Urteil des AG Kerpen vom 08.12.1998

AG Kerpen (erwerber, abrechnung, haftung, stimmrecht, eigentümer, anfechtung, lasten, zwangsverwaltung, beschlagnahme, grundbuch)

Amtsgericht Kerpen, 15 II 44/98
Datum:
08.12.1998
Gericht:
Amtsgericht Kerpen
Spruchkörper:
Abteilung 15
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 II 44/98
Tenor:
Die Anfechtung der Jahresabrechnung 1997 (TOP 2 des Beschlusses
der Wohnungseigentümer vom 2.7.1998) wird als unzulässig
zurückgewiesen.
Auf die Anfechtung der Jahresabrechnung wird festgestellt, daß die
Antragstellerin nicht verpflichtet ist, ganz oder teilweise den Saldo aus
der Jahresabrechnung 1997 vorweg gemäß § 155 Abs. 1 ZVG zu
befriedigen.
Die Anfechtung zu TOP 3 (Wirtschaftsplan 1999) wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Verfahrenskosten werden gegeneinander aufgehoben.
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten findet
nicht statt.
G R Ü N D E :
1
Die Antragstellerin ist durch den Beschluß des AG Kerpen vom 19.5.1998 zur
Zwangsverwalterin über die im Rubrum näher bezeichnete Eigentumswohnung bestellt
worden (vgl. das Verfahren 31 L 25/98).
2
Mit Schreiben vom 2.6.1998 unterrichtete die Antragstellerin den Verwalter über die
angeordnete Zwangsverwaltung.
3
Am 2.7.1998 fand eine Eigentümerversammlung statt, zu welcher die Antragstellerin
nicht eingeladen wurde. Nach der Versammlung erhielt sie - mit Schreiben vom
13.7.1998 - die auf der Eigentümerversammlung beschlossene Einzelabrechnung für
das Jahr 1997 (Bl. 16 GA) sowie den beschlossenen Einzelwirtschaftsplan 1999.
4
Die Antragstellerin beantragt,
5
die auf der Eigentümerversammlung vom 2.7.1998 unter Tagesordnungspunkt 2
(Genehmigung der Jahresabrechnung 1997) und 3 (Genehmigung des
Wirtschaftsplanes 1999) gefaßten Beschlüsse für ungültig zu erklären.
6
Die Antragsgegner beantragen,
7
den Antrag zurückzuweisen.
8
Auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll
der mündlichen Verhandlung vom 10.11.1998 wird Bezug genommen.
9
Der Antrag auf Anfechtung der Jahresabrechnung 1997 ist unzulässig.
10
Der Antragstellerin steht insofern kein eigenes Anfechtungsrecht zu. Denn die
Antragstellerin ist nach Auffassung des Gerichts durch die Jahresabrechnung nicht
betroffen, weil der Beschluß mit der Anordnung der Zwangsverwaltung erst im Mai 1998
ergangen ist, während sich die Abrechnung auf das Wirtschaftsjahr 1997 bezieht. Im
einzelnen ist dazu wie folgt auszuführen:
11
Das Anfechtungs- und das Stimmrecht einerseits sowie die Verpflichtung des
Wohnungseigentümers zur Lastentragung aus § 16 Abs. 2 WEG können nach
Auffassung des Gerichts nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Für das
vorliegende Verfahren ergeben sich aus dem Zusammenspiel von materiell-rechtlicher
Haftung (§ 16 Abs. 2 WEG), Stimmrecht (§ 25 WEG) und Anfechtungsrecht (§§ 23 Abs.
4, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG) folgende Erwägungen:
12
Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG steht das Recht, einen Eigentümerbeschluß anfechten
zu können, den Wohnungseigentümern sowie dem WEG-Verwalter zu. Zu beiden
Gruppen kann die Antragstellerin als Zwangsverwalterin der Eigentumswohnung nicht
gezählt werden.
13
Allerdings vertritt die ganz herrschende Meinung in der Rechtsprechung wie auch in der
Literatur die Ansicht, daß ein Zwangsverwalter gleichwohl anfechtungsberechtigt sei,
wobei allerdings umstritten ist, ob dem Zwangsverwalter ein umfassendes
Anfechtungsrecht - und Stimmrecht - oder ein durch den Zweck der Zwangsverwaltung
beschränktes Anfechtungsrecht - und Stimmrecht - zusteht (vgl. Bub, in: Sonderausgabe
des Staudinger zum WEG, 1997, § 25 Rdn. 139 - zum Stimmrecht - mit umfassenden
weiteren Nachweisen; sowie Wenzel, ebenda, § 43 Rdn. 13 - zum Anfechtungsrecht -).
14
Das Gericht folgt der vom KG (Beschluß vom 27.8.1986 - 24 W 5931/85 -, NJW-RR
1987, 77) und von Wenzel vertretenen Ansicht, wonach der Zwangsverwalter nur solche
Eigentümerbeschlüsse als materiell-rechtlich Beteiligter anfechten kann, die ihn auch in
seiner Rechtsstellung betreffen. Diese Beschränkung des Anfechtungsrechts, die im
Einzelfall durchaus zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen kann, ist deshalb geboten,
weil auch der Zweck der Anordnung der Zwangsverwaltung nur begrenzter Natur ist und
der Eigentümer eine Beschränkung seiner Rechte nur insofern hinzunehmen hat, als
dies durch den Zweck der Zwangsverwaltung unabdingbar geboten ist.
15
Gemessen daran ist vorliegend festzustellen, daß die Rechtsstellung der Antragstellerin
durch den Beschluß über die Jahresabrechnung 1997 nicht betroffen ist.
16
Allerdings soll der Zwangsverwalter nach Auffassung des OLG Karlsruhe (Beschluß
vom 10.1.1990 - 11 W 167/89 -, ZMR 1990, 189 = WuM 1990, 168 = Justiz 1990, 434)
gemäß § 155 Abs. 1 ZVG verpflichtet sein, die nach der Beschlagnahme fällig
werdenden Wohngeldlasten vorweg zu befriedigen. Dabei macht es nach Auffassung
des OLG Karlsruhe keinen Unterschied, ob die Zahlungsverpflichtung bereits zuvor - als
Wohngeld - fällig war. Vielmehr sei der "Wert des Wohnungseigentums" insoweit schon
im Zeitpunkt der Beschlagnahme entsprechend gemindert.
17
Dieser Auffassung hat sich das BayObLG (Beschluß vom 14.2.1991 - 2Z BR 4/91 -,
BayObLGZ 1991, 93 = WuM 1991, 308 = NJW-RR 1991, 723 = Rpfleger 1991, 332 =
ZIP 1991, 812) angeschlossen (vgl. dort auch weitere Nachweise zu der wohl
herrschenden Auffassung; wie das BayObLG auch: Pick, in: Bärmann/Pick/Merle, WEG,
7. Aufl., § 16 Rdn. 102; Bub, a.a.O., § 28 Rdn. 217 mit m.w. Nachw.; ebenso auch
Zeller/Stöber, ZVG, 15. Aufl., § 155 Rdn. 4 in Verbindung mit § 152 Rdn. 16).
18
Demgegenüber wird in der Literatur - insbesondere von Hauger (vgl. in Weitnauer,
WEG, 8. Aufl., § 16 Rdn. 42 und § 45 Rdn. 14; sowie in Festschrift für Bärmann und
Weitnauer, S. 353 [357, 366]) und Schnauder (WE 1991, 7 [11]) - teilweise die Ansicht
vertreten, daß der Zwangsverwalter nicht die volle Abrechnungssumme vorweg zu
befriedigen habe, auch wenn der Abrechnungsbeschluß erst nach der Beschlagnahme
gefaßt wurde. Vielmehr sollen die Beträge aus der Jahresabrechnung herauszurechnen
sein, welche als Hausgeldforderung schon vor der Beschlagnahme fällig geworden
waren; die Vorwegbefriedigung gemäß § 155 Abs. 1 ZVG sei daher auf die sogenannte
"Abrechnungsspitze" zu beschränken (vgl. Schnauder, a.a.O.; Hauger, a.a.O.).
19
Nach Auffassung des Gerichts ist der Zwangsverwalter aber nicht einmal verpflichtet,
die Abrechnungsspitze "vorweg" gemäß § 155 Abs. 1 ZVG zu befriedigen.
20
Das Gericht teilt dabei den Ausgangspunkt der von Hauger und Schnauder vertretenen
Rechtsansicht. Auch nach Auffassung des Gerichts ist die Rechtsstellung des
Zwangsverwalters mit der Rechtslage des Erwerbers von Wohnungseigentum zu
harmonisieren (vgl. dazu Hauger, in: Weitnauer, WEG, 8. Aufl., § 45 Rdn. 14).
21
Betreffend der Haftung des Erwerbers von Wohnungseigentum ist bislang aber kaum
eine überzeugende Haftungsregelung entwickelt worden. Um die Erwerberhaftung in
sich schlüssig darzustellen, sind mehrere Rechtsbereiche, die sich gegenseitig
beeinflussen, in Einklang zu bringen. In erster Linie ist dabei auf ein materiell-rechtlich
überzeugendes Haftungsergebnis Rücksicht zu nehmen: Nur wenn es der
Rechtsprechung gelingt, im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander
(ausgeschiedener Wohnungseigentümer zum Erwerber) den "richtigen" Schuldner für
die Haftung aus der Abrechnung zu bestimmen, vermögen auch die weiteren Fragen -
vornehmlich das Stimmrecht und das Anfechtungsrecht - einer zutreffenden Lösung
zugeführt zu werden.
22
Mit Blick auf die Erwerberhaftung kann die derzeitige Rechtslage wie folgt
zusammengefaßt werden (vgl. auch Stobbe, WuM 1998, 585):
23
Wird das Wohnungseigentum im Rahmen einer Zwangsversteigerung erworben, so soll
der Erwerber nach einer Entscheidung des 7. Zivilsenats des BGH (BGH, Beschluß vom
27.6.1985 - VII ZB 16/84 -, BGHZ 95, 118 = NJW 1985, 2717 = LM § 16 WEG Nr. 6) nicht
für die Rückstände des früheren Wohnungseigentümers haften müssen. Dies soll auch
24
dann gelten, wenn "die Abrechnung eines vor dem Zuschlag abgelaufenen
Wirtschaftsjahres erst nach dem Zuschlag erstellt und bekannt gemacht" worden ist. Da
dem mitgeteilten Sachverhalt (in der NJW) nicht entnommen werden kann, daß der
Beschluß über die Jahresabrechnung angefochten worden wäre (auch die
Entscheidungsgründe geben zu einer solchen Annahme keinen Anlaß), ist davon
auszugehen, daß der Erwerber von Wohnungseigentum in der Zwangsversteigerung
(nach dieser Rechtsauffassung) nicht einmal den nach seinem Eigentumserwerb
gefaßten Beschluß über die Abrechnung eines früheren Wirtschaftsjahres anfechten
müßte, um eine Haftungsbegrenzung herbeizuführen.
Mit Beschluß vom 21.4.1988 (- V ZB 10/87 -, BGHZ 104, 197 = NJW 1988, 1910) hat der
5. Zivilsenat des BGH sodann für die Haftung des Erwerbers eine Kehrtwendung
vollzogen und sich zugleich inhaltlich von der Entscheidung des 7. Senats distanziert. In
dem Beschluß aus dem Jahre 1988 stützt der BGH die Zahlungsverpflichtung des
neuen Eigentümers alleine auf den Umstand, daß erst durch den Beschluß der
Wohnungseigentümer die konkrete Beitragspflicht gemäß § 16 Abs. 2 WEG begründet
werde. Da der Beschluß nur Verbindlichkeiten "für die zur Beschlußfassung berufenen
Wohnungseigentümer, nicht aber für deren Rechtsvorgänger" begründen könne, hafte
der Erwerber für die Zahlungsrückstände. Da der BGH den Erwerber in der besagten
Entscheidung auch für die "Deckungslücke" haften lassen will, welche sich auch aus
der Nichtzahlung von rückständigen Wohngeldvorschüssen ergibt, hätte der Erwerber
danach sogar für den gesamten Abrechnungssaldo einzustehen. Da die
Jahresabrechnung von den Erwerbern offenbar nicht angefochten wurde, kann der
Entscheidung keine Äußerung des BGH zu der Frage entnommen werden, ob der
Erwerber die Haftung durch Anfechtung der Jahresabrechnung auf die sogenannte
"Abrechnungsspitze" beschränken kann.
25
Diese Möglichkeit wird den Erwerbern von Wohnungseigentum von der neueren
obergerichtlichen Rechtsprechung zugebilligt. So kann sich der Erwerber von
Wohnungseigentum im Wege der Anfechtung der Jahresabrechnung zumindest davor
schützen, für solche Wohngeldrückstände haften zu müssen, welche bereits vor der
Beschlußfassung der Gemeinschaft zur Jahresabrechnung als
Wohngeldvorauszahlungen fällig waren (vgl. KG, Beschluß vom 27.6.1994 - 24 W
5882/93 -, WuM 1994, 497 = FGPrax 1995, 28 = DWE 1994, 162 - nur LS -; Beschluß
vom 17.12.1997 - 24 W 2520/96 -, ZMR 1998, 656; OLG Düsseldorf, Beschluß vom
24.1.1997 - 3 Wx 440/96 -, ZMR 1997, 250; OLG Köln, Beschluß vom 21.5.1997 - 16 Wx
129/97 -, ZMR 1998, 194; von den Instanzgerichten: LG Berlin, Beschluß vom 6.2.1996 -
85 T 287/95 -, ZMR 1998, 656; ebenso aus der Literatur: Bub, a.a.O., § 28 Rdn. 191;
Hauger, in: Weitnauer, a.a.O., § 16 Rdn. 51). Der Erwerber haftet daher nur für die sog.
"Abrechnungsspitze", nicht aber für die Wohngeldvorschüsse, mit welchen der
Veräußerer schon in Rückstand gekommen ist.
26
Auch wenn der BGH bisher die Beschränkung der Haftung des Erwerbers auf die
Abrechnungsspitze nicht ausdrücklich bestätigt hat, so liegen doch die Entscheidungen
des KG, des OLG Düsseldorf und des OLG Köln auf der Linie der vom 5. Zivilsenat des
BGH entwickelten Rechtsprechung. Dies um so mehr, wenn man bedenkt, daß der BGH
mit Beschluß vom 30.11.1995 (- V ZB 16/95 -, ZMR 1996, 215 f.) festgestellt hat, daß der
Wohnungseigentümer auch nach seinem Ausscheiden aus der Gemeinschaft noch für
rückständige Wohngeldzahlungen in Anspruch genommen werden kann. Damit geht
einher, daß die Beschlußfassung über die Jahresabrechnung in aller Regel keine
Schuldumschaffung in der Weise bewirkt, daß der Beschluß über den Wirtschaftsplan
27
aufgehoben und vollständig durch den Beschluß über die Jahresabrechnung ersetzt
würde (vgl. BGH, a.a.O.).
Nach der Rechtsprechung haftet der Erwerber von Wohnungseigentum daher für
Rückstände betreffend ein früheres Abrechnungsjahr, wenn nur der die Fälligkeit
begründende Beschluß nach dem Eigentumserwerb gefaßt wurde; gleichzeitig kann der
Erwerber allerdings den Umfang seiner Haftung durch die Anfechtung des
Abrechnungsbeschlusses auf die Abrechnungsspitze beschränken.
28
Auch wenn die vorstehend beschriebene Rechtsprechung zunehmend einen
gefestigten Eindruck vermittelt, kann sich das hier zur Entscheidung berufene Gericht
dem aufgrund von grundsätzlichen Bedenken, die sich bereits gegen den Ansatz der
Haftung des Erwerbers richten, nicht anschließen.
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Die Kritik an der oben dargestellten Rechtsprechung kann dabei in folgende Punkte
aufgegliedert werden:
30
Die Haftung des Erwerbers für Wirtschaftsperioden, in welchen er noch gar nicht zur
Eigentümergemeinschaft gehört hat, läßt sich nicht mit dem Sinn und Zweck von § 16
Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WEG in Einklang bringen (nachfolgend zu a).
31
Dem Erwerber ein Stimmrecht hinsichtlich einer Abrechnung zuzugestehen, welche
bereits vor seinem Eintritt in die Gemeinschaft vollständig abgeschlossen war, erweist
sich als wenig überzeugend, weil er weder zu den Vorauszahlungen noch zu den
Ausgaben über die erforderlichen Informationen verfügt (nachfolgend zu b).
32
Wegen der Betroffenheit in eigenen Rechten ist dem bereits ausgeschiedenen
Wohnungseigentümer ein eigenes Stimm- und Anfechtungsrecht zuzubilligen
(nachfolgend zu c).
33
Die Stimmrechtsausübung durch den Erwerber erweist sich auch unter dogmatischen
Gesichtspunkten nicht als zwingend geboten (nachfolgend zu d).
34
zu a):
35
Eine in sich schlüssige Lösung der Erwerberhaftung setzt nach Auffassung des Gerichts
voraus, daß der Grund für die Haftung einer näheren Untersuchung unterzogen wird.
36
Dabei ist von dem Wortlaut des § 16 WEG auszugehen. Dieser Vorschrift -
insbesondere dem Verhältnis von § 16 Abs. 1 Satz 1 WEG zu § 16 Abs. 2 WEG - kann
entnommen werden, daß die Haftung des Wohnungseigentümers für die
gemeinschaftlichen Lasten nur vor dem Hintergrund des dem Wohnungseigentümer
zustehenden Nutzungsrechtes gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 WEG gedeutet werden kann.
Die Verpflichtung zur Lastentragung nach § 16 Abs. 2 WEG stellt gleichsam die
Kehrseite des dem Wohnungseigentümer nach § 16 Abs. 1 Satz 1 WEG zustehenden
Nutzungsrechts dar.
37
So bestimmt § 16 Abs. 1 Satz 1 WEG, daß dem Wohnungseigentümer "ein seinem
Anteil entsprechender Bruchteil des gemeinschaftlichen Eigentums" gebührt. Wenn der
Wohnungseigentümer sodann nach § 16 Abs. 2 WEG die "Lasten des
gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung,
38
sonstigen Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen
Eigentums" zu tragen hat, so ist diese Verpflichtung lediglich die Kehrseite des in § 16
Abs. 1 Satz 1 WEG normierten Nutzungsrechts. Da das Sondereigentum
rechtstechnisch nur "Annex" des gemeinschaftlichen Eigentums ist, besagen die
Vorschriften im Zusammenspiel, daß derjenige, der als Eigentümer den Vorteil des
Sondereigentum hat - also die Nutzungen zieht -, auch die seinem Miteigentumsanteil
entsprechenden Lasten zu tragen hat. Eine an Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte
Auslegung kann daher nach Ansicht des Gerichts nur zu dem Ergebnis führen, daß
jeder Wohnungseigentümer auch immer für die Zeit die Lasten nach § 16 Abs. 2 WEG
zu tragen hat, für die er als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war und die
Nutzungen genossen hat. Beschließen die Wohnungseigentümer daher im Jahre 1998
die Abrechnung für das Jahr 1997, so müssen auch alleine die im Jahre 1997 im
Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer die Lasten tragen. Hier alleine
deshalb den neuen Wohnungseigentümer ganz oder teilweise deshalb haften zu
lassen, weil der Beschluß über die Jahresabrechnung (zufällig) nach dem Ausscheiden
des früheren Eigentümers gefaßt wurde, vermag nicht zu überzeugen. Denn diese rein
formale, an der Fälligkeit des Wohngeldes orientierte Betrachtung vernachlässigt das
Zusammenspiel von § 16 Abs. 1 Satz 1 WEG und § 16 Abs. 2 WEG. Die Haftung des
Erwerbers ist materiell-rechtlich durch die bloße Anknüpfung an die Fälligkeit nicht
zureichend zu legitimieren; soweit von der Rechtsprechung das Problem insofern
"entschärft" wird, als der Erwerber nur noch auf die Abrechnungsspitze haften soll (wenn
er denn rechtzeitig angefochten hat), beseitigt dies lediglich die extremen
"Folgeschäden" der Rechtsprechung, die sich ausschließlich an der Fälligkeit des zu
zahlenden Wohngeldes orientiert. Eine überzeugende Haftungsgrundlage wird dadurch
jedoch nicht vermittelt.
Mit dieser Kritik befindet sich das Gericht durchaus in Einklang mit der Rechtsprechung
des 7. Zivilsenats des BGH (vgl. den bereits zitierten Beschluß vom 27.6.1985 - VII ZB
16/84 -, BGHZ 95, 118 = NJW 1985, 2717 = LM § 16 WEG Nr. 6), welche allerdings der
5. Zivilsenat des BGH revidiert hat.
39
So hat der 7. Zivilsenat des BGH in der zitierten Entscheidung ausgeführt, daß der durch
Zuschlag in der Zwangsversteigerung erwerbende Wohnungseigentümer mit den
Kosten, die vor dem Zuschlag für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums
angefallen sind, nichts zu tun hat. Diese Kosten sind "ohne Mitwirkung des Erstehers"
zustande gekommen, so daß nicht einzusehen ist, weshalb der Erwerber für diese
Kosten aufkommen sollte. (Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob es noch der
Anfechtung des Abrechnungsbeschlusses durch den Erwerber bedarf.)
40
Auch wenn der 5. Zivilsenat des BGH in der späteren Entscheidung vom 21.4.1988
(BGHZ 104, 197 = NJW 1988, 1910) sodann die gegenteilige Auffassung vertreten hat,
so kann doch auch den dortigen Entscheidungsgründen entnommen werden, daß auch
nach Ansicht des 5. Zivilsenats der Gesichtspunkt der "harmonischen" Verteilung von
Nutzungen und Lasten einen entscheidenden Gesichtspunkt bei der Kostenverteilung
bildet. Immerhin formuliert der Senat a.a.O. (unter II. 1e):
41
"Soweit die Jahresabrechnungen reine Verbrauchskosten erfassen, mag es allerdings
näher liegen, denjenigen zu belasten, der an dem Verbrauch mitgewirkt und damit den
Nutzen gehabt sowie zum Entstehen der Deckungslücke beigetragen hat."
42
Der 5. Zivilsenat des BGH verteidigt das von ihm gefundene Ergebnis jedoch sodann im
43
wesentlichen mit vier Argumenten, die allerdings nach Auffassung des
Abteilungsrichters alle nicht richtig zu überzeugen vermögen.
Als erstes begründet der BGH die Haftung des Erwerbers damit, daß die
"Deckungslücken, die dadurch entstehen, daß sich die Vorschußforderungen als
uneinbringlich erweisen, ohnehin im folgenden Wirtschaftsjahr durch entsprechend
erhöhte Vorschußleistungen der Wohnungseigentümer - unter Einschluß des
inzwischen im Grundbuch eingetragenen Erwerbers - ausgeglichen werden."
44
Dieses Argument kann aus mehreren Gründen nicht überzeugen:
45
Zunächst kann aus einer Abrechnung, die mit einem negativen Saldo endet, noch längst
nicht geschlossen werden, daß die "Deckungslücke" uneinbringlich sein muß. Dazu hat
der 5. Zivilsenat denn auch inzwischen durch den bereits erwähnten Beschluß vom
30.11.1995 (- V ZB 16/95 -, ZMR 1996, 215) festgestellt, daß der ausgeschiedene
Wohnungseigentümer weiter "aus dem Wirtschaftsplan für die Wohngeldvorschüsse
(haftet), welche während des Zeitraums, als er Wohnungseigentümer war, fällig
geworden sind". Die vom BGH im Beschluß vom 21.4.1988 gesehene "Deckungslücke"
kann sich daher primär nur auf die sogenannte "Abrechnungsspitze" beziehen. Haftet
der ausgeschiedene Wohnungseigentümer somit aber noch für die vor dem
Eigentumswechsel bereits fällig gewordenen Wohngeldvorschüsse, so kann auch nicht
mehr gesagt werden, daß die Forderung in dieser Höhe "uneinbringlich" sei.
46
Weiter spricht gegen den BGH, daß es bei einer wirtschaftlichen Betrachtung natürlich
in aller Regel einen großen Unterschied ausmachen wird, ob der Erwerber des
Wohnungseigentums lediglich im Haftungsverband mit den übrigen
Wohnungseigentümern für die "Deckungslücke" einzustehen hat (etwa über eine
Sonderumlage; vgl. dazu - bezogen auf den Zwangsverwalter - auch OLG Düsseldorf, -
3 Wx 201/90 -, WuM 1990, 458), oder ob er alleine für diese Forderung aufkommen soll.
Die Erwägung des BGH, daß der Erwerber gleichsam "allemal" für die Deckungslücke
in Anspruch genommen werden müsse, kann daher seine Alleinhaftung nicht
überzeugend begründen.
47
Als weiteren Punkt, der die Haftung des Erwerbers rechtfertigen soll, verweist der BGH
darauf, daß in der Jahresabrechnung auch "Aufwendungen für Reparaturen und
größere Instandhaltungsmaßnahmen" enthalten seien (genauer: sein können). Den
Nutzen hieraus ziehe aber in erster Linie nicht der alte, sondern der neue
Wohnungseigentümer.
48
Auch dies überzeugt indes nicht. Enthält nämlich die Abrechnung solche Positionen, so
sind die entsprechenden Ausgaben bereits getätigt worden. Dies ergibt sich aus dem
"Geldflußprinzip", welches das Abrechnungsrecht beherrscht (vgl. statt aller Köhler,
ZMR 1998, 327 [328]). In diesem Fall werden sich die Investitionen, aus denen der
Erwerber in der Tat Nutzen ziehen mag, aber bereits in dem Objekt und damit auch in
dem Erwerbspreis niedergeschlagen haben. Die von dem BGH angeführte Erwägung
führt daher hinsichtlich dieser Investitionen dazu, daß der Erwerber gleich doppelt für
die Aufwendungen einstehen soll (einmal über den Erwerbspreis, einmal über die
Haftung für die Rückstände).
49
Als dritten Grund für die Erstreckung der Haftung auf alte Abrechnungssalden gibt der
BGH an, daß es dem rechtsgeschäftlichen Erwerber frei stehe, im Verhältnis zum
50
Veräußerer eine ihm günstigere Regelung zu vereinbaren.
Dem ist entgegenzuhalten, daß mancher Erwerber die sich ergebende Problematik bei
dem Kauf des Wohnungseigentums nicht wird übersehen können. Auch wenn hier die
Formvorschrift des § 313 Satz 1 BGB (notarielle Beurkundung) eine gewisse
Absicherung des Erwerbers mit sich bringen wird, so bleibt doch die interne
Vereinbarung eine "Krücke", durch welche das gerade vom BGH begründete Ergebnis
nur wieder ausgeglichen werden soll. Außerdem kann diese "Lösung" nur dann einen
Ausgleich verschaffen, wenn es einen schuldrechtlichen Vertrag mit dem Veräußerer
gibt. Wird das Wohnungseigentum - wie in dem Fall, über welchen der 7. Zivilsenat zu
befinden hatte - demgegenüber durch Zuschlag erworben, so kann der Ersteigerer
naturgemäß über diesen Weg keine Absicherung erfahren.
51
Schließlich meint der BGH, daß sich die Lösung des 7. Zivilsenats zudem "kaum in die
Praxis umsetzen lassen (dürfte)", weil sie eine "nur schwer durchführbare
Rückrechnung und zeitanteilige Zuordnung des Kostenanfalls erfordert".
52
Auch diese Beurteilung kann - jedenfalls in ihrer Allgemeinheit - nach Ansicht des
Gerichts nicht geteilt werden.
53
Dazu sei noch einmal kurz dargelegt, um welche Fälle es im wesentlichen bei der hier
streitigen Haftung des Erwerbers geht: Der Erwerber wird im Laufe eines
Wirtschaftsjahres in das Grundbuch eingetragen; nach seiner Eintragung faßt die
Gemeinschaft einen Beschluß betreffend das vorangegangene Wirtschaftsjahr.
54
Bei einer solchen Fallgestaltung ergeben sich jedoch für die Abrechnung des bereits
abgelaufenen Wirtschaftsjahres regelmäßig keine besonderen Abrechnungsprobleme.
Vielmehr hat nach der hier vertretenen Rechtsauffassung alleine der Eigentümer die
Kosten des abgelaufenen Wirtschaftsjahres zu tragen, der für diese Zeit auch im
Grundbuch als Eigentümer eingetragen war.
55
Selbst bei einem (weiteren) Eigentümerwechsel im Laufe des abzurechnenden
Wirtschaftsjahres kommt es dabei nach Auffassung des Gerichts zu keinen größeren
Schwierigkeiten. Hier ist allerdings zu bedenken, daß das Stimmrecht nicht auf die
früheren Eigentümer aufgespalten werden kann. Zur Beschlußfassung dürfte daher stets
nur derjenige Wohnungseigentümer berechtigt sein, der am Ende der
Wirtschaftsperiode als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Ist das
Wohnungseigentum etwa zum 1.5. erworben und zum 1.2. des Folgejahres schon
wieder veräußert worden, so bietet schon die Verpflichtung der Wohnungseigentümer
zur Zahlung der Wohngeldvorschüsse eine weitgehende Grundlage für die (interne)
Kostenverteilung zwischen dem ursprünglichen Veräußerer und dem Erst-Erwerber. Die
Aufteilung des Abrechnungssaldos (Guthaben oder Nachzahlungsverpflichtung) kann
dabei nach Auffassung des Gerichts auch dem internen Verhältnis dieser Beteiligten
überlassen werden; jedenfalls sind diese beiden Beteiligten "näher" an der Aufteilung
des Abrechnungssaldos dran, als der Wohnungseigentümer, der erst am 1.2. des
Folgejahres in das Grundbuch eingetragen worden ist und nach der herrschenden
Meinung über das Wirtschaftsjahr abstimmen und für eine etwaige "Abrechnungsspitze"
auch noch haften soll.
56
Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, daß der neueren Rechtsprechung
des BGH zur Erwerberhaftung erhebliche Bedenken entgegenstehen. Unter materiellen
57
Gesichtspunkten vernachlässigt die Begründung der Haftung des Erwerbers Sinn und
Zweck von § 16 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WEG; die vom BGH genannten Gründe, die für
eine Erwerberhaftung sprechen sollen, erscheinen nicht tragfähig.
zu b):
58
Weiter erscheint es dem Gericht auch nicht überzeugend, dem Erwerber ein Stimmrecht
hinsichtlich der Abrechnung zuzugestehen, wenn er in dem Abrechnungsjahr noch gar
nicht der Eigentümergemeinschaft zugehörig war.
59
Mit der Beschlußfassung über die Jahresabrechnung bestätigen die
Wohnungseigentümer im wesentlichen die Einnahmen und die Ausgaben des
jeweiligen Wirtschaftsjahres. Unter dem Blickwinkel der Einzelabrechnung wird für
jeden Wohnungseigentümer in der Abrechnung verbindlich geregelt, welche
Vorschüsse von ihm in dem Wirtschaftsjahr gezahlt worden sind und welche Ausgaben
(einschließlich des richtigen Verteilungsschlüssels) ihm zuzurechnen sind (vgl. zu
alledem Köhler, ZMR 1998, 327 ff.).
60
Angesichts dieses Gegenstandes der Jahresabrechnung liegt auf der Hand, daß der
Erwerber kaum sinnvoll an der Beschlußfassung teilnehmen kann. Namentlich
hinsichtlich der Vorausleistungen des zwischenzeitlich ausgeschiedenen
Wohnungseigentümers wird er aus eigener Kenntnis keine Angaben machen können.
Ähnlich wird sich die Situation in Bezug auf die Abstimmung über die Ausgaben des
früher bereits vollständig abgelaufenen Wirtschaftsjahres verhalten. Auch hier werden
dem Erwerber, der erst im Folgejahr ins Grundbuch eingetragen worden ist, sowohl die
erforderlichen Kenntnisse als auch das Interesse für eine sinnvolle Abstimmung fehlen.
61
zu c):
62
Damit geht einher, daß die Jahresabrechnung durchaus noch für den ausgeschiedenen
Wohnungseigentümer rechtliche Relevanz behalten kann. Dies wird insbesondere dann
deutlich, wenn die Vorschüsse des ausgeschiedenen Wohnungseigentümers den nach
der Abrechnung zu entrichtenden Betrag übersteigen, die Jahresabrechnung mithin zu
einem Guthaben des ausgeschiedenen Wohnungseigentümers führen sollte.
63
Hier ist nämlich schon zweifelhaft, wem dieses Guthaben nach der Rechtsprechung des
BGH zustehen soll. Da der BGH seine Auffassung zur Haftung des Erwerbers auf die
Unzulässigkeit eines "Vertrages" bzw. "Beschlusses" zu Lasten Dritter stützt (vgl. den
Beschluß vom 21.4.1988 - V ZB 10/87 -, BGHZ 104, 197 = NJW 1988, 1910 [1911]),
läge es wohl auf der Linie der Rechtsprechung des BGH, wenn ein etwaiges Guthaben
aus der Abrechnung noch dem bereits ausgeschiedenen Wohnungseigentümer
zustünde: Denn das Guthaben hat dieser "angespart", indem er während seiner Stellung
als Eigentümer mehr an Wohngeld entrichtet hat, als nach der Abrechnung auf ihn (!) an
Kosten entfallen. Ergibt daher die Abrechnung, daß dem ausgeschiedenen
Wohnungseigentümer beispielsweise noch ein Guthaben in Höhe von 1.000 DM aus
der Abrechnung zusteht, so läge insoweit auch kein Beschluß zu Lasten Dritter vor.
64
Ungeklärt wäre dabei indes, wer anfechtungsberechtigt sein soll, wenn der Beschluß
ein zu niedriges Guthaben ausweist. Wer sollte etwa - um im obigen Beispiel zu bleiben
- anfechtungsberechtigt sein, wenn zu Unrecht lediglich ein Guthaben mit 500 DM
(anstatt mit 1.000 DM) ausgewiesen wird? Steht in einem solchen Fall dem neuen
65
Wohnungseigentümer das Anfechtungsrecht zu, weil er bei der Beschlußfassung schon
im Grundbuch eingetragen war oder soll - wegen der Betroffenheit in seinen Rechten -
hier noch der ausgeschiedene Wohnungseigentümer anfechtungsbefugt sein?
Selbst wenn man die Rechtsprechung des BGH zur Erwerberhaftung zugrunde legt,
können im übrigen die Rechte des ausgeschiedenen Wohnungseigentümers dann noch
betroffen sein, wenn er sich als Veräußerer gegenüber dem Erwerber zu einer
Übernahme eines etwaigen Nachzahlungsbetrages verpflichtet haben sollte.
66
Unter dem Blickwinkel der Jahresabrechnung ist daher unter Beachtung des in § 16
Abs. 1 Satz 1 und 2 WEG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens nur dann eine
in sich schlüssige und widerspruchsfreie Regelung denkbar, wenn - ungeachtet der
Eigentümerstellung im Zeitpunkt der Beschlußfassung - jeweils den
Wohnungseigentümer die Abrechnungsfolgen (als Guthaben oder auch als
Nachzahlungsbetrag) treffen, der in der Wirtschaftsperiode, über welche Beschluß zu
fassen ist, Wohnungseigentümer war.
67
Wegen seiner materiellen Betroffenheit und seiner (wenn auch abgeschlossenen)
Beteiligung an der Gemeinschaft ist er auch alleine als stimm- und
anfechtungsberechtigt anzusehen.
68
zu d):
69
Die Stimmrechtsausübung durch den Erwerber erweist sich auch unter dogmatischen
Gesichtspunkten nicht als zwingend geboten.
70
Hier ist zunächst festzustellen, daß ein Stimmrecht auch jetzt teilweise schon "Nicht-
Eigentümern" eingeräumt wird.
71
Zu denken ist hier etwa an das Stimmrecht "werdenden Eigentümers" bei der Teilung
nach § 8 WEG (für den Zeitraum zwischen dem Übergang des Besitzes an der
erworbenen Eigentumswohnung und dem Entstehen einer
Wohnungseigentümergemeinschaft, also bis zur Eintragung des ersten Erwerbers, vgl.
dazu Bub, a.a.O., § 25 Rdn. 114 m.w. Nachw.).
72
Weiter wird für zulässig erachtet, daß der Wohnungseigentümer den Erwerber zur
Ausübung des ihm (noch) zustehenden Stimmrechts ermächtigen kann (KG, OLGZ
1979, 290 = MDR 1979, 937 = Rpfleger 1979, 316; ZMR 1994, 524 = NJW-RR 1995,
147 = WuM 1994, 714 = WE 1995, 119 = DWE 1995, 31 = FGPrax 1995, 28; LG
Wuppertal, Rpfleger 1972, 451; Bub, a.a.O., § 25 Rdn. 111). Nach Auffassung von Bub
(vgl. a.a.O. Rdn. 113) soll sogar aufgrund der Interessenlage regelmäßig eine
"konkludente" Ermächtigung des Erwerbers anzunehmen sein, "da das Stimmrecht zu
den Gebrauchsvorteilen und damit zu den Nutzungen des Wohnungseigentums im
Sinne von § 100 BGB zählt" (ähnlich auch KG, a.a.O.: "..., so ist der Erwerber
regelmäßig als ermächtigt anzusehen ..."). Wegen der konkludenten Ermächtigung zur
Stimmabgabe soll sogar der Vorsitzende der Wohnungseigentümerversammlung nur
dann zur Prüfung der Stimmberechtigung des Erwerbers verpflichtet sein, wenn insoweit
"konkrete Zweifel bestehen oder von anderen Wohnungseigentümern erhoben werden"
(so Bub, a.a.O.). Nach Auffassung von Merle (in: Bärmann/Pick/Merle, § 25 Rdn. 9) soll
es sogar zulässig sein, daß der Veräußerer den Erwerber nicht nur ermächtigt, sein
Stimmrecht auszuüben; vielmehr soll der Veräußerer das Stimmrecht sogar auf den
73
Erwerber übertragen können.
Auch wenn sich somit das Stimmrecht des "werdenden" Wohnungseigentümers in der
Ausübung einer (konkludenten) Ermächtigung erschöpft oder nur infolge einer
Stimmrechtsübertragung besteht - insofern kein "originäres, eigenes" Stimmrecht des
Erwerbers darstellt -, so fällt doch auf, daß von Bub und Merle die Befugnis zur
Stimmrechtsausübung in einem Kontext mit dem Nutzungsrecht des
Wohnungseigentums und der Interessenlage an der weiteren Beschlußfassung
gesehen wird. Ist aber die Nutzungszeit bei früheren Wirtschaftsjahren schon
abgeschlossen, so spricht nach Auffassung des Gerichts alles dafür, auch den
seinerzeit Nutzungsberechtigten hinsichtlich der Beschlußfassung über die
Jahresabrechnung für stimmberechtigt zu halten. Jedenfalls läßt die Erwägung, daß
auch ein Nichteigentümer im Vorgriff auf seinen Eigentumserwerb ein solches
Stimmrecht ausüben kann, wenn er dazu nur "ermächtigt" oder es ihm "übertragen"
worden ist, den Schluß zu, daß keine grundsätzlichen dogmatischen Bedenken
dagegen bestehen können, auch den bereits ausgeschiedenen Wohnungseigentümer
mit abstimmen zu lassen, wenn seine Interessen evident berührt sind.
74
Würde man dem ausgeschiedenen Wohnungseigentümer ein solches Stimmrecht
zubilligen, so wären auch die Bedenken des BGH, die dieser aus dem Gesamtakt "zu
Lasten Dritter" ableitet (vgl. erneut den Beschluß vom 21.4.1988, a.a.O.)
gegenstandslos.
75
Folgt man somit der hier vertretenen Rechtsauffassung, so ergibt sich, daß der
ausscheidende Wohnungseigentümer auch noch für solche Abrechnungsjahre
stimmberechtigt ist, an deren Ende er als Wohnungseigentümer im Grundbuch
eingetragen war. (Dabei kann für das vorliegende Verfahren dahinstehen, ob in diesen
Fällen der als neuer Eigentümer bereits im Grundbuch eingetragene Erwerber -
gleichsam in entsprechender Anwendung der vom Kammergericht vertretenen Ansicht
zur Stimmrechtsermächtigung - das Stimmrecht regelmäßig für den ausgeschiedenen
Wohnungseigentümer ausüben kann. Für das Stimmrecht ergäbe sich bei einer solchen
Betrachtung, daß der "werdende" Eigentümer im Regelfall bereits als ermächtigt
angesehen werden kann, über solche Beschlüsse abzustimmen, die ihn - statt des
Eigentümers - in seiner zukünftigen Stellung als Miteigentümer treffen, während der
bereits eingetragene Eigentümer in aller Regel als "ermächtigt" angesehen werden
könnte, für den schon ausgeschiedenen Wohnungseigentümer dessen Stimmrecht
auszuüben. Bei einer solchen Annahme läge kein "Beschluß zu Lasten Dritter" vor und
dem ausgeschiedenen Eigentümer stünde - wie hier vertreten - das Anfechtungsrecht
zu.)
76
Dem entsprechend ist der ausgeschiedene Wohnungseigentümer auch als berechtigt
anzusehen, einen etwa gefaßten Abrechnungsbeschluß anfechten; schließlich soll ihn
auch das Ergebnis der Jahresabrechnung treffen. Diese Rechte des ausgeschiedenen
Wohnungseigentümers sind mithin aus seiner materiellen Beteiligung, die sich aus der
Auslegung von § 16 WEG ergibt, zu folgern. Die Rechte des Wohnungseigentümer
hängen somit gleichsam "sachbezogen" an der ehemals gegebenen
Miteigentümerstellung.
77
Ist somit bei einem Wechsel im Wohnungseigentum der ausgeschiedene
Wohnungseigentümer noch aus der Jahresabrechnung für abgeschlossene
Wirtschaftsperioden berechtigt oder verpflichtet, so entfällt auch jeglicher Grund, den
78
Zwangsverwalter nach § 155 Abs. 1 ZVG für verpflichtet zu erachten, Ansprüche der
Gemeinschaft vorweg zu befriedigen.
Die von der Gegenansicht herangezogenen Argumente können nach Auffassung des
Gerichts nicht überzeugen.
79
Dies gilt zunächst für das vom OLG Karlsruhe (Beschluß vom 10.1.1990 - 11 W 167/89 -,
ZMR 1990, 189) herangezogene Argument der Erwerberhaftung. Hierzu ist oben
ausführlich Stellung genommen worden: Da nach der hier vertretenen Auffassung der
Erwerber für das Ergebnis früherer Abrechnungsjahre jedenfalls nach einer Anfechtung
des Abrechnungsbeschlusses nicht einzustehen hat, kann auch der Zwangsverwalter
nicht nach § 155 Abs. 1 ZVG als verpflichtet angesehen werden, diese Rückstände als
laufende Ausgaben vorweg zu befriedigen.
80
Auch das weitere Argument des OLG Karlsruhe, der Wert des Wohnungseigentums sei
schon im Zeitpunkt der Beschlagnahme "gemindert" trifft nach Auffassung des Gerichts
nicht den Kern der Haftungsproblematik. Denn der Zwangsverwalter soll gemäß § 155
Abs. 1 ZVG nur die "Ausgaben der Verwaltung" sowie bestimmte Verfahrenskosten
vorweg aus den Nutzungen befriedigen. Es geht daher nicht um den "Wert des
Wohnungseigentums", sondern darum, daß die laufenden Erträge zunächst die
laufenden Kosten abzudecken haben. Im übrigen müßte diese Erwägung des OLG
Karlsruhe erst recht dazu führen, daß der Erwerber von Wohnungseigentum "ohne wenn
und aber" für aufgelaufene Rückstände des Voreigentümers haften müßte. Dies ist aber
nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nicht der Fall (vgl. dazu BGH,
Beschluß vom 24.2.1994 - V ZB 43/93 -, ZMR 1994, 271: zur Haftung des Erwerbers bei
entsprechender Klausel in der Teilungserklärung).
81
Soweit das OLG Karlsruhe seine Auffassung darauf stützt, daß nach der
Beschlußfassung über die Jahresabrechnung "alleine dieser Beschluß maßgebende
Rechtsgrundlage für die Durchsetzung" des (an sich im voraus zu entrichtenden)
Wohngeldes sei, dürfte die Entscheidung aufgrund neuerer BGH-Entscheidungen
"überholt" sein.
82
So hat der BGH mit Beschluß vom 30.11.1995 (- V ZB 16/95 -, ZMR 1996, 215 f.)
festgestellt, daß der Wohnungseigentümer auch nach seinem Ausscheiden aus der
Gemeinschaft noch für rückständige Wohngeldzahlungen in Anspruch genommen
werden kann. Weiter kann nicht ernsthaft bestritten werden, daß für etwaige
Verzugszinsen wegen verspätet gezahltem Wohngeld alleine der Wirtschaftsplan als
Anspruchsgrundlage (gegebenenfalls in Verbindung mit der Teilungserklärung) in
Betracht kommt (vgl. eingehend zu dem Verhältnis von Wohngeldvorschußanspruch
und Abrechnungsanspruch Bub, a.a.O., § 28 Rdn. 248 ff.). Kann daher die Verpflichtung
zur Zahlung von Vorschüssen nach dem Wirtschaftsplan auch nach erfolgter
Abrechnung noch fortbestehen, so bildet - entgegen der Rechtsauffassung des OLG
Karlsruhe und des BayObLG (Beschluß vom 14.2.1991 - 2Z BR 4/91 -, WuM 1991, 308
= NJW-RR 1991, 723) - die Beschlußfassung über die Abrechnung keinen Grund, den
Zwangsverwalter solche Beträge vorweg befriedigen zu lassen, welche schon vom
Eigentümer der beschlagnahmten Wohnung geschuldet wurden (und noch von diesem
verlangt werden können). Dies gilt nach Auffassung des Gerichts in entsprechender
Anwendung der Rechtsprechung zur Haftungsbegrenzung des Erwerbers auf die
"Abrechnungsspitze" in jedem Fall für den Abrechnungsinhalt, in welchem als
"Deckungslücke" bereits früher fällig gewordene Wohngeldvorschüsse enthalten sind;
83
nach der hier vertretenen Ansicht darüber hinaus auch für den überschießenden Betrag
(vgl. dazu eingehend oben).
Das hier entwickelte Ineinandergreifen von Haftung (an der Auslegung von § 16 WEG
orientiert), Stimmrecht und Anfechtungsbefugnis fügt sich auch nahtlos mit dem
Regelungszweck von § 155 Abs. 1 ZVG.
84
Nach dieser Vorschrift gebühren dem Zwangsverwalter die Nutzungen des
Grundstücks. Dem Zwangsverwalter stehen dabei (vgl. § 152 ZVG) nur die "Früchte" zu,
welche fällig geworden sind, nachdem die Beschlagnahme wirksam geworden ist (vgl.
§§ 146, 22, 151 ZVG). Wenn § 155 Abs. 1 ZVG gleichzeitig anordnet, daß "aus den
Nutzungen" die Ausgaben der Verwaltung sowie bestimmte Verfahrenskosten vorweg
zu bestreiten sind, so deutet schon der sprachliche Zusammenhang darauf hin, daß
"aus den Nutzungen" auch nur die Lasten zu tragen sind, die mit der Nutzungszeit
wirtschaftlich in einem Zusammenhang stehen. Unter diesem Blickwinkel können aber
negative Salden aus einem vergangenen Wirtschaftsjahr unter keinen Umständen zu
den "Ausgaben der Verwaltung" zählen: Denn für diesen Zeitraum standen dem
Zwangsverwalter auch keine Nutzungen zu. Der Zwangsverwalter kann diese
Ausgaben daher auch gar nicht "aus den Nutzungen" bestreiten.
85
Neben dem sprachlichen Argument spricht auch der Sinn und Zweck der Regelung des
§ 155 Abs. 1 ZVG gegen eine Vorwegbefriedigung der übrigen Wohnungseigentümer.
86
Denn durch die Beschlagnahme soll bewirkt werden, daß dem Gläubiger der Nutzen der
beschlagnahmten Wohnung unter Abzug der laufenden Kosten (ebenso Hauger,
Festschrift für Bärmann und Weitnauer, S. 353 [356 f.]; "Bruttoeinnahmen" - vgl. Zeller/
Stöber, ZVG, 15. Aufl., § 155 Rdn. 2, Ziffer 2.2 und Rdn. 3, Ziffer 3.2) zugute kommen
soll. Für Rückstände soll der Zwangsverwalter demgegenüber gerade nicht aufkommen
(vgl. Hauger, a.a.O.). Nur soweit den "Ausgaben der Verwaltung" zeitlich entsprechende
Nutzungen gegenüberstehen, kann daher die Verteilung der Nutzungen nach § 155
Abs. 1 ZVG erfolgen. Betrifft daher die Beschlußfassung ein Wirtschaftsjahr, in welchem
die Beschlagnahme noch gar nicht erfolgte, so kann die Gemeinschaft auch nach § 155
Abs. 1 ZVG keinen Anspruch auf die Nutzungen erheben: Denn in diesem Fall geht es
alleine um die Durchsetzung von Verbindlichkeiten, die auf einen Zeitraum entfallen, als
der Zwangsverwalter auch noch keine Nutzungen aus dem Objekt hat ziehen können.
Für das hier vorliegende Verfahren bedeutet dies, daß die Antragstellerin weder für den
Saldo aus der Abrechnung 1997 noch für den "Spitzenbetrag" (geschuldete Vorschüsse
für das Jahr 1997 in Höhe von 12 * 375 DM = 4.500 DM abzüglich Wohngeldsaldo in
Höhe von 4.800,69 DM) in Anspruch genommen werden kann. Denn alle Kosten, die in
1997 angefallen sind, sind der Beschlagnahme vom Mai 1998 ausnahmslos
vorausgegangen. Würde man hier eine Verteilung der ab Mai/Juni 1998 gezogenen
Nutzungen vornehmen, so würden die Vollstreckungsgläubiger für rückständige Kosten
aufzukommen haben. Ein Anspruch der Wohnungseigentümer auf die im Jahre 1998
gezogenen Nutzungen kommt daher nur hinsichtlich des für 1998 fällig werdenden
Wohngeldes sowie hinsichtlich der "Abrechnungsspitze" in Betracht, die sich für das
Wirtschaftsjahr 1998 (nach erfolgter Abrechnung) ergeben könnte.
87
Für das hier vertretene Ergebnis, daß die Antragstellerin Abrechnungskosten betreffend
das Kalenderjahr 1997 nicht gemäß § 155 Abs. 1 ZVG vorab zu befriedigen hat, spricht
weiter folgende Erwägung:
88
Nimmt man nämlich mit der oben darstellten Auffassung von Hauger und Schnauder an,
daß der Zwangsverwalter nicht für Beträge "zu haften" hat, die bereits vor der
Beschlagnahme originär fällig geworden sind, so kann die Antragstellerin hier der für
das Jahr 1998 zu erwartenden Abrechnung hinsichtlich der Monate Januar bis Mai
entgegenhalten, daß diese Wohngeldforderungen schon vor der Beschlagnahme fällig
waren. Aus der Abrechnung für das Jahr 1998 sind diese Beträge daher von dem
Eigentümer, nicht aber vorweg von dem Zwangsverwalter zu begleichen.
89
Würde man jetzt aber den Zwangsverwalter für die Abrechnungsspitze aus dem
Kalenderjahr 1997 alleine deshalb "haften" lassen, weil diese Forderung originär erst
mit der Beschlußfassung vom 2.7.1998 entstanden ist, so könnte der Zwangsverwalter
zwar die Vorabbefriedigung der Wohnungseigentümer für das Wohngeld von Januar bis
Mai 1998 abwenden, nicht aber den Ausgleich der Abrechnungsspitze umgehen,
welche auf einen früheren Zeitraum entfällt. Auch dieser Erwägung kann entnommen
werden, daß alleine der Blick auf die Frage, wann die Forderung der Gemeinschaft fällig
geworden ist, nicht zu überzeugenden Ergebnissen führen kann.
90
Für das hier gefundene Ergebnis läßt sich auch die Behandlung rückständiger
Wohngeldzahlungen im Konkurs anführen. Für diese Ansprüche hat der 9. Zivilsenat
des BGH mit Beschluß vom 10.3.1994 (- IX ZR 98/93 -, NJW 1994, 1866) entschieden,
daß die rückständigen Vorschüsse auch nach der Beschlußfassung über die
Abrechnung "Konkursforderungen" bleiben und durch diesen Beschluß nicht zu
"Masseverbindlichkeiten" werden. Bleiben aber diese Forderungen der
Wohnungseigentümer bloße Konkursforderungen, so ist nicht einzusehen, weshalb die
Zahlungsansprüche der übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft nach
Anordnung der Zwangsverwaltung gemäß § 155 Abs. 1 ZVG vorweg zu befriedigen sein
sollten.
91
Schließlich verstieße es nach Auffassung des Gerichts gegen den Grundsatz der
"Priorität", wenn der Zwangsverwalter gemäß § 155 Abs. 1 ZVG den Abrechnungssaldo
ganz oder teilweise vorweg befriedigen müßte. Dies würde zu einer nicht
hinzunehmenden Benachteiligung des die Zwangsverwaltung betreibenden Gläubigers
führen würde.
92
Das Zwangsvollstreckungsrecht wird in weiten Teilen von dem Grundsatz der "Priorität"
beherrscht (vgl. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., §
804 Rdn. 10: "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst"). Der Gläubiger, der als erster mit seinem
Titel die Vollstreckung betreibt und ein Pfandrecht erlangt hat, soll - solange der
Schuldner nicht in Konkurs gefallen ist und die gleichmäßige Befriedigung aller
Gläubiger im Vordergrund des Verfahrens steht - die bessere Rangstellung gegenüber
den anderen Gläubigern erhalten (vgl. zum Rangverhältnis nach dem ZVG dort §§ 10 ff.;
speziell zum Rangverhältnis bei der Zwangsverwaltung: Zeller/Stöber, a.a.O., § 155
Rdn. 4 - vgl. zum Rangverhältnis mehrerer das Verfahren betreibender Gläubiger
insbes. Rdn. 7, Ziffer 7.2 f: "Mehrere betreibende Gläubiger haben also in der
Zwangsverwaltung ganz normal, wie in der Zwangsversteigerung auch, untereinander
den Rang nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens ihrer Beschlagnahme: § 10 Abs.
2."). Der die Zwangsverwaltung betreibende Titelgläubiger muß daher von den
Nutzungen des Grundstückes auch nur die in § 155 Abs. 1 ZVG genannten laufenden
Ausgaben der Verwaltung sowie bestimmte Kosten des Verfahrens durch den
Zwangsverwalter vorweg befriedigen lassen.
93
Würde man nun aber den Zwangsverwalter für verpflichtet erachten, auch etwaige
Abrechnungsnachforderungen aus einer vergangenen Wirtschaftsperiode vorweg zu
befriedigen, würden die übrigen Wohnungseigentümer ohne Titelgläubiger zu sein und
ohne, daß sie die Zwangsverwaltung hätten betreiben müssen, gegenüber dem die
Zwangsverwaltung betreibenden Gläubiger bevorrechtigt sein. Damit würde aber der
Rang der Gläubiger in unzulässiger Weise zu Gunsten der Miteigentümer des
Schuldners und zum Nachteil des bereits die Vollstreckung betreibenden Gläubigers
verschoben.
94
Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, daß die Antragstellerin als
Zwangsverwalterin einerseits nicht berechtigt ist, den Beschluß über die
Jahresabrechnung 1997 anzufechten (weshalb es auf die Berechtigung ihrer Angriffe
gegenüber der Jahresabrechnung nicht ankommt); andererseits ist sie nicht verpflichtet,
den sich aus der Abrechnung 1997 ergebenden Saldo auszugleichen.
95
Da gerade in WEG-Verfahren gestellte Anträge über ihren reinen Wortlaut hinaus
auszulegen sind, hat das Gericht diese Feststellung auch im Tenor der Entscheidung
zum Ausdruck gebracht.
96
Eine solche Feststellung erweist sich auch als zulässig. Dem steht namentlich nicht
entgegen, daß die Antragstellerin nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht zur
Anfechtung der Jahresabrechnung befugt ist. Denn aufgrund ihres Antrages ist die
Zwangsverwalterin formell Beteiligte des Verfahrens. Darüber hinaus hat sich auch ein
materiell-rechtliches Feststellungsinteresse. Dieses Feststellungsinteresse ergibt sich
bereits aus dem Umstand, daß die überwiegende Rechtsprechung (wie dargelegt) die
Antragstellerin für verpflichtet erachten würde, den Saldo aus der Abrechnung 1997
auszugleichen. Da diese Zahlungsverpflichtung aber gerade nicht besteht, kann ein
Feststellungsinteresse der Antragstellerin nicht geleugnet werden.
97
Eine solche Feststellung entspricht auch dem vorgetragenen Begehren der
Antragstellerin. Dabei ist - wie bereits erwähnt - nicht an dem Wortlaut der Erklärung
(des Antrages) stehen zu bleiben, sondern das dahinter stehende Begehren der
Antragstellerin zu berücksichtigen.
98
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß der gebotene Gleichlauf zwischen der
Erwerberhaftung, der Haftung des Konkursverwalters und der Haftung des
Zwangsverwalters nur auf die Weise erreicht werden kann, daß der Zwangsverwalter
jedenfalls im Rahmen der Anfechtungsfrist zur Jahresabrechnung die Feststellung
begehren kann, daß sich die vorweg zu befriedigenden Forderungen nur auf solche
Beträge beziehen kann, die auf einen Zeitraum nach der Beschlagnahme entfallen. In
welcher Weise für das Wirtschaftsjahr, in welches der Beschlagnahmebeschluß fällt,
eine Aufteilung zwischen dem Eigentümer (und Schuldner) und dem Zwangsverwalter
zu bilden ist (wie also hier die sich für das Jahr 1998 ergebende "Abrechnungsspitze"
zu verteilen ist), braucht derzeit nicht entschieden zu werden. Da die Antragstellerin als
Zwangsverwalterin mit der Anfechtung des Abrechnungsbeschlusses auch zureichend
ihre "Haftungsbegrenzung" geltend gemacht hat, kann unentschieden bleiben, ob auch
der Zwangsverwalter diese Ausführungen gegebenenfalls erst in einem gegen ihn
gerichteten Zahlungsverfahren geltend machen kann (dafür Hauger, in: Festschrift für
Bärmann und Weitnauer, S. 353 [366]: "Die Jahresabrechnung ist rechtsfehlerfrei, weil
sie die Hausgeldschuld des Eigentümers zutreffend wiedergibt. Der Zwangsverwalter
kann die Abrechnung deshalb aus diesem Grund nicht mit Erfolg anfechten. Die
99
beschränkte Inanspruchnahme der Masse, die ausschließlich auf den
vollstreckungsrechtlichen Vorschriften beruht, ist nicht im Anfechtungs-, sondern in
einem Leistungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG geltend. Entsprechendes gilt
aufgrund § 58 Nr. 2 KO für den Konkursverwalter.").
Für die Antragstellerin folgt daraus, daß sie nicht (ganz oder anteilig) für die Abrechnung
betreffend das Wirtschaftsjahr 1997 in Anspruch genommen werden kann. Vielmehr hat
für die unter TOP 2 der Eigentümerversammlung vom 2.7.1998 gebilligte
Jahresabrechnung alleine der Eigentümer der Wohnung und Schuldner des
Zwangsverwaltungsverfahrens aufzukommen. Da dieser - ebenso wenig wie andere
Anfechtungsberechtigte - keinen Anfechtungsantrag gestellt hat, kann die
Jahresabrechnung ohne Rücksicht auf etwaige Mängel (für die nach Ansicht des
Gerichts allerdings kein Anhalt spricht) nicht für unwirksam erklärt werden.
100
Die Anfechtung des Wirtschaftsplanes 1999 ist nicht begründet.
101
Insofern hat das Gericht keine Bedenken, der Antragstellerin ein eigenes
Anfechtungsrecht zuzubilligen. Dies folgt schon aus der Tatsache, daß der
Wirtschaftsplan bei zureichend langer Dauer der Zwangsverwaltung auch für die
Antragstellerin Bedeutung erlangen kann, als in dem Wirtschaftsplan niedergelegt ist,
welche "laufenden Aufwendungen" die Antragstellerin ab 1999 aus den Nutzungen
vorweg zu bestreiten hat.
102
In der Sache geht die Antragstellerin - was erst in der mündlichen Verhandlung vom
10.11.1998 deutlich geworden ist und mit Schriftsatz vom 17.11.1998 bekräftigt wurde -
erkennbar von der Vorstellung aus, daß der Beschluß vom 2.7.1998 zu TOP 3
möglicherweise schon für das Wirtschaftsjahr 1998 Geltung beanspruchen könnte.
Diese Auslegung ist aber mit dem Beschluß vom 2.7.1998 in keiner Weise vereinbar.
Vielmehr bezieht sich der Beschluß ausschließlich auf das Jahr 1999. Bereits einleitend
heißt es dazu:
103
"Genehmigung Wirtschaftsplan 1999
104
Beschluß:
105
Die Eigentümergemeinschaft genehmigt den Wirtschaftsplan 1999, bestehend aus:
106
- Gesamtwirtschaftsplan 1999
107
- Einzelwirtschaftspläne 1999".
108
Der Beschluß bezieht sich daher in keiner Weise auf das Wirtschaftsjahr 1998.
109
Auch inhaltlich ist der Beschluß nach Auffassung des Gerichts nicht zu beanstanden.
110
Das WEG regelt nicht in verbindlicher Weise, wann von den Wohnungseigentümern
Vorauszahlungen zur Lasten- und Kostentragung zu erbringen sind. In § 28 Abs. 1 Satz
1 Ziffer 2 WEG heißt es dazu nur, daß der Wirtschaftsplan "die anteilsmäßige
Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Lasten- und Kostentragung" zu enthalten
hat. Nach Abs. 2 der besagten Vorschrift sind die Wohnungseigentümer verpflichtet,
"nach dem Abruf durch den Verwalter dem beschlossenen Wirtschaftsplan
111
entsprechende Vorschüsse zu leisten".
Angesichts dieser Gesetzeslage ist mit Bub (a.a.O., § 28 Rdn. 48 ff.) davon auszugehen,
daß die Wohnungseigentümer im Beschlußwege die näheren Einzelheiten zur
Vorauszahlungsverpflichtung der Wohnungseigentümer innerhalb der Grenzen
ordnungsgemäßer Bewirtschaftung festlegen können.
112
Diese Grenzen sind durch den Beschluß zu TOP 3 nicht überschritten worden.
113
Inhaltlich legt der Beschluß fest, daß das Wohngeld alternativ bis zum 15.1.1999 vorab
für das ganze Jahr oder in monatlichen Teilbeträgen, die sodann jeweils bis zum 3.
Werktag eines jeden Monats im voraus fällig werden, erbracht werden kann. In der
Beschlußfassung ist hier von einer "Stundung" des Restbetrages die Rede. Ergänzt
wird die Regelung dadurch, daß der gesamte noch geschuldete Jahresbetrag sofort zur
Zahlung fällig wird, wenn der Wohnungseigentümer mit der Zahlung von "mehr als einer
Monatsrate nicht fristgerecht" nachgekommen ist.
114
Eine solche Regelung entspricht nach Ansicht des Gerichts ohne weiteres einer
ordnungsgemäßen Verwaltung. Denn durch die Beschlußfassung wird den
Wohnungseigentümern das Recht eingeräumt, ihren Zahlungsverpflichtungen in
monatlichen Teilbeträgen gerecht zu werden. Die monatliche Zahlungsweise entspricht
dabei einer weit verbreiteten, ja üblichen Erhebungspraxis für die Wohngeldzahlungen.
Weiter ist nicht zu beanstanden, daß säumige Wohnungseigentümer bei
entsprechendem Rückstand den Vorteil der Ratenzahlungsmöglichkeit verlieren und
ihnen gegenüber der gesamte Rückstand in einem Betrag geltend gemacht werden
kann. Eine solche Handhabung ist schon deshalb geboten, weil die
Wohnungseigentümergemeinschaften auf den regelmäßigen Fluß der
Wohngeldzahlungen angewiesen sind. Dies kommt etwa darin zum Ausdruck, daß
allgemein eine Aufrechnung gegenüber dem Anspruch auf Zahlung von Wohngeld nur
in engen Grenzen für zulässig erachtet wird (vgl. dazu Hauger, in: Weitnauer, § 16 Rdn.
28 m.w. Nachw.). Kommt der Wohnungseigentümer daher seinen
Zahlungsverpflichtungen nicht nach und fehlt eine Regelung, wie sie hier der Beschluß
enthält, so sehen sich die übrigen Wohnungseigentümer vielfach genötigt, monatsweise
das Wohngeld einzufordern und in beim WEG-Gericht anhängigen Zahlungsverfahren
den Antrag sukzessive zu erhöhen oder in weiteren Verfahren "dem Geld
nachzulaufen". Ein solches Vorgehen bedeutet für die WEG-Verwaltung einen erhöhten
Aufwand, der letztlich von den korrekt zahlenden Wohnungseigentümern mitzutragen
ist. Außerdem kann der säumige Wohnungseigentümer auf diese Weise zumindest
vorübergehend seiner Zahlungspflicht und damit der gemeinsamen Lastentragung
entziehen. Wenn die Gemeinschaft daher die Stundung des für das Jahr zu
entrichtenden Wohngeldes davon abhängig macht, daß der einzelne
Wohnungseigentümer seinen Zahlungsverpflichtungen im wesentlichen vertragsgemäß
nachkommt (und nicht mit mehr als einer Rate in Rückstand gerät), so ist dies nicht zu
beanstanden. Das Gericht sieht sich bei der Entscheidung auch auf einer Linie mit den
Entscheidungen zum Lastschrifteinzugsverfahren (vgl. dazu SaarlOLG, Beschluß vom
10.10.1997 - 5 W 60/97 -, ZMR 1998, 50 [56] und HansOLG Hamburg, Beschluß vom
6.4.1998 - 2 Wx 97/97 -, ZMR 1998, 451). Hier wie dort werden durch die
Beschlußfassung berechtigte Interessen der Wohnungseigentümer nicht betroffen; im
Sinne einer ordnungsgemäßen und effizienten Verwaltung erweist sich die hier
beschlossene Stundungs- bzw. Fälligkeitsregelung als ebenso sinnvoll, wie eine
Beschlußfassung zum Lastschrifteinzugsverfahren.
115
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.
116
Es entsprach billigem Ermessen, die Verfahrenskosten gegeneinander aufzuheben, da
die Antragstellerin hinsichtlich der Anfechtung des Abrechnungsbeschlusses im
wesentlichen ihr Anliegen hat durchsetzen können, während ihr bei der Anfechtung des
Beschlusses zu TOP 3 der Erfolg versagt geblieben ist.
117
Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten hat es bei der gesetzlichen Regelung des §
47 Satz 2 WEG zu verbleiben.
118
Geschäftswert nach § 48 WEG: 5.000 DM
119