Urteil des AG Mannheim vom 15.12.2006

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AG Mannheim Urteil vom 15.12.2006, 12 C 40/06
Kassenzahnärztliche Behandlung: Schadenersatzanspruch gegen einen Patienten wegen der Nichtwahrnehmung von Behandlungsterminen
Leitsätze
Der zum Termin säumige Kassenpatient haftet dem Zahnarzt nicht aus § 615 BGB, weil zwischen ihm und dem Arzt jedenfalls hinsichtlich des
Vergütungsanspruches kein privatrechtlicher Bahandlungsvertrag zustande kommt. Es besteht jedoch ein Ersatzanspruch auf Grund positiver
Vertragsverletzung. Die nicht rechtzeitige Absage des vereinbarten Termins ist eine Pflichtverletzung, die zum Schadensersatz verpflcihtet.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 151,04 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.08.2005
sowie 5,00 EUR Mahnkosten und 22,62 EUR vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu bezahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen Nichtwahrnehmung vereinbarter zahnärztlicher Termine.
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Die Beklagte war als Kassenpatientin bei dem Kläger, welcher Zahnarzt ist, in dessen Praxis in Behandlung.
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Jedenfalls am 21. und 28.2.2005 hatte die Beklagte fest vereinbarte Behandlungstermine beim Kläger nicht wahrgenommen.
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Der Kläger trägt vor,
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die Beklagte habe diese Termine weder abgesagt noch später eine Erklärung für ihr Fernbleiben abgegeben. Sie sei auch zu den weiter
vereinbarten Terminen am 12., 18. und 19.04.2005, sowie am 17., 30. und 31.05.2005 nicht erschienen. Der Kläger führe seine Praxis als reine
Bestellpraxis. Es sei jeweils eine Behandlungszeit von 30 Minuten vorgesehen. Der Praxisbetrieb habe jeweils während der nicht
wahrgenommenen Termine eingestellt werden müssen.
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Der Kläger macht gem. Ziffer A 56 der GOZ eine Verweilgebühr geltend, insgesamt 151,04 EUR.
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der bei den Akten befindlichen Fotokopie (Aktenseite 14) verwiesen.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 151,04 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
30.08.2005 sowie 5,00 EUR Mahnkosten und 22,62 EUR vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
12 Sie trägt vor, die Termine am 21. und 28.02.2005 seien fernmündlich rechtzeitig abgesagt worden. Bezüglich der weiteren Termine bestreitet die
Beklagte den Vortrag des Klägers mit Nichtwissen. Ein durch das Nichterscheinen verursachter Stillstand des Praxisbetriebes wird bestritten.
13 Erwidernd hierauf räumt der Kläger ein, dass die Beklagte, bzw. deren Mutter die Behandlungstermine vom 21. und 28.2.2005 abgesagt hätten.
Dies sei jedoch zeitgleich oder allenfalls wenige Minuten vor dem vereinbarten Termin erfolgt.
14 Im Übrigen habe die Zeugin … als gesetzliche Vertreterin der Beklagten die Klageforderung anerkannt. Es sei Ratenzahlung vereinbart worden.
15 Hinsichtlich des weitergehenden Parteivortrages wird auf den Inhalt der bei den Akten befindlichen Schriftsätze nebst vorgelegten Anlagen
Bezug genommen.
16 Das Gericht hat über die zwischen den Parteien umstrittenen Fragen, welche Termine die Beklagte nicht wahrgenommen hat und ob die Mutter
der Beklagten die Klageforderung anerkannt und eine Zahlung von 18,88 EUR an den Kläger geleistet hat, Beweis erhoben, durch Vernehmung
der Zeuginnen … und ….
Entscheidungsgründe
17 Die Klage ist zulässig und begründet.
18 Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung in Höhe von
151,04 EUR
Verbindung mit deklaratorischem Anerkenntnis gemäß § 781 BGB.
19 Zwar kann der geltend gemachte Klageanspruch nach der weiterhin aufrechterhaltenen Auffassung des Gerichts nicht auf § 615 BGB gestützt
werden. Die Beklagte war Kassenpatientin; der Kläger ist Kassenzahnarzt. Die ärztlichen Leistungen sind über die Krankenkasse abzurechnen.
Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob der Kassenzahnarzt, hier der Kläger, berechtigt gewesen wäre, die Weiterbehandlung der Beklagten
wegen nachlässiger Terminshandhabung zu verweigern. Soweit sich der Kläger in der Stellungnahme zum gerichtlichen Hinweis auf
§ 76 Abs. 4
SGB V
Vertragsrechts verpflichtet, aber nicht umgekehrt den Kassenpatienten ihm gegenüber.
§ 615 BGB
Parteien ein Dienstvertrag bestanden hätte. Hiervon kann aber nur in modifizierter Form ausgegangen werden. Es kann zwar davon
ausgegangen werden, dass mit Aufnahme der Behandlungen durch den Kläger ein privatrechtlicher Behandlungsvertrag in Form eines
Dienstvertrags mit der Beklagten zu Stande gekommen ist. Nach allgemeiner Meinung kommt auch bei der Behandlung eines Kassenpatienten
ein privatärztlicher Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient zustande (Müller-Glöge, in: MünchKomm, 3. Aufl. [1997], § 611 Rdnr. 49). Die
Besonderheit des Behandlungsvertrags mit dem Kassenpatienten liegt allerdings darin, dass das „Vergütungsband“ abgekoppelt ist. An die
Stelle des Honoraranspruchs gegen den Patienten tritt der Vergütungsanspruch gegen die kassenzahnärztliche Vereinigung. Dies besagt, dass
aus der kassenzahnärztlichen Behandlung ein Honoraranspruch gegen den Kassenpatienten nicht begründet ist (Soergel/Kraft, BGB, 12. Aufl.
[1997], Vorb. § 611 Rdnr. 105; Müller-Glöge, in: MünchKomm, § 611 Rdnr. 49; Geiß, ArzthaftpflichtR, 2. Aufl. [1993], S. 19; Laufs, ArztR, 5. Aufl.
[1993], Rdnr. 124). Ein Vergütungsanspruch gegen den Kassenpatienten entsteht nur dann, wenn ausdrücklich die Behandlung als Privatpatient
vereinbart wurde. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Ein dienstvertraglicher Ausfallanspruch scheidet dementsprechend aus.
20 Entgegen der ursprünglich geäußerten Auffassung des Gerichts besteht jedoch ein
Anspruch
Vertragsverletzung
21 Nach Ansicht des Gerichts trifft einen Patienten, der mit seinem behandelnden Arzt oder Zahnarzt einen festen Termin vereinbart hat, die
Verpflichtung, den Termin rechtzeitig abzusagen, sofern er den Termin - aus welchen Gründen auch immer - nicht wahrnehmen kann oder will.
Insoweit handelte es sich um eine vertragliche Nebenverpflichtung der Beklagten, die ihr im Hinblick auf die bei ihr vorgesehene Behandlung
auch durchaus zuzumuten war. Der Bekl. musste klar sein, dass der Kl. angesichts der vorherigen Terminvergabe nicht ohne weiteres in der
Lage sein würde, auf andere Patienten zurückzugreifen. Die Bekl. hat jedoch, wie aus der glaubhaften Aussage der Zeugin … hervorgeht, in
schuldhafter Weise Termine nicht rechtzeitig abgesagt und im Übrigen auch nachträglich keine ausreichende Entschuldigung für dieses
Verhalten vorgebracht. Das
Anerkenntnis
der Zeugin …, aber auch der Mutter der Beklagten selbst, für erwiesen. Einwendungen zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs sind der
Beklagten daher verwehrt.
22 Die Entscheidung über die Nebenforderung folgt aus §§ 280 ff. BGB.
23 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
24 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.