Urteil des AG Kerpen vom 22.10.2007

AG Kerpen: abrechnung, treu und glauben, ungerechtfertigte bereicherung, meinung, anwaltskosten, verwalter, einheit, beschränkung, daten, saldo

Amtsgericht Kerpen, 15 II 36/06
Datum:
22.10.2007
Gericht:
Amtsgericht Kerpen
Spruchkörper:
Abteilung 15
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 II 36/06
Nachinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 294/07
Normen:
WEG a. F. § 23 Abs. 4 Satz 1
Leitsätze:
Die in beschlossenen Einzelabrechnungen ausgewiesene Höhe der
Vorauszahlungen eines Wohnungseigentümers nimmt nicht an der
Bestandskraft des Genehmigungsbeschlusses teil. Denn es stellt bereits
eine Fiktion dar, dass die Wohnungseigentümer mit der Billigung der
Jahresabrechnung einen Beschluss über die Richtigkeit der in den
Einzelabrechnungen der übrigen Wohnungseigentümer ausgewiesenen
Vorauszahlungen fassen wollten. Außerdem besteht die erhebliche
Gefahr, dass sowohl die Gemeinschaft (vor allem bei der Abrechnung
auf der Basis von sogenannten "Soll-Vorauszahlungen") wie auch dem
einzelnen Wohnungseigentümer nicht hinzunehmende Rechtsnachteile
entstehen.
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Sachverhalt:
A.
1
Die Antragsgegnerin ist Mitglied des Verbandes der Antragstellerin.
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Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin auf Zahlung von rückständigem
Wohngeld in Anspruch.
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Die Abrechnungen sind dabei wie folgt aufgebaut:
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Nach der Mitteilung des Abrechnungszeitraumes und einem Hinweis an die
Wohnungseigentümer werden die einzelnen Kostenpositionen mit den Gesamtkosten,
den Verteilungseinheiten, den auf die Einheit entfallenen Einheiten und die
Einzelkosten dargestellt. Der Summe der so errechneten Kosten der Einheit werden
gegenübergestellt die "Zahlungen/Gutschriften bis Ende Wirtschaftsjahr". Es folgt eine
Zeile, in welcher das "Abrechnungsergebnis dieses Wirtschaftsjahres" errechnet wird. In
der nächsten Zeile wird (gegebenenfalls) das Guthaben (die Nachforderung) aus
"Vorjahr bis Ende Wirtschaftsjahr" dargestellt.
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Es folgt eine Darstellung der Entwicklung der Instandhaltungsrückstellung sowie - am
Ende der Abrechnung - eine Darstellung der Buchungsvorgänge auf dem
Wohngeldkonto des Wohnungseigentümers. Im Rahmen dieser "Buchungsvorgänge"
sind über die Jahre hinweg zu Lasten der Antragsgegnerin Kosten enthalten gewesen,
die ihr wegen Beitreibungen belastet wurden. Dabei handelt es sich im wesentlichen um
sogenannte "Sonderverwaltervergütungen", Mahn- und und Anwaltskosten.
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Die Jahresabrechnungen sind unstreitig alle in Eigentümerversammlungen beschlossen
und nicht angefochten worden.
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Wegen der Nachforderungen der Gemeinschaft hat es bereits vorgerichtlich
Schriftverkehr zwischen der Antragstellerin, ihrem damaligen
Verfahrensbevollmächtigten (Rechtsanwalt xxx) und der Antragsgegnerin gegeben. Die
Antragsgegnerin hat dazu durchgängig die Ansicht vertreten, daß auf ihre Anfragen
nicht, nicht vollständig oder zumindest nicht zufriedenstellend Auskunft erteilt worden
sei. Weiter ist sie der Ansicht, daß sie das geschuldete Wohngeld entrichtet habe und
durch das Verhalten der Verwaltung und auch des früheren Verfahrensbevollmächtigten
der Antragstellerin immer neue Kosten (insbesondere Anwaltskosten) produziert worden
seien. Teilweise seien auch Zahlungen von ihr nicht oder zumindest nicht
nachvollziehbar verrechnet worden.
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Der Zahlungsantrag wurde zurückgewiesen.
9
Aus den Gründen:
10
B.
11
I.
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Der Antrag ist nicht begründet. Bis einschließlich Juni 2007 schuldet die
Antragsgegnerin kein Wohngeld mehr. Weiter steht der Antragstellerin auch keine
Vergütung für vorgerichtliche Anwaltskosten zu.
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Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die
Einzelabrechnungen bestandskräftig geworden sind und sich die Antragsgegnerin
daher an den Verrechnungen festhalten lassen müsse, welche in der Rubrik
"Buchungsvorgänge" zu ihren Lasten in den Abrechnungen seit dem Jahr 2000
vorgenommen wurden.
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Das Gericht teilt dabei allerdings den Ausgangspunkt der rechtlichen Erwägungen der
Antragstellerin. So ist unstreitig, daß Einzelabrechnungen, die nicht angefochten
werden, bestandskräftig werden, vgl. § 23 Abs. 4 WEG a.F. Weiter geht das Gericht
davon aus, daß der einzelne Wohnungseigentümer erst nach einer Beschlußfassung
der Gemeinschaft auf den Saldo in Anspruch genommen werden kann, der sich aus der
jeweiligen Einzelabrechnung ergibt. Denn erst durch die Saldierung (auf das Eigentum
entfallende Kosten einerseits, gezahlte Vorauszahlungen andererseits) wird die
jeweilige Schuld des Wohnungseigentümers konkretisiert. Ohne eine solche
Beschlußfassung ist der einzelne Wohnungseigentümer daher nur verpflichtet, das auf
ihn entfallende Wohngeld zu entrichten (wenn ein entsprechender Wirtschaftsplan
beschlossen wurde).
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Entgegen der ganz herrschenden Meinung umfaßt die Bestandskraft der
Einzelabrechnungen aber nach Auffassung des Gerichts nicht, welche
Vorauszahlungen von dem jeweiligen Wohnungseigentümer erbracht worden sind.
Soweit von dem Gericht in der Vergangenheit (vgl. den Beschluß vom 24.6.2005 - 15 II
43/04 - ZMR 2006, 238) nur Durchbrechungen der Bestandskraft in entsprechender
Anwendung von § 319 ZPO zugelassen worden sind, wird daran nicht festgehalten.
Vielmehr fallen die gezahlten Vorauszahlungen nach Auffassung des Gerichts
überhaupt nicht unter die Bestandskraft des § 23 Abs. 4 WEG a.F.
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Nach § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG a.F. ist ein Beschluß (falls er nicht ohnehin nichtig sein
sollte) nur ungültig, wenn er gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG a.F. für ungültig erklärt
wurde.
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Diese Vorschrift bedarf indessen mit Blick auf die Vorauszahlungen der jeweiligen
Wohnungseigentümer nach Auffassung des Gerichts einer einschränkenden
Auslegung. Diese teleologische Reduktion erweist sich bereits deshalb als geboten,
weil in Bezug auf die Vorauszahlungen der jeweiligen Wohnungseigentümer nicht von
einer gemeinsamen Willensbildung der Wohnungseigentümer ausgegangen werden
kann. So erschließt sich dem einzelnen Wohnungseigentümer in keiner Weise, welche
Vorauszahlungen von einem anderen Wohnungseigentümer tatsächlich erbracht
worden sind. Vielmehr weiß jeder Wohnungseigentümer regelmäßig nur darüber
Bescheid, welche Vorauszahlungen von ihm selbst erbracht worden sind. Schon dieser
Befund läßt es zweifelhaft erscheinen, die Richtigkeit der erfaßten Vorauszahlungen an
der Bestandskraft teilnehmen zu lassen. Wenn regelmäßig nur ein
Wohnungseigentümer überhaupt wissen kann, ob die Vorauszahlungen zutreffend
erfaßt worden sind, so kann bei den anderen Wohnungseigentümer nicht einmal
angenommen werden, daß sie den Willen dazu haben, die Richtigkeit der Erfassung
dieser Vorauszahlungen mit ihrer Stimmabgaben billigen zu wollen.
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Die Annahme einer solchen Billigung erscheint dem Gericht dabei nicht nur fingiert,
sondern für die Gemeinschaft sogar auch überaus gefährlich zu sein. So ist
gerichtsbekannt, daß viele (auch professionelle) Verwalter in den Jahresabrechnungen
nicht mit tatsächlich erbrachten Vorauszahlungen, sondern mit sogenannten "Soll-
Vorauszahlungen" arbeiten. Erbringen nun Wohnungseigentümer ihre Soll-
Vorauszahlungen nicht in der geschuldeten Höhe, errechnen sich zwangsläufig zu
Lasten der Gemeinschaft Salden, die nicht die tatsächliche Wohngeldschuld
ausdrücken.
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Basieren die Einzelabrechnungen daher auf sogenannten "Soll-Vorauszahlungen",
kann es für die Wohnungseigentümergemeinschaft nachgerade ruinös werden, wenn
ein Großteil der Wohnungseigentümer die geschuldeten Vorauszahlungen nicht
erbracht hat und gleichwohl von einer Bestandskraft ausgegangen würde. Hielte man
nämlich - mit der herrschenden Meinung - an der Vorstellung fest, daß der
Abrechnungssaldo sodann bestandskräftig und für den weiteren Zahlungsverkehr
verbindlich wird, so könnten die zahlungssäumigen Wohnungseigentümer nicht mehr in
Anspruch genommen werden. Denn nach der Rechtsprechung (vgl. OLG Frankfurt/M.,
Beschluß vom 12.7.2004 - 20 W 216/03 - OLGR Frankfurt 2005, 5 - zitiert nach juris -)
steht der Beschluß über die Einzelabrechnung einem Rückgriff auf den Wirtschaftsplan
entgegen. Kommt es daher zu einer Billigung der Einzelabrechnungen, so kann der
Wohnungseigentümer danach nicht mehr auf die nicht erbrachten Vorauszahlungen in
Anspruch genommen werden. Damit hinge aber die Möglichkeit für die
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Wohnungseigentümergemeinschaft, noch mit Aussicht auf Erfolg Nachforderungen
geltend zu machen können, von der mehr zufälligen Frage ab, ob mit der
Jahresabrechnung zureichend transparent auch eine gesonderte Kontoübersicht
ausgewiesen wurde, welcher die tatsächlichen Zahlungen entnommen wurden.
Außerdem müßte diese Kontoübersicht jeweils als Bestandteil der Gesamtabrechnung
Beschlußgegenstand gewesen sein (vgl. OLG Frankfurt/M., a.a.O.).
Nach Auffassung des Gerichts zeigt bereits diese Konstellation, daß nicht an der
herrschenden Meinung zur Bestandskraft der Einzelabrechnung mit Blick auf die
Vorauszahlungen festgehalten werden kann. Denn wie dargestellt können sich daraus
massive Forderungsausfälle der Gemeinschaft ergeben (wenn mit Soll-
Vorauszahlungen gearbeitet wurde), die auch durch eine entsprechende Haftung des
Verwalters (gemäß §§ 280 f. BGB) nicht zureichend aufgefangen werden können. Die
Haftung der Verwalter erscheint dem Gericht dabei schon deshalb keinen zureichenden
Ausgleich darzustellen, da es vielfach mit der Beschlußfassung über die
Jahresabrechnungen zu Entlastungen der Verwalter kommt und daher die Gemeinschaft
häufig über keinen durchsetzbaren Anspruch (mehr) verfügen wird.
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Ergänzend ist auch darauf hinzuweisen, daß gerade der Wohnungseigentümer, der
seiner Vorauszahlungspflicht genüge getan hat, kaum auf die Idee kommen wird, die
Abrechnung anzufechten. Ist dem Wohnungseigentümer nämlich die hier dargestellte
Problematik der (fehlerhaften) Soll-Vorauszahlungen nicht bekannt, so wird er ohne
weiteres von der Richtigkeit der Jahresabrechnung ausgehen. Dies gilt um so mehr, als
der Wohnungseigentümer in einem solchen Fall nicht einmal seine Jahresabrechnung
oder die Gesamtabrechnung, sondern nur die Beschlußfassung über die
Einzelabrechnungen der anderen Wohnungseigentümer anfechten müßte, welche nicht
(in vollem Umfang) ihr Wohngeld entrichtet haben.
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Die herrschende Meinung birgt überdies sogar die Gefahr, daß an
Wohnungseigentümer, die überhaupt keine Zahlungen erbracht haben, noch
"Guthaben" ausgekehrt werden müßten. Bereits dieses Ergebnis belegt nach
Auffassung des Gerichts, daß entgegen der herrschenden Meinung die Salden aus den
Einzelabrechnungen nicht an der Bestandskraft teilnehmen können.
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Nach Auffassung des Gerichts kann den vorstehenden Überlegungen auch nicht
entgegengehalten werden, daß von der Rechtsprechung vereinzelt gefordert wird, den
Wohnungseigentümern vor der Beschlußfassung hinreichend Gelegenheit zu geben,
sämtliche Abrechnungsunterlagen und Einzelabrechnungen einzusehen (vgl. dazu OLG
Köln, Beschluß vom 11.12.2006 - 16 Wx 200/06 -, NZM 2007, 366 mit weiteren
Nachweisen zur Rechtsprechung des Senats, der sich - soweit ersichtlich - weder der
BGH noch andere Oberlandesgerichte angeschlossen haben). Denn zum einen wird
von diesem Einsichtsrecht - sollte es denn bestehen - nach der Erfahrung des Gerichts
so gut wie kein Gebrauch gemacht, zum anderen verfügt der einzelne
Wohnungseigentümer über keine Möglichkeiten, die Richtigkeit der Darstellung in den
Einzelabrechnungen oder Saldenlisten für die übrigen Wohnungseigentümer zu prüfen
(kritisch zu der Rechtsprechung des Senats auch Drasdo, ZMR 2006, 225 f. m.w.
Nachw.). Denn welche Leistungen die anderen Wohnungseigentümer tatsächlich
erbracht haben, entzieht sich naturgemäß seiner Kenntnis. Selbst wenn die
Einzelabrechnungen der anderen Wohnungseigentümer daher in sich schlüssig sein
sollten, so müssen diese inhaltlich keineswegs zutreffend sein.
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Aber auch fernab des Problems der Einstellung von Soll-Vorauszahlungen in
Abrechnungen erscheint es dem Gericht nicht überzeugend zu sein, zum Nachteil von
einzelnen Wohnungseigentümern gegebenenfalls tatsächlich erbrachte
Vorauszahlungen nicht zu berücksichtigen. Findet sich etwa in der
Einzeljahresabrechnung nur eine Vorauszahlung über 1.000 e, während tatsächlich
unstreitig 10.000 e gezahlt worden sind, so erscheint es unerträglich, dem Saldo
Bestandskraft beizumessen, wenn die Leistung selbst unstrittig (oder bewiesen) ist und
sich damit erkennbar eine ungerechtfertigte Bereicherung der Gemeinschaft ergibt. Hier
alleine darauf abzustellen, ob die Einzelabrechnung fristgerecht angefochten wurde,
führt zu einer Beschränkung der Rechte des Wohnungseigentümers, die nicht
hinnehmbar ist (einen Ausweg über das Bereicherungsrecht suchen dazu
Schmidt/Riecke, Anspruchsbegründung und Anspruchsvernichtung durch
Mehrheitsbeschluß - kann die Wohnungseigentümergemeinschaft mit den
Miteigentümern "kurzen Prozeß" machen?, ZMR 2005, 252 [264 f.]). Zu Recht ist dann
auch bereits von dem BayObLG mit Beschluß vom 30.4.1999 (2Z BR BR 33/99)
entschieden worden, daß die Beschlußfassung über die Einzelabrechnung nicht
zwingend dazu führt, daß bereicherungsrechtliche Ansprüche ausgeschlossen wären
(vgl. ZMR 1999, 577 ff = NZM 1999, 715 = Rpfleger 1999, 408: für den Fall des
Zwangsverwalters, der den in einer Jahresabrechnung enthaltenen Schuldsaldo aus
einer vorangegangenen Abrechnung, der zeitlich vor der Anordnung der
Zwangsverwaltung liegt, ausgleicht).
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Eine solche Beschränkung der Rechte des einzelnen Wohnungseigentümers erscheint
dem Gericht auch nicht geboten zu sein.
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Wesentliches Ziel der Jahresabrechnung ist es, eine Verteilung der gemeinschaftlichen
Kosten auf die einzelnen Wohnungseigentümer vorzunehmen. In diesem
"Abrechnungsteil" der Jahresabrechnung werden die Kostenarten und die
Verteilungsschlüssel aufgeführt und die jeweiligen Einzelergebnisse für die Einheiten
errechnet. In diesem "Bereich" der Jahresabrechnung hat die Bestandskraft eine
zentrale und auch anzuerkennende Bedeutung. Erweist sich etwa die Annahme eines
Kostenverteilungsschlüssels in diesem Bereich der Abrechnung als falsch (es wurde
z.B. nach Einheiten statt nach Miteigentumsanteilen abgerechnet), so beeinflußt ein
solcher Fehler zwangsläufig auch alle anderen Einzelabrechnungen. Würde hier die
Bestandskraft der Jahresabrechnung durchbrochen, müßten mithin alle Abrechnungen
korrigiert und jeweils neue Salden ausgewiesen werden. Einer derartige
Rechtsunsicherheit soll aber durch die Bestandskraft der Abrechnung entgegen gewirkt
werden. Hinzu kommt, daß in diesem Fall regelmäßig jeder Wohnungseigentümer
bereits aus seiner Abrechnung entnehmen kann, ob die Abrechnung richtig oder falsch
vorgenommen wurde. Denn der Kostenverteilungsschlüssel wird in allen Abrechnungen
in gleicher Weise ausgewiesen sein. Unter dem Aspekt der "Willensbildung" innerhalb
der Gemeinschaft kommt daher in der Billigung der Abrechnung auch zum Ausdruck,
daß die Mehrheit mit dieser Art der Kostenverteilung einverstanden ist.
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Festzuhalten ist mithin, daß die herrschende Meinung aus mehreren Gründen nicht zu
überzeugen vermag. So fehlt es mit Blick auf die in den Abrechnungen enthaltenen
Vorauszahlungen schon offensichtlich an einer entsprechenden Willensbildung der
Wohnungseigentümer zur "Richtigkeit" der eingestellten Vorauszahlungen.
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Weiter besteht kein durchgreifender Grund (wenn man an dieser Stelle einmal von der
Entlastung der Gerichte absehen will, die sich sonst ebenfalls auf die Bestandskraft der
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Abrechnungen berufen können), Fehler bei den Vorauszahlungen nicht auch noch
späteren Korrekturen zu unterwerfen. Denn derartige Korrekturen beeinflussen nicht die
anderen Einzelabrechnungen und haben - blendet man den Mehraufwand aus - alleine
den Vorteil, auch zu materiell-rechtlich zutreffenden Ergebnissen zu gelangen.
Hinzu kommt für den vorliegenden Fall, daß die von der Verwaltung vorgelegten
Einzelabrechnungen in sich kaum nachvollziehbar sind und es so dem einzelnen
Wohnungseigentümer nahezu unmöglich gemacht wird, die Richtigkeit der in der
Abrechnung enthaltenen Daten zu prüfen. Denn in den Abrechnungen werden nicht nur
die auf das einzelne Wohnungseigentum entfallenden Kosten und die Vorauszahlungen
des einzelnen Wohnungseigentümers dargestellt. In der Rubrik "Buchungsvorgänge auf
Ihrem Wohngeldkonto" werden vielmehr weitere Daten erfaßt und Verrechnungen
vorgenommen, die teilweise nur stichwortartig bezeichnet werden und die Abrechnung
für den Empfänger insgesamt jedenfalls dann vollkommen intransparent machen, wenn
neben den aus der Jahresabrechnung ersichtlichen Kosten weitere Forderungen im
Raum stehen. Beispielhaft sei dies für die Abrechnung des Jahres 2001 dargestellt: ...
(Wird ausgeführt; Anm. d. Red.).
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Neben diesen Unzulänglichkeiten in der Abrechnung wird das Verständnis weiter
dadurch erschwert, daß bei den Buchungsvorgängen weitere Saldierungen
vorgenommen werden, die mit der eigentlichen Jahresabrechnung nichts zu tun haben.
Denn von den Leistungen des Wohnungseigentümers (hier in Höhe von unstreitig 5.337
DM) werden einfach Beträge in Abzug gebracht, welche nach Auffassung der
Verwaltung von dem Wohnungseigentümer geschuldet werden. In der
Jahresabrechnung 2001 sind dies eine Sonderverwaltervergütung (in Höhe von 232
DM) und Anwaltskosten in einer Gesamthöhe von immerhin 1.378,30 DM. Versteckt in
den Buchungsvorgängen sind der Antragsgegnerin somit immerhin 1.610,30 DM
belastet worden, mehr als die Hälfte der nach der Jahresabrechnung auf sie
entfallenden Kosten.
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Nach Auffassung des Gerichts widerspräche es daher auch den Geboten von Treu und
Glauben, hier von dem einzelnen Wohnungseigentümer noch eine Anfechtung der
Jahresabrechnung zu verlangen (wenn man denn entgegen der obigen Ausführungen
weiter davon ausgehen wollte, daß die Einzelabrechnung überhaupt angefochten
werden muß). Denn angesichts der Intransparenz der Abrechnung kann von dem
einzelnen Wohnungseigentümer schlicht nicht mehr erwartet werden, daß dieses
Durcheinander noch verstanden werden könnte.
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Nach Auffassung des Gerichts folgt aus den vorstehenden Darlegungen, daß sich die
Antragstellerin nicht auf die Bestandskraft der Abrechnungen berufen kann und die von
ihr in der Abrechnung versteckten Saldierungen auch nur in dem Umfang berücksichtigt
werden können, als der Gemeinschaft tatsächlich Forderungen gegenüber dem
Antragsgegnerin zustehen.
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