Urteil des BAG vom 10.12.2013

Mitbestimmung bei der Arbeitszeit - Kappung von Arbeitszeiten - Auslegung einer Betriebsvereinbarung

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 10.12.2013, 1 ABR
40/12
Mitbestimmung bei der Arbeitszeit - Kappung von Arbeitszeiten - Auslegung einer
Betriebsvereinbarung
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss
des Landesarbeitsgerichts München vom 27. März 2012 -
6 TaBV 101/11 - wird zurückgewiesen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer betrieblichen Arbeitszeitregelung.
2 Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen im Bereich der Entwicklung
und Herstellung von Luft- und Raumfahrttechnik. Sie ist Mitglied im Verband der
Bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Antragsteller ist der Betriebsrat eines von der
beteiligten Arbeitgeberin und den weiteren Beteiligten geführten Gemeinschaftsbetriebs in
O.
3 Nach § 2 Nr. 1 (I) des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und
Elektroindustrie (MTV) beträgt die wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer
grundsätzlich 35 Stunden. Gemäß § 4 Nr. 1 (I) MTV gilt als Mehrarbeit auch die über zehn
Stunden täglich hinaus geleistete Arbeitszeit. Mehrarbeit ist nach § 4 Nr. 1 (III) MTV zu
vergüten, soweit sie angeordnet oder vom Arbeitgeber gebilligt wurde.
4 Am 13. Mai 2009 schloss die Arbeitgeberin gemeinsam mit den weiteren Beteiligten und
dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit (BV-Arbeitszeit). Nach Nr. 2.2
BV-Arbeitszeit können die Arbeitnehmer Beginn und Ende der Arbeitszeit von Montag bis
Freitag innerhalb eines Arbeitszeitrahmens von jeweils 6:30 Uhr bis 21:00 Uhr selbst
bestimmen. Die werktägliche Arbeitszeit von zehn Stunden darf nach Nr. 2.3 BV-
Arbeitszeit grundsätzlich nicht überschritten werden. Die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer
werden auf Gleitzeitkonten erfasst. Dazu ist in Nr. 2.4.1 BV-Arbeitszeit bestimmt:
„Bei Über- oder Unterschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit pro Monat wird die Differenz
auf die Folgemonate übertragen. Der Gleitzeitrahmen beträgt bis zu +/- 150 Stunden. Trifft
der Vorgesetzte keine Anordnung nach 2.4.3, Satz 2, so werden für AT-Mitarbeiter auch
Zeitguthaben über + 150 Stunden dem Gleitzeitkonto gutgeschrieben, für tarifliche
Mitarbeiter, werden die über 150 Stunden hinausgehenden Stunden entspr. Ziff. 4 dem
Freizeitkonto zugeführt. Verbleibt bei AT-Mitarbeitern am 31.12. ein positiver Saldo von
mehr als 300 Stunden, so verfällt dieser. Wiedereinsetzen verfallener Gleitzeit ist
ausgeschlossen. Der Betriebsrat wird über die verfallene Gleitzeit informiert.“
5 Für den Ausgleich des Gleitzeitkontos ist nach Nr. 2.4.2 BV-Arbeitszeit jeder Arbeitnehmer
selbst verantwortlich. Weiter ist hierzu in Nr. 2.4.3 BV-Arbeitszeit Folgendes geregelt:
„Bei einem Stand des Gleitzeitkontos zum Monatsende ab +/- 80 Stunden sollen
Führungskraft und Mitarbeiter Maßnahmen vereinbaren, die die Einhaltung der Grenzen
von +/- 150 Stunden sicherstellen, wobei Zeit nur durch Zeit ausgeglichen werden kann.
Zur Sicherstellung der Gleitzeitgrenzen von -/+ 150 Stunden kann die Führungskraft bei
einem Gleitzeitstand von -/+ 100 Stunden Arbeitszeit bei negativem Guthaben oder die
Entnahme von Gleitzeit bei positivem Guthaben anordnen.“
6 Für Mitarbeiter mit tariflichem Arbeitsvertrag wird nach Nr. 4.1 BV-Arbeitszeit zusätzlich
zum Gleitzeitkonto ein persönliches Freizeitkonto geführt, auf dem genehmigte und
geleistete Mehrarbeitsstunden gutgeschrieben werden.
7 Am 13. Oktober 2009 unterzeichneten der Betriebsrat und die Personalleitung des
Gemeinschaftsbetriebes eine Protokollnotiz zu Nr. 2.3 BV-Arbeitszeit (PN). Darin ist
vereinbart:
„Die tägliche Arbeitszeit darf gemäß dem Arbeitszeitgesetz 10 Stunden nicht
überschreiten. Darüber hinaus geleistete Zeiten, sowie Zeiten außerhalb der
Rahmenarbeitszeit sind im Zeiterfassungssystem zu protokollieren, werden aber
dort systemseitig gekappt. In Fällen, die als Ausnahmen/Notfälle im Sinne des
Gesetzes zu betrachten sind, kann der Mitarbeiter mit schriftlicher Zustimmung
seiner Führungskraft sowie Personalbereich und Betriebsrat diese Zeiten seinem
Gleitzeitkonto gutschreiben lassen.
Dieses Verfahren gewährleistet einerseits die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes
und stellt andererseits sicher, dass dem Mitarbeiter in den o.g.
Ausnahmen/Notfällen keine Nachteile entstehen. Die Beteiligung des Betriebsrates
ist bei diesem Verfahren sichergestellt.“
8 In der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 7. Dezember 2010 wurden auf der Grundlage der
PN insgesamt 2.747,51 Arbeitsstunden systemseitig gekappt.
9 Der Betriebsrat kündigte mit Schreiben vom 1. Februar 2011 die Protokollnotiz sowie in
Nr. 2.4.1 BV-Arbeitszeit die Sätze 4 ff. Er hat geltend gemacht, die Kappungsregelungen
seien unwirksam. Hierdurch werde unzulässig in vergütungsrechtlich geschützte
Positionen der betroffenen Arbeitnehmer eingegriffen.
10 Der Betriebsrat hat beantragt
1. festzustellen, dass die Regelung von Satz 2 in der Protokollnotiz vom
13. Oktober 2009 zu Ziff. 2.3 der zwischen dem Antragsteller und der
Antragsgegnerin abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit vom
13. Mai 2009 mit folgendem Inhalt
„Darüber hinaus geleistete Zeiten, sowie Zeiten außerhalb der
Rahmenarbeitszeit sind im Zeiterfassungssystem zu protokollieren,
werden aber dort systemseitig gekappt.“
unwirksam ist;
hilfsweise
festzustellen, dass diese Regelung für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, auf
die der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Bayerischen Metall- und
Elektroindustrie zur Anwendung kommt, unwirksam ist;
hilfsweise
festzustellen, dass diese Regelung durch die Kündigung des Antragstellers
vom 1. Februar 2011 ohne Nachwirkung beendet worden ist;
2. festzustellen, dass die Regelung der Ziff. 2.4.1 Sätze 4, 5 und 6 der zwischen
dem Betriebsrat und den weiteren Beteiligten abgeschlossenen
Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit vom 13. Mai 2009 mit folgendem Inhalt
„Verbleibt bei AT-Mitarbeitern ein positiver Saldo von mehr als
300 Stunden, so verfällt dieser. Wiedereinsetzen verfallener Gleitzeit ist
ausgeschlossen. Der Betriebsrat wird über die verfallene Gleitzeit
informiert.“
unwirksam ist;
hilfsweise
festzustellen, dass diese Regelung durch die Kündigung des Antragstellers
vom 1. Februar 2011 ohne Nachwirkung beendet worden ist.
11 Die beteiligten Arbeitgeberinnen haben Antragsabweisung beantragt.
12 Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Das
Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner
Rechtsbeschwerde verfolgt dieser seine Anträge weiter.
13 B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Der Betriebsrat hat keinen
Anspruch auf die begehrten Feststellungen.
14 I. Das Landesarbeitsgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, neben der zu 2. beteiligten
Arbeitgeberin die weiteren am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeberinnen E R E
GmbH und E I R M GmbH, die ebenso wie die Beteiligte zu 2. auf Arbeitgeberseite die BV-
Arbeitszeit abgeschlossen haben, anzuhören.
15 1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG sind in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller
diejenigen Stellen anzuhören, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer
betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen sind. Die ordnungsgemäße
Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist von Amts wegen noch in der
Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen (BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 17/12 - Rn. 11).
16 2. Die vom Betriebsrat begehrte Entscheidung betrifft auch die weiteren Beteiligten in ihrer
betriebsverfassungsrechtlichen Stellung. Sind die Anträge des Betriebsrats begründet,
stünde zugleich fest, dass auch die Gleitzeitkonten der unter den Geltungsbereich der BV-
Arbeitszeit fallenden Arbeitnehmer der E R E GmbH und E I R M GmbH nicht nach
Maßgabe der angegriffenen Regelungen der BV-Arbeitszeit und der Protokollnotiz
gekappt werden dürften. Die Einbeziehung dieser Arbeitgeber in das Verfahren ist daher
geboten. Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht bedarf es indes
nicht. Der Senat hat die unterbliebene Beteiligung nachgeholt und den betroffenen
Arbeitgeberinnen Gelegenheit gegeben, sich zu äußern (vgl. BAG 25. September 2012 -
1 ABR 45/11 - Rn. 18).
17 II. Die Anträge des Betriebsrats sind unbegründet. Die angegriffenen Vorschriften der BV-
Arbeitszeit und der Protokollnotiz sind wirksam. Sie regeln die Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1
Nr. 2 BetrVG und nicht deren Vergütung.
18 1. Der Hauptantrag zu 1. ist in der gebotenen Auslegung zulässig.
19 a) Nach seinem Wortlaut begehrt der Betriebsrat die Feststellung der Unwirksamkeit der
Regelung in Satz 2 PN, wonach unter den dort beschriebenen Voraussetzungen
Arbeitsstunden zwar im Zeiterfassungssystem protokolliert, aber systemseitig gekappt
werden. Ein solcher Entscheidungsausspruch würde dem Antragsbegehren des
Betriebsrats jedoch nicht gerecht. Dieser wendet sich nach seinem gesamten Vorbringen
nicht gegen die Protokollierung dieser Arbeitszeiten im Zeiterfassungssystem, sondern
allein gegen deren Kappung. Ein am Wortlaut haftendes Antragsverständnis ließe des
Weiteren unberücksichtigt, dass in Not- und Ausnahmefällen geleistete Arbeitszeiten nach
Satz 3 PN von der Kappungsregelung ausgenommen sind. Nach der Antragsbegründung
geht es dem Betriebsrat mit dem Hauptantrag zu 1. jedoch um die Feststellung, dass auch
die zehn Stunden werktäglich übersteigende Arbeitszeit sowie die Arbeitszeit außerhalb
der Rahmenarbeitszeit auf den Gleitzeitkonten der unter den Geltungsbereich der BV-
Arbeitszeit fallenden Arbeitnehmer unabhängig davon gutzuschreiben und zu vergüten ist,
ob ein Not- oder Ausnahmetatbestand iSv. Satz 3 PN vorliegt. Für ein solches
Antragsverständnis spricht auch, dass Anlass des Rechtsstreits die von der Beteiligten zu
2. nach Satz 2 PN vorgenommene Kappung von insgesamt 2.747,51 in der Zeit vom
1. Januar 2010 bis 7. Dezember 2010 geleisteten Arbeitsstunden war. Dies hält der
Betriebsrat wegen des wirtschaftlichen Werts der in dieser Zeit geleisteten Arbeit für
unwirksam.
20 b) Der so ausgelegte Antrag des Betriebsrats ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Er ist
auf die Feststellung eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses der
Beteiligten gerichtet. Es geht um die Feststellung, dass die Regelung in Satz 2 PN
unwirksam ist und die Arbeitgeberinnen deshalb nicht zur Kappung von Arbeitsstunden
berechtigt sind. Für diesen Antrag besitzt der Betriebsrat das erforderliche rechtliche
Interesse an alsbaldiger Feststellung. Diese ist geeignet, einen
betriebsverfassungsrechtlichen Konflikt der Beteiligten endgültig beizulegen und weitere
Verfahren zwischen ihnen zu vermeiden. Es ist nicht ersichtlich, dass die
Arbeitgeberinnen einem gegen sie ergehenden Feststellungsausspruch nicht
nachkommen werden (vgl. auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 13).
21 2. Der Hauptantrag zu 1. ist unbegründet. Nr. 2.3 BV-Arbeitszeit regelt die Arbeitszeit im
betriebsverfassungsrechtlichen Sinn und nicht die vergütungspflichtige Arbeitszeit. Für die
hierauf bezogene PN gilt nichts anderes. Die Kappung von Arbeitsstunden führt dazu,
dass die hiervon erfasste Arbeitszeit nicht als nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 iVm. Nr. 3 BetrVG zu
verteilende Arbeitszeit behandelt wird. Damit haben die Betriebsparteien berücksichtigt,
dass sie die Lage der Arbeitszeit nur innerhalb der gesetzlichen und tarifvertraglichen
Grenzen festlegen können. Durch die Kappung wird jedoch nicht in vergütungsrechtlich
geschützte Positionen der betroffenen Arbeitnehmer eingegriffen.
22 a) Die Protokollnotiz ist eine eigenständige normative Regelung iSv. § 77 Abs. 2 BetrVG.
Sie ist schriftlich niedergelegt, von den Betriebsparteien unterschrieben und enthält nicht
lediglich Hinweise auf deren Motive bei Abschluss der BV-Arbeitszeit. Die
Betriebsparteien haben hierin für den Fall des Überschreitens der täglichen
Höchstarbeitszeit als Rechtsfolge die Kappung dieser Arbeitszeit vorgesehen. Der Inhalt
der PN geht insofern über den Regelungsgehalt von Nr. 2.3 BV-Arbeitszeit hinaus, der
sich zusammenfassend in der deklaratorischen Wiedergabe der aus § 3 ArbZG folgenden
zulässigen täglichen Höchstarbeitszeit erschöpft. Dieses Verständnis der PN entspricht
auch dem der Beteiligten.
23 b) Wortlaut, Systematik und Zweck der BV-Arbeitszeit sowie der Protokollnotiz machen
deutlich, dass die Betriebsparteien mit Satz 2 PN eine Arbeitszeitregelung nach § 87
Abs. 1 Nr. 2 BetrVG getroffen haben. Die Pflicht zur Vergütung geleisteter Arbeit bleibt
hiervon unberührt.
24 aa) In Nr. 2.2 BV-Arbeitszeit haben die Betriebsparteien den zeitlichen Rahmen der
Arbeitszeit festgelegt. Danach ist für die Wochentage Montag bis Freitag der
frühestmögliche Arbeitsbeginn 6:30 Uhr und das spätmöglichste Arbeitsende 21:00 Uhr.
Innerhalb dieser Zeitspanne können die Arbeitnehmer nach Nr. 2.1 BV-Arbeitszeit Beginn
und Ende der Arbeitszeit selbst bestimmen sowie Gleitzeit in Anspruch nehmen. Nach Nr.
2.3 BV-Arbeitszeit darf die werktägliche Arbeitszeit allerdings zehn Stunden nicht
überschreiten. Auf diese Regelung nimmt Satz 2 PN Bezug und sieht ergänzend vor, dass
darüber hinaus geleistete Arbeitszeiten zwar zu protokollieren sind, jedoch systemseitig
gekappt und damit nicht dem Gleitzeitkonto zugeführt werden. Hiermit haben die
Betriebsparteien erkennbar ein Arbeitszeitregime schaffen wollen, das den Arbeitnehmern
ein hohes Maß an Zeitsouveränität gewährt und zugleich sicherstellt, dass die
gesetzlichen Höchstgrenzen des Arbeitszeitrechts beachtet werden. Das entspricht dem
Regelungsauftrag des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dieses Mitbestimmungsrecht bezweckt,
die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich ihrer
freien und für die Gestaltung ihres Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen
(BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 14). Da die Betriebsparteien dabei die
gesetzlichen Höchstgrenzen der Arbeitszeit beachten müssen (Fitting 26. Aufl. § 87
Rn. 98), haben sie bestimmt, dass die über zehn Stunden hinaus geleistete werktägliche
Arbeitszeit gekappt und grundsätzlich nicht als nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu
verteilende Arbeitszeit behandelt wird. Dass sie mit Nr. 2.4 BV-Arbeitszeit und Satz 2 PN
die arbeitszeitrechtlichen Höchstgrenzen nur unvollständig in den Blick genommen haben,
weil diese Bestimmungen die Ausgleichszeiträume des § 3 Satz 2 ArbZG unberücksichtigt
lassen, ist für diesen Rechtsstreit unerheblich.
25 bb) Der Annahme des Betriebsrats, die Kappungsregelung in Satz 2 PN betreffe
vergütungspflichtige Arbeitszeit, steht entgegen, dass hiermit den Betriebsparteien eine
gesetzwidrige Regelungsabsicht unterstellt wird, da eine derartige Regelung für die in den
Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bereits nach § 87 Abs. 1
Eingangshalbs. BetrVG unwirksam wäre. Der in dem Betrieb anwendbare
Manteltarifvertrag sieht in § 4 Nr. 1 MTV vor, dass als vergütungspflichtige Mehrarbeit auch
die arbeitgeberseitig angeordnete oder gebilligte Arbeitszeit gilt, die über zehn Stunden
täglich hinaus geleistet wird. Damit haben die Tarifvertragsparteien die
vergütungsrechtliche Behandlung von außerhalb der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes
geleisteter Arbeit abschließend tariflich geregelt. Ein durch die Betriebsparteien
auszufüllender Gestaltungsspielraum verbleibt in vergütungsrechtlicher Hinsicht nicht. Aus
Wortlaut, Systematik und Zweck der Protokollnotiz ergeben sich keine Anhaltspunkte
dafür, dass die Betriebsparteien diesen Tarifvorbehalt bewusst missachten wollten. Es ist
darüber hinaus auch nicht ersichtlich, dass die Betriebsparteien für die AT-Mitarbeiter eine
abweichende Regelung treffen wollten, da Satz 2 PN nicht zwischen tariflichen und AT-
Mitarbeitern unterscheidet. Eine gesetzeskonforme Auslegung der BV-Arbeitszeit und der
Protokollnotiz spricht daher gegen die Auffassung, die Kappung von Arbeitsstunden
beseitige Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer.
26 cc) Auch bei einem arbeitszeitrechtlichen Verständnis von Satz 2 PN bleibt diese
Bestimmung für Individualansprüche der Arbeitnehmer bedeutsam. Hiernach werden die
Arbeitszeiten, die innerhalb der vorgesehenen Rahmenarbeitszeit bis zu zehn Stunden
werktäglich erbracht werden, durch Gutschrift auf dem Gleitzeitkonto vom Arbeitgeber im
Verhältnis zum Arbeitnehmer streitlos gestellt (vgl. hierzu BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR
521/09 - Rn. 19, BAGE 135, 197). Nur wenn ein Arbeitnehmer länger als zehn Stunden
werktäglich arbeitet, haben sich die Arbeitgeberinnen ein besonderes Prüfungsrecht
vorbehalten. Solche Zeiten werden nach Satz 2 PN im Zeiterfassungssystem protokolliert
und nach Satz 3 PN nur in Ausnahme- und Notfällen mit Zustimmung von Arbeitgeber und
Betriebsrat dem Gleitzeitkonto gutgeschrieben.
27 3. Der vom Betriebsrat in der Rechtsbeschwerdeinstanz im Wege der Antragserweiterung
eingeführte weitere Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist erkennbar
nur für den Fall gestellt, dass der Hauptantrag zu 1. als Globalantrag allein deswegen
keinen Erfolg hat, weil die Kappungsregelung in Satz 2 PN nur insoweit rechtsunwirksam
ist, als tarifliche Arbeitnehmer hiervon betroffen sind.
28 4. Der Hilfsantrag zu 2. ist zulässig, aber unbegründet.
29 a) Der Antrag ist zulässig. In zeitlicher Hinsicht ist er einschränkend dahingehend
auszulegen, dass die begehrte Feststellung den Zeitraum ab dem 2. Juni 2011 betrifft.
Nachdem die Beteiligten nichts anderes vereinbart haben, hat die Kündigung der
Protokollnotiz vom 1. Februar 2011 unter Berücksichtigung der dreimonatigen Frist des
§ 77 Abs. 5 BetrVG erst mit Ablauf des 1. Juni 2011 Wirkung entfaltet.
30 b) Der Antrag ist unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob Satz 2 PN überhaupt isoliert
kündbar war (vgl. hierzu BAG 6. November 2007 - 1 AZR 826/06 - Rn. 26 ff., BAGE 124,
314). Auch wenn man dies unterstellt, wirkt diese Bestimmung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG
nach. Hiernach gelten in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die
Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, die Regelungen einer
Betriebsvereinbarung weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Die
Regelung in Satz 2 PN ist eine solche Angelegenheit. Sie steht im unmittelbaren
Sachzusammenhang mit der BV-Arbeitszeit und bestimmt das Arbeitszeitende bei der
Inanspruchnahme von Gleitzeit. Dies unterliegt nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG der
Mitbestimmung des Betriebsrats (vgl. Fitting § 87 Rn. 115). Die Nachwirkung ist nach den
Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht durch den Abschluss einer anderen
Abmachung entfallen.
31 5. Der Hauptantrag zu 2. ist zulässig, aber unbegründet.
32 a) Der Antrag ist als Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. In der
gebotenen Auslegung ist er darauf gerichtet, festzustellen, dass die Gleitzeitkonten der
außertariflich vergüteten Arbeitnehmer nicht nach Nr. 2.4.1 Satz 4 BV-Arbeitszeit zum
31. Dezember eines Kalenderjahres bei 300 Plusstunden gekappt, sondern ohne
Obergrenze fortgeschrieben werden. Mit diesem Verständnis ist der Antrag gemäß § 256
Abs. 1 ZPO zulässig. Er ist auf die Feststellung eines betriebsverfassungsrechtlichen
Rechtsverhältnisses der Beteiligten gerichtet. Es geht um die Feststellung, dass die BV-
Arbeitszeit den behaupteten Inhalt hat. Hierfür besteht das erforderliche rechtliche
Interesse des Betriebsrats, da dieser zwischen den Beteiligten streitig ist.
33 b) Der Antrag ist unbegründet.
34 aa) Nr. 2.4.1 Satz 4 BV-Arbeitszeit greift ebenso wenig wie die weiteren
Regelungstatbestände in dieser Bestimmung in vergütungsrechtlich geschützte Positionen
der von der Kappung betroffenen AT-Mitarbeiter ein. Die Norm dient allein dazu, das zum
„Gleiten“ verfügbare Arbeitsvolumen dieser Arbeitnehmer zu begrenzen.
35 bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verstößt Nr. 2.4.1 Satz 4 BV-
Arbeitszeit nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
aus § 75 Abs. 1 BetrVG. Es fehlt im Hinblick auf den Regelungsgegenstand schon an
einer Vergleichbarkeit der Arbeitnehmergruppen. Tarifangestellte und AT-Angestellte
befinden sich insoweit nicht in einer vergleichbaren Situation.
36 (1) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende
betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine
Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und
eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen (BAG 1. Februar 2011 - 1 AZR
417/09 - Rn. 20 mwN).
37 (2) Hiernach liegen schon tatbestandlich keine gleichgelagerten Sachverhalte vor, die den
Anwendungsbereich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes eröffnen. Für
Tarifangestellte beträgt der Gleitzeitrahmen 150 Stunden. Wird dieser für diese
Personengruppe überschritten, werden die darüber hinaus geleisteten Stunden dem nach
Nr. 4 BV-Arbeitszeit geführten Freizeitkonto zugeführt. Demgegenüber werden für AT-
Mitarbeiter die über 150 Stunden geleisteten Arbeitsstunden dem Gleitzeitkonto bis zu
einem Positivsaldo von 300 Stunden zugeführt. Für beide Gruppen gilt damit eine gänzlich
unterschiedliche Regelungssystematik. Eine im Verhältnis zu tariflichen Arbeitnehmern
nachteilige Behandlung der AT-Angestellten könnte allenfalls darin liegen, dass nur
zugunsten der tariflich vergüteten Arbeitnehmer Freizeitkonten geführt werden, auf die
Zeitguthaben von mehr als 150 Stunden übertragen werden. Diese unterschiedliche
Behandlung gegenüber AT-Angestellten ist jedoch nicht Gegenstand des Hauptantrags zu
2.
38 6. Der Hilfsantrag zum Hauptantrag zu 2. ist unbegründet. Die Regelungen wirken - wie
oben dargelegt - jedenfalls gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nach. Es bedarf daher keiner
Entscheidung, ob die erfolgte Teilkündigung wirksam war.
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