Urteil des AG Münster vom 10.11.2006

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Amtsgericht Münster, 3 C 1209/06
Datum:
10.11.2006
Gericht:
Amtsgericht Münster
Spruchkörper:
3. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 C 1209/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin und die Beklagte je
die Hälfte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Klägerin begehrt Einsicht in die Behandlungsunterlagen einer
psychotherapeutischen Behandlung.
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In der Zeit vom 16.01.2003 bis zum 06.10.2004 wurde die Klägerin durch die Beklagte
psychotherapeutisch behandelt. Durch die gesetzliche Krankenversicherung wurden
160 Therapiestunden bewilligt, die dann auch durchgeführt wurden. Mitte des Jahre
2005 wurde dann die Behandlung abgebrochen. Mit der vorliegenden Klage begehrt die
Klägerin Einsicht in die Behandlungsunterlagen, wobei diese dem sie nunmehr
behandelnden Diplom-Psychologen L in G zur Verfügung gestellt werden sollen.
Nachdem die Beklagte zunächst die Herausgabe der Krankenakte verweigert hat, hat
sie im Verlaufe des Rechtsstreits die im Schriftsatz vom 20.10.2006 (Bl. 99 d. A.)
angegebenen Unterlagen an die die Klägerin behandelnden Ärzte herausgegeben. Die
Beklagte weigert sich aber weiterhin, die Aufzeichnungen über die Gespräche mit der
Klägerin sowie den Bericht der Beklagten an den Gutachter für die Beantragung von
Leistungen der Krankenkasse weiterzugeben.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr Einsicht in die sie betreffenden
Behandlungsunterlagen bewilligt werden muss, weil dies zu ihren grundgesetzlich
geschützten Persönlichkeitsrechten gehöre. Im übrigen habe die Beklagte auch nicht
hinreichend dargetan, warum sie die Unterlagen nicht herausgeben wolle.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, Einsicht in die von ihr geführten Behandlungsunterlagen
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und Therapieprotokollen zu gewähren, in dem sie diese dem Dipl.-Psych. X. L, C. ##,
####1 G, zur Verfügung zu stellen. Hilfsweise beantragt die Klägerin, dass die
Beklagte teilweise geschwärzte Unterlagen herausgibt.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein Anspruch der Klägerin, über die bereits
übersandten Krankenunterlagen hinaus weitere Aufzeichnungen über Gespräche mit
der Klägerin sowie der Bericht an den Gutachter herauszugeben, nicht besteht, weil
diese von persönlichen Empfindungen der Beklagten geprägt seien und der Klägerin
dadurch weiterer Schaden zugefügt werden könne.
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Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf den Akteninhalt und die
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet.
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Die Herausgabe der Behandlungsunterlagen ergibt sich hier aus dem zwischen den
Beteiligten geschlossenen privatrechtlichen Behandlungsvertrag. Dieser Anspruch auf
Einsicht in die Unterlagen, der auch verfassungsrechtlich geschützt ist, ist aber
eingeschränkt durch den sogenannten therapeutischen Vorbehalt. Danach hat der
Patient grundsätzlich Anspruch auf Herausgabe von Aufzeichnungen über physikalisch
objektivierbare Behandlungen wie Operationen, Medikationen und allgemeine
körperliche Befunde des Patienten. Nicht herausgegeben werden müssen
Dokumentationen über Sitzungsverläufe, die auch persönliche Aufzeichnungen des
Therapeuten enthalten, weil hier nämlich auch ein schützenswertes Interesse, nämlich
die Persönlichkeitsrechte des behandelnden Arztes berührt werden. Dabei kann nicht
verlangt werden, dass der Arzt konkret dartut, warum er bestimmte Unterlagen nicht
herausgibt, weil dies nämlich gerade den Schutz dieser Rechte unterlaufen würde.
Letztlich entscheidet bei dieser Abwägung der Arzt selbst, weil er am besten in der Lage
ist zu beurteilen, was den Patienten nutzt oder schadet. Aus diesem Grunde kann auch
die Herausgabe an einen weiteren behandelnden Psychologen nicht gefordert werden,
weil nämlich der behandelnde Therapeut die Aufzeichnungen nicht für Dritte, sondern
nur für sich gefertigt hat.
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Zwar kann das Ziel, dass dem Patienten so viele Unterlagen zur Verfügung gestellt
werden wie vertretbar ist, auch erreicht werden, indem die Krankenunterlagen teilweise
geschwärzt werden, so dass auch die Belange des Therapeuten berücksichtigt werden
können. Im vorliegenden Fall hat aber die Beklagte die wesentlichen objektivierbaren
Befunde bereits an den behandelnden Arzt der Klägerin herausgegeben. In ihrem Besitz
sind nur noch persönliche Aufzeichnungen über Gespräche mit der Klägerin sowie der
Bericht an den Gutachter der Krankenkasse. Bei diesen Aufzeichnungen würde ein
Schwärzen der Unterlagen nicht weiterführen, weil es sich dabei genau um die
Aufzeichnungen handelt, die der Klägerin nicht zugänglich gemacht werden sollen.
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Nach allem war deshalb die Klage nach dem Haupt- und dem Hilfsantrag abzuweisen.
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Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass die Beklagte den
objektivierbaren Teil der Behandlungsunterlagen erst im Verlaufe des Rechtsstreits
herausgegeben hat. Es ist daher angemessen, sie gem. § 91, 91 a ZPO an den Kosten
des Rechtsstreits zur Hälfte zu beteiligen.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus § 708 Ziff. 11 ZPO.
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