Urteil des BAG vom 17.09.2013

Betriebsrentenanpassung - Auslegung von Versorgungsbestimmungen - Zusage einer beamtenmäßigen Alters- und Hinterbliebenenversorgung

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 17.9.2013, 3 AZR 910/11
Parallelentscheidung zu führender Sache - 3 AZR 419/11 -
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen
Landesarbeitsgerichts vom 26. Oktober 2011 - 6 Sa 481/11 - wird
zurückgewiesen. Aus Gründen der Klarstellung wird der Tenor des
landesarbeitsgerichtlichen Urteils wie folgt gefasst:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts Gießen vom 3. März 2011 - 1 Ca 12/11 - wird
mit der Maßgabe kostenpflichtig zurückgewiesen, dass auf
den Antrag zu 1. festgestellt wird, dass die Beklagte
verpflichtet ist, die der Berechnung der Betriebsrente des
Klägers nach der BV 1959 zugrunde liegenden zu
dynamisierenden Vergütungsbestandteile auch für die Zeit ab
dem 1. Januar 2007 jedenfalls bis zum 6. September 2020
entsprechend den jeweiligen Erhöhungen der Vergütungen
der aktiven Arbeitnehmer nach dem AVE-
Vergütungstarifvertrag - Gruppe Hessen - fortzuschreiben und
seine Betriebsrente entsprechend anzuheben.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien die
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung des Klägers anzupassen sind.
2 Der im März 1940 geborene Kläger trat im Oktober 1966 in die Dienste des
Zweckverbandes O (im Folgenden: Zweckverband). Der Zweckverband beschäftigte
ausschließlich Arbeiter und Angestellte. Im Jahr 1972 gingen die Arbeitsverhältnisse der
beim Zweckverband Beschäftigten auf die Beklagte über.
3 Die Beklagte sicherte dem Kläger mit Schreiben vom 1. November 1976 eine
beamtenmäßige Alters- und Hinterbliebenenversorgung auf der Grundlage einer vom
Zweckverband am 18. Dezember 1959 geschlossenen Betriebsvereinbarung (BV 1959)
zu. Die BV 1959 lautet auszugsweise wie folgt:
„1.) Mit Zustimmung des engeren Verbandsausschusses wird mit Wirkung vom
1.10.1958 den Betriebsangehörigen, die 10 Jahre ununterbrochen im
Dienste des Z stehen und ihm ihre volle Arbeitskraft ausschließlich zur
Verfügung gestellt haben, eine beamtenmässige Alters- und
Hinterbliebenenversorgung zugesichert.
2.) Die 10-jährige Wartezeit rechnet vom Beginn des
Beschäftigungsverhältnisses beim Z ab, falls nicht ausdrücklich eine andere
arbeitsvertragliche Vereinbarung getroffen wird. …
3.) Für die Berechnung der Hundertsätze der Versorgungs- und
Hinterbliebenenbezüge und die Feststellung der ruhegeldfähigen Dienstzeit
gelten die landesgesetzlichen Bestimmungen.
4.) Die Versorgung wird in der Weise gewährt, daß auf die Sätze einer
beamtenmässigen Alters- und Hinterbliebenen-Versorgung die dem Inhaber
dieser Zusage aus der Sozialversicherung und der Zusatzversorgungskasse
der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Hessen zustehenden
Renten voll angerechnet werden. Voraussetzung für eine betriebliche
Altersversorgung ist also die Zugehörigkeit zu beiden Versicherungen,
wobei die Arbeitgeberanteile in der gleichen Weise wie bisher vom Z
übernommen werden. ...“
4 Die laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der BV 1959 wurden
stets entsprechend der Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst angepasst. Bis
zum Jahr 1981 wurden die Beamtenbesoldung und die tarifliche Vergütung der
Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes zum gleichen Zeitpunkt und in
gleichem Umfang angehoben. Im Jahr 1982 erfolgten die Erhöhungen der
Beamtenbesoldung und der tariflichen Vergütungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, im
Jahr 1983 nicht nur zu unterschiedlichen Zeitpunkten, sondern auch in unterschiedlichem
Umfang.
5 Im Jahr 1982 entschloss sich die Beklagte, die Anpassung der laufenden Leistungen der
betrieblichen Altersversorgung nach der BV 1959 grundsätzlich an die Entwicklung des
Beamtenversorgungsrechts anzulehnen. Die Anpassungen in den Jahren 1982 und 1983
wurden dementsprechend vorgenommen.
6 Mit Schreiben vom 5. Oktober 1983 teilte die Beklagte sämtlichen seinerzeitigen
Beziehern von Leistungen nach der BV 1959 mit:
„…
Aus einer Reihe von Gründen hatten wir uns im Jahr 1982 dazu entschieden, uns
grundsätzlich an die Entwicklung des Beamtenversorgungsrechts anzulehnen. Die
Anpassungen der Jahre 1982 und 1983 wurden auch dementsprechend
vorgenommen.
Zu dieser Entscheidung gab es sehr unterschiedliche Meinungen. Dies hat seine
Ursache darin, daß in unserer beamtenmäßigen Alters- und
Hinterbliebenenversorgung wesentliche Elemente sowohl aus dem Beamtenrecht
als auch aus dem Tarifrecht enthalten sind.
Nach sehr eingehenden Überlegungen und Abwägung aller Argumente sind wir
zum Ergebnis gekommen, daß die Anpassungen jetzt und künftig nicht nach dem
Beamtenrecht, sondern nach dem Tarifrecht vorgenommen werden. Die
entsprechende Nachzahlung erhalten Sie mit der Zahlung für den Monat Dezember
1983.
…“
7 Bis zum 31. Dezember 1994 passte die Beklagte die Leistungen nach der BV 1959
entsprechend den Tariferhöhungen des BAT und des BMT-G an. Ab dem 1. Januar 1995
fanden bei der Beklagten aufgrund eines Arbeitgeberverbandswechsels anstelle des BAT
und des BMT-G die Tarifverträge der Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher
Unternehmen e. V. (AVE) - Gruppe Hessen - Anwendung. Ab diesem Zeitpunkt erhöhte
die Beklagte die laufenden Leistungen nach der BV 1959 entsprechend den jeweiligen
Erhöhungen des für die Mitglieder der Gruppe Hessen jeweils geltenden AVE-
Vergütungstarifvertrages.
8 Der Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 eine gesetzliche Altersrente wegen
Altersteilzeit und von der Beklagten Leistungen nach der BV 1959.
9 Mit Schreiben vom Januar 2008 teilte die Beklagte sämtlichen Betriebsrentnern - so auch
dem Kläger - mit, dass sie beschlossen habe, die Leistungen der betrieblichen
Altersversorgung nach der BV 1959 rückwirkend zum 1. Januar 2007 gemäß den
Bestimmungen des Landesbeamtenrechts anzupassen. Entsprechend dieser
Ankündigung nahm die Beklagte die Anpassungen der Leistungen der betrieblichen
Altersversorgung nach der BV 1959 rückwirkend ab Januar 2007 nach dem
Landesbeamtenrecht vor. Auf die sich ergebenden Erhöhungen rechnete sie die noch aus
der Anwendung des AVE-Tarifrechts resultierenden Leistungsanhebungen an, soweit sie
nicht mehr als drei Jahre vor dem jeweiligen Anpassungsstichtag des Beamtenrechts
erfolgt waren. Mit Wirkung zum 1. Dezember 2007 stieg die tarifliche Vergütung für die bei
der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer um 3,25 % und zum 1. April 2009 um 4 %.
10 Mit seiner Klage hat der Kläger eine Anhebung seiner Betriebsrente entsprechend den
Steigerungen begehrt, die die tariflichen Vergütungen der bei der Beklagten beschäftigten
Arbeitnehmer nach dem AVE-Vergütungstarifvertrag erfahren haben. Zudem hat er für die
Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Dezember 2010 die Zahlung rückständiger
Betriebsrente in Höhe von 6.925,07 Euro verlangt.
11 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Anspruch folge bereits aus der BV 1959.
Diese gewähre lediglich eine beamtenähnliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung.
Daher sei die Beklagte verpflichtet, seine Betriebsrente in dem Umfang anzupassen, in
dem die tariflichen Entgelte der aktiven Mitarbeiter erhöht werden. Im Übrigen habe sich
die Beklagte durch ihr Schreiben vom 5. Oktober 1983 gegenüber allen damaligen und
künftigen Betriebsrentnern im Wege der Gesamtzusage verpflichtet, die Anpassungen
auch in der Zukunft nach dem Tarifrecht und nicht nach dem Beamtenrecht vorzunehmen.
12 Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Erhöhungen des O-
Zuschusses auch über den 1. Januar 2007 hinaus jedenfalls bis zum 6.
September 2020 entsprechend den jeweiligen Erhöhungen des AVE-
Vergütungstarifvertrages vorzunehmen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.925,07 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2011 zu zahlen.
13 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der BV 1959 seien entsprechend den
jeweiligen Erhöhungen nach dem Landesbeamtenrecht anzupassen. Dies folge bereits
aus der BV 1959. Aus ihrem Schreiben vom 5. Oktober 1983 ergebe sich nichts Anderes.
Das Schreiben enthalte keine Gesamtzusage. Es habe sich lediglich um eine Information
der damaligen Bezieher von Leistungen nach der BV 1959 gehandelt; zudem sei es nicht
an die aktiven Arbeitnehmer gerichtet gewesen. Jedenfalls sei eine Gesamtzusage wegen
Verstoßes gegen § 17 Abs. 3 Satz 3, § 16 BetrAVG unwirksam. Eine Anpassung
entsprechend der Tariferhöhungen sei nicht günstiger als eine Anpassung an den
Kaufkraftverlust nach § 16 BetrAVG. Zudem wirke sich aus, dass ihre
Versorgungsverbindlichkeiten gegenüber dem Kläger im Wege der Umwandlung durch
Abspaltung mit Bekanntmachung der Eintragung der Spaltung am 6. September 2010 auf
die O AG übergegangen seien.
14 Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag in vollem Umfang stattgegeben, der
Zahlungsklage hingegen - unter Abweisung im Übrigen - nur teilweise entsprochen und
dem Kläger für die Zeit von Januar 2008 bis Dezember 2010 rückständige Betriebsrente in
Höhe von 6.819,28 Euro zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der
Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf
Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
15 Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im
Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klage ist - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt
ist - in der gebotenen Auslegung zulässig und begründet.
16 I. Die Klage ist zulässig.
17 1. Der Klageantrag zu 1. bedarf jedoch der Auslegung. Danach begehrt der Kläger mit
diesem Antrag die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch ab dem 1. Januar
2007 jedenfalls bis zum 6. September 2020 die der Berechnung seiner Betriebsrente nach
der BV 1959 zugrunde liegenden zu dynamisierenden Vergütungsbestandteile
entsprechend den jeweiligen Erhöhungen der Vergütungen der aktiven Arbeitnehmer
nach dem AVE-Vergütungstarifvertrag - Gruppe Hessen - fortzuschreiben und seine
Betriebsrente entsprechend anzuheben. Zwar ist der Klageantrag seinem Wortlaut nach
darauf gerichtet festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Erhöhungen des O-
Zuschusses auch über den 1. Januar 2007 hinaus entsprechend den jeweiligen
Erhöhungen des AVE-Vergütungstarifvertrages vorzunehmen. Zwischen den Parteien
besteht jedoch Einigkeit darüber, dass der Kläger nach der ihm erteilten
Versorgungszusage nicht verlangen kann, dass die Beklagte seine Betriebsrente nach der
BV 1959 - vom Kläger als „O-Zuschuss“ bezeichnet - entsprechend den jeweiligen
Erhöhungen der Vergütungen der Aktiven nach dem AVE-Vergütungstarifvertrag
„anpasst“, sondern dass die Beklagte allenfalls verpflichtet sein kann, die Betriebsrente
des Klägers in der Weise neu zu berechnen, dass sie die der Berechnung seiner
Betriebsrente zugrunde liegenden Vergütungsbestandteile - soweit sie der Dynamisierung
unterliegen - entsprechend den jeweiligen Erhöhungen der Vergütungen der aktiven
Arbeitnehmer nach dem AVE-Vergütungstarifvertrag fortschreibt (dynamisiert) und seine
Betriebsrente entsprechend anhebt. Da die Beklagte an die vom AVE für die Gruppe
Hessen abgeschlossenen Vergütungstarifverträge gebunden ist, soll die Höhe der
begehrten Steigerungen diesen entsprechen.
18 2. In dieser Auslegung ist der Klageantrag zu 1. zulässig.
19 a) Der Klageantrag zu 1. ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht
nicht entgegen, dass der Kläger die Vergütungsbestandteile, die entsprechend den
jeweiligen Steigerungen der Vergütungen der aktiven Arbeitnehmer nach dem AVE-
Vergütungstarifvertrag - Gruppe Hessen - fortgeschrieben werden sollen, im Klageantrag
nicht näher bezeichnet hat. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, welche
Bestandteile der Vergütung des Klägers an der Dynamisierung teilnehmen.
20 b) Der Antrag ist auch auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses iSd.
§ 256 ZPO gerichtet. Zwar können nach dieser Bestimmung nur Rechtsverhältnisse
Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht hingegen bloße Elemente oder Vorfragen
eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig
auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr auf einzelne
Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder
Verpflichtungen sowie - wie vorliegend - auf den Umfang einer Leistungspflicht
beschränken (BAG 15. Mai 2012 - 3 AZR 11/10 - Rn. 19).
21 c) Soweit der Feststellungsantrag sich auf die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum
31. Dezember 2010 bezieht, handelt es sich um eine Zwischenfeststellungsklage iSd.
§ 256 Abs. 2 ZPO, für die ein besonderes Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO
nicht erforderlich ist. Im Übrigen hat der Kläger ein Interesse an der begehrten
Feststellung, da die Beklagte ihre Verpflichtung zur Fortschreibung der zu
dynamisierenden Bestandteile der ruhegehaltsfähigen Vergütung des Klägers
entsprechend den jeweiligen Erhöhungen des AVE-Vergütungstarifvertrages - Gruppe
Hessen - bestreitet.
22 II. Die Klage ist begründet. Die Verpflichtung der Beklagten, die der Berechnung der
Betriebsrente des Klägers nach der BV 1959 zugrunde liegenden zu dynamisierenden
Vergütungsbestandteile auch ab dem 1. Januar 2007 jedenfalls bis zum 6. September
2020 entsprechend den jeweiligen Erhöhungen der Vergütungen der aktiven
Arbeitnehmer nach dem AVE-Vergütungstarifvertrag - Gruppe Hessen - fortzuschreiben
und die Betriebsrente des Klägers entsprechend anzuheben, ergibt sich entgegen der
Ansicht des Landesarbeitsgerichts zwar nicht aus einer Gesamtzusage der Beklagten; sie
folgt jedoch aus der BV 1959. Die Beklagte schuldet dem Kläger deshalb die Zahlung
rückständiger Betriebsrente für die Zeit von Januar 2008 bis Dezember 2010 in unstreitiger
Höhe von 6.819,28 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2011 (§ 288 Abs. 1 Satz 2, § 286 BGB). Dabei kann
offenbleiben, ob die Versorgungsverbindlichkeiten der Beklagten am 6. September 2010
auf die O AG übergegangen sind. Selbst wenn die Beklagte ab diesem Zeitpunkt nicht
mehr Versorgungsschuldnerin des Klägers sein sollte, haftet sie ihm gegenüber nach
§ 133 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 3 Satz 2 UmwG für die von ihm begehrte Fortschreibung
(Dynamisierung) seiner Betriebsrente nach der BV 1959 jedenfalls bis zum 6. September
2020.
23 1. Die Verpflichtung der Beklagten, die der Berechnung der Betriebsrente des Klägers
nach der BV 1959 zugrunde liegenden zu dynamisierenden Vergütungsbestandteile auch
ab dem 1. Januar 2007 jedenfalls bis zum 6. September 2020 entsprechend den
jeweiligen Erhöhungen der Vergütungen der aktiven Arbeitnehmer nach dem AVE-
Vergütungstarifvertrag - Gruppe Hessen - fortzuschreiben und die Betriebsrente des
Klägers entsprechend anzuheben, ergibt sich nicht - wie vom Landesarbeitsgericht
angenommen - aus einer Gesamtzusage. Die Beklagte hat dem Kläger mit ihrem
Schreiben vom 5. Oktober 1983 die begehrte Neuberechnung und Anhebung seiner
Betriebsrente nicht im Wege der Gesamtzusage versprochen.
24 a) Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach
abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete
Erklärung des Arbeitgebers, jedem Arbeitnehmer, der die von ihm abstrakt festgelegten
Voraussetzungen erfüllt, eine bestimmte Leistung zu gewähren. Der Arbeitnehmer erwirbt
einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistung, wenn er die vom Arbeitgeber
genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ohne dass es einer gesonderten Erklärung
der Annahme des in der Zusage enthaltenen Angebots bedarf. Gesamtzusagen werden
bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart
werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der
Erklärung Kenntnis zu nehmen. Sie sind als „typisierte Willenserklärungen“ nach
objektiven, vom Einzelfall unabhängigen Kriterien auszulegen. Maßgeblich ist der
objektive Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers (BAG 15. Mai 2012 - 3 AZR
610/11 - Rn. 51; 13. Dezember 2011 - 3 AZR 852/09 - Rn. 17; 17. November 2009 - 9 AZR
765/08 - Rn. 19).
25 b) Danach enthält das Schreiben der Beklagten vom 5. Oktober 1983 keine
Gesamtzusage.
26 Das Schreiben war ausschließlich an die damaligen Versorgungsempfänger gerichtet. Es
hat ersichtlich lediglich informatorischen und keinen rechtsbegründenden Charakter. Aus
dem Inhalt des Schreibens ergibt sich, dass die Frage, wie die Zusage der
beamtenmäßigen Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach der BV 1959 im Hinblick
auf die Anpassung der Versorgungsleistungen zu verstehen ist, bei der Beklagten
kontrovers diskutiert wurde und sie sich nunmehr für ein bestimmtes Verständnis der BV
1959 entschieden hatte. Die Beklagte wollte die damaligen Bezieher von Leistungen nach
der BV 1959 darüber in Kenntnis setzen, dass sie in Zukunft die nach der BV 1959
erforderlichen Anpassungen nicht mehr nach dem Beamtenrecht, sondern nach dem
Tarifrecht vornehmen werde. Das Schreiben der Beklagten enthält daher lediglich den
Hinweis darauf, dass sich ihre Rechtsauffassung, nach welchen Kriterien die laufenden
Leistungen nach der BV 1959 zu dynamisieren waren, geändert hatte. Da nur dieser
Personenkreis von der geänderten Anpassungspraxis der Beklagten unmittelbar betroffen
war, bestand auch nur bei diesem unmittelbarer Informationsbedarf.
27 2. Der Verpflichtung der Beklagten, die der Berechnung der Betriebsrente des Klägers
nach der BV 1959 zugrunde liegenden zu dynamisierenden Vergütungsbestandteile auch
ab dem 1. Januar 2007 jedenfalls bis zum 6. September 2020 entsprechend den
jeweiligen Erhöhungen der Vergütungen der aktiven Arbeitnehmer nach dem AVE-
Vergütungstarifvertrag - Gruppe Hessen - fortzuschreiben und die Betriebsrente des
Klägers entsprechend anzuheben, beruht auf der BV 1959. Dies ergibt die Auslegung.
28 a) Die BV 1959 ist als Betriebsvereinbarung nach den für Gesetze und Tarifverträge
geltenden Grundsätzen auszulegen. Dabei ist vom Wortlaut der Bestimmung und dem
durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn
sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu
berücksichtigen, soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist
ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den
wirklichen Willen der Betriebsparteien geben kann. Im Zweifel gebührt derjenigen
Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch
brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. etwa BAG
9. Oktober 2012 - 3 AZR 539/10 - Rn. 21; 14. Dezember 2010 - 3 AZR 939/08 - Rn. 18
mwN).
29 b) Danach ergibt sich, dass den Versorgungsberechtigten in der BV 1959 eine Alters- und
Hinterbliebenenversorgung zugesagt wurde, die sich - soweit in der BV 1959 nichts
Abweichendes geregelt ist - an den jeweils geltenden Prinzipien orientiert, nach denen
sich die Versorgung der Beamten des Landes Hessen bestimmt. Zu den die
Beamtenversorgung kennzeichnenden Prinzipien gehört auch der Grundsatz, dass die
Versorgungsbezüge bei allgemeinen Veränderungen der Dienstbezüge neu zu berechnen
sind. Die entsprechende Anwendung dieses Grundsatzes unter Berücksichtigung der
Besonderheiten der dem Kläger erteilten Versorgungszusage führt dazu, dass die der
Berechnung der Betriebsrente des Klägers nach der BV 1959 zugrunde liegenden
Vergütungsbestandteile - soweit sie der Dynamisierung unterliegen - nicht entsprechend
den Steigerungen der Beamtenbesoldung, sondern nach der Vergütungsentwicklung der
aktiven Arbeitnehmer nach dem AVE-Vergütungstarifvertrag - Gruppe Hessen -
fortzuschreiben sind.
30 aa) Nach Nr. 1 der BV 1959 wird den Versorgungsberechtigten eine „beamtenmäßige“
Alters- und Hinterbliebenenversorgung zugesagt. Damit haben die Betriebspartner die
Bestimmungen des Beamtenversorgungsrechts nicht vollständig in Bezug genommen,
sondern lediglich an die Grundsätze angeknüpft, nach denen sich die Versorgung eines
hessischen Beamten bestimmt.
31 (1) Schon nach ihrer sprachlichen Fassung enthält Nr. 1 der BV 1959 weder die Zusage
einer Beamtenversorgung noch eine umfassende Verweisung auf das für die Versorgung
eines Beamten geltende Recht. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch drückt der Zusatz
„-mäßig“, soweit er einem Substantiv beigefügt wird, aus, dass die beschriebene Sache
auf etwas beruht oder einer Sache folgt (Duden Das große Wörterbuch der deutschen
Sprache 3. Aufl. Stichwort: „-mäßig“ S. 2531). Durch die Verwendung des Begriffs
„beamtenmäßig“ haben die Betriebsparteien daher zum Ausdruck gebracht, dass für die
mit der BV 1959 zugesagte Alters- und Hinterbliebenenversorgung die grundlegenden
Prinzipien gelten sollen, nach denen sich die Versorgung der Beamten bestimmt.
32 (2) Nr. 3 der BV 1959 bestätigt, dass keine umfassende Verweisung auf die
Bestimmungen des Beamtenversorgungsrechts gewollt war. Die Regelung enthält im
Hinblick auf zwei Berechnungsfaktoren der Betriebsrente - die „Hundertsätze“ und die
„ruhegeldfähige Dienstzeit“ - einen ausdrücklichen Verweis auf die landesgesetzlichen,
dh. die für die hessischen Beamten geltenden Be-stimmungen. Hätten die Betriebspartner
mit Nr. 1 der BV 1959 insgesamt die gesetzlichen Vorschriften über die Versorgung der
hessischen Landesbeamten in Bezug nehmen wollen, hätte es der ausdrücklichen
Verweisung in Nr. 3 der BV 1959 nicht bedurft.
33 (3) Die Regelung in Nr. 3 der BV 1959 belegt darüber hinaus, dass die Betriebspartner mit
der Verwendung des Begriffs „beamtenmäßig“ in Nr. 1 der BV 1959 lediglich an die
Grundsätze angeknüpft haben, nach denen sich die Versorgung eines hessischen
Beamten bestimmt. Es gehört seit jeher zu den grundlegenden Prinzipien des
Beamtenrechts, dass sich die Versorgung nach der dem zuletzt wahrgenommenen Amt
entsprechenden Besoldungsgruppe sowie der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit berechnet
und dass ein bestimmter Versorgungsgrad sichergestellt wird. Eine Versorgung ist
deshalb „beamtenmäßig“, wenn es sich um eine an der zuletzt bezogenen Vergütung und
der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit orientierte Versorgung mit einem dem
Beamtenversorgungsrecht entsprechenden Versorgungsgrad handelt (vgl. BAG 11. März
2008 - 3 AZR 719/06 - Rn. 40; 13. November 2007 - 3 AZR 717/06 - Rn. 29). Die Regelung
in Nr. 3 der BV 1959 konkretisiert sowohl den eine beamtenmäßige Versorgung
bestimmenden Berechnungsfaktor „ruhegehaltsfähige Dienstzeit“ als auch den die Höhe
der Versorgung und damit den Versorgungsgrad bestimmenden „Hundertsatz“ durch
Inbezugnahme der entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen. Demgegenüber
haben die Betriebsparteien weder die zuletzt bezogene Vergütung der
Versorgungsberechtigten einer bestimmten Besoldungsgruppe nach dem
Besoldungsgesetz zugeordnet noch bestimmt, dass für die Berechnung der Versorgung
eine bestimmte Besoldungsgruppe zugrunde zu legen ist. Dies zeigt, dass - anders als bei
Beamten - für die Berechnung der Betriebsrenten nach der BV 1959 bei Eintritt des
Versorgungsfalls nicht die zuletzt maßgebliche (fiktive) Besoldung, sondern die zuletzt
bezogene ruhegehaltsfähige Vergütung der Arbeitnehmer maßgeblich sein soll.
34 bb) Die mit der Zusage einer beamtenmäßigen Versorgung verbundene Anknüpfung an
die Grundsätze, nach denen sich die Versorgung der hessischen Beamten bestimmt, ist -
ebenso wie die in Nr. 3 der BV 1959 enthaltene Verweisung auf die landesgesetzlichen
Bestimmungen - dynamisch und nicht statisch auf die im Zeitpunkt des Abschlusses der
BV 1959 oder des Eintritts des Versorgungsfalls bestehenden Grundsätze und
Regelungen ausgestaltet (vgl. BAG 14. Dezember 2010 - 3 AZR 898/08 - Rn. 19 mwN).
Die BV 1959 enthält zwar keine ausdrückliche „Jeweiligkeitsklausel“; gleichwohl ist von
einer dynamischen Inbezugnahme auszugehen. Die BV 1959 verweist ohne zeitliche
Beschränkung auf die Prinzipien des Beamtenrechts sowie auf die unter Nr. 3
aufgeführten landesgesetzlichen Regelungen. Bereits daraus ergibt sich, dass spätere
Änderungen der in Bezug genommenen Grundsätze und Bestimmungen zu beachten sind
(vgl. BAG 19. Dezember 2000 - 3 AZR 511/99 - zu I 1 der Gründe). Im Übrigen ist die
Zusage einer von der Entwicklung des Bezugsobjekts abgekoppelten Versorgung die
Ausnahme und muss deshalb deutlich zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BAG
19. Dezember 2000 - 3 AZR 511/99 - zu I 2 der Gründe). Hieran fehlt es.
35 cc) Für die Versorgung nach der BV 1959 sollen die für die Versorgung der Beamten des
Landes Hessen maßgeblichen Grundsätze allerdings nicht uneingeschränkt gelten.
Vielmehr haben die Betriebspartner unter Nr. 4 der BV 1959 von den zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens der BV 1959 bestehenden beamtenrechtlichen Grundsätzen abweichende
Regelungen vereinbart. Damit haben sie dem Umstand Rechnung getragen, dass die von
der BV 1959 Begünstigten - anders als Beamte - aufgrund ihrer Tätigkeit
Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung und gegenüber der
Zusatzversorgungskasse der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Hessen
erwerben.
36 (1) Aus der in Nr. 4 Satz 1 der BV 1959 vorgesehenen vollen Anrechnung der den
Versorgungsberechtigten aus der Sozialversicherung und der Zusatzversorgungskasse
der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Hessen zustehenden Renten ergibt
sich, dass die Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen durch eine
Gesamtversorgung bewirkt werden soll. Nr. 4 Satz 1 der BV 1959 soll - am
Versorgungsziel gemessen - eine überhöhte Versorgung ausschließen und eine
Mehrfachbelastung des Versorgungsschuldners vermeiden (zu § 55 BeamtVG vgl. BAG
21. Oktober 2003 - 3 AZR 60/03 - zu A II 3 a der Gründe). Diese Regelung war notwendig,
da eine Anrechnung der Renten aus der Sozialversicherung und der
Zusatzversorgungskasse der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Hessen
zum Zeitpunkt der Schaffung der BV 1959 nicht zu den Grundsätzen der
Beamtenversorgung gehörte. Sie war weder im damals geltenden hessischen
Beamtenversorgungsrecht noch im Versorgungsrecht des Bundes vorgesehen. § 86
Abs. 1 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Beamten und Angestellten im
öffentlichen Dienste des Landes Hessen idF vom 11. November 1954 (GVBl. I S. 239) und
in der Fassung, die es durch das Hessische Besoldungsgesetz vom 21. Dezember 1957
(GVBl. I S. 177; im Folgenden: HBesG 1957) erfahren hat, sowie § 115 Abs. 1 des
Bundesbeamtengesetzes vom 14. Juli 1953 (BGBl. I S. 551) idF vom 18. September 1957
(BGBl. I S. 1338) sahen lediglich im Zusammenhang mit der Berechnung der
ruhegehaltsfähigen Dienstzeit die Berücksichtigung bestimmter versicherungspflichtiger
Beschäftigungszeiten vor, während derer der Beamte vor der Berufung in das
Beamtenverhältnis im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis eines öffentlich-rechtlichen
Dienstherrn tätig war, sofern diese Tätigkeit zu seiner Ernennung geführt hatte. In diesem
Fall war der Teil der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der dem Verhältnis
der berücksichtigten versicherungspflichtigen Jahre zu den für die Rente angerechneten
Versicherungsjahren entsprach, insoweit auf die Versorgungsbezüge anzurechnen, als er
nicht auf eigenen Beitragsleistungen beruhte.
37 (2) Auch mit der unter Nr. 4 Satz 2 der BV 1959 getroffenen Bestimmung, wonach
Voraussetzung für Leistungen nach der BV 1959 ist, dass der Versorgungsberechtigte
sowohl der gesetzlichen Rentenversicherung als auch der Zusatzversorgungskasse der
Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Hessen zugehörig ist, also gegen diese
Versorgungsträger Versorgungsansprüche hat, sind die Betriebspartner von den damals
und auch heute noch geltenden Grundsätzen der Beamtenversorgung abgewichen.
Beamte haben aufgrund des in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Alimentationsprinzips
Anspruch auf eine amtsangemessene Alimentation und damit auch eine
amtsangemessene Versorgung unabhängig davon, ob sie daneben Ansprüche auf eine
gesetzliche Rente oder auf eine Rente aus einer zusätzlichen Alters- und
Hinterbliebenenversorgung für Angehörige des öffentlichen Dienstes haben. Erzielen sie
neben der Versorgung derartige Einkünfte, so wirkt sich dies seit der Einführung der
Möglichkeit der Anrechnung von anderen Renten in das Beamtenversorgungsrecht nur auf
die Höhe der Versorgungsbezüge und nicht auf den Anspruchsgrund aus (vgl. BAG
9. Oktober 2012 - 3 AZR 528/10 - Rn. 17). Mit der Regelung in Nr. 4 Satz 2 der BV 1959
haben die Betriebsparteien zum Ausdruck gebracht, dass die Leistungen nach der
BV 1959 dazu dienen, die Versorgung der Versorgungsberechtigten aus der gesetzlichen
Rentenversicherung und der Zusatzversorgungskasse der Gemeinden und
Gemeindeverbände des Landes Hessen auf das für einen Beamten mit derselben
ruhegehaltsfähigen Dienstzeit maßgebliche Versorgungsniveau aufzustocken. Mit der
Altersversorgung nach der BV 1959 sollte demnach ein Beitrag zur Aufrechterhaltung des
Lebensstandards geleistet werden, den die Versorgungsempfänger am Schluss ihrer
Beschäftigung bei der Beklagten und deren Rechtsvorgänger hatten.
38 dd) Zu den mit Nr. 1 der BV 1959 in Bezug genommenen Grundsätzen der
Beamtenversorgung, nach denen sich die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung
nach der BV 1959 bestimmen sollen, gehört auch das Prinzip, dass sich die
Versorgungsbezüge jeweils nach den allgemeinen Veränderungen der Dienstbezüge
errechnen (vgl. zu diesem - einfachgesetzlichen - Grundsatz BVerfG 27. September 2005 -
2 BvR 1387/02 - zu C I 1 b der Gründe, BVerfGE 114, 258; 23. März 1977 - 2 BvL 9/75 -
zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 44, 227).
39 Durch die Einführung von § 86 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz vom 14. Juli 1953 (BGBl. I
S. 551) und - bezogen auf die hessischen Beamten - von § 39 Abs. 1 HBesG 1957,
wonach die Versorgungsbezüge bei einer allgemeinen Erhöhung oder Verminderung der
Dienstbezüge jeweils neu zu regeln waren, ist das bis dahin grundsätzlich geltende
Prinzip, dass die Versorgung sich allein nach den bei Eintritt in den Ruhestand erdienten
Dienstbezügen bemisst, abgelöst worden (vgl. dazu BVerfG 27. September 2005 - 2 BvR
1387/02 - zu C I 1 b der Gründe, BVerfGE 114, 258; 23. März 1977 - 2 BvL 9/75 - zu C I 1 a
der Gründe, BVerfGE 44, 227). Der auch in den nachfolgenden landes- und
bundesgesetzlichen Bestimmungen des Beamten- und Beamtenversorgungsrechts (vgl.
etwa § 121 Hessisches Beamtengesetz vom 21. März 1962 [GVBl. I S. 173]; § 70
BeamtVG vom 24. August 1976 [BGBl. I S. 2485]; § 70 Hessisches
Beamtenversorgungsgesetz vom 1. Januar 2011 [GVBl. I S. 98]) verankerte Grundsatz,
dass sich die Versorgungsbezüge jeweils nach den allgemeinen Veränderungen der
Dienstbezüge errechnen, konkretisiert das in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene
Alimentationsprinzip (vgl. nur BVerfG 24. September 2007 - 2 BvR 1673/03, 2 BvR
2267/03, 2 BvR 1046/04, 2 BvR 584/07, 2 BvR 585/07, 2 BvR 586/07 - Rn. 40 mwN).
Dieses verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang
angemessen zu alimentieren und ihm nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt
verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums
für die Allgemeinheit entsprechend der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen
Entwicklung und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen
Lebensunterhalt zu gewähren (vgl. BVerfG 2. Oktober 2007 - 2 BvR 1715/03, 2 BvR
1716/03, 2 BvR 1717/03 - Rn. 30; 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - Rn. 70, BVerfGE 119,
247; 6. März 2007 - 2 BvR 556/04 - Rn. 64, BVerfGE 117, 330; 27. September 2005 -
2 BvR 1387/02 - zu C I 3 a der Gründe, aaO). Art. 33 Abs. 5 GG gilt demnach nicht nur für
die Besoldung während der aktiven Dienstzeit, sondern auch für die Versorgung während
des Ruhestandes und nach dem Ableben (vgl. BVerwG 19. Dezember 2002 - 2 C 34.01 -
BVerwGE 117, 305). Zwar ist der Gesetzgeber bei der Anpassung der
Versorgungsbezüge nicht verpflichtet, eine strikte Parallelität der Besoldungs- und
Versorgungsentwicklung zu gewährleisten (vgl. BVerfG 27. September 2005 - 2 BvR
1387/02 - zu C I 1 der Gründe, aaO). Dies ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen
Bindung der Höhe der Versorgung an die Bezüge der aktiven Beamten (BAG
30. November 2010 - 3 AZR 798/08 - Rn. 40, BAGE 136, 222).
40 ee) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten führt die Anwendung des
beamtenrechtlichen Grundsatzes, wonach sich die Versorgungsbezüge jeweils nach den
allgemeinen Veränderungen der Dienstbezüge errechnen, nicht dazu, dass die der
Dynamisierung unterliegenden Bestandteile der Vergütung der nach der BV 1959
Versorgungsberechtigten entsprechend den jeweiligen Erhöhungen der
Beamtenbesoldung neu zu berechnen sind; vielmehr ist die Neuberechnung entsprechend
den jeweiligen Erhöhungen der Tarifvergütungen nach dem AVE-Vergütungstarifvertrag -
Gruppe Hessen - vorzunehmen.
41 (1) Die unter Nr. 1 der BV 1959 mit der Zusage einer beamtenmäßigen Versorgung
verbundene Inbezugnahme der für die Versorgung der Beamten des Landes Hessen
maßgebenden Grundsätze bedeutet nicht, dass diese ohne jede Modifikation unmittelbar
zur Anwendung gelangen können. Vielmehr führt die Verweisung lediglich zu einer
sinngemäßen Anwendung dieser Grundsätze unter Berücksichtigung der Besonderheiten
der Versorgungszusage. Selbst für den Fall der umfassenden Verweisung auf die für die
Beamten maßgeblichen Vorschriften können die in Bezug genommenen gesetzlichen
Bestimmungen nicht unbesehen übernommen werden; die Verweisung rechtfertigt
vielmehr nur eine entsprechende Anwendung (vgl. BAG 21. Oktober 2003 - 3 AZR 60/03 -
zu A II der Gründe). Dies gilt erst recht, wenn sich die Versorgungszusage auf eine
Inbezugnahme der Grundsätze des Beamtenversorgungsrechts beschränkt.
42 (2) Die sinngemäße Anwendung des beamtenrechtlichen Grundsatzes der Bindung der
Versorgung an die Besoldung hat zur Folge, dass für die Neuberechnung der
Betriebsrenten nach der BV 1959 die Steigerungen maßgeblich sind, die die tariflichen
Vergütungen der aktiven Arbeitnehmer der Beklagten durch den AVE-
Vergütungstarifvertrag - Gruppe Hessen - erfahren. Nur die Neuberechnung entsprechend
diesen Erhöhungen trägt dem Umstand Rechnung, dass die Versorgungsberechtigten zu
ihrer aktiven Dienstzeit keine Besoldung, sondern eine Vergütung erhielten und dass die
BV 1959 für die Berechnung der Betriebsrenten nicht - wie bei Beamten - an die
ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge, sondern - insoweit abweichend von der
Beamtenversorgung - an die ruhegehaltsfähige Vergütung anknüpft. Sie berücksichtigt
zudem den mit den Leistungen nach der BV 1959 verfolgten Zweck, einen Beitrag zur
Aufrechterhaltung des Lebensstandards zu erbringen, den die Versorgungsberechtigten
am Ende des aktiven Arbeitsverhältnisses erlangt haben. Da dieser Lebensstandard
maßgeblich durch die zuletzt bezogene Vergütung geprägt wird, können für die
Neuberechnung der Betriebsrente nur die Steigerungen maßgeblich sein, die die
Vergütungen der aktiven Arbeitnehmer der Beklagten durch den AVE-
Vergütungstarifvertrag - Gruppe Hessen - erfahren.
43 c) Die sich aus Nr. 1 der BV 1959 ergebende Zusage der Beklagten, die Betriebsrenten
bei jeder Erhöhung der tariflichen Vergütungen nach dem AVE-Vergütungstarifvertrag -
Gruppe Hessen - neu zu berechnen und entsprechend anzupassen, ist nicht nach § 17
Abs. 3 Satz 3 BetrAVG, § 134 BGB unwirksam. Nr. 1 der BV 1959 enthält keine
Abweichung von der gesetzlichen Anpassungsprüfungs- und Entscheidungspflicht nach
§ 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zuungunsten der Arbeitnehmer.
44 aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten gilt § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG grundsätzlich
auch für die mit der BV 1959 zugesagte beamtenmäßige Alters- und
Hinterbliebenenversorgung. Die Regelung findet lediglich dann keine Anwendung, wenn
der Versorgungsempfänger während seiner aktiven Beschäftigungszeit von der
gesetzlichen Rentenversicherung befreit war, weil er eine Vergütung und Versorgung
nach beamtenrechtlichen Grundsätzen erhält sowie bei Krankheit Anspruch auf
Fortzahlung seiner Bezüge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen und auf Beihilfe hat
(BAG 30. November 2010 - 3 AZR 798/08 - Rn. 31 ff., BAGE 136, 222). In diesem Fall
widerspricht die Anwendung der dem Beamtenversorgungsrecht fremden
Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG einer vollständigen
Gleichstellung des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers hinsichtlich der Vergütung und
Versorgung mit Beamten. Diese Voraussetzungen sind vorliegend indes nicht gegeben.
Die nach der BV 1959 Versorgungsberechtigten waren während ihrer aktiven
Beschäftigungszeit nicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit.
Vielmehr war die Versicherungspflicht gemäß Nr. 4 der BV 1959 gerade Voraussetzung
für die Gewährung der Altersversorgung nach der BV 1959.
45 bb) Durch die BV 1959 haben die Betriebsparteien die Anpassungsprüfungspflicht nach
§ 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG nicht abbedungen. Bei Abschluss der BV 1959 galt die
gesetzliche Anpassungsprüfungs- und Entscheidungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2
BetrAVG noch nicht. Die Vorschrift trat erst am 22. Dezember 1974 in Kraft (§ 32 BetrAVG).
Daher kann nicht angenommen werden, dass die Betriebsparteien mit der durch Nr. 1 der
BV 1959 begründeten Verpflichtung zur Dynamisierung der laufenden Betriebsrenten die
gesetzliche Anpassungsprüfungspflicht ausschließen wollten. Die sich aus der BV 1959
ergebende Verpflichtung zur Neuberechnung der Betriebsrenten und Anpassung an die
tarifliche Vergütungsentwicklung ist deshalb auch nicht nach Inkrafttreten von § 17 Abs. 3,
§ 16 BetrAVG am 22. Dezember 1974 unwirksam geworden. Sie besteht vielmehr neben
der Verpflichtung zur Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG.
46 3. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Versorgungsverbindlichkeiten der Beklagten im
Wege der Umwandlung durch Abspaltung am 6. September 2010 auf die O AG
übergegangen sind. Selbst wenn die Beklagte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr
Versorgungsschuldnerin des Klägers sein sollte, haftet sie ihm gegenüber nach § 133
Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 3 Satz 2 UmwG für die von ihm begehrte Fortschreibung
(Dynamisierung) seiner Betriebsrente nach der BV 1959 jedenfalls bis zum 6. September
2020.
47 a) Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG haften die an der Spaltung beteiligten Rechtsträger für
die Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers, die vor dem Wirksamwerden der
Spaltung begründet worden sind, als Gesamtschuldner.
48 Die Verpflichtung der Beklagten, die Betriebsrente des Klägers bei jeder Steigerung der
tariflichen Vergütungen nach dem AVE-Vergütungstarifvertrag - Gruppe Hessen - in der
Weise neu zu berechnen, dass die der Dynamisierung unterliegenden
Vergütungsbestandteile entsprechend den jeweiligen Steigerungen der Vergütungen nach
dem AVE-Vergütungstarifvertrag - Gruppe Hessen - fortgeschrieben werden, und die
Betriebsrente des Klägers entsprechend anzuheben, wurde bereits vor der Eintragung der
Spaltung begründet. Für die Begründung einer Verbindlichkeit iSd. § 133 Abs. 1 Satz 1
UmwG reicht es aus, wenn der Rechtsgrund für die Entstehung der Forderung vor dem
Zeitpunkt der Abspaltung gelegt wurde. Nicht erforderlich ist, dass der Anspruch bereits
entstanden ist (vgl. Semler/Stengel/Maier-Reimer/Seulen UmwG 3. Aufl. § 133 Rn. 12;
Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz UmwG/UmwStG 6. Aufl. § 133 Rn. 11;
Kallmeyer/Sickinger in Kallmeyer UmwG 5. Aufl. § 133 Rn. 8; KK-UmwG/Simon § 133
Rn. 22). Da die Verpflichtung der Beklagten zur entsprechenden Neuberechnung und
Anhebung der Betriebsrente des Klägers aus der BV 1959 folgt, wurde die Verbindlichkeit
vor der Spaltung begründet.
49 b) Die Haftung der Beklagten nach § 133 Abs. 1 UmwG endet jedenfalls nicht vor dem
6. September 2020.
50 Für vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründete Versorgungsverpflichtungen
aufgrund des Betriebsrentengesetzes ist die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten
gemäß § 133 Abs. 3 Satz 2 UmwG auf zehn Jahre befristet. Nach § 133 Abs. 4 iVm. § 19
Abs. 3 UmwG beginnt die zehnjährige Frist an dem Tag, an dem die Eintragung der
Spaltung in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers bekannt gemacht
worden ist. Nach dem Vortrag der Beklagten erfolgte die Eintragung der Spaltung in das
Handelsregister am 6. September 2010. Wann die Bekanntmachung der Eintragung
erfolgte, ist weder vorgetragen noch festgestellt. Diese kann allerdings frühestens am
6. September 2010 vorgenommen worden sein. Nach § 187 Abs. 1 iVm. § 188 Abs. 2 BGB
endet die Frist für eine etwaige Haftung der Beklagten nach § 133 UmwG demnach
frühestens am 6. September 2020.
51 III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gräfl
Schlewing
Ahrendt
Busch
Becker