden
vom Tarifvertrag erfassten Arbeitnehmer unter Zugrundelegung seines indivi-
duellen Jahresgehalts einschließlich des tariflichen Weihnachts- und Urlaubs-
gelds in der Höhe erfolgt, wie es im Jahr des Abschlusses der Versicherung für
den Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zu zahlen ist.
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Soweit der Kläger der Auffassung ist, der letzte Satzteil von § 9 Abs. 3
TV
Altersversorgung „im jeweiligen Kalenderjahr“ führe dazu, dass die Bestim-
mung nicht eindeutig sei, ist dies unzutreffend. Diese Formulierung ist dem Um-
stand geschuldet, dass der Tarifvertrag für zahlreiche Arbeitsverhältnisse gilt
und der Zeitpunkt des Abschlusses der Direktversicherungen davon abhängt,
wann die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung jeweils einge-
treten sind. Mit der Bezugnahme auf das jeweilige Kalenderjahr, in dem diese
Voraussetzungen erfüllt sind, wird auch klargestellt, dass maßgeblich das Ein-
kommen in diesem Kalenderjahr sein soll und nicht etwa in dem Jahr (letzten
zwölf Monate) vor dem jeweiligen individuellen Stichtag.
(2)
Auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt sich nichts an-
deres. Die Überschrift von § 9 TV Altersversorgung (
„Höhe der dynamischen
Versorgungsleistung
“) erfordert kein anderes Auslegungsergebnis. Aus der
Überschrift kann nicht geschlossen werden, dass damit eine Dynamik der Bei-
tragshöhe zur Direktversicherung vorgegeben sein soll. Die Versicherungsleis-
tung ist zum einen schon deshalb dynamisch, weil sich nach § 9 Abs. 1 TV
Altersversorgung die Höhe der Kapitalleistung bei Vollendung des 60. Lebens-
jahrs nach dem gewichteten Rentenbarwert einer 0,25%igen Altersrente incl.
einer 60%igen Witwen- bzw. Witwerrente pro tatsächlichem und noch mögli-
chem Dienstjahr bestimmt. Die Versicherungssumme ist damit dynamisch von
der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig. Zum anderen ergibt sich eine
Dynamik daraus, dass die Gewinnanteile nach § 9 Abs. 5 TV Altersversorgung
ausschließlich zur Verbesserung der Versicherungsleistung verwendet werden.
(3)
Auch die von § 10 TV Altersversorgung in Bezug genommenen Rege-
lungen des Gruppenversicherungsvertrags sprechen gegen eine Dynamisie-
rung der Versicherungsbeiträge in dem vom Kläger verstandenen Sinne.
Nach I § 1 Nr. 2 GVV werden nach Vertragsbeginn - das ist der 1. Juni
1985 - jeweils zum nächsten Vertragsstichtag Teilversicherungen abgeschlos-
sen auf das Leben derjenigen Personen, die zum Personenkreis gemäß Ziffer 1
gehören, also die zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1
TV Altersversorgung erfüllen. Nach I § 2 Nr. 1 Unterabs. 5 GVV ist Vertrags-
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stichtag der Stichtag, zu dem die Teilversicherung abgeschlossen worden ist.
Nach I § 3 Nr. 1 GVV sind anrechenbare Bezüge das jährliche Bruttogehalt ge-
mäß § 20 Abs. 1 Manteltarifvertrag zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Ur-
laubsgeld zu Versicherungsbeginn und danach zu
„jedem entsprechenden Ver-
tragsstichtag
“. Es kommt zunächst auf das danach zu berechnende Einkommen
zu Beginn des Gruppenversicherungsvertrags und später auf das Einkommen
des Arbeitnehmers an, für den am Vertragsstichtag nach I § 2 Nr. 1 GVV ein
Teilversicherungsvertrag abzuschließen ist. Schließlich bestimmt I § 4 GVV,
dass alle Beiträge gleichbleibende Jahresbeiträge sind, sich der Jahresbeitrag
nach der erstmaligen Festsetzung für jeden Arbeitnehmer folglich nicht mehr
ändert.
Diese Regelungen zeigen damit ebenfalls, dass keine jährliche Neube-
rechnung der Versicherungsbeiträge für die jeweilige Teilversicherung erfolgen
soll, sondern die maßgeblichen Beträge für jede Teilversicherung einmalig fest-
gelegt werden zu dem Stichtag, zu dem die jeweilige Teilversicherung abge-
schlossen wird. Das zu diesem Zeitpunkt aktuelle Jahresgehalt entsprechend
§ 20 Abs. 1 Manteltarifvertrag (einschließlich Weihnachts- und Urlaubsgeld) des
jeweiligen Arbeitnehmers wird für die Berechnung der danach feststehenden
weiteren Jahresbeiträge zugrunde gelegt.
(4)
Ein anderes Verständnis der tariflichen Regelungen ist auch nicht des-
halb geboten, weil nach Auffassung des Klägers bei Lebensversicherungen ei-
ne Dynamisierung üblich ist. Zwar ist es zutreffend, dass aufgrund des inflati-
onsbedingten Kaufkraftverlusts die Versicherungssumme einer Lebensversiche-
rung bei Eintritt des Versicherungsfalls einen anderen realen Wert aufweist, als
dies bei Abschluss der Versicherung der Fall war. Ebenso zutreffend ist es,
dass aus diesem Grund in vielen Lebensversicherungen dynamische Beitrags-
regelungen vorgesehen werden, um bei Eintritt des Versicherungsfalls einen
höheren Leistungsanspruch zu haben. Dies führt aber nicht dazu, dass die Re-
gelung in § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung im Sinne des Klägers dynamisch zu
verstehen ist. Die Versicherungsleistung erhöht sich auch dann, wenn - wie vor-
liegend - die Gewinnanteile ausschließlich zur Verbesserung der Versiche-
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rungsleistung und nicht zur Beitragssenkung verwendet werden. Dies führt zu
einer Steigerung der Versicherungsleistung bei Eintritt des Versicherungsfalls.
Zudem gibt die Regelung in der hier gefundenen Auslegung durchaus Sinn, weil
sie dem Arbeitgeber eine sichere Kalkulationsgrundlage vermittelt.
(5)
Die Entstehungsgeschichte des TV Altersversorgung ist für seine Aus-
legung ebenso ohne Bedeutung wie die tatsächliche Handhabung der tariflichen
Regelung bis ins Jahr 1999, weil die Auslegung des TV Altersversorgung nach
Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck bereits zu einem eindeutigen Er-
gebnis führt
. Da-
mit ist auch die vom Kläger in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrü-
ge unerheblich; sie richtet sich allein gegen unterbliebene Tatsachenfeststel-
lungen zur Entstehung des TV Altersversorgung.
b)
Auf das Schreiben des vormaligen Geschäftsführers B kann der Kläger
seinen Anspruch nicht mit Erfolg stützen. Es kann dahinstehen, ob das Schrei-
ben überhaupt den Arbeitnehmern bekannt gegeben wurde oder ob es lediglich
ein Entwurf war. Jedenfalls hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich
nicht zu beanstandender Weise erkannt, dass der frühere Landesgeschäftsfüh-
rer mit dem Schreiben lediglich den TV Altersversorgung erläutern wollte.
c)
Der Kläger hat keinen Anspruch auf jährliche Dynamisierung der Versi-
cherungsbeiträge für die Versicherung G bei der V Lebensversicherung AG aus
betrieblicher Übung
wegen der praktischen Hand-
habung der Beitragszahlung. Der Kläger konnte zu keinem Zeitpunkt davon
ausgehen, der Arbeitgeber wolle dadurch im Hinblick auf die Beiträge zur Di-
rektversicherung übertarifliche Leistungen erbringen. Der Anspruch scheitert
deshalb bereits daran, dass der Arbeitgeber erkennbar ausschließlich seine
Verpflichtung aus dem TV Altersversorgung erfüllen wollte.
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d)
Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleich-
behandlungsgrundsatz
. Es ist schon zweifelhaft, ob
der Kläger eine Ungleichbehandlung überhaupt schlüssig dargelegt hat. Zu
Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass er nicht einmal
behauptet hat, dass die höhere Versicherungsleistung des von ihm zu Ver-
gleichszwecken herangezogenen Kollegen überhaupt darauf beruht, dass des-
sen Versicherungsbeiträge über das Jahr 2000 hinaus nach dessen jeweiligem
Jahreseinkommen abgeführt wurden. Jedenfalls hat der Kläger auch keine
Gruppenbildung durch den Beklagten dargelegt, was Voraussetzung für An-
sprüche aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Zwanziger
Schlewing
Spinner
Blömeke
G. Kanzleiter
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