Urteil des AG Giessen vom 06.03.2008

AG Gießen: fristlose kündigung, fortsetzung des mietverhältnisses, mietsache, konkludentes verhalten, vermieter, anwaltskosten, akte, mietvertrag, vollstreckung, sicherheitsleistung

1
2
3
Gericht:
AG Gießen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
48M C 548/07, 48
M C 548/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 535 BGB, § 546a BGB
Gewerberaummiete: Vermuteter Rücknahmewille bei
Kündigung des Vermieters; Einbeziehung der anwaltlichen
Mahnkosten in eine Vereinbarung über die Höhe der
rückständigen Miete
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.200 Euro nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 6.2.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte 85 % zu tragen, der Kläger
trägt 15 %.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 2.592,66 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger vermietete dem Beklagten durch schriftlichen Mietvertrag vom
01.03.1994 mehrere Räume, 6 Garagen sowie ca. 1.000 m² Hoffläche auf dem
Anwesen ... zum Betrieb einer Autovermietung. Der monatliche Mietzins belief sich
auf 2.650,00 DM (1.354,92 EUR); er war nach § 5 des Vertrages spätestens am
dritten Werktag eines Monats zu zahlen. Wegen des Inhalts des Mietvertrages im
Einzelnen und einer Nachtragsvereinbarung wird auf Bl. 5 – 13 der Akte Bezug
genommen.
Im Juni 2004 zahlte der Beklagte die vereinbarte Miete nicht, ab Februar 2005
wurde die Miete nur noch teilweise gezahlt, im April erfolgte gar keine Zahlung.
Nachdem der Kläger den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 23.5.2005
(Blatt 69-71 d. A.) aufgefordert hatte, rückständige Miete von insgesamt 3.729,52
Euro zu zahlen kam es Anfang Juni zwischen den Parteien zu einem Gespräch. Im
Anschluss daran erklärte der Kläger dem Beklagten mit Schreiben vom
08.06.2006, was er wegen der Falschparker auf dem Grundstück unternehmen
wolle und dass er nicht mehr tun könne. Er bot dem Beklagten den Erlass der
rückständigen Miete für 2004 sowie eine Reduzierung der Miete ab dem
01.01.2005 auf 1.100,00 EUR an. Der Beklagte nahm dieses Angebot durch eine
entsprechende Erklärung auf dem Schreiben vom 08.06.2005 an. Wegen des
Inhalts dieses Schreibens und der Änderungsvereinbarung wird auf Bl. 81 d. A.
Bezug genommen.
Nachdem der Beklagte bis zum 9. Dezember 2005 weder die Miete für November
noch für Dezember gezahlt hatte, erklärte der Kläger durch seinen jetzigen
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
noch für Dezember gezahlt hatte, erklärte der Kläger durch seinen jetzigen
Prozessbevollmächtigten die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses und
forderte den Beklagten auf, die rückständigen Mieten für November und
Dezember zu zahlen. Wegen des Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 15-
17 d. A. verwiesen. Kurz danach zahlte der Beklagte die Mietrückstände.
Ab Januar 2006 behielt der Beklagte von der vereinbarten Miete 220,00 EUR ein; er
zahlte nur noch 880,00 EUR pro Monat, wie er dies mit Schreiben vom 29.11.2005
angekündigt hatte. Durch Schreiben vom 8.2.2006 (Blatt 34-35 d. A.) erklärte der
Kläger erneut die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. Im Juni 2006 erhob der
Kläger beim Amtsgericht Gießen Klage auf Zahlung der einbehaltenen Beträge von
je 220 Euro für die Monate Januar bis April 2006. Durch Urteil des Amtsgerichts
Gießen vom 16.1.2007 (Blatt 108-114 der Akte 48 MC 358/06) wurde er
antragsgemäß verurteilt, die Berufung wurde durch Beschluss des Landgerichts
Gießen vom 23.8.2007 (Blatt 167-170 der Akte 48 MC 358/06) zurückgewiesen
Mit Schreiben vom 30.11.2006 (Blatt 36 d. A.) erklärte der Kläger eine fristgemäße
Kündigung zum 28.2.2007. Ende Februar 2007 gab der Beklagte die Mietsache
dann zurück.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger folgende Positionen geltend:
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 2.592,66 Euro nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz aus 2.200 Euro seit dem 6.2.2007 und aus 392,66 Euro
seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, der Kläger habe ihm das Kündigungsschreiben vom
30.11.2006 persönlich übergeben. Ende Januar habe ihm der Kläger angeboten, er
könne die Mietsache noch eine gewisse Zeit nutzen, weil sich die Übergabe an den
Erwerber verzögert habe. Der Kläger habe gar nicht den Willen gehabt, die
Mietsache zurückzuerhalten. Der objektive Nutzungswert des Objekts liege bei 880
Euro im Monat. Der Beklagte ist der Ansicht, zwischen den Parteien sei konkludent
ein neuer Mietvertrag mit einer Miete von 880 Euro zustande gekommen.
Bezüglich der gelten gemachten Anwaltskosten erhebt der Beklagte die Einrede
der Verjährung.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen im Termin zur mündlichen
Verhandlung Bezug genommen.
Die Akte Amtsgericht Gießen 48 MC 358/06 wurde beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in Höhe von 2.200 Euro begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der geltend
gemachten Nutzungsentschädigung von je 220 Euro für die Monate Mai 2006 bis
Februar 2007 aus § 546 a BGB. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien wurde
durch die fristlose Kündigung vom 9.12.2005 beendet; insoweit wird auf die Gründe
des Urteils vom 16.1.2007 verwiesen. Eine stillschweigende Verlängerung des
Mietverhältnisses war nach § 2 Abs. 4 des Mietvertrages ausgeschlossen. Es wurde
auch kein neuer Mietvertrag durch konkludentes Verhalten geschlossen; und zwar
schon deswegen nicht, weil der Kläger eine Miete von 1.100 Euro beanspruchte
während der Beklagte nicht bereit war, mehr als 880 Euro zu zahlen.
Die Voraussetzungen des §§ 546 a BGB liegen vor, da der Beklagte die Mietsache
nach der fristlosen Kündigung vom 9.12.2005 nicht zurückgegeben hat; d. h. er hat
dem Kläger die Mietsache vorenthalten. Ein Vorenthalten liegt vor, wenn die
19
20
21
22
dem Kläger die Mietsache vorenthalten. Ein Vorenthalten liegt vor, wenn die
Mietsache gegen den Willen des Vermieters nicht herausgegeben wird; der
Vermieter muss den Willen haben, die Mietsache zurückzunehmen (vgl. Gather: in
Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Auflage § 546 a Rn. 17 mit weiteren Nachweisen).
Es entspricht der Lebenserfahrung, dass ein Vermieter, der die fristlose Kündigung
des Mietverhältnisses erklärt und den Mieter zur Räumung aufgefordert, auch den
Willen hat, die Mietsache zurückzuerhalten. Das Verhalten des Klägers kann nicht
so verstanden werden, dass er die Räume gar nicht haben wollte. In den
Kündigungen vom 9.12.2005 und vom 8.2.2006 (Bl. 34 bis 35 der Akte) hat der
Kläger den Beklagten jeweils zur Räumung aufgefordert. Es war der Beklagte, der
die Wirksamkeit der Kündigungen bestritt, z. B. in den Schriftsätzen vom 11.7. und
vom 6.11.2006 in dem Verfahren 48 MC 358/06. Alleine daraus, dass der Kläger
keine Räumungsklage erhoben hat kann nicht der Schluss gezogen werden, dass
er dem Beklagten die Räume weiter überlassen wollte. Richtig ist, dass es eine
Vielzahl von Entscheidungen gibt, wonach ein Vorenthalten nicht vorliegt, wenn der
Vermieter vom Fortbestand des Mietverhältnisses ausgeht (z. B. OLG Düsseldorf,
GuT 06, 29; OLG Düsseldorf, ZMR 05, 705; OLG Düsseldorf DWW 07, 414; OLG
Hamm, ZMR 03, 354 und OLG Dresden, MDR 01, 82). Diesen Fällen lag aber
immer die Konstellation zu Grunde, dass eine wirksame Kündigung eines Mieters
vorlag, die der Vermieter für unwirksam hielt, so dass er die Fortsetzung des
Mietverhältnisses wollte. Hier dagegen hat der Mieter zu Unrecht die Wirksamkeit
der Kündigung des Vermieters in Zweifel gezogen. Wenn ein Vermieter die
Mieträume kündigt, kann man davon ausgehen, dass er die vermieteten Räume
auch zurückhaben will; und zwar unabhängig davon, ob die Kündigung wirksam ist
oder nicht. Das Verhalten des Klägers in dem Verfahren 48 MC 584/07 lässt nicht
den Schluss zu, dass er die Räume nicht übernehmen wollte. Auch die fristgemäße
Kündigung vom 30.11.2006 deutet nicht auf einen fehlenden Rücknahmewillen hin,
weil der Kläger damit nur zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Räume auf jeden
Fall Ende Februar zurückhaben wollte. Selbst wenn der Kläger dem Beklagten
angeboten haben sollte, er könne das Objekt bis zur Übergabe an den neuen
Eigentümer nutzen, lässt dies den Rücknahmewillen nicht entfallen. Die Tatsache,
dass der Vermieter dem gekündigten Mieter einen neuen Vertrag anbietet lässt
nicht den Schluss zu, dass kein Rücknahmewille mehr besteht, wenn das Angebot
abgelehnt wird. Da der Beklagte von der vereinbarten Monatsmiete von 1.100 Euro
nur jeweils 880 Euro gezahlt hat, war er zur Zahlung der Differenzbeträge zu
verurteilen.
Die zuerkannten Zinsen sind als Verzugszinsen gerechtfertigt.
Der Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten für das Schreiben vom 23.5.2005
ist unbegründet. Es mag sein, dass der Beklagte zu diesem Zeitpunkt einen
Mietrückstand von ca. 3.700 Euro hatte. Die Vereinbarung vom 8.6.2005, durch die
die Miete rückwirkend reduziert wurde, stellt aber eine abschließende Regelung
aller gegenseitigen Ansprüche wegen der offenen Mieten und der damals
vorgebrachten Minderungsgründe dar, zumal der Klägervertreter den Beklagten
schon im Schreiben vom 23.5.2005 aufgefordert hatte, die entstandenen
Anwaltskosten auszugleichen. Wenn die Parteien anschließend die Miete neu
festlegen und weitere Punkte des Vertrages ändern, ohne sich weitere Ansprüche
für den zurückliegenden Zeitraum vorzubehalten, hatte das erkennbar den Sinn,
alle gegenseitigen Ansprüche, die bis zu diesem Zeitpunkt streitig waren
abschließend zu regeln. Wegen der geltend gemachten Anwaltskosten war die
Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 708 Nr. 11 ZPO.
Bei der Festsetzung des Streitwertes war zu berücksichtigen, dass die geltend
gemachten Anwaltskosten nicht wegen der mit der Klage geltend gemachten
Ansprüche entstanden sind, so dass es sich insoweit nicht um eine
Nebenforderung handelt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.