Urteil des AG Neuss vom 28.01.2009

AG Neuss: entlastung, verwaltung, grobes verschulden, geschäftsführer, prozesskosten, geschäftsordnung, verwalter, abstimmungsergebnis, verfügung, verkündung

Amtsgericht Neuss, 101 C 442/07
Datum:
28.01.2009
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
durch den Richter am Amtsgericht
Entscheidungsart:
Anerkenntnisurteil
Aktenzeichen:
101 C 442/07
Tenor:
1. Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom
30.08.2007 zu dem Tagesordnungspunkt „Entlastung der Verwaltung“
wird für ungültig erklärt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Verwalterin auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Verfahrensbeteiligten sind die Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage. In
der Wohnungseigentümerversammlung vom 30. August 2007 haben die
Versammlungsteilnehmer unter Tagesordnungspunkt über die Entlastung der
Verwaltung für die gesamte Tätigkeit im Wirtschaftsjahr 2006 beraten und beschlossen.
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Vor der Aufnahme der Beratungen über diesen Tagesordnungspunkt hat die
Miteigentümerin Frau einen Antrag zur Geschäftsordnung gestellt, welcher dahin ging,
den Tagesordnungspunkt erst zum Schluss abzuhandeln, mit der Begründung, dass es
um die Entlastung der Verwaltung für die gesamte Tätigkeit im Wirtschaftsjahr 2006
gehe und es deshalb ratsam sei,erst einmal über diese gesamte Tätigkeit zu sprechen.
3
Der Geschäftsführer der Verwalterin hat als Versammlungsleiter die Handzeichen zu
diesem Geschäftsordnungsantrag überschlägig nach Kopfanteilen gezählt und durch
Substraktionsmethode entschieden, dass weniger als die Hälfte der
Versammlungsteilnehmer für diesen Geschäftsordnungsantrag gestimmt haben.
Entsprechend gibt das Protokoll wieder: "Der Antrag von Frau zur Geschäftsordnung,
den Tagesordnungspunkt 4 erst zum Schluss abzuhandeln, wurde seitens der
Eigentümergemeinschaft mehrheitlich abgelehnt. "
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Sodann ist der Versammlungsleiter ohne weitere Erklärungen in den
Abstimmungsvorgang zur Entlastung der Verwalterin für das Wirtschaftsjahr 2006
übergegangen. Dabei hat die Verwalterin mit sämtlichen ihr zur Verfügung stehenden
Vollmachtsstimmen für die eigene Entlastung gestimmt. Zum Abstimmungsvorgang gibt
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das Protokoll wieder:
" Entlastung der Verwaltung
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Die Eigentümergemeinschaft beschließt die Entastung der Verwaltung für die
gesamte Tätigkeit im Wirtschaftsjahr 2006.
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Abstimmungsergebnis: 5.748/10.000stel Ja-Stimmen
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1.459/10.000stel Nein-Stimmen
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559/10.000stel Stimmenthaltungen
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Damit ist der Beschluss mehrheitlich zustande gekommen. "
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Zahlreiche Versammlungsteilnehmer hatten überhaupt nicht verstanden, dass es sich
um zwei gesonderte Abstimmungsvorgänge zum Geschäftsordnungsantrag und zu der
tatsächlichen Entlastung handelte.
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Das Beschlussergebnis ist auch nicht durch den Versammlungsleiter in der Weise
verkündet worden, dass der Antrag, die Verwaltung zu entlasten, mehrheitlich
angenommen worden ist.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 30.08.2007 zu dem
Tagesordnungspunkt " Entlastung der Verwaltung" für unwirksam zu erklären und
regt an, gemäß § 49 Abs. 2 WEG der Verwalterin die Prozesskosten aufzuerlegen.
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Der Geschäftsführer der Verwalterin erkennt den geltend gemachten Anspruch für
Verwaltung und Eigentümer einschließlich der Prozesskosten an.
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Auf das Parteivorbringen im Übrigen wird ergänzend verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Dem Beschlussanfechtungsantrag war stattzugeben, weil der Antrag anerkannt worden
ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 49 Abs. 2 WEG. Der Verwalterin waren die
Prozesskosten aufzuerlegen, da die Tätigkeit des Gerichts durch die Verwalterin
veranlasst wurde und sie ein grobes Verschulden trifft, auch wenn sie nicht Partei des
Rechtsstreits ist.
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Der Geschäftsführer der Verwalterin hat in der Wohnungseigentümerversammlung vom
30.08.2007 Grundsätze der Versammlungsleitung und Beschlussfassung in
Wohnungseigentümerversammlungen missachtet, welche von einem
geschäftsmäßigem Verwalter in jedem Fall zu beachten sind. Bei der Abstimmung über
die Entlastung kann der Verwalter weder mit eigenen noch mit durch Vollmacht zur
Ausübung übertragenen Stimmen mitwirken. Der Verwalter kann bei einem Beschluss
über seine Entlastung selbst dann nicht mitstimmen, wenn er nicht
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Wohnungseigentümer und vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit ist (
vgl. OLG Zweibrücken in der Zeitschrift " Der Wohnungseigentümer 1985", Seite 117).
Außerdem hatte der Geschäftsführer der Verwalterin als Versammlungsleiter die
Vorgaben der Teilungserklärung zu beachten. Wenn in der Teilungserklärung bestimmt
ist, dass in Wohnungseigentümerversammlungen die Abstimmungen nach dem
Verhältnis der Miteigentumsanteile gezählt werden, so gilt das für sämtliche
Abstimmungen in der Wohnungseigentümerversammlung und selbstverständlich auch
für die Abstimmungen über Anträge zur Geschäftsordnung.
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Ein grober Fehler in der Verhandlungsführung ist darin zu sehen, dass der
Geschäftsführer der Verwalterin in einem Tagesordnungsschritt über den
Geschäftsordnungsantrag der Frau hat abstimmen lassen, den Tagesordnungspunkt 4 -
Entlastung der Verwaltung - erst zum Schluss abzuhandeln und ohne ausdrücklichen
Feststellen eines Beschlussergebnisses nach Miteigentumsanteilen direkt in die
Beschlussfassung zur Entlastung übergegangen ist. Mindestens sechs
Versammlungsteilnehmer hatten überhaupt nicht verstanden, dass hier zwei
verschiedene Abstimmungsvorgänge zur Debatte standen.
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Außerdem musste das Abstimmungsergebnis durch Verkündung in der Versammlung
festgestellt werden.
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Da bereits der grobe Fehler der Verwalterin, welcher darin bestand, dass diese mit
sämtlichen zur Verfügung stehenden Vollmachtsstimmungen für die eigene Entlastung
gestimmt hatte, zu dem Gerichtsverfahren geführt hat, waren nach § 49 Abs. 2 WEG der
Verwalterin die Prozesskosten aufzuerlegen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 1 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 3.000 EUR festgesetzt. Dieser Wert entspricht dem Interesse der
Beteiligten an der Entscheidung.
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Richter am Amtsgericht
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