Urteil des AG Kerpen vom 27.05.2002

AG Kerpen: verwalter, vollmacht, verwaltung, bevollmächtigung, verfahrenskosten, informationspflicht, entziehen, vertretungsmacht, interessenkollision, ermessen

Amtsgericht Kerpen, 15 II 80/01
Datum:
27.05.2002
Gericht:
Amtsgericht Kerpen
Spruchkörper:
Abteilung 15
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 II 80/01
Tenor:
Der Beschluß der Eigentümerversammlung der WEG L Straße vom
29.11.2001 zu TOP 10 wird für ungültig erklärt.
Die Verfahrenskosten werden den Antragsgegnern auferlegt.
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten findet
nicht statt.
G R Ü N D E :
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Die Antragsteller bilden zusammen mit den Antragsgegnern die WEG "LStraße in G.
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In der Eigentümerversammlung vom 29.11.2001 faßte die Gemeinschaft unter anderem
einen Beschluß zur Bevollmächtigung des Verwalters. Wegen der Einzelheiten der
Beschlußfassung wird auf das Protokoll der Eigentümerversammlung (hier Bl. 9, 15 GA)
Bezug genommen.
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Die Antragsteller meinen, daß der Beschluß für unwirksam zu erklären sei.
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Sie beantragen,
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wie erkannt.
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Die Antragsgegner beantragen,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll
der mündlichen Verhandlung vom 30.4.2002 wird Bezug genommen.
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Der Antrag ist begründet.
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Ob der Beschluß nach der neueren Rechtsprechung des BGH zu sog.
"Zitterbeschlüssen" bereits als nichtig anzusehen ist (vgl. BGH, ZMR 2000, 771 ff.;
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kritisch zu der neuen Rechtsprechung Rau, ZMR 2001, 241 ff.) kann dahinstehen. Denn
der Beschluß zu TOP 10 ist jedenfalls für unwirksam zu erklären, weil er nicht
ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.
So soll der Beschluß zu TOP 10 ein eigenes Recht des Verwalters, die
Wohnungseigentümer in Passivprozessen (insbesondere auch in
Beschlußanfechtungsverfahren) zu vertreten, begründen. Eine Notwendigkeit für eine
solche Vertretungsbefugnis besteht nicht. Denn der Verwalter ist ohnehin nach § 43
Abs. 1 WEG an den Verfahren zu beteiligten, soweit seine Rechtsstellung betroffen ist.
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Der gefaßte Beschluß ist indessen geeignet, die Rechte der Wohnungseigentümer
nachhaltig zu schmälern. So sieht der Beschluß zu TOP 10 namentlich keine
Begrenzung der dem Verwalter eingeräumten Vollmacht vor. Der Verwalter könnte
daher - würde der Beschluß zu TOP 10 Bestand haben - etwa mit Außenwirkung
verbindlich jedweden Vergleich für die Wohnungseigentümer abschließen.
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Weiter sieht der Beschluß keine Möglichkeit für einzelne Wohnungseigentümer vor, die
dem Verwalter mit dem Beschluß erteilte Vollmacht zu widerrufen. Auch dies entspricht
nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Denn es gehört zum Wesen einer Vollmacht, daß
diese grundsätzlich frei widerruflich ist. Es bedarf daher einer besonderen Begründung,
wenn der Vollmachtgeber ausnahmsweise daran gehindert sein soll, sich von der
Bevollmächtigung wieder zu lösen. Eine derartige Notwendigkeit ist indessen für
Passivprozesse nicht erkennbar.
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Nach Auffassung des Gerichts ist die Regelung für die Passivvertretung dabei auch
nicht mit den Fällen vergleichbar, in welchen die Gemeinschaft - vertretend durch den
Verwalter - einen Aktivprozeß (bzw. ein "Aktivverfahren" im Sinne des WEG) führt. Denn
während der Verwalter aufgrund seiner Stellung nachgerade dazu berufen ist, die
Rechte der Wohnungseigentümer als Antragsteller (z.B. in Verfahren zur Eintreibung
von Wohngeld) zu verfolgen, kann dies für die Passivverfahren nicht gesagt werden. Zu
Recht weisen die Antragstellerinnen vielmehr in diesem Zusammenhang darauf hin,
daß es sich bei den Passivverfahren häufig um sog. Beschlußanfechtungsverfahren
handelt. Da aber Beschlüsse der Gemeinschaft erfahrungsgemäß häufig auf einer
entsprechenden Initiative des Verwalters beruhen (etwa Beschlüsse zur Genehmigung
einer Jahresabrechnung o.ä.) besteht in der Tat die naheliegende Gefahr einer
Interessenkollision, wenn sich der Verwalter schon im Vorfeld von Verfahren ein Recht
zur Passivvertretung der Wohnungseigentümer sichern könnte und einzelne
Wohnungseigentümer nicht einmal in der Lage wären, dem Verwalter diese Befugnis
wieder einseitig zu entziehen.
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Für das vorliegende Verfahren kann dabei auch offen bleiben, inwieweit die vielfach
anzutreffende Praxis, umfangreiche Bevollmächtigungen in Verwalterverträgen
vorzunehmen, als bedenkenfrei anzusehen ist.
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Entgegen der Auffassung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner bietet die
Informationspflicht des Verwalters, zu welcher sich dieser anläßlich der
Beschlußfassung gegenüber den Wohnungseigentümern verpflichtet hat, keinen
zureichenden Ausgleich für die vorbeschriebenen Nachteile. Denn es macht einen
großen Unterschied aus, ob der Verwalter nach außen ohne weiteres die
Wohnungseigentümer vertreten kann (und er diese nur vorher oder nachträglich zu
informieren hat) oder ob er sein Verhalten in jedem Einzelfall mit den
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Wohnungseigentümern abzustimmen hat. Dabei verkennt das Gericht nicht, daß dies für
den Verwalter bei größeren Anlagen (wie der vorliegenden) durchaus mühsam sein
mag. Dieser Umstand rechtfertigt es aber nicht, das Wohnungseigentümer im
Beschlußwege gleichsam gezwungen werden, dem Verwalter über eine
Mehrheitsentscheidung Vertretungsmacht zuzubilligen.
Im übrigen bleibt es dem Verwalter ohnehin unbenommen, sich von den
Wohnungseigentümern, welche dies wünschen, jeweils eigene rechtsgeschäftliche
Bevollmächtigungen ausstellen zu lassen. Auf diesem Weg könnte nach Auffassung
des Gerichts einerseits der Aufwand für die Verwaltung reduziert werden, ohne daß
dadurch andererseits in die Rechte der Wohnungseigentümer eingegriffen wird, welche
ihre Rechte in Passivprozessen nicht durch den Verwalter ausüben lassen wollen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.
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Es entsprach billigem Ermessen, den Antragsgegnern als den Unterlegenen die
Verfahrenskosten aufzuerlegen.
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Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten hat es demgegenüber bei dem Regelfall des
§ 47 Satz 2 WEG, wonach eine Kostenerstattung nicht anzuordnen ist, zu verbleiben.
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Geschäftswert nach § 48 WEG: 5.000 EUR
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