Urteil des AG Stuttgart vom 09.02.2006

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AG Stuttgart Urteil vom 9.2.2006, 9 C 3734/04
Aufhebung eines Hypothekendarlehens: Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.685,01 Euro zuzüglich 5 Prozentpunkte über dem
Basiszinssatz Zinsen seit 24.12.2003 zu bezahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt 90 %, der Kläger 10 % der Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren
Betrages vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung. Dem Kläger wird
nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren
Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte den Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 BGB
wegen überzahlter Vorfälligkeitsentschädigung aus Anlass der Aufhebung eines Umschuldungsdarlehens
geltend.
2
Der Kläger schloss mit der Beklagten am 24./31.1.2000 ein Darlehensvertrag über ein Umschuldungsdarlehen
mit einem Hypothekenbetrag von 350.000,– DM. Abgesichert war das Darlehen durch die Einräumung einer
erstrangigen Grundschuld im Nennbetrag von 346.000,– DM auf dem im hälftigen Miteigentum des Klägers
stehenden Grundbesitz in R.
3
Am 18.5.2003 wurde zwischen den Parteien eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen, wobei die Beklagte
eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 14.487,07 Euro verlangte.
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Der Kläger bezahlte den verlangten Betrag, da hiervon die Erteilung von Löschungsbewilligungen abhängig
gemacht wurde.
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Der Kläger bringt vor, die Beklagte habe lediglich einen Anspruch auf Bezahlung einer
Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 11.466,62 Euro und verlangt den zuviel bezahlten Betrag von 3.020,25
Euro zurück. Die Beklagte habe eine zu niedrig ersparte Risikokostenmarge von 0,06 % festgesetzt, aber nicht
eine von 0,150 % und eine Verwaltungskostenmarge von 20,– Euro p.a. statt 5,– Euro je Rate und den Ertrag
der Wiederanlage mit 3,4992 % falsch auf Grundlage statischer Marktzinssätze berechnet habe.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.020,25 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.12.2003 zu verurteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
10 Die Beklagte gewähre sehr günstige Immobilienkredite, was dadurch erreicht werde, dass die Beklagte ihre
Verwaltungskosten sehr niedrig halte. Dem Rückforderungsanspruch des Klägers stehe entgegen, dass die
Parteien sich auf ein Vorfälligkeitsgeld geeinigt hätten und dies vorbehaltlos erfüllt worden sei. Bei dem Kredit,
den der Kläger genommen hat, einen Baukredit, sei die Beklagte grundpfandrechtlich abgesichert gewesen, so
dass sie nur eine Risikokostenmarge von 0,06 % angesetzt habe. Der Beleihungsrahmen habe sich innerhalb
von 60 % des beliehenen Objektes gehalten.
11 Die Beklagte erstelle jährlich nur einen Auszug für die Darlehenskonten, was die Kosten sehr niedrig halte und
11 Die Beklagte erstelle jährlich nur einen Auszug für die Darlehenskonten, was die Kosten sehr niedrig halte und
weswegen auch nur Kosten von jährlich 20,– Euro angefallen seien. Bezüglich der Wiederanlagezinsen habe
die Beklagte die einzelnen Marktzinssätze per 15.5.2003 festgestellt und den Mittelwert hieraus beträgt 3,4992
% ermittelt. Insoweit habe eine Staffelung stattgefunden und es sei nicht von einem statischen Wert
ausgegangen worden, wie die Klägerseite dies tue.
12 Zum übrigen Vorbringen der Parteien wird auf Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen. Es wurde Beweis
erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 13.1.2005 (Bl. 92 d. A.). Auf das Gutachten des Sachverständigen T A
vom 6.9.2005 (Bl. 106 ff. d. A.) sowie seine Ergänzung hierzu vom 10.11.2005 (Bl. 143 ff. d. A.) sowie die
mündliche Stellungnahme des Sachverständigen im Termin vom 15.12.2005 (Bl. 146 ff. d. A.) wird ebenfalls
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
13 Die Klage ist zulässig und in Höhe von 2.685,01 Euro begründet, da die Beklagte zwar eine Risikomarge von
0,06 % p.a. anzusetzen durfte als auch eine Verwaltungskostenmarge von 20,– Euro pro Jahr, aber nach BGH
richtet sich die Schadensberechnung nach der Cash-Flow-Methode, die zu erfolgen hat und dabei ist eine
Rendite einer laufzeitkongruenten Wiederanlage in Hypothekenpfandbriefen zugrunde zu legen ist, die der
Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank entnommen werden kann und nicht nach den SWAP-Sätzen,
die die Beklagte benutzt hatte.
14 Zur Risikomarge von 0,06 %:
15 Wie der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt hat, bestand bei einer ca. 60 %igen Absicherung des
Darlehens am Grundstückswert kein großes Risiko, so dass 0,06 % p.a. angemessen erscheinen. Die
Ausfallwahrscheinlichkeit hängt vom individuellen Verwertungsrisiko der dem Darlehen zugrunde liegenden
Sicherheit ab.
16 Zur Verwaltungskostenmarge von 20,– Euro:
17 Hier hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass sie lediglich einmal jährlich eine Abrechnung macht
und keine monatliche Abrechnung, so dass ein Ansatz von 20,– Euro gerechtfertigt erscheint.
18 Zur Ermittlung des Ausfallzinses:
19 Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen sowie mündlichen Gutachten dargelegt, dass es verschiedene
Möglichkeiten der Aktiv/Passivberechnung der Anlage bis zum Ende der Zinssatzfestschreibung, den
Ausfallzins zu ermitteln, gibt u.a. die vom BGH angewandten Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank
und die SWAP-Sätze, die die Beklagte benutzt. Die Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank ermittelt
den Wert anhand der Hypothekenbankbriefe, die der Bundesbank gemeldet werden und bildet daraus einen
Mittelwert. Der SWAP-Satz, den die Beklagte benutzt hatte, bildet einen Mittelwert aus den tatsächlich
gehandelten Werten am Markt. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 30.11.2004 (XI ZR 285/03) sich zwar
für eine Schadensberechnung nach der Cash-Flow-Methode entschieden und dabei die Rendite einer
laufzeitkongruenten Wiederanlage in Hypothekenpfandbriefen zugrunde zu gelegt, so wie sie der
Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank entnommen werden kann. Zwar hat sich der BGH dem
Wortlaut nach nicht eindeutig für die Zugrundelegung der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank
ausgesprochen, sondern lediglich gegen die Anwendung der sog. PEX-Statistik, aber da der BGH die
Nachteile, die die Anwendung der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank in Kauf genommen hat und
nicht etwa deutlich gemacht hat, dass nach dem SWAP-Satz zu rechnen ist, der wieder zur anderen Werten
kommt, war davon auszugehen, dass der BGH in seiner neueren Entscheidung die Vor- und Nachteile der
einzelnen Berechnungsmethoden abgewogen hat und zu der Überzeugung gelangt ist, dass die
Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank jedenfalls am wenigsten Nachteile bietet. Es war deshalb
auch nach Überzeugung des Sachverständigen nicht zwingend notwendig, auf Grund eventuell geänderter
Tatsachen von der Anwendung der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank abzuweichen.
20 Der Sachverständige wendete auch überzeugend die Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank zum
Abnahmetag an und errechnete die Nichtabnahmeentschädigung danach und nicht wie die Klägerseite unter
Anwendung der Interpolation, wie die Verbraucherzentrale es gemacht hat. Die Bundesstatistik gibt den
Zinssatz für einen ganzen Zeitraum an etwa 1 bis 2 Jahre, 3 bis 4 Jahre usw., während die Verbraucherzentrale
als Rechnungszeitpunkt die Mitte dieses Zeitraums ansetzt. Auch hier ist es wieder so, dass man absolute
Ergebnisse weder bei der ersten Berechnungsmethode noch bei der zweiten Berechnungsmethode erreichen
kann, so dass sich das Gericht der Berechnungsmethode des Sachverständigen anschließt.
21 Unter Berücksichtigung der Risikomarge von 0,06 % p.a. und der Verwaltungskostenmarge von 20,– Euro pro
Jahr und ohne Berücksichtigung einer Bearbeitungsgebühr, die auch in der ursprünglichen Berechnung nicht
erhoben wurde, ergibt sich ein Vorfälligkeitsentgelt in Höhe von 11.802,06 Euro und somit ein
Rückzahlungsanspruch in Höhe von 2.685,01 Euro.
22 Der Kläger kann diese Rückforderung auch geltend machen, ohne dass er sich diese bei Bezahlung
vorbehalten hat, da die Beklagte sie nicht aus dem Vertrag entlassen hätte, wenn er das von der
Beklagtenseite geforderte Vorfälligkeitsentgelt nicht bezahlt hätte.
23 Es handelt sich somit nicht um ein Anerkenntnis der Forderung durch Bezahlung.
24 Der Kläger kann ab Verzug Verzugszinsen in der gesetzlichen Höhe verlangen.
25 Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709,
708 Ziffer 11, 711 ZPO.