Urteil des BAG vom 23.08.2012

Arbeitsvertrag - Weisungsrecht - Verpflichtung des Arbeitnehmers, die Steuererklärung durch einen vom Arbeitgeber beauftragten Steuerberater erstellen zu lassen

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 23.8.2012, 8 AZR 804/11
Arbeitsvertrag - Weisungsrecht - Verpflichtung des Arbeitnehmers, die Steuererklärung durch
einen vom Arbeitgeber beauftragten Steuerberater erstellen zu lassen
Leitsätze
Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, der zufolge der Arbeitnehmer seine Steuererklärung
durch eine vom Arbeitgeber beauftragte Steuerberatungsgesellschaft erstellen lassen muss,
benachteiligt den Arbeitnehmer als Allgemeine Geschäftsbedingung unangemessen, § 307
Abs. 1 Satz 1 BGB.
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen
Landesarbeitsgerichts vom 29. August 2011 - 17 Sa 355/11 - wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers, seine Steuererklärung von einer
durch die Beklagte damit beauftragten Steuerberatungsgesellschaft erstellen zu lassen.
2 Der verheiratete Kläger ist ein bei der Beklagten langjährig beschäftigter Techniker.
Zuletzt wurde er nach Florida in den USA entsandt. Dazu schlossen die Parteien unter
dem 3. August 2009 einen Auslandsarbeitsvertrag, in dem es ua. heißt:
4.
4.1. Für die Zeit der Entsendung erhält der Mitarbeiter eine Auslandsvergütung
nach Maßgabe der Vergütungsgrundsätze für entsandte Mitarbeiter unter
Berücksichtigung der wahrgenommenen Funktion/Tätigkeit. Die Vergütung
wird in einem gesonderten Schreiben festgehalten. …
4.3. Das Unternehmen setzt voraus, dass der Mitarbeiter für den Auslandseinsatz
seinen steuerrechtlichen Wohnsitz in Deutschland aufgibt. Durch die
Wohnsitzaufgabe entfällt die unbeschränkte Steuerpflicht des Mitarbeiters in
Deutschland. Das Entfallen der unbeschränkten Steuerpflicht ist
Ausgangspunkt für die Festlegung der Auslandsvergütung. Auf die
Auswirkungen einer Aufrechterhaltung eines steuerlichen Wohnsitzes in
Deutschland ist der Mitarbeiter hingewiesen worden. Eine ggf. dadurch
verursachte zusätzliche Steuerbelastung in Deutschland ist vom Mitarbeiter
zu übernehmen.
4.4. Die Vergütung unterliegt der Besteuerung gemäß den gesetzlichen
Bestimmungen in Deutschland und dem Einsatzort.“
3 Das dazugehörige Vergütungsschreiben vom 7. September 2009 lautet auszugsweise:
„Die Versteuerung erfolgt durch NYC GV/P und geht zu Lasten des Unternehmens,
Die Steuerhochrechnung erfolgt auf Basis der im jeweiligen Bundesstaat gültigen
Steuersätze gemäß Standard-Parameter (Familienstand, Standardfreibeträge). Die
Steuerhochrechnung bezieht sich dabei nur auf das vom Unternehmen gezahlte
Einkommen aus unselbständiger Arbeit sowie Erstattungen aufgrund
arbeitsvertraglicher Verpflichtungen.
Eventuelle Steuermehrbelastungen, die aus privaten, d. h. nicht aus
arbeitsvertraglichen Regelungen resultieren, sind vom Mitarbeiter zu tragen.“
4 Die Beklagte verlangte vom Kläger weiter die Unterzeichnung eines auf den 3. August
2009 datierten Dokuments „Steuererklärung/Besonderheiten USA“, in dem es ua. heißt:
„Das Unternehmen übernimmt für die Dauer der Entsendung die Kosten für die
Steuererklärung des Mitarbeiters im Einsatzland sowie für die deutsche
Steuererklärung im Jahr des Beginns der Entsendung und die deutsche
Steuererklärung im Rückversetzungsjahr. Der Mitarbeiter ist hierbei zur
Zusammenarbeit mit der vom Unternehmen zur Erstellung der Steuererklärung
beauftragten Gesellschaft verpflichtet.
Zum aktuellen Zeitpunkt handelt es sich hierbei um die K AG. K trägt die
Verantwortung für die korrekte Erstellung der Steuererklärung auf Basis der ihr zur
Verfügung gestellten Informationen. …
Der Mitarbeiter ist verpflichtet, die zur Erbringung der vereinbarten Leistungen
notwendigen Daten umfassend und auf dem zwischen dem Unternehmen und K
vereinbarten Weg zur Verfügung zu stellen.
Dabei ist sichergestellt, dass keine Informationen über private steuerliche
Sachverhalte an das Unternehmen gelangen.“
5 Der bereits seit Jahren in den USA gemeinsam mit seiner Frau steuerlich veranlagte
Kläger, der die Leistungen eines anderen Steuerberaters in Anspruch nahm,
unterzeichnete diese Erklärung erst, als die Beklagte seinen weiteren Auslandsaufenthalt
hiervon abhängig machte. Er behielt sich eine gerichtliche Überprüfung vor.
6 Die Beklagte hat einen Rahmenvertrag mit der K AG (im Folgenden: K) geschlossen. Auf
dieser Grundlage lässt die Beklagte die Steuererklärungen ihrer ins Ausland entsandten
Mitarbeiter durch K erstellen. Teil dieses Rahmenvertrages sind die „Allgemeinen
Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vom
1. Januar 2002“, die ua. vorsehen:
„12. Schweigepflicht gegenüber Dritten, Datenschutz
(1) Der Wirtschaftsprüfer ist nach Maßgabe der Gesetze verpflichtet, über alle
Tatsachen, die ihm im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den
Auftraggeber bekannt werden, Stillschweigen zu bewahren, gleichviel, ob es
sich dabei um den Auftraggeber selbst oder dessen Geschäftsverbindungen
handelt, es sei denn, dass der Auftraggeber ihn von dieser Schweigepflicht
entbindet.
(2) Der Wirtschaftsprüfer darf Berichte, Gutachten und sonstige schriftliche
Äußerungen über die Ergebnisse seiner Tätigkeit Dritten nur mit
Einwilligung des Auftraggebers aushändigen.
(3) Der Wirtschaftsprüfer ist befugt, ihm anvertraute personenbezogene Daten
im Rahmen der Zweckbestimmung des Auftraggebers zu verarbeiten oder
durch Dritte verarbeiten zu lassen.“
7 Der Kläger hat die Vereinbarung vom 3. August 2009, der zufolge er verpflichtet ist, seine
Steuererklärung durch K erstellen zu lassen, für unwirksam gehalten. Diese stelle eine
unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 BGB dar. Die Beklagte hätte im Wege des
Weisungsrechts die Zusammenarbeit mit einer bestimmten Steuerberatungsgesellschaft
nicht anordnen dürfen, da sie in seine Privatsphäre, zu der die Steuererklärung gehöre,
nicht eingreifen dürfe. Aufgrund seines Rechts zur gemeinsamen Veranlagung mit seiner
Ehefrau werde zudem in deren Privatsphäre wie in das gemeinsame Recht beider
Eheleute zur Entscheidung über die Nutzung ehelicher Steuervorteile eingegriffen.
8 Zudem sei die Regelung unverhältnismäßig. Genügt hätten auch unternehmensinterne
Vorgaben der Beklagten, die von den Arbeitnehmern den nach ihrer Wahl ausgesuchten
Steuerberatern hätten übermittelt werden können. Es sei ihm nicht zumutbar,
höchstpersönliche, sensible Daten einem Dritten zu übermitteln, zumal die
Unabhängigkeit einer vom Arbeitgeber vergüteten Steuerberatungsgesellschaft in Frage
stünde.
9 Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass die zwischen ihm und der Beklagten unter Vorbehalt
abgeschlossene Vereinbarung „Steuererklärung/Besonderheiten USA“
rechtsunwirksam ist und dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von ihm zu
verlangen, eine entsprechende Vereinbarung mit ihr zu schließen.
10 Die Beklagte hat ihren Antrag auf Klageabweisung damit begründet, dass sie auch
einseitig in Ausnutzung ihres Direktionsrechts nach § 106 GewO eine entsprechende
Anordnung hätte treffen können. Die Einschaltung einer internationalen
Steuerberatungsgesellschaft stelle sicher, dass die Steuern korrekt berechnet und in
richtiger Höhe abgerechnet würden. Dies bewahre sie einerseits vor Haftungsrisiken und
potentieller Rufschädigung, andererseits vor der Zahlung zu hoher Steuern. Mit dem
Kläger sei nicht nur eine Nettolohnabrede getroffen worden, darüber hinaus spare er auch
zusätzlich die Aufwendungen für eine Steuerberatung. Datenschutzrechtlich sei die
Vereinbarung unbedenklich, da die K umfangreichen gesetzlichen
Verschwiegenheitspflichten unterliege. Der Rahmenvertrag bestätige dies und stelle
sicher, dass Informationen über private steuerliche Sachverhalte nicht an das
Unternehmen gelangten.
11 Sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau hätten weiterhin einen Steuerberater frei
auswählen können, nur sei dieser dann zur Zusammenarbeit mit K verpflichtet. Im Übrigen
seien Drittinteressen, etwa die der Ehegattin, im Rahmen von § 307 BGB grundsätzlich
nicht zu berücksichtigen.
nicht zu berücksichtigen.
12 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das
Landesarbeitsgericht mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass der Kläger
nicht verpflichtet sei, seine Steuererklärung von einer von der Beklagten beauftragten
Gesellschaft erstellen zu lassen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
13 Die Revision ist unbegründet. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass
die Vereinbarung zur Zusammenarbeit mit einer von der Beklagten beauftragten
Steuerberatungsgesellschaft gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt und unwirksam ist.
14 A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Vereinbarung zur Steuererklärung durch die K verstoße gegen § 307 Abs. 1 Satz 1
BGB. Im Wege der Ausübung des Direktionsrechts sei die Beklagte nicht berechtigt
gewesen, solches einseitig anzuordnen, weswegen die Regelung von § 106 GewO
abweiche. Die damit eröffnete Inhaltskontrolle ergebe, dass die Vertragsfreiheit des
Klägers eingeschränkt worden sei, weil er mit einer bestimmten
Steuerberatungsgesellschaft kontrahieren müsse. Dies zudem auf einem besonders
sensiblen Gebiet, bei dem in besonderem Maße Vertrauen in die Person des
Vertragspartners geboten sei. Zwar sei das Interesse der Beklagten an einer
ordnungsgemäßen Erstellung der Steuererklärung anzuerkennen, es liege aber
gleichermaßen auf Seiten des Arbeitnehmers selbst vor. Hinzu komme das auf Seiten der
Ehefrau stehende Interesse an gemeinsamer Veranlagung. Der Kläger gerate in eine
Konfliktsituation, da die Ehegattin die Erstellung ihrer Steuererklärung durch K verweigern
könne. Der Verweis auf einen frei zu wählenden, der K zuarbeitenden Steuerberater
überzeuge nicht. Der umgekehrte Fall, dass K oder die Beklagte einem von den Eheleuten
ausgewählten Steuerberater zuarbeitete, der verantwortlich für die abzugebende
Steuererklärung sei, lasse sich ebenso gut vorstellen.
15 B. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
16 I. Das Klagebegehren ist in Form seiner Auslegung durch das Landesarbeitsgericht
zulässig. Gegenstand einer Feststellungsklage können auch einzelne Rechte und
Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis sein (vgl. BAG 18. Mai 2010 - 1 AZR 864/08 - Rn. 13,
AP ZPO 1977 § 256 Nr. 102). Der Kläger hat das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche
Interesse an einer Feststellung, ob er jedes Jahr wiederkehrend verpflichtet ist, seine
Steuererklärung von einer durch die Beklagte ausgewählten Gesellschaft erstellen zu
lassen.
17 II. Die Klage ist auch begründet. Die Klausel in der Vereinbarung
„Steuererklärung/Besonderheiten USA“ vom 3. August 2009, nach der der Kläger mit der K
bei Erstellung seiner Steuererklärung zusammenzuarbeiten hat, hält einer Inhaltskontrolle
nach den §§ 305 ff. BGB nicht stand und ist deswegen unwirksam.
18 1. Auf das Arbeitsverhältnis findet deutsches Arbeitsrecht Anwendung. Mit der Entsendung
des Klägers in die USA liegt ein Sachverhalt mit Auslandsbezug vor. In Ziffer 22 Punkt 4
des Auslandsarbeitsvertrages vom 3. August 2009 haben die Parteien eine zulässige
Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts getroffen (Art. 27 EGBGB, in der bis zum
16. Dezember 2009 gültigen Fassung). Die Verordnung Nr. 593/2008/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche
Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) kommt nicht zur Anwendung, weil der
Vertrag vor dem Stichtag (17. Dezember 2009) geschlossen wurde, Art. 28 der Verordnung
Nr. 593/2008/EG.
19 2. Die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung ist eine von der Beklagten gestellte
Allgemeine Geschäftsbedingung.
20 a) Nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine
Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der
anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Da der Arbeitnehmer
Verbraucher ist (BAG 23. September 2010 - 8 AZR 897/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 48
= EzA BGB § 309 Nr. 6), finden § 305c Abs. 2 und §§ 306, 307 bis 309 nach § 310 Abs. 3
Nr. 2 BGB grundsätzlich auch dann Anwendung, falls die Klausel nur zur einmaligen
Verwendung bestimmt ist und der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf den
Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB gelten Allgemeine
Geschäftsbedingungen vom Unternehmer zudem als gestellt, es sei denn, dass sie durch
den Verbraucher eingeführt wurden.
21 b) Nach den insoweit auf das erstinstanzliche Urteil verweisenden Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei den auf den 3. August 2009 datierten
Schriftstücken um von der Beklagten vorformulierte Schreiben. Diese sind durch die
Beklagte auch gestellt worden, ohne dass der Kläger auf ihre Formulierung Einfluss hatte.
Die Beklagte hat zudem selbst darauf verwiesen, dass sie im Falle eines
Auslandseinsatzes des Mitarbeiters darauf bestehe, dass dieser seine Steuererklärung
durch ein von der Beklagten vorgegebenes Unternehmen erstellen lasse. Unstreitig hat
die Beklagte den Einsatz des Klägers im Ausland von seiner Zustimmung zu ihren
Formulierungen abhängig gemacht.
22 3. Die Klausel weicht von Rechtsvorschriften ab, § 307 Abs. 3 BGB. Es findet eine
Inhaltskontrolle nach § 307 BGB statt.
23 a) Die im Streit stehende Klausel ist nicht § 106 GewO nachgebildet. Eine einseitige
Anordnung, der Kläger möge seine Steuererklärung durch K erstellen lassen, wäre nicht
mehr von dem Weisungsrecht der Beklagten gedeckt. Denn es ginge weder um die nähere
Bestimmung von Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung noch um die Regelung der
Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Das Weisungsrecht dient der
Konkretisierung der Hauptleistungspflicht, indem es dem Arbeitgeber ermöglicht, dem
Arbeitnehmer bestimmte Aufgaben zuzuweisen und den Ort und die Zeit ihrer Erledigung
verbindlich festzulegen. Hinzu kommt eine nicht abschließend aufzählbare, je nach den
Umständen näher zu bestimmende Vielzahl von Pflichten, deren Erfüllung unumgänglich
ist, um den Austausch der Hauptleistungen sinnvoll zu ermöglichen (leistungssichernde
Verhaltenspflichten). Schließlich kann sich das Weisungsrecht auch auf die kollektive
Sphäre beziehen, in der es um diejenigen Regelungsbedürfnisse geht, die durch das
Zusammenwirken mehrerer Arbeitnehmer im Betrieb entstehen (BAG 23. Juni 2009 -
2 AZR 606/08 - Rn. 17, AP GewO § 106 Nr. 3 = EzA GewO § 106 Nr. 3).
24 In den Bereich der privaten Lebensführung darf dagegen durch das Weisungsrecht
grundsätzlich nicht eingegriffen werden (vgl. BAG 18. Juli 2006 - 1 AZR 578/05 - Rn. 24,
BAGE 119, 122 = AP ZPO § 850 Nr. 15 = EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 4; 28. Mai 2002 -
1 ABR 32/01 - zu B I 2 b der Gründe, BAGE 101, 216 = AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung
des Betriebes Nr. 39 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 29; HWK/Lembke
5. Aufl. § 106 GewO Rn. 47; DFL/Klebeck/Kolbe 4. Aufl. § 106 GewO Rn. 30; vgl. auch
BAG 11. Juli 2000 - 1 AZR 551/99 - zu II 2 der Gründe, BAGE 95, 221 = AP BetrVG 1972
§ 87 Sozialeinrichtung Nr. 16 = EzA BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 17 zu dem
Verbot sog. Lohnverwendungsbestimmungen; zu der Reichweite der Regelungsbefugnis
der Betriebspartner Linsenmaier RdA 2008, 1 ff.; zu dem Problem von
Bekleidungsvorschriften Brose/Greiner/Preis NZA 2011, 369 ff.). Nach dem
Gesetzeswortlaut des § 106 Satz 2 GewO kann nur das Verhalten der Arbeitnehmer „im
Betrieb“ geregelt werden.
25 b) Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass der Bereich der
Hauptleistungspflichten - bei dem Kläger also die Erbringung der geschuldeten Arbeit -
nicht betroffen ist. Es ist auch keine leistungssichernde Nebenpflicht tangiert. Eine solche
liegt vor, wenn die Erfüllung der Pflicht unumgänglich ist, um den Austausch der
Hauptleistungspflicht sinnvoll zu gestalten (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 17,
AP GewO § 106 Nr. 3 = EzA GewO § 106 Nr. 3). Die Verpflichtung, K in Anspruch zu
nehmen, dient nicht der Konkretisierung der aus § 611 Abs. 1 BGB geschuldeten
Arbeitspflicht des Arbeitnehmers. Sie dient auch nicht der Konkretisierung der
Hauptleistungspflicht der Beklagten. Es kann offenbleiben, ob der Arbeitgeber überhaupt
berechtigt wäre, kraft seines Weisungsrechts nähere Vorgaben zu machen, die seine
eigene Hauptleistungspflicht betreffen. Selbst wenn man dies annähme, würde sich nichts
anderes ergeben. Die Parteien haben zwar eine Nettolohnvereinbarung getroffen, sodass
es im Innenverhältnis Sache der Beklagten ist, die Lohnsteuer abzuführen und zu tragen.
Dies kann aber auch dann durchgeführt werden, wenn die Steuererklärung nicht durch K
erstellt wird. Es mag aus Sicht der Beklagten wünschenswert und zweckmäßig sein, bei
im Ausland tätigen Arbeitnehmern eine international tätige und erfahrene
Steuerberatungsgesellschaft einzubinden, unumgänglich zur Vertragsdurchführung ist
dies nicht.
26 Es handelt sich auch nicht um eine Regelung, die die Ordnung und das Verhalten der
Arbeitnehmer im Betrieb betrifft. Das Weisungsrecht unterliegt dem grundsätzlichen
Verbot, die private Lebensführung des Arbeitnehmers zu regeln. Die Pflicht zur Erstellung
der Steuererklärung ist eine öffentlich-rechtliche Pflicht und trifft allein den Arbeitnehmer.
Es ist ausschließlich das Verhältnis Arbeitnehmer - Finanzbehörde betroffen und damit die
Privatsphäre, nicht die betriebliche Sphäre. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die
Parteien eine Nettolohnabrede getroffen haben und der Arbeitgeber im Innenverhältnis die
Steuer zu tragen hat.
27 c) Schließlich besteht kein „gesetzliches Leitbild“, das der von der Arbeitgeberin
vorgegebenen Vertragsgestaltung entspricht. § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG bestimmt lediglich,
dass der Steuerpflichtige - hier der Arbeitnehmer - für den abgelaufenen
Veranlagungszeitraum eine Einkommensteuererklärung abzugeben hat. Außerhalb von
Vereinbarungen über die Hauptleistungspflichten und gesetzeswiederholender
Regelungen ist eine AGB-Kontrolle unproblematisch eröffnet.
28 4. Die umstrittene Bestimmung ist als Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten
unwirksam, weil sie den Kläger als Vertragspartner des Verwenders entgegen den
Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
29 a) Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des
Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers
gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird (BAG 19. August
2010 - 8 AZR 645/09 - Rn. 39, AP BGB § 307 Nr. 49). Die Feststellung einer
unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und
Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem
Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Es bedarf
einer umfassenden Würdigung der beiden Positionen unter Berücksichtigung des
Grundsatzes von Treu und Glauben. Dabei ist auch die Stellung der Klausel im
Gesamtvertrag zu berücksichtigen, ebenso wie kompensierende oder summierende
Effekte (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 645/09 - Rn. 40, aaO). Zur Beurteilung der
Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab
anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und
besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der
Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter
Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine
unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Werden Allgemeine
Geschäftsbedingungen für verschiedene Arten von Geschäften oder gegenüber
verschiedenen Verkehrskreisen verwendet, deren Interessen, Verhältnisse und
Schutzbedürfnisse generell unterschiedlich gelagert sind, so kann die Abwägung zu
gruppentypisch unterschiedlichen Ergebnissen führen (BAG 23. September 2010 - 8 AZR
897/08 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 48 = EzA BGB § 309 Nr. 6).
30 Da Arbeitsverträge Verbraucherverträge sind, müssen nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei
der Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung auch die den Vertragsschluss
begleitenden Umstände berücksichtigt werden (BAG 23. September 2010 - 8 AZR
897/08 - Rn. 28, AP BGB § 307 Nr. 48 = EzA BGB § 309 Nr. 6). Dazu gehören
insbesondere persönliche Eigenschaften des individuellen Vertragspartners, die sich auf
die Verhandlungsstärke auswirken, ferner Besonderheiten der konkreten
Vertragsabschlusssituation, wie etwa Überrumpelung, Belehrung oder untypische
Sonderinteressen des Vertragspartners (BAG 23. September 2010 - 8 AZR 897/08 - aaO).
31 b) Die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Interessenabwägung führt im Ergebnis
zur Unwirksamkeit der von der Beklagten eingeführten Vertragsklausel.
32 aa) Das Interesse der Beklagten, die Steuererklärungen der von ihr ins Ausland
entsandten Arbeitnehmer von einer von ihr ausgewählten Steuerberatungsgesellschaft
erstellen zu lassen, ist an sich anzuerkennen. Die Beklagte möchte so sicherstellen, dass
die Steuern auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zutreffend ermittelt werden, da
sich infolge der getroffenen Nettolohnvereinbarung Fehler bei der Steuerberechnung
unmittelbar und zulasten der Beklagten auswirken können. Die börsennotierte Beklagte
muss Wert darauf legen, dass die unternehmensinternen Complianceregelungen
eingehalten werden und dass die Gefahr von Haftungs- und Reputationsschäden, etwa
durch Nachzahlungen an deutsche oder US-amerikanische Steuerbehörden, gering bleibt.
Die Beklagte darf auch versuchen, ihren administrativen Aufwand gering zu halten,
welcher sich erhöhte, müsste sie mit Steuerberatern zusammenarbeiten, die individuell
von den ins Ausland entsandten Arbeitnehmern beauftragt, aber die
unternehmensinternen Richtlinien nicht kennen würden.
33 bb) Durch die Verpflichtung, seine steuerlich relevanten Daten an die von der Beklagten
ausgesuchte Gesellschaft zu übermitteln, wird jedoch in das Recht des Klägers auf
informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.
34 (1) Das in Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Recht auf informationelle
Selbstbestimmung gewährleistet dem Einzelnen die Befugnis, selbst über die Preisgabe
und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen (BVerfG 15. Dezember 1983 - 1 BvR
209/83 - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 65, 1; 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR
595/07 - Rn. 180, BVerfGE 120, 274). Geschützt wird die Befugnis des Einzelnen,
grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen
persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG 15. Dezember 1983 - 1 BvR
209/83 - aaO). Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn
betreffenden Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind,
und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen
vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener
Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden (BVerfG 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 -
Rn. 70, BVerfGE 115, 320). Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um Daten der
Privat- oder gar der Intimsphäre handelt. Ein „belangloses“ Datum gibt es aus Sicht der
Verfassung nicht (vgl. BVerfG 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 - zu C II 2 der Gründe,
aaO). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung findet eine Entsprechung im
Unionsrecht. Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union hat
jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.
35 Überdies handelt es sich bei Steuerdaten um Daten hochsensiblen Inhalts. Die Angaben,
die ein Steuerpflichtiger aufgrund des Abgabenrechts zu machen hat, ermöglichen
weitreichende Einblicke in die persönlichen Verhältnisse, die persönliche Lebensführung
(bis hin zu gesundheitlichen Gebrechen), religiösen Bindungen, Ehe- und
Familienverhältnisse oder politischen Verbindungen sowie in die beruflichen und
sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse (BVerfG 17. Juli 1984 - 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83 -
zu C II 3 a der Gründe, BVerfGE 67, 100). Speziell den Arbeitgeber geht es im Grundsatz
nichts an, wenn der Arbeitnehmer etwa Mitgliedsbeiträge an eine Gewerkschaft steuerlich
absetzt oder Einkünfte aus einer nach Art. 12 GG erlaubten Nebentätigkeit angibt. Die
hohe Bedeutung des Schutzes steuerlich relevanter Daten wird auch durch eine Reihe
von einfachgesetzlichen Vorschriften untermauert. Das Steuergeheimnis wird nach § 30
AO besonders geschützt. Steuerberater unterliegen nach § 57 Abs. 1 StBerG einer
Verschwiegenheitspflicht. Die unbefugte Offenbarung von Steuerdaten ist nach § 355
StGB für Amtsträger und nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB für Steuerberater strafbewehrt.
36 (2) In das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung wird durch die
betroffene Vereinbarung eingegriffen, weil er danach nicht mehr frei entscheiden kann,
wann er wem welche Daten zur Verfügung stellt. Zwar wird das durch Art. 2 Abs. 1 iVm.
Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht
schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers
können durch Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers
gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine
Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob es den Vorrang verdient (BAG 16. Dezember
2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33; vgl.
26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 17, BAGE 127, 276 = AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 54 =
EzA BetrVG 2001 § 87 Überwachung Nr. 2). Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
sind die betroffenen Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers im Sinne einer
praktischen Konkordanz so abzuwägen, dass die geschützten Rechtspositionen für alle
Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR
472/01 - zu B II 3 c der Gründe, BAGE 103, 111 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte
Kündigung Nr. 44 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 58).
37 Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der Kläger habe in die Beschränkung seines
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die unterzeichnete Vereinbarung
selbst eingewilligt. Die Privatautonomie setzt als Grundlage für eine freie Vereinbarung
voraus, dass die Bedingungen der Selbstbestimmung des Einzelnen tatsächlich gegeben
sind (vgl. BVerfG 7. September 2010 - 1 BvR 2160/09, 1 BvR 851/10 - Rn. 34, NJW 2011,
1339). Eine Einwilligung im Falle eines strukturellen Ungleichgewichts eines
Vertragspartners, wie es im Falle von vom Arbeitgeber einseitig vorformulierten und
gestellten Klauseln regelmäßig der Fall ist, vermag daher keine rechtfertigende Wirkung
zu entfalten (vgl. ErfK/Schmidt 12. Aufl. Art. 2 GG Rn. 55; ErfK/Wank 12. Aufl. § 4a BDSG
Rn. 2; Jarass in Jarass/Pieroth GG 12. Aufl. Art. 2 Rn. 16). Die gerichtliche Kontrolle der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist in solch einem Falle gerade erforderlich und
kompensiert die mangelnde Verhandlungsmacht des Vertragspartners des Verwenders
(BVerfG 7. September 2010 - 1 BvR 2160/09, 1 BvR 851/10 - Rn. 35, aaO).
38 (3) Erkennbar gibt es weder eine gesetzliche Grundlage noch eine kollektivrechtliche
Regelung, die es vorsehen, dass der Arbeitnehmer bei der Erstellung seiner
Steuererklärung mit einer vom Arbeitgeber ausgewählten Steuerberatungsgesellschaft
zusammenarbeiten muss. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG sieht vor, dass personenbezogene
Daten erhoben werden dürfen, wenn dies zum Zwecke des Arbeitsverhältnisses
erforderlich ist. Dies gilt für die „Stammdaten“ des Arbeitnehmers wie Name, Alter,
Geschlecht, Adresse etc. (vgl. BAG 22. Oktober 1986 - 5 AZR 660/85 - zu B I 2 b der
Gründe, BAGE 53, 226 = AP BDSG § 23 Nr. 2 = EzA BDSG § 23 Nr. 4; HWK/Lembke
5. Aufl. Vorb. BDSG Rn. 41). Hier geht es aber, wie dargelegt, nicht um die Offenbarung
solcher Daten, die der Arbeitnehmer notwendig schon bei Begründung eines
Arbeitsverhältnisses anzugeben hat oder die der Arbeitgeber ohnehin schon kennt.
39 (4) Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers
wiegt schwer. Sofern es um Daten wie Krankheit oder mittelbar um die
Gewerkschaftszugehörigkeit geht, ist nicht nur der äußere Bereich der Privatsphäre
betroffen. Es handelt sich um besonders sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG, für die
nach § 4a Abs. 3, § 28 Abs. 6 bis Abs. 9 BDSG erhöhte Anforderungen an die Erhebung
und Speicherung zu stellen sind. Es besteht aufgrund des Bezugs der steuerrelevanten
Daten zu allen Lebensbereichen des Einzelnen die Möglichkeit, ein umfassendes
Persönlichkeitsbild zu erstellen. Darüber hinaus stellt sich die Offenlegung sämtlicher
Daten, die der Steuererklärung zugrunde liegen, als unverhältnismäßig im allgemeinen
Sinne dar, weil das Interesse, möglichst die zutreffende Berechnung der Steuer der ins
Ausland entsandten Arbeitnehmer sicherzustellen und somit Doppelbesteuerungen und
sonstige Haftungsrisiken zu vermeiden, sich auch auf anderem Wege erreichen lässt.
Auch ein vom Arbeitnehmer selbst ausgewählter Steuerberater muss grundsätzlich in der
Lage sein, die Steuer bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt zutreffend zu
ermitteln. Es spräche nichts dagegen, dass der Arbeitnehmer seine Steuererklärung bei
einer anderen, aber ebenfalls international tätigen Steuerkanzlei erstellen ließe. Sofern
seitens der Beklagten unternehmensinterne Vorgaben zu beachten sind, könnten diese
dem beauftragten Steuerberater durch den Arbeitnehmer übermittelt werden.
40 (5) Aus dem Umstand, dass die Daten einem Dritten, der K, zur Verfügung zu stellen sind,
ergeben sich weitere Schutzdefizite. Mit K steht der Arbeitnehmer in keinem
Vertragsverhältnis. Ein Vertragsverhältnis ist aber stets die Grundlage eines darauf
aufbauenden Vertrauensverhältnisses. Eine Grundlage für das normalerweise bestehende
Weisungsrecht nach § 665 BGB aus dem der Erstellung der Steuererklärung zugrunde
liegenden Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 Abs. 1 BGB (vgl. MüKoBGB/Müller-
Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 126) besteht zugunsten des Arbeitnehmers nicht. Der
Arbeitnehmer muss diejenigen - wohl in der Regel ihm nicht bekannten -
Rahmenbedingungen akzeptieren, die zwischen der Beklagten und K vereinbart sind.
Bedenklich erscheint in diesem Kontext, dass nach Ziffer 12 Abs. 3 der vorgelegten
„Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vom 1. Januar 2002“ die Verarbeitung
personenbezogener Daten auch durch Dritte zulässig sein soll. Eine direkte vertragliche
Grundlage für eine Haftung der K besteht nicht, ein Schadensersatz ließe sich allenfalls
über die Figur eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter realisieren. Ferner
erscheint die Klausel deshalb als unangemessen, weil sie der Arbeitgeberin ein
Bestimmungsrecht einräumt, das es ihr ermöglicht, zukünftig auch eine andere
Steuerberatungsgesellschaft als K einzusetzen. Der Arbeitnehmer muss daher auch in
Kauf nehmen, seine Steuerdaten zukünftig an eine bei Vertragsschluss noch völlig
unbekannte Steuerberatungsgesellschaft weitergeben zu müssen.
41 (6) Für das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung besteht eine weitere
Gefährdungslage insoweit, als personenbezogene Daten an seinen Arbeitgeber gelangen
könnten.
42 Eine grundrechtsrelevante Gefährdungslage kann bereits im Vorfeld konkreter
Bedrohungen benennbarer Rechtsgüter entstehen, insbesondere wenn
personenbezogene Informationen in einer Art und Weise genutzt und verknüpft werden
können, die der Betroffene weder überschauen noch verhindern kann (BVerfG 27. Februar
2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - Rn. 180, BVerfGE 120, 274). Die Beklagte hat im
Prozess zwar vorgetragen, es sei sichergestellt, dass die Steuerdaten des Arbeitnehmers
nicht an die Beklagte weitergeleitet würden und dies wurde auch in dem Schreiben
„Steuererklärung/Besonderheiten USA“ vom 3. August 2009 schriftlich festgehalten. Der
Steuerberater ist jedoch immer auch seinem Auftraggeber verpflichtet. Letzterer kann von
dem Weisungsrecht nach § 665 BGB Gebrauch machen. Eine Interessenkollision
erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen.
43 (7) Von der Beklagten befürchtete Haftungsschäden lassen sich auch bei Hinzuziehung
eines Steuerberaters, den der Arbeitnehmer selbst ausgewählt hat, vermeiden. Die Gefahr
eines Reputationsschadens besteht generell. Konkrete Fälle aus der Vergangenheit, in
der sie aufgrund einer Steuernachzahlung einen Reputationsschaden erlitten hat, hat die
Beklagte jedoch nicht vorgetragen. Allgemeine Befürchtungen reichen nicht aus. Das
Interesse, den Verwaltungsaufwand gering zu halten, reicht nicht aus, um besondere,
personenbezogene Daten zur Verfügung stellen zu lassen.
44 (8) Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht schließlich berücksichtigt, dass die
vereinbarte Regelung wegen des Rechts zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung von
Eheleuten entweder einen besonders gravierenden Eingriff in das Recht des Ehegatten
auf seine informationelle Selbstbestimmung darstellte oder - bei Verzicht auf gemeinsame
Veranlagung - eine Beeinträchtigung der vom Gesetzgeber vorgenommenen
steuerrechtlichen Förderung von Ehe und Familie, Art. 6 Abs. 1 GG (von Coelln in Sachs
GG 6. Aufl. Art. 6 Rn. 39; Uhle in Epping/Hillgruber GG Art. 6 Rn. 37). Das
Ehegattensplitting im Falle gemeinsamer Veranlagung dient dazu, der Benachteiligung
von Eheleuten entgegenzuwirken, die bei progressiv gestalteten Steuertarifen eintreten
kann, wenn beide Eheleute zusammen veranlagt werden. Es stellt eine
verfassungskonforme und ehegerechte Ausgestaltung des Steuerrechts dar (vgl. BVerfG
3. November 1982 - 1 BvR 620/78, 1 BvR 1335/78, 1 BvR 1104/79, 1 BvR 363/80 - zu C I
4 der Gründe, BVerfGE 61, 319). Entsteht der durch die Allgemeine Geschäftsbedingung
hervorgerufene Nachteil in der Person eines Dritten, für die der Vertragspartner des
Verwenders rechtlich oder kraft persönlicher Verbundenheit einzustehen hat, so stellt sich
der Nachteil mittelbar auch als eigener Nachteil dar, weshalb es geboten ist, auch ein
Drittinteresse mit einzubeziehen (vgl. BGH 7. Oktober 1981 - VIII ZR 214/80 - zu II 3 a bb
der Gründe, NJW 1982, 178; Staudinger/Coester [2006] § 307 Rn. 146;
Däubler/Bonin/Deinert/Deinert 3. Aufl. § 307 Rn. 59; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 307
Rn. 11).
45 5. Die unangemessene Benachteiligung des Klägers iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird
auch nicht durch einen dem Kläger im Vertragswerk gewährten anderweitigen Vorteil
kompensiert. Dabei müssen Vor- und Nachteile in einem inneren Zusammenhang stehen
(Däubler/Bonin/Deinert/Deinert 3. Aufl. § 307 Rn. 95; Wolf in Wolf/L./P. AGB-Recht 5. Aufl.
§ 307 Rn. 219; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht 11. Aufl. § 307 BGB Rn. 151;
Staudinger/Coester [2006] § 307 Rn. 125; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 307 Rn. 14).
46 a) Die Nettolohnabrede stellt keine wirksame Kompensation dar. Dies ist zwar für den
Arbeitgeber risikoreich, weil der Arbeitnehmer durch Änderung von in seiner Sphäre
liegenden Umständen die Lohnkostenbelastung erhöhen kann und sich Änderungen im
Steuerrecht auch zulasten des nettolohnverpflichteten Arbeitgebers auswirken können.
Dem steht aber spiegelbildlich entgegen, dass der Arbeitnehmer seine Steuerlast
individuell nicht positiv beeinflussen kann und er von Steuererleichterungen seitens des
Gesetzgebers nicht profitiert.
47 b) Die Übernahme der Kosten einer Steuerberatung steht nicht im Zusammenhang mit der
Verpflichtung des Arbeitnehmers, seine Daten an die K weitergeben zu müssen. Zwar
gehören beide Regelungen zur Frage „Behandlung der Lohnsteuer“. Sie betreffen aber
unterschiedliche Materien. Durch die Übernahme der Kosten für die Hinzuziehung eines
Steuerberaters wird dem Arbeitnehmer ein zusätzlicher Lohnbestandteil gewährt (vgl. BFH
21. Januar 2010 - VI R 2/08 - zu II 2 b der Gründe, BFHE 228, 80 = EzA EStG § 19 Nr. 14).
Damit wird eine Regelung über die Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis getroffen.
Hingegen kann der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des
Arbeitnehmers nicht durch höheren Lohn „kompensiert“ werden.
48 c) Zu Unrecht rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht hätte bei Berücksichtigung der
im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu dem
Ergebnis gelangen müssen, dass Klauseln wie die hier vorliegende, nach der der
Arbeitnehmer im Falle eines Auslandseinsatzes verpflichtet wird, seine Steuererklärung
durch eine vom Arbeitgeber beauftragte Steuerberatungsgesellschaft erstellen zu lassen,
wegen Üblichkeit im Arbeitsleben anzuerkennen seien. Dabei ist davon auszugehen, dass
nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Besonderheiten des Arbeitslebens relevant
sind (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 5 der Gründe, BAGE 115, 19 = AP BGB
§ 310 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3; vgl. 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 33, BAGE
117, 155 = AP BGB § 308 Nr. 3 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 48). Soweit die
Beklagte sich erstmals in der Revisionsinstanz darauf berufen hat, Klauseln wie die hier
im Streit stehende Regelung würden von einer Vielzahl von Unternehmen verwendet,
handelt es sich um einen neuen Sachvortrag, der nach § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich
unzulässig und vom Senat nicht zu beachten ist. Im Übrigen hat die Beklagte in der
Revisionsverhandlung eingeräumt, dass nur „etwa 60 %“ der Unternehmen mit häufigem
Auslandseinsatz derartige Regelungen vorsehen. Da nahezu die Hälfte aller
Unternehmen auf derartige Regelungen verzichten kann, kann von einer im Arbeitsrecht
geltenden Besonderheit iSd. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht die Rede sein.
49 C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Hauck
Böck
Breinlinger
Der ehrenamtliche
Richter Brückmann
ist wegen Ablaufs der
Amtszeit
an der
Unterschriftsleistung
verhindert.
Hauck
Bloesinger