Urteil des BAG vom 12.12.2012

Tarifliche Jahressonderzahlung - Altersdiskriminierung

Siehe auch:
Pressemitteilung Nr. 89/12 vom 12.12.2012
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 12.12.2012, 10 AZR 718/11
Tarifliche Jahressonderzahlung - Altersdiskriminierung
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
München vom 28. Juni 2011 - 6 Sa 252/11 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über eine tarifliche Jahressonderzahlung für das Jahr 2009.
2 Der am 22. Oktober 1944 geborene Kläger war bei der beklagten Stadt seit 1968 als
Angestellter im technischen Dienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand zuletzt der
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für kommunale Arbeitgeber geltenden
Fassung (VKA) kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Zum 31. Oktober 2009
schied der Kläger gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD wegen Erreichens der gesetzlichen
Regelaltersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis aus.
3 § 20 TVöD lautet auszugsweise:
㤠20
Jahressonderzahlung
(1) Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben
Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.
(2) Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigten, …“
4 Für das Jahr 2009 gewährte die Beklagte dem Kläger wegen dessen Ausscheidens keine
Jahressonderzahlung.
5 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Stichtagsregelung in § 20 Abs. 1 TVöD
benachteilige ihn aufgrund seines Alters. Es liege bereits eine unmittelbare
Benachteiligung vor, weil Arbeitnehmer, die wegen Erreichens der Altersgrenze vor dem
1. Dezember eines Jahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, die Voraussetzungen
des § 20 Abs. 1 TVöD nicht erfüllen könnten. Jedenfalls führe die Regelung zu einer
mittelbaren Benachteiligung älterer Arbeitnehmer. Diese könnten die Jahressonderzahlung
im letzten Beschäftigungsjahr in deutlich weniger Fällen beanspruchen als jüngere
Arbeitnehmer. Anders als jüngere Arbeitnehmer, die eine Eigenkündigung aussprechen
oder einen Aufhebungsvertrag abschließen, könnten ältere Arbeitnehmer den Zeitpunkt der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der Regelaltersgrenze nicht selbst
steuern. Auch würden Stellen im öffentlichen Dienst ganz überwiegend nicht nachbesetzt.
Darüber hinaus benachteilige § 20 Abs. 1 TVöD ältere Arbeitnehmer, die vor dem
1. Dezember eines Jahres altersbedingt ausscheiden, gegenüber anderen älteren
Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis erst nach dem 1. Dezember altersbedingt endet.
Zudem folge der Anspruch aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Durch die
Stichtagsregelung würden Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage unterschiedlich behandelt.
6 Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.310,38 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
7 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Stichtagsregelung in § 20 Abs. 1
TVöD sei wirksam. Die Norm benachteilige ältere Arbeitnehmer nicht unmittelbar, weil sie
nicht auf das Alter, sondern auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses als differenzierendes
Kriterium abstelle. Sie führe auch nicht zu einer mittelbaren Benachteiligung älterer
Arbeitnehmer. Jedenfalls sei eine etwaige Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Da mit der
Jahressonderzahlung Betriebstreue belohnt werden solle, dürfe zwischen beendeten und
bestehenden Arbeitsverhältnissen differenziert werden.
8 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung
des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision
verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
9 Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine tarifliche
Jahressonderzahlung aus § 20 Abs. 1 TVöD für das Jahr 2009. Die Tarifnorm ist wirksam.
Ebenso wenig besteht ein Schadensersatzanspruch in entsprechender Höhe oder ein
Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
10 I. Ein Anspruch des Klägers folgt nicht aus § 20 Abs. 1 TVöD. Die in § 20 Abs. 1 TVöD
enthaltene Stichtagsregelung ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen das
Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Sie ist auch mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 12
Abs. 1 GG vereinbar.
11 1. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 TVöD waren im Jahr 2009 nicht erfüllt,
weil der Kläger am 1. Dezember 2009 nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten
stand. Dieses endete gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD am 31. Oktober 2009, nachdem
der Kläger am 22. Oktober 2009 das 65. Lebensjahr vollendet und somit die
Regelaltersgrenze (§ 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) erreicht hatte. Die Befristung des
Arbeitsvertrags aufgrund der tariflichen Altersgrenze gilt schon deshalb nach § 17 Satz 2
TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam, weil der Kläger keine
Befristungskontrollklage erhoben hat (vgl. zur Anwendbarkeit von § 17 Satz 2 TzBfG iVm.
§ 7 Halbs. 1 KSchG im Falle tariflicher Altersgrenzen: BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR
211/09 - Rn. 13 ff., AP TzBfG § 14 Nr. 92 = EzA TzBfG § 17 Nr. 16). Die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2009 wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
12 2. Die in § 20 Abs. 1 TVöD enthaltene Stichtagsregelung ist nicht gemäß § 7 AGG
unwirksam.
13 a) Gemäß § 7 Abs. 1 Halbs. 1 iVm. § 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen des Alters
benachteiligt werden. Nach § 7 Abs. 2 AGG sind Bestimmungen in Vereinbarungen, die
gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, unwirksam. § 7 Abs. 2
AGG gilt auch für Tarifverträge (BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 33, BAGE 131,
298). Wenn gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit einer Richtlinie
unvereinbare Diskriminierung vorsehen, sind die nationalen Gerichte gehalten, die
Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen,
dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte
Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die
Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. BAG 20. März 2012 - 9 AZR
529/10 - Rn. 28 mwN, EzA AGG § 10 Nr. 5; zur Frage der Beseitigung der Diskriminierung
für die Zukunft: vgl. auch BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, AP BAT § 27
Nr. 12 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 25). Ein Verstoß der
Stichtagsregelung gegen das Benachteiligungsverbot hätte danach zur Folge, dass die in
§ 20 Abs. 1 TVöD enthaltene Stichtagsregelung ersatzlos entfiele und der Kläger einen
Anspruch auf eine Jahressonderzahlung hätte, deren Höhe sich nach den in § 20 Abs. 4
TVöD niedergelegten Grundsätzen richten würde.
14 b) § 20 Abs. 1 TVöD ist am Maßstab des AGG zu messen.
15 aa) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch
für Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts. Zum
Arbeitsentgelt in diesem Sinne zählen Gratifikationen und Sondervergütungen
(Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 9).
16 bb) § 20 TVöD trat gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVöD zum 1. Januar 2007 und
damit nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 in Kraft. Im Übrigen ist die hier
geltend gemachte Benachteiligung erst im Jahr 2009 eingetreten. Für die Anwendbarkeit
des AGG ist nicht der Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags, sondern der Zeitpunkt
der Benachteiligungshandlung maßgeblich (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 12,
EzA AGG § 10 Nr. 5; 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).
17 c) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt nicht vor.
18 aa) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine
Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung
erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder
erfahren würde. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche
Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in
§ 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist (BAG 20. März 2012 -
9 AZR 529/10 - Rn. 14 mwN, EzA AGG § 10 Nr. 5). Eine unmittelbare Benachteiligung
wegen des Alters liegt vor, wenn die Beschäftigungsbedingungen unter Bezug auf ein
bestimmtes Lebensalter oder ein Kriterium, das untrennbar mit dem Lebensalter
verbunden ist, unterschiedlich ausgestaltet werden (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 -
Rn. 14 f. aaO; 30. November 2010 - 3 AZR 754/08 - Rn. 25, AP BetrAVG § 16 Nr. 72 = EzA
BetrAVG § 16 Nr. 57; vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 23,
Slg. 2010, I-9343).
19 bb) Nach diesen Grundsätzen führt die Differenzierung in § 20 Abs. 1 TVöD nicht zu einer
unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Die Vorschrift knüpft nicht an ein
bestimmtes Lebensalter an; sie stützt sich auch nicht auf ein Kriterium, das untrennbar mit
dem Lebensalter verbunden ist. Anknüpfungstatbestand ist vielmehr der Bestand des
Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag. § 20 Abs. 1 TVöD unterscheidet
zwischen Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnis am 1. Dezember eines Jahres besteht, und
solchen Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnis nach diesem Zeitpunkt beginnt oder vor
diesem Zeitpunkt geendet hat. Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist
dabei nicht maßgeblich. Beendigungen gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD wegen
Erreichens der Regelaltersgrenze führen ebenso zum Verlust des Anspruchs auf die
Jahressonderzahlung wie die Beendigung aus anderen Gründen, beispielsweise aufgrund
Eigenkündigung des Arbeitnehmers, Kündigung des Arbeitgebers oder Erreichens des
Befristungsendes gemäß § 15 Abs. 1 TzBfG.
20 d) Die Stichtagsregelung in § 20 Abs. 1 TVöD führt auch nicht zu einer mittelbaren
Benachteiligung älterer Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs. 2 AGG.
21 aa) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale
Vorschriften ihrem Wesen nach geeignet sind, Personen oder Personengruppen aus den
in § 1 AGG genannten Gründen in besonderer Weise zu benachteiligen. Dies kann der
Fall sein, wenn Vorschriften im Wesentlichen oder ganz überwiegend Personen, die eines
der verpönten Merkmale erfüllen, betreffen, wenn sie an Voraussetzungen knüpfen, die
von Personen, die von § 1 AGG nicht erfasst sind, leichter erfüllt werden oder wenn sich
die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm besonders zum Nachteil von Personen, für
die ein Merkmal des § 1 AGG gilt, auswirken (BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 -
Rn. 27, BAGE 137, 80; 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 21, BAGE 134, 160). Für die
Annahme einer mittelbaren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG ist nicht zwingend ein
statistischer Nachweis erforderlich, dass Träger eines der Merkmale des § 1 AGG
zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden als Personen,
bei denen dieses Merkmal nicht vorliegt. Mittelbare Diskriminierungen können statistisch
nachgewiesen werden, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben (BAG
27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - aaO; 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20, aaO).
22 Zur Feststellung, ob eine mittelbare Benachteiligung vorliegt, sind Vergleichsgruppen zu
bilden, die dem persönlichen Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend
zusammengesetzt sind. Bei Tarifverträgen ist deshalb auf den gesamten Kreis der von der
fraglichen Bestimmung erfassten Normunterworfenen abzustellen. Der Gesamtheit der
Personen, die von der Regelung erfasst werden, ist die Gesamtheit der Personen
gegenüberzustellen, die durch die Regelung benachteiligt werden. Im Vergleich dieser
Gruppen ist zu prüfen, ob die Träger eines Merkmals des § 1 AGG im oben genannten
Sinn besonders benachteiligt sind (BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 28 mwN,
BAGE 137, 80).
23 bb) Die Kausalität zwischen Benachteiligung und verpöntem Merkmal hat der Beschäftigte
als Anspruchsteller darzulegen (vgl. allg. Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. Vor § 284 Rn. 17a;
Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt § 22 Rn. 21). Er genügt seiner Darlegungslast gemäß
§ 22 AGG, wenn er Tatsachen vorträgt, die eine Benachteiligung wegen eines verpönten
Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus
objektiver Sicht nach allgemeiner Lebenserfahrung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals
erfolgte (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 32, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA
SGB IX § 81 Nr. 21; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 65, AP AGG § 22 Nr. 2 =
EzA AGG § 22 Nr. 2). Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Würdigung, ob die
klagende Partei ihrer Darlegungslast nach § 22 AGG genügt hat, ist revisionsrechtlich nur
daraufhin überprüfbar, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen
Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 17. August 2010 -
9 AZR 839/08 - Rn. 34, aaO; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 64, aaO).
24 cc) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, der
Kläger habe eine mittelbare Benachteiligung nicht hinreichend dargelegt,
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
25 (1) Zu vergleichen ist vorliegend die Gruppe aller Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse
dem TVöD unterliegen, mit der Gruppe derjenigen Arbeitnehmer, deren
Arbeitsverhältnisse vor dem 1. Dezember eines Jahres enden und die daher gemäß § 20
Abs. 1 TVöD keinen Anspruch auf die Jahressonderzahlung haben.
26 (2) Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass im Vergleich dieser Gruppen
ältere Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD
aufgrund des Erreichens der Regelaltersgrenze enden, von der Stichtagsregelung des
§ 20 Abs. 1 TVöD in besonderer Weise betroffen sind. Eine besonders nachteilige
Betroffenheit dieser Arbeitnehmer ist auch nicht offenkundig. § 20 Abs. 1 TVöD
unterscheidet nicht nach dem Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse aus anderen Gründen als dem Erreichen der
Regelaltersgrenze vor dem 1. Dezember eines Jahres enden, haben ebenfalls keinen
Anspruch auf die Jahressonderzahlung. Es ist nicht erkennbar, dass die dem TVöD
unterfallenden Arbeitsverhältnisse ganz überwiegend gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD
enden. Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst werden regelmäßig auch auf anderem
Wege beendet. Dies belegt der TVöD selbst, der neben der Regelung des § 33 Abs. 1
Buchst. a Bestimmungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch
Auflösungsvertrag (§ 33 Abs. 1 Buchst. b TVöD), Kündigung (§ 34 TVöD) und Befristung
(§ 30 TVöD) sowie bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente (§ 33 Abs. 2 TVöD) enthält.
Angesichts der Vielzahl möglicher Beendigungsgründe kann nicht mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Arbeitnehmer, deren
Arbeitsverhältnis gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD endet, die Jahressonderzahlung
typischerweise häufiger verlieren als (jüngere) Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse
aus anderen Gründen enden.
27 (3) Der Kläger hat auch keine ausreichenden Indizien für diese Behauptung vorgetragen.
Sein Vorbringen, Stellen im öffentlichen Dienst würden überwiegend nicht neu besetzt, ist
nicht zielführend, weil es keinen Schluss darauf zulässt, auf welche Weise die
betreffenden Arbeitsverhältnisse beendet wurden. Der Hinweis, im Gegensatz zu
Arbeitnehmern, die nach § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD aus dem Arbeitsverhältnis
ausscheiden, könnten jüngere Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse durch
Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag enden, den Beendigungszeitpunkt steuern,
indiziert keine Benachteiligung älterer Arbeitnehmer. Zum einen handelt es sich bei der
Beendigung durch Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag nur um einen Teil der
möglichen Beendigungsgründe; bei anderen Beendigungstatbeständen wie zB einer
arbeitgeberseitigen Kündigung oder einer Befristung können auch jüngere Arbeitnehmer
den Zeitpunkt ihres Ausscheidens nicht steuern. Darüber hinaus ist nicht offenkundig, und
der Kläger hat dies selbst nicht behauptet, dass jüngere Arbeitnehmer bei
Eigenkündigungen und Aufhebungsverträgen in der Praxis tatsächlich von der Möglichkeit
Gebrauch machen, das Ende des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf die
Stichtagsregelung in § 20 Abs. 1 TVöD zu steuern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein
Arbeitnehmer den Ausspruch einer Kündigung und den Abschluss eines
Aufhebungsvertrags in der Regel nur in besonderen Situationen, wie zB bei Aufnahme
einer neuen Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber, in Betracht ziehen wird. Hier fehlt
dem Arbeitnehmer aber typischerweise die Flexibilität, das Ende des Arbeitsverhältnisses
mit Blick auf die in § 20 Abs. 1 TVöD statuierte Voraussetzung für den Erhalt der
Jahressonderzahlung festzulegen.
28 (4) Die vom Kläger geltend gemachte Benachteiligung der Arbeitnehmer, die vor dem
1. Dezember eines Jahres altersbedingt ausscheiden, gegenüber Arbeitnehmern, deren
Arbeitsverhältnis erst nach dem 1. Dezember altersbedingt endet, kann eine mittelbar
diskriminierende Wirkung des § 20 Abs. 1 TVöD ebenfalls nicht begründen. Nach den
oben dargelegten Grundsätzen müssen die Vergleichsgruppen dem persönlichen
Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend zusammengesetzt sein. Bei
Tarifverträgen ist deshalb auf den gesamten Kreis der von der fraglichen Bestimmung
erfassten Normunterworfenen abzustellen. Diesen Anforderungen genügt die vom Kläger
vorgenommene Gruppenbildung nicht, weil sie die ebenfalls von § 20 Abs. 1 TVöD
erfasste Beendigung von Arbeitsverhältnissen aus anderen Gründen als dem Erreichen
der Regelaltersgrenze des § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD außer Betracht lässt.
29 dd) Es kann dahinstehen, ob die vom Kläger in diesem Zusammenhang erhobenen
Verfahrensrügen zulässig sind, da sie in der Sache ohne Erfolg bleiben. Auch der Vortrag
in der Revisionsbegründung ist aus den oben genannten Gründen nicht geeignet,
Anhaltspunkte für eine mittelbare Diskriminierung zu begründen, sodass es auf die
behauptete Verletzung der Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch das
Landesarbeitsgericht nicht ankommt. Gleiches gilt im Hinblick auf den in der mündlichen
Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Beweisantrag. Das
Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es auf die Behauptung, frei
werdende Stellen im öffentlichen Dienst würden überwiegend nicht nachbesetzt, nicht
ankommt, weil sie keinen Schluss darauf zulässt, dass ältere Arbeitnehmer durch die
Stichtagsregelung besonders nachteilig betroffen sind.
30 3. Die in § 20 Abs. 1 TVöD enthaltene Stichtagsregelung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1
und Art. 12 Abs. 1 GG.
31 a) Es kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien bei der tariflichen Normsetzung
unmittelbar grundrechtsgebunden sind. Jedenfalls verpflichtet die Schutzpflichtfunktion der
Grundrechte dazu, den einzelnen Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen
Beschränkung seiner Freiheitsrechte und einer gleichheitswidrigen Regelbildung auch
durch privatautonom legitimierte Normsetzung zu bewahren. Die Tarifvertragsparteien
haben daher bei der tariflichen Normsetzung sowohl den allgemeinen
Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG und die Diskriminierungsverbote des Art. 3
Abs. 2 und Abs. 3 GG als auch die Freiheitsgrundrechte wie Art. 12 GG zu beachten (BAG
23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 21, AP TVG § 1 Tarifverträge: Verkehrsgewerbe
Nr. 19; 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 29, BAGE 136, 270; 27. Mai 2004 - 6 AZR
129/03 - zu II 2 der Gründe, BAGE 111, 8).
32 aa) Allerdings steht den Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch
Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu, über den
Arbeitsvertrags- und Betriebsparteien nicht in gleichem Maße verfügen. Ihnen kommt eine
Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen
Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind (BAG 23. März 2011 - 10 AZR
701/09 - Rn. 21, AP TVG § 1 Tarifverträge: Verkehrsgewerbe Nr. 19; 8. Dezember 2010 -
7 AZR 438/09 - Rn. 29, BAGE 136, 270). Darüber hinaus verfügen sie über einen
Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der
Regelung (BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - aaO; 4. Mai 2010 - 9 AZR 181/09 -
Rn. 23, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 46 = EzA GG Art. 3 Nr. 110). Die Tarifvertragsparteien
sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung
zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund
vorliegt (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - aaO).
33 bb) Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist vor diesem Hintergrund erst dann
anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche
Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu
berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken
orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen (BAG 23. März 2011 -
10 AZR 701/09 - Rn. 21, AP TVG § 1 Tarifverträge: Verkehrsgewerbe Nr. 19;
21. September 2010 - 9 AZR 442/09 - Rn. 27, AP GG Art. 3 Nr. 323). Die
Tarifvertragsparteien dürfen bei der Gruppenbildung generalisieren und typisieren. Die
Differenzierungsmerkmale müssen allerdings im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm
nicht widersprechen (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 22 mwN, aaO).
34 cc) Auch bei der Prüfung, ob eine Tarifnorm gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt, ist der weite
Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen. Dieser ist erst
überschritten, wenn die Regelung auch unter Berücksichtigung der grundgesetzlich
gewährleisteten Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) und der daraus resultierenden
Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien die berufliche Freiheit der
Arbeitnehmer unverhältnismäßig einschränkt (vgl. BAG 19. Dezember 2006 - 9 AZR
356/06 - Rn. 35, 37, AP TzBfG § 8 Nr. 20 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 56).
35 b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die in § 20 Abs. 1 TVöD enthaltene Bindung des
Anspruchs auf eine Jahressonderzahlung an einen Stichtag im Bezugszeitraum mit Art. 3
Abs. 1 GG vereinbar.
36 aa) Die Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD stellt eine Gegenleistung für die vom
Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung dar und hat Vergütungscharakter (zum insoweit
gleichlautenden § 20 TV-L: BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 922/11 -; 10. November
2010 - 5 AZR 633/09 - Rn. 28, ZTR 2011, 150; Sponer/Steinherr TVöD Stand Oktober
2012 (Geyer) Ordner 3 § 20 Rn. 138; zu § 44 BT-S: BAG 14. März 2012 - 10 AZR 778/10 -
Rn. 17, EzA ZPO 2002 § 850a Nr. 2). Dies zeigt die Kürzungsvorschrift des § 20 Abs. 4
TVöD. Hat ein Arbeitnehmer ganzjährig keinen Anspruch auf Entgelt, erhält er, sofern nicht
die Ausnahmen des § 20 Abs. 4 Satz 2 TVöD greifen, keine Jahressonderzahlung.
Gleichzeitig wird mit der Jahressonderzahlung Betriebstreue honoriert (vgl. zu § 44 BT-S:
BAG 14. März 2012 - 10 AZR 778/10 - Rn. 18, aaO; vgl. zum TV Zuwendung: BAG
18. August 1999 - 10 AZR 424/98 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 92, 218). Dies belegt die
Stichtagsregelung in § 20 Abs. 1 TVöD, die einen Bestand des Arbeitsverhältnisses am
1. Dezember verlangt. Darüber hinaus sollen die Mitarbeiter durch die
Jahressonderzahlung auch für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit motiviert
werden (Sponer/Steinherr § 20 Rn. 80; vgl. zu diesem Motivationsgedanken auch: BAG
23. Mai 2007 - 10 AZR 363/06 - Rn. 27, AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 24;
8. März 1995 - 10 AZR 208/94 - zu I 2 b der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 184 =
EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 131; 26. Oktober 1994 - 10 AZR 109/93 - zu II 3
der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 167 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie
Nr. 115).
37 bb) Angesichts dieser Zwecke, die mit der Jahressonderzahlung verfolgt werden, ist die
Differenzierung zwischen Beschäftigten, die vor dem 1. Dezember eines Jahres
ausscheiden, und Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis am 1. Dezember eines Jahres
noch besteht, sachlich gerechtfertigt. Ihren Zweck, Betriebstreue zu belohnen und die
Mitarbeiter auch für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit zu motivieren, kann die
Jahressonderzahlung bei bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern nicht erfüllen. Der
Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien wird damit nicht überschritten.
38 cc) Eine andere Beurteilung ist nicht wegen der vom Kläger in den Vorinstanzen
beanstandeten Regelung in § 20 Abs. 6 TVöD gerechtfertigt. Die Bevorzugung von
Arbeitnehmern, die bis zum 31. März 2005 Altersteilzeit vereinbart hatten, innerhalb der
Gruppe von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis wegen Rentenbezugs vor dem
1. Dezember endet, ist aus Gründen des Vertrauensschutzes sachlich gerechtfertigt.
Nachdem die Tarifvertragsparteien am 9. Februar 2005 eine Grundsatzeinigung über den
Tarifvertrag erzielt hatten, sollte mit der Regelung Rücksicht genommen werden auf
diejenigen Beschäftigten, die nach bisherigem Recht beim Übertritt von der Altersteilzeit in
die Rente eine Teilzuwendung erwarten konnten und hierauf ggf. ihre
Altersteilzeitvereinbarung gestützt hatten (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD
Stand Juli 2012 Ordner 3 § 20 Rn. 178). Arbeitnehmer, die ohne Altersteilzeitvereinbarung
wegen Rentenbezugs aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, befinden sich nicht in einer
vergleichbaren Lage.
39 c) Ebenso wenig verstößt die Stichtagsregelung gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
40 aa) Die Regelung greift allerdings in die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer ein. Art. 12 Abs. 1
GG schützt mit der Freiheit der Arbeitsplatzwahl auch den Entschluss des einzelnen
Arbeitnehmers, an welcher Stelle er dem gewählten Beruf nachgehen möchte. Dies
umfasst seine Entscheidung, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in einem
gewählten Beruf beizubehalten oder aufzugeben (BVerfG 24. April 1991 - 1 BvR 1341/90 -
zu C III 1 der Gründe, BVerfGE 84, 133). Diese Freiheit wird durch § 20 Abs. 1 TVöD
beeinträchtigt, weil mit dieser Regelung die selbstbestimmte Arbeitsplatzaufgabe des
Arbeitnehmers verzögert oder verhindert werden soll (vgl. zu Stichtagsregelungen
außerhalb des Bezugszeitraums in Allgemeinen Geschäftsbedingungen: BAG 18. Januar
2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 31; vgl. zu
Stichtagsregelungen außerhalb des Bezugszeitraums in Betriebsvereinbarungen: BAG
12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 30, BAGE 137, 300).
41 bb) Der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG ist jedoch sachlich gerechtfertigt. Mit der Regelung
des § 20 Abs. 1 TVöD haben die Tarifvertragsparteien den ihnen zustehenden
Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Der Stichtagsregelung liegt ein berechtigtes
Interesse der Arbeitgeber zugrunde. Sie verfolgt das legitime Ziel, die Arbeitnehmer zur
Betriebstreue anzuhalten. Sie ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet, denn sie schafft
einen Anreiz für Arbeitnehmer, von einer an sich statthaften Kündigungsmöglichkeit
keinen oder nur verzögerten Gebrauch zu machen. Es ist auch kein anderes, gleich
wirksames, aber die Berufsfreiheit des betroffenen Arbeitnehmers weniger
einschränkendes Mittel ersichtlich, um diesen an der Arbeitsplatzaufgabe zu hindern (vgl.
zu Stichtagsregelungen außerhalb des Bezugszeitraums in Betriebsvereinbarungen: BAG
12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 30, BAGE 137, 300). Die Einschränkung der
Berufsfreiheit der Arbeitnehmer ist angemessen. Die Stichtagsregelung entfaltet eine
vergleichsweise kurze Bindungswirkung, weil sie lediglich das Bestehen, nicht aber den
ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember verlangt (vgl.
Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese § 20 Rn. 45). Da das Arbeitsverhältnis gemäß § 34
Abs. 1 TVöD jeweils zum Monatsende bzw. zum Ende des Kalendervierteljahres
gekündigt werden kann, kann der Arbeitnehmer somit zum 31. Dezember eines Jahres
kündigen, ohne die Jahressonderzahlung zu verlieren. Eine solche Bindung ist auch
deshalb nicht zu beanstanden, weil es sich beim 31. Dezember um das Ende des
Zeitraums handelt, für den die Jahressonderzahlung gewährt wird. Der Angemessenheit
der Stichtagsregelung steht nicht entgegen, dass mit der Jahressonderzahlung nicht nur
Betriebstreue honoriert, sondern auch die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung
vergütet werden soll. Die Tarifvertragsparteien überschreiten den ihnen zustehenden
Gestaltungsspielraum nicht, wenn sie Sonderzahlungen, die sowohl eine Gegenleistung
für die erbrachte Arbeitsleistung darstellen als auch der Honorierung von Betriebstreue
dienen, vom Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag im
Bezugszeitraum abhängig machen (vgl. zum TV Zuwendung: BAG 18. August 1999 -
10 AZR 424/98 - BAGE 92, 218). Ihr Gestaltungsspielraum ist dabei sowohl gegenüber
den Betriebsparteien (vgl. zu Stichtagsregelungen außerhalb des Bezugszeitraums in
Betriebsvereinbarungen: BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - BAGE 137, 300; 7. Juni
2011 - 1 AZR 807/09 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 55 = EzA
BetrVG 2001 § 88 Nr. 3; 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 -) als auch gegenüber den einseitigen
Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl.
dazu BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie
Nr. 31) erweitert. Insbesondere bedurfte es keiner Ausnahme für die Arbeitnehmer, die
nicht auf eigene Veranlassung, sondern aus anderen Gründen vor dem Stichtag aus dem
Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind. Vielmehr ist es noch gerechtfertigt, wenn die
Tarifregelung insoweit nicht differenziert, sondern pauschaliert.
42 II. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß § 15 Abs. 1 AGG kommt aus den
genannten Gründen mangels Verstoß gegen ein Benachteiligungsverbot nicht in Betracht.
43 III. Auch ein Anspruch auf Gewährung einer Sonderzahlung aufgrund des allgemeinen
Gleichbehandlungsgrundsatzes scheidet aus.
44 1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift wegen seines
Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers nur dort ein, wo
dieser durch gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung
schafft, nicht hingegen bei bloßem - auch vermeintlichem - Normenvollzug (BAG
22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 20, BAGE 133, 33). Innerhalb des
Anwendungsbereichs kollektiv-rechtlich geschaffener Normen ist eine Anwendung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht möglich (BAG 26. April 2000 - 4 AZR 177/99 - zu
II 3 b der Gründe, BAGE 94, 273). Dies gilt auch dann, wenn der Tarifvertrag mangels
Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers nicht unmittelbar und zwingend, sondern lediglich
aufgrund einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme Anwendung findet (BAG 22. Dezember
2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 21, aaO).
45 2. Ein solcher, die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes
ausschließender Normenvollzug liegt vor. Die Beklagte hat lediglich die Normen des
TVöD angewendet, ohne die Voraussetzungen für den Erhalt der Jahressonderzahlung
selbst festzulegen.
46 IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Mikosch
W. Reinfelder
Mestwerdt
Schürmann
Fieback