Urteil des AG Kerpen vom 18.12.1996

AG Kerpen (entlastung, verwalter, abrechnung, höhe, antragsteller, betrag, sanierung, verwaltung, verrechnung, wirkung)

Amtsgericht Kerpen, 15 II 27/96
Datum:
18.12.1996
Gericht:
Amtsgericht Kerpen
Spruchkörper:
Abteilung 15
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 II 27/96
Tenor:
Der auf der Eigentümerversammlung vom 2.4.1996 gefaßte Beschluß
zur Genehmigung der Jahresabrechnung 1994/95 wird insofern für
unwirksam erklärt, als in den Einzelabrechnungen der
Wohnungseigentümer eine unterschiedslose Verrechnung aller
Einnahmen mit den anteiligen Ausgaben vorgenommen wurde. Darüber
hinaus ist die Abrechnung um eine korrekte Wiedergabe der
Kontenstände zu ergänzen.
Die dem Verwalter gewährte Entlastung wird für ungültig erklärt.
Die Verfahrenskosten werden dem Verwalter auferlegt.
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten findet
nicht statt.
G R Ü N D E :
1
Die Antragsteller sind Wohnungseigentümer in der Anlage P-garten in L.
2
In den vergangenen Jahren war die Gemeinschaft mit der Sanierung der Balkone
befaßt. Die Finanzierung erfolgt über die Erhebung einer Umlage; teilweise soll sie auch
durch den Rückgriff auf die Instandhaltungsrücklage erfolgen.
3
In der Eigentümerversammlung vom 2.4.1996 wurde unter TOP 4 (in der Einladung
noch als TOP 3 geführt, vgl. Bl. 4 bzw. Bl. 113 GA) die Jahresabrechnung 1994/1995
mehrheitlich gebilligt. Unter TOP 6 (Einladung noch TOP 5, vgl. a.a.O.) wurde dem
Verwalter Entlastung erteilt.
4
Die Antragsteller meinen, daß die Abrechnung 1994/1995 zu beanstanden sei. Weiter
sind sie der Auffassung, daß der Verwalter im Rahmen der Balkonsanierung seine
Pflichten nicht zureichend wahrgenommen habe. Die dem Verwalter erteilte Entlastung
sei daher für unwirksam zu erklären.
5
Nachdem sie zunächst fristwahrend die gefaßten Beschlüsse in vollem Umfang
angefochten haben, wurde der Anfechtungsumfang mit Schriftsatz vom 2.7.1996 (dort S.
7 = Bl. 15 GA) begrenzt.
6
Die Antragsteller beantragen,
7
die Beschlüsse zur Jahresabrechnung 1994/95 - bezogen auf den
Komplex der Balkonsanierung - und zur Entlastung des Verwalters für
unwirksam zu erklären.
8
Die Antragsgegner haben keinen Antrag gestellt.
9
Der Verwalter beantragt,
10
den gestellten Antrag zurückzuweisen.
11
Der Verwalter ist der Ansicht, die Balkonsanierung unter Einhaltung der geschlossenen
Verträge und den darin begründeten Zuständigkeiten korrekt abgewickelt zu haben.
12
Auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll
der mündlichen Verhandlung vom 8.11.1996 wird Bezug genommen.
13
Der Anfechtungsantrag ist begründet.
14
Zu Recht machen die Antragsteller geltend, daß die Abrechnung für das Jahr 1994/95
nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht soweit die Sanierung der Loggien
betroffen ist. Die Abrechnung nebst der Darstellung der Kontenstände ist rechtlich
fehlerhaft. Die Abrechnung ist daher insofern für unwirksam zu erklären, als der
Komplex der Balkonsanierung betroffen ist.
15
In rechtlicher Hinsicht ist von folgenden Erwägungen auszugehen:
16
Die Jahresabrechnung ist eine reine Einnahmen- und Ausgabenrechnung (Weitnauer,
WEG, 8. Aufl., § 28 Rz. 24 m.w. Nachw.). In die Abrechnung sind daher alle Einnahmen
und Ausgaben des Wirtschaftsjahres aufzuführen. Dabei sind die Kontenstände der
Gemeinschaft darzulegen.
17
Durch diese Form soll insbesondere eine schnelle Übersicht über die gesamten
Aufwendungen und Einnahmen der Gemeinschaft ermöglicht werden. Dies dient
gleichzeitig eine Kontrolle der Stimmigkeit der Kontenstände der Gemeinschaft (vgl.
Weitnauer, § 28 Rz. 25).
18
Neben der Übersicht über die Ausgaben und Einnahmen der Gemeinschaft dient die
Abrechnung dazu, die Zahlungsverpflichtung eines jeden Wohnungseigentümers zu
konkretisieren. Gewöhnlich ergibt sich aus der Einzelabrechnung eines jeden
Wohnungseigentümers ohne weiteres, ob er durch die Vorschüsse zuviel oder zu wenig
Wohngeld für das laufende Wirtschaftsjahr erbracht hat.
19
Anders stellt sich die Lage indes dar, wenn - wie hier - nicht nur Vorauszahlungen auf
das Wohngeld, sondern auch Beiträge auf eine beschlossene Sonderumlage zu
entrichten sind. Die rechtliche Eigenständigkeit der beiden Zahlungsverpflichtungen
20
verbietet in solchen Fällen eine gemeinsame Behandlung aller Ausgaben und
Einnahmen.
Für die Gesamtabrechnung hat es allerdings dabei zu verbleiben, daß in ihr alle
Ausgaben (einschließlich derjenigen der Balkonsanierung) darzustellen sind.
21
In der Wohngeldabrechnung eines jeden Wohnungseigentümers (Einzelabrechnung)
sind demgegenüber nur die übrigen Betriebskosten zu erfassen und auf den jeweiligen
Wohnungseigentümer zu verteilen. Diesen Kosten sind die Vorauszahlungen des
Wohnungseigentümers (gemäß § 16 Abs. 2 WEG) gegenüberzustellen. Nur das
gezahlte Wohngeld ist sodann mit dem Aufwand zu verrechnen, der auf den einzelnen
Wohnungseigentümer entfällt. Der sich hieraus ergebende Saldo verpflichtet den
Wohnungseigentümer zu einer Nachzahlung oder weist für ihn ein Guthaben aus.
22
Aufwendungen für Sanierungsarbeiten, die über eine Sonderumlage finanziert werden
sollen, gehören demgegenüber nicht in die Einzelabrechnung. Denn diese Kosten
sollen auch nicht über das zu erhebende Wohngeld gedeckt werden. Sollen die
Ausgaben aber nicht über das Wohngeld erhoben werden, so sind die anfallenden
Kosten auch nicht in der Einzelabrechnung auf die einzelnen Wohnungseigentümer zu
verteilen.
23
Damit korreliert, daß Zahlungen auf die Sonderumlage nicht einfach wie
Vorauszahlungen auf das Wohngeld behandelt werden dürfen. Dies folgt auch aus dem
Umstand, daß die Sonderumlage zweckgebunden für die Balkonsanierung erhoben
wird. Nach Beendigung der Sanierungsmaßnahme hat sodann außerhalb der
Einzelabrechnungen eine gesonderte Abrechnung über die Kosten der
Balkonsanierung zu erfolgen.
24
Nur wenn die Abrechnung den vorstehenden Anforderungen gerecht wird, ist
gewährleistet, daß die Wohnungseigentümer einerseits ein zutreffendes Bild über die
Ausgaben und Einnahmen der Gemeinschaft erhalten (nebst zutreffender Übersicht
über die Kontenstände) und andererseits die jeweiligen Einnahmen nur ihrem
besonderen Zweck entsprechend (zur Tilgung der laufen Kosten bzw. als
Sonderumlage) verrechnet werden.
25
Diesen Anforderungen wird die vorgelegte Abrechnung nicht gerecht.
26
Entgegen der im Termin geäußerten Rechtsauffassung ist es jedoch nicht zu
beanstanden, wenn in den Einzelabrechnungen dem Sanierungsaufwand in Höhe von
512.111,53 DM (Kostenart 33) eine entsprechende Gegenbuchung über die Entnahme
aus der Rücklage (Kostenart 37) in gleicher Höhe entgegengestellt worden ist. Durch
diesen Vorgang wird in zureichender Weise in der Abrechnung verdeutlicht, daß zwar
Kosten in der genannten Höhe für die Sanierung aufgewendet wurden, dieser Aufwand
aber nicht im Rahmen der Abrechnung von den einzelnen Wohnungseigentümern
getragen werden soll.
27
Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist hier auch nicht zu beanstanden, daß die
Entnahme aus der Rücklage "Sanierung" in Höhe von -512.111,53 DM ohne einen
entsprechenden Beschluß der Gemeinschaft gebucht sein mag. Denn alleine
entscheidend ist für die Richtigkeit der Abrechnung insofern, daß der genannte Betrag
tatsächlich aufgewendet wurde. Für die Abrechnung interessiert daher auch nicht die
28
Frage, ob die Verwaltung berechtigt war, über diesen (Gesamt-)Betrag ohne eine
weitere Beschlußfassung der Gemeinschaft zu verfügen.
Zu beanstanden ist demgegenüber, daß durch die Verwaltung einfach alle Zahlungen
der Antragsteller mit den auf sie entfallenden Ausgaben im Wirtschaftsjahr verrechnet
worden sind. Eine solche Handhabung ist nach den oben dargelegten Grundsätzen
nicht zulässig. Dieser Fehler bedingt auch, daß für die Antragsteller zu Unrecht ein
Guthaben ausgewiesen worden ist.
29
So entfallen auf die Antragsteller für den Zeitraum vom 1.7.1994 bis zum 30.6.1995
Kosten in Höhe von 4.041,56 DM (ohne den Sanierungsaufwand). Dieser Betrag erhöht
sich um die Heizkostenabrechnung in Höhe von 464,46 DM und die - nicht angegriffene
- Übernahme des Zahlungssolls aus dem Vorjahr in Höhe von 777,47 DM. Dies ergibt
eine Gesamtbelastung der Antragsteller für das Abrechnungsjahr in Höhe von 5.283,49
DM (4.041,56 DM + 464,46 DM + 777,47 DM).
30
Dem stehen Zahlungen der Antragsteller in Höhe von 1.705 DM, drei mal 658 DM und
neun mal 378 DM gegenüber. Die Zahlungen über 658 DM enthalten dabei jeweils
einen Anteil in Höhe von 378 DM, der auf das Wohngeld entfällt. Der überschießende
Betrag (280 DM) wurde auf die Sonderumlage entrichtet.
31
Auf das Wohngeld haben die Antragsteller somit insgesamt zwölf mal 378 DM erbracht.
Dies macht einen Gesamtbetrag in Höhe von 4.536 DM aus.
32
Die Zahlungen auf die Sanierung der Loggien machen einen Betrag in Höhe von 2.545
DM aus. Dieser setzt sich aus der einmaligen Zahlung in Höhe von 1.705 DM und den
drei Zahlungen in Höhe von jeweils 280 DM (658 DM - 378 DM an Wohngeld)
zusammen.
33
(Auf ausdrücklich Wunsch der Antragsteller sei dabei am Rande erwähnt, daß der
Betrag in Höhe von 1.705 DM durchaus nicht "willkürlich" von den Antragstellern
entrichtet wurde. Vielmehr entsprach die Zahlung einer Anforderung seitens des
Verwalters vom 27.10.1994, was in der mündlichen Verhandlung dargetan wurde.)
34
Insgesamt steht damit einer Gesamtbelastung der Antragsteller (ohne
Sanierungsaufwand für die Loggien) in Höhe von 5.283,49 DM Wohngeldzahlungen in
Höhe von 4.536 DM und Zahlungen auf die Sonderumlage in Höhe von 2.545 DM
gegenüber.
35
Aus dieser Auflistung ergibt sich bereits, daß die Antragsteller der Gemeinschaft für das
Abrechnungsjahr noch Wohngeld in Höhe von 747,49 DM (5.283,49 DM - 4.536 DM)
schulden. Wenn die Abrechnung des Verwalters demgegenüber ein Guthaben für die
Antragsteller in Höhe von 107,51 DM ausweist, so ist dies das Ergebnis der
(unzulässigen) Verrechnung aller anteiligen Ausgaben und Einnahmen, die den
Antragstellern zuzuordnen sind. Eine solche Verrechnung verbietet sich aber, weil die
Zahlungen auf das Wohngeld und Zahlungen auf die Sonderumlage jeweils gesondert
zu führen sind.
36
Dieser Zusammenhang zwischen der richtigen Behandlung von Leistungen auf die
Sonderumlage und der vorzunehmenden Verrechnung von gezahlten Wohngeld mit
angefallenen Kosten gehört zu dem Komplex "Balkonsanierung/Instandhaltung", der
37
von den Antragstellern angegriffen worden ist. Auch bei den Einzelabrechnungen der
anderen Wohnungseigentümer ist daher eine neue Verrechnung vorzunehmen. Denn
gerade die Einzelabrechnung der Antragsteller zeigt, daß erst durch eine korrekte
Verrechnung ermittelt werden kann, welche Salden sich beim Wohngeld ergeben und in
welcher Höhe Leistungen auf die Sonderumlage festzustellen sind.
Aus den obigen Darlegungen folgt weiter, daß auch die Sollstellung der Sonderumlage
nicht in die Abrechnung gehört. Zur Abrechnung gehören vielmehr nur die (gesondert zu
erfassenden) Zahlungen des einzelnen Wohnungseigentümers auf die Sonderumlage.
38
Allenfalls kann aus Gründen der Information mitgeteilt werden, welcher Betrag von der
beschlossenen Umlage auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfällt und welche
Beträge ggfs. in früheren Abrechnungsperioden schon von dem Wohnungseigentümer
entrichtet wurden.
39
Weiter ist an der Abrechnung zu bemängeln, daß die Entwicklung der Kontenstände
nicht zureichend nachvollziehbar dargetan worden ist.
40
Die Entwicklung der Kontenstände gehört zur Abrechnung (vgl. etwa Palandt-Bassenge,
54. Aufl., § 28 WEG Rz. 13 m.w. Nachw.; BayObLG, NJW-RR 1992, 1169). Vorliegend
hat der Verwalter die Entwicklung im Schreiben vom 7.2.1996 (Bl. 48 GA) nachzeichnen
wollen.
41
Hier ist fehlerhaft, daß bei den Positionen "Zugang 94/95" und "Sonderumlagen
Sanierung Loggien" mit "Soll-Zahlen" gearbeitet wird. Denn unstreitig handelt es sich
bei den beiden genannten Beträgen um die Summen, die erst noch durch die
Eigentümer aufzubringen sind bzw. erst teilweise aufgebracht worden sind. Unklar ist
dabei auch, welche Bedeutung der Mitteilung zukommen soll, wonach 193.835,52 DM
"noch einzuzahlen" sind. Hier ist mit Recht in der mündlichen Verhandlung die Frage
aufgekommen, wo sich das noch einzuzahlende Geld derzeit befindet. Auch die
Kontenstände sind daher nicht in der gehörigen Form dargetan worden, was
nachzuholen ist.
42
Bestandskräftig ist die Abrechnung demgegenüber hinsichtlich der Verteilung der
sonstigen Betriebskosten auf die einzelnen Wohnungseigentümer. Dies folgt schon aus
der Tatsache, daß die Antragsteller die Abrechnung insoweit nicht angefochten haben
bzw. ihren Angriff mit Schriftsatz vom 2.7.1996 (dort auf S. 7 = Bl. 15 GA) auf den
Komplex "Balkonsanierung/Instandhaltung" beschränkt haben.
43
Weiter ist die Kostenposition Nr. 33 "Sanierung Loggien" mit einem Gesamtbetrag in
Höhe von 512.111,53 DM nicht für unwirksam zu erklären.
44
Dabei kann dahinstehen, ob die Antragsteller diese Kostenposition ebenfalls mit
angefochten wissen wollten. Für eine solche Auslegung spricht immerhin, daß die
Antragsteller den Komplex "Balkonsanierung/Instandhaltung" angefochten haben. Zu
diesem Komplex gehört natürlich auch die Ausgabeposition in Höhe von 512.111,53
DM.
45
Andererseits ist zu bedenken, daß die Antragsteller in der Anfechtungsbegründung auch
nicht ansatzweise dargetan haben, daß der Betrag zu Unrecht in die Abrechnung
eingestellt worden sei. Insbesondere gibt der Vortrag der Antragsteller keinen Anhalt
46
dafür, daß im Abrechnungsjahr höhere oder niedrigere Kosten für die Sanierung der
Balkone aufgewandt worden wären. Da das Gericht nicht im Wege der Amtsermittlung
verpflichtet ist, zu ermitteln, ob Kosten in zutreffender Höhe in eine Abrechnung
eingestellt worden sind, ist daher davon auszugehen, daß unstreitig der Betrag von
512.111,53 DM für die Sanierung ausgegeben worden ist.
Unter Beachtung der obigen Darlegungen ist daher eine neue Abrechnung für die
Wohnungseigentümer vorzunehmen. Darüber hinaus sind die Kontenstände korrekt
darzustellen.
47
Die dem Verwalter erteilte Entlastung für das Jahr 1994/95 ist für unwirksam zu erklären.
48
Nach der gängigen Rechtsprechung ist eine Entlastung dann für unwirksam zu erklären,
wenn den Verwalter eine Pflichtverletzung trifft. Vielfach wird dabei die Entlastung
insgesamt für unwirksam erklärt, auch wenn sich der Pflichtenverstoß nur auf einen
abgrenzbaren Bereich bezieht.
49
Solche Entscheidungen begegnen insofern Bedenken, als sonst - Teilbarkeit
vorausgesetzt - Beschlüsse nur insoweit für unwirksam zu erklären sind, wie ihre
Rechtswidrigkeit reicht (vgl. Bärmann/Pick, WEG, 12. Aufl., § 23 Rz. 33 mit Hinweis auf
§ 139 BGB). Steht daher nur eine abgrenzbare Pflichtverletzung des Verwalters fest, so
wäre an sich auch die gewährte Entlastung nur teilweise für unwirksam zu erklären.
50
Ob ein weitergehender Anfechtungserfolg damit begründet werden kann, daß der
Beschlußfassung der Gemeinschaft insgesamt die Grundlage entzogen worden ist,
wenn jedenfalls in Teilbereichen eine Pflichtverletzung des Verwalters feststeht, braucht
nach Auffassung des Gerichts nicht vertieft zu werden.
51
Denn nach Ansicht des Gerichts ist die Entlastung insgesamt bereits deshalb für
unwirksam zu erklären, weil der Verwalter auf die Gewährung von Entlastung keinen
Anspruch besessen hat.
52
Die Entlastung des Verwalters ist im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) nicht gesetzlich
geregelt. Die erteilte Entlastung hat die Wirkung eines negativen
Schuldanerkenntnisses (vgl. Weitnauer, WEG, § 28 Rz. 31 mit Hinweis auf OLG
Frankfurt, OLGE 1989, 60): Mit der Entlastung wird die Geschäftsführung des Verwalters
gebilligt; gleichzeitig wird auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen
verzichtet, soweit die Voraussetzungen für die Geltendmachung von solchen
Ansprüchen bekannt waren oder bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt für die
Wohnungseigentümer hätten erkennbar sein müssen (vgl. wiederum Weitnauer, a.a.O.,
m.w. Nachw.).
53
Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen ein Verwalter Anspruch auf Erteilung
einer Entlastung besitzt.
54
Nach der Einschätzung von Weitnauer (vgl. a.a.O., Rz. 32) ist dies in Anlehnung an die
Rechtslage bei Geschäftsführern einer GmbH zu beantworten. Für das GmbH-Recht
wird teilweise die Ansicht vertreten, daß ein Anspruch auf Entlastung bestehen soll,
wenn die "Amtsführung des Geschäftsführers zu nennenswerten Beanstandungen
keinen Anlaß (gegeben hat)" (so Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl., § 46
Rz. 29).
55
Demgegenüber wird überwiegend eine Klage auf Entlastung für unzulässig gehalten
(vgl. für die Aktiengesellschaft Hüffer, AktG, § 120 Rz. 38 - wegen der jetzigen Regelung
in § 120 Abs. 2 S. 2 AktG liegt die Problematik aber ohnehin nicht mehr vergleichbar; für
die GmbH insbesondere BGHZ, 94, 324 [326 ff.] = NJW 1986, 129 f.). Mit Beschluß vom
19.8.1996 hat das OLG Düsseldorf einen Antrag als unbegründet zurückgewiesen, mit
welchem ein ausgeschiedener Verwalter die Gemeinschaft verpflichtet wissen wollte,
ihm Entlastung zu erteilen (3 Wx 581/94, ZMR 1996, 622 f.).
56
Das Gericht teilt die Auffassung des OLG Düsseldorf, wonach ein Verwalter regelmäßig
keinen Anspruch auf Entlastung besitzt.
57
Soweit es bei der Entlastung um den Verzicht auf etwaige Ersatzansprüche der
Gemeinschaft gegen den Verwalter geht, ist in der Tat auf die Rechtslage bei der GmbH
zu verweisen. In diesem Zusammenhang hat der BGH (a.a.O. S. 130 li. Spalte a.E.)
ausgeführt:
58
"Hat die Gesellschaft Ersatzansprüche, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb sie darauf
verzichten sollte; müßten andererseits die Gesellschafter verzichten, weil die
Geschäftsführung ordnungsgemäß war, so gäbe es nichts, worauf sie verzichten
könnten. K. Schmidt hat mit Recht darauf hingewiesen, daß es sinnlos ist, einen
Verzicht auf Ansprüche davon abhängig zu machen, daß es diese Ansprüche nicht gibt
(ZGR 1978, 441)."
59
Nichts anderes kann nach Auffassung des Gerichts für das Wohnungseigentumsrecht
gelten: Auch hier zeigt die Entlastung gerade dann Wirkung, wenn der Verwalter seine
Pflichten verletzt hat und somit (ohne die Entlastung) Schadensersatzansprüche der
Gemeinschaft bestünden. In diesen Fällen hat der Verwalter naturgemäß keinen
Anspruch auf Entlastung. Hat der Verwalter demgegenüber seinen Vertrag vollständig
und pflichtgemäß erfüllt, so bliebe die Entlastung ohne Wirkung - für einen solchen Fall
macht aber die Entlastung wiederum selbst keinen Sinn.
60
Für die Zubilligung eines Anspruchs auf Entlastung sind nach Ansicht des
Abteilungsrichters auch keine überzeugenden Gründe vorhanden.
61
Dabei ist insbesondere zu bedenken, daß der Verwalter für seine Tätigkeit von der
Gemeinschaft ein Entgelt erhält. Als Gegenleistung hat der Verwalter seine Aufgaben
ordnungsgemäß zu erledigen. Weshalb nun der Verwalter in periodischen Abständen
einen Anspruch darauf haben sollte, von einer etwaigen Ersatzverpflichtung für frühere
Pflichtverletzungen "freigestellt" zu werden, ist nicht erfindlich. Eine Rechtsgrundlage für
eine solchen Verzicht der Gemeinschaft ist nicht vorhanden.
62
Auch das OLG Düsseldorf führt dann (a.a.O. S. 623 li. Spalte) unter anderem aus: "Es ist
nicht zu erkennen, weshalb eine so weitgehende Preisgabe von Rechtspositionen
gegenüber einem ausgeschiedenen Verwalter dem wohlverstandenen Interesse der
Eigentümergemeinschaft und damit dem Erfordernis ordnungsgemäßer Verwaltung
entsprechen könnte."
63
Gleiches gilt erst recht für einen Verwalter, der noch immer für die beteiligte
Wohnungseigentümergemeinschaft tätig ist.
64
Zeigt sich somit bei der Entlastung eine Wirkung in rechtlicher Hinsicht nur dann, wenn
der Verwalter seine Pflichten verletzt haben sollte, so kann ein solcher Beschluß der
Gemeinschaft nicht mehr als ordnungsgemäße Verwaltung angesehen werden. Denn
mit dem Beschluß würde alleine der Gefahr Vorschub geleistet, daß die Gemeinschaft
möglicherweise zu Unrecht Entlastung erteilt und auf Forderungen gegenüber dem
Verwalter verzichtet. Für einen solchen Forderungsverzicht fehlt es aber an einer
nachvollziehbaren Begründung. Dies gilt jedenfalls für den Verwalter, der für seine
Tätigkeit ein Entgelt erhält. Mit Recht hat dann auch bereits das BayObLG in einer
Entscheidung vom 7.1.1980 (Rechtspfleger 1980, 192) in Frage gestellt, ob einem
Verwalter kraft Gesetzes überhaupt einen gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf
Entlastung zusteht.
65
Soweit das BayObLG in einer neueren Entscheidung (vom 12.6.1991, NJW-RR 1991,
1360 ff.) eine gewährte Entlastung bereits dann für unwirksam hält, wenn
Schadensersatzansprüche nur "möglich" erscheinen, geht dies nach Auffassung des
Gerichts nicht weit genug.
66
Bedenken begegnet dabei schon der Ansatz des BayObLG. Wenn nämlich die
Entlastung nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen soll, wenn der Beirat
und der Verwalter ihre Pflichten voll erfüllt haben, so stellt sich naturgemäß die Frage,
wie dies im einzelnen festgestellt werden soll. Da die Entlastung somit nur bei einer
perfekten Vertragserfüllung zulässig sein soll, müßte an sich zuvor die gesamte
Verwaltung durchleuchtet werden. Wer dies im einzelnen sachgerecht sollte erfüllen
können, ist nicht ersichtlich.
67
Hinzu kommt, daß diese Rechtsprechung mit Blick auf die angeführte
BGH-Entscheidung wenig Sinn macht. Denn bei einer vollkommenen Erfüllung der
vertraglichen Verpflichtungen würde ja wiederum ein Anspruch gar nicht bestehen. Die
gewährte Entlastung wäre somit sinnlos, was auf der Hand liegt.
68
Nach alledem kann nach Ansicht des Gerichts allenfalls dann ein Anspruch auf
Entlastung geboten sein, wenn der Verwalter aufgrund der Teilungserklärung oder des
Verwaltervertrages einen Anspruch auf Entlastung besitzt. Für den vorliegenden Fall
ergibt sich aber aus der Teilungserklärung, die zugleich den Verwaltervertrag enthält
(vgl. Bl. 95 ff.) kein Anspruch auf Entlastung. Die Teilungserklärung schweigt vielmehr
zu der hier interessierenden Frage.
69
Ist somit ein Anspruch auf Entlastung nicht gegeben, so entspricht es grundsätzlich auch
nicht ordnungsgemäßem Verwaltungshandeln, wenn die Gemeinschaft mehrheitlich
eine derartige Entlastung beschließt.
70
Dabei wird nicht verkannt, daß Gesellschaftern für das GmbH-Recht ein
Ermessensspielraum eingeräumt wird, der Geschäftsführung Entlastung zu erteilen oder
diese zu versagen (vgl. erneut Zöllner, a.a.O., § 46 Rz. 28). Diese Beurteilung wird vom
BGH (a.a.O., S. 130 li. Spalte zweiter Absatz) geteilt, auch wenn es sich dabei nicht um
eine tragende Erwägung der Entscheidung handelt. Ob dieser Ermessensspielraum bei
den Geschäftsführern einer GmbH zu Recht angenommen wird, kann nach Ansicht des
Gerichts dahinstehen. Der Rechtsgedanke kann nämlich nicht auf die Rechtslage bei
Wohnungseigentümergemeinschaften übertragen werden. So stellt auch der BGH seine
Ausführungen dazu in den Zusammenhang mit der Frage nach dem unternehmerischen
Geschick. Die Gesellschafterversammlung besitze bei der Frage, ob der Geschäftsführer
71
eine "glückliche Hand" besessen habe (so wörtlich der BGH, a.a.O., S. 130 li. Spalte
zweiter Absatz), eine "breite Spanne des Ermessens". Während daher bei der
Entlastung der Geschäftsführung einer GmbH immerhin noch die Frage nach dem
unternehmerischen Weitblick und Geschick des Geschäftsführers eine Rolle spielt, ist
dies für das Wohnungseigentumsrecht nicht der Fall. Mag daher im GmbH-Recht durch
die unternehmerische Prägung ein Ermessensspielraum für die Gesellschafter
bestehen, so kann dies für die Wohnungseigentümer nicht angenommen werden. Beim
WEG-Recht hat es vielmehr dabei zu verbleiben, daß die rechtliche Wirkung einer
Entlastung nur mit der Gefahr eines Rechtsverlustes für die Gemeinschaft verbunden ist.
Weshalb die Übernahme eines solchen Risikos noch im Bereich ordnungsgemäßer
Verwaltung sollte liegen können, ist nicht erkennbar. Insofern besteht auch
Übereinstimmung mit der bereits zitierten Entscheidung des BayObLG vom 12.6.1991.
Denn auch nach der Auffassung des BayObLG läßt bereits die Möglichkeit von
bestehenden Schadensersatzansprüchen die Grundlage für eine Entlastung entfallen.
Die Entlastung soll vielmehr nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen,
"wenn Verwalter und Verwaltungsbeirat objektiv keine Pflichtverletzung begangen
haben, also ihre Pflichten voll erfüllt haben". Nach Ansicht des BayObLG ist die
Entlastung - mit der Verzichtswirkung - mithin nur dann nicht zu beanstanden, wenn
eben die gewollte Rechtswirkung (Verzicht) nicht eintritt. Von der Zubilligung eines
Ermessensspielraumes geht daher auch das BayObLG nicht aus.
Die vorstehenden Überlegung bedürfen nach Ansicht des Gerichts allerdings einer
Einschränkung.
72
So unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, daß in einem Verwaltervertrag ein
Anspruch auf Entlastung vereinbart werden kann. Weiter bestehen keine
durchgreifenden Bedenken gegen eine nachträgliche Anpassung des
Verwaltervertrages.
73
Ist somit die Mehrheit der Gemeinschaft beim Abschluß des Verwaltervertrages in der
Lage, die Minderheit zu vertreten (Vertretungsmacht kraft des Mehrheitsbeschlusses)
und einen Anspruch auf Entlastung zugunsten des Verwalters zu statuieren, so wird
man der Mehrheit auch das Recht zubilligen müssen, nachträglich einen Anspruch auf
Entlastung zu schaffen. Wird in Erfüllung eines solchen Anspruches die Entlastung
erteilt, so ist diese nur dann anfechtbar, wenn dies durch besondere Umstände
berechtigt ist.
74
Für den vorliegenden Fall ergeben sich aufgrund dieser Betrachtung jedoch keine
Änderungen. Denn eine wirksame Entlastung kann aufgrund der dargelegten Umstände
nur dann angenommen werden, wenn bei der Gemeinschaft überhaupt der Wille zu
einer Ergänzung des Vertrages vorhanden und der Beschluß zur Entlastung vor diesem
Hintergrund gefaßt wurde.
75
Dies ist hier nicht dargetan. Im übrigen weist auch die Einladung (Bl. 3 ff. GA) nicht
darauf hin, daß der Verwaltervertrag um einen Anspruch auf Entlastung erweitert
werden sollte. Versteht man die gewährte Entlastung daher als Erweiterung des
Verwaltervertrages, so wäre diese mangels zureichender Ankündigung wegen § 23
Abs. 2 WEG für unwirksam zu erklären.
76
Soweit bislang eine gewährte Entlastung bereits dann für wirksam erklärt wurde, wenn
eine Pflichtverletzung nicht konkret dargetan wurde, wird an der Rechtsprechung nicht
77
festgehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.
78
Es entsprach billigem Ermessen, dem Verwalter die Kosten des Verfahrens
aufzuerlegen. Denn als Verwalter hat er die Verpflichtung, eine ordnungsgemäße
Abrechnung vorzulegen. Da die Abrechnung diesen Anforderungen nicht genügt, hat
der Verwalter das Verfahren veranlaßt.
79
Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten hat es bei der Regel des § 47 S. 2 WEG zu
verbleiben.
80
Der Geschäftswert für die (Teil-)Anfechtung der Jahresabrechnung wird auf 10.000 DM;
der für die Entlastung des Verwalters auf 5.000 DM festgesetzt. Eine solche Festsetzung
erweist sich gemäß § 48 Abs. 3 S. 2 WEG als geboten (vgl. auch BVerfG, WM 1992, 293
ff. mit Anm.).
81
Insgesamt ergibt sich somit ein Geschäftswert von 15.000 DM.
82