Urteil des AG Giessen vom 04.02.2008

AG Gießen: subjektives recht, verwalter, fristlose kündigung, amt, qualifikation, hessen, kreis, daten, vertretung, unternehmen

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 VA 5/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 23 GVGEG, § 24 Abs 1
GVGEG, § 56 InsO, Art 3 GG,
Art 12 Abs 1 GG
Vorauswahlverfahren im Hinblick auf zu bestellende
Insolvenzverwalter: Nichtaufnahme in einer Bewerberliste
wegen Fehlverhaltens des Antragstellers in einem früheren
Insolvenzverfahren
Leitsatz
1. Für die Überprüfung von Entscheidungen im Vorauswahlverfahren potenzieller
Insolvenzverwalter ist der Rechtsweg nach den §§ 23 ff. EGGVG eröffnet.
2. Einer Entscheidung im Vorauswahlverfahren, mit der die Aufnahme eines
Antragstellers in die Vorauswahl abgelehnt wird, können nur konkret belegbare
tatsächliche Umstände als (gerichtlich) überprüfbarer Maßstab zugrunde gelegt
werden. Dies gilt auch, soweit auf ein „Fehlverhalten“ des Antragstellers in einem
früheren Insolvenzverfahren abgestellt wird.
Tenor
Auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird der Bescheid des Amtsgerichts
Gießen – Insolvenzgericht - vom 28.04.2006 aufgehoben.
Der Antragsgegner wird angewiesen, den Antragsteller unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Der Wert des Verfahrens beträgt 3.000,-- EUR.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seit 1984 als Rechtsanwalt zugelassen. Er ist Fachanwalt für
Steuer- und Arbeitsrecht. Seit dem Jahr 1993 ist er im Bereich der Konkurs- und
Insolvenzverwaltung tätig und wurde in weit über 100 Verfahren als
Sachverständiger, Sequester, Konkursverwalter und Insolvenzverwalter bei
verschiedenen Amtsgerichten bestellt. Er ist als Dozent für Insolvenzrecht bei der
A GmbH der Rechtsanwaltskammer … tätig.
In den Jahren 2001 bis 2004 wurde der Antragsteller vom Amtsgericht Gießen in 6
Verfahren bestellt. Die Bestellungen erfolgten jeweils durch Insolvenzrichter, die
dort nicht mehr zuständig sind. Das Insolvenzgericht in Gießen war im Zeitpunkt
der Antragstellung im vorliegenden Verfahren mit einem Insolvenzrichter und einer
Insolvenzrichterin besetzt. Die letzte Bestellung des Antragstellers im
Zuständigkeitsbereich des Insolvenzgerichts Gießen erfolgte am 12.08.2004 in
dem Verfahren Az.: 6 IN 224/04. Das Unternehmen der dortigen
Insolvenzschuldnerin ist durch den Antragsteller seit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens zum Zwecke der Sanierung fortgeführt worden. Es handelt
sich hierbei um das einzige Verfahren in diesem Insolvenzgerichtsbezirk, in
welchem der Antragsteller noch als Insolvenzverwalter tätig ist. Der Antragsteller
wurde trotz mehrfacher persönlicher Vorsprachen im Bezirk des Insolvenzgerichts
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wurde trotz mehrfacher persönlicher Vorsprachen im Bezirk des Insolvenzgerichts
Gießen von den Insolvenzrichtern nicht bestellt.
Im Dezember 2005 suchte der Antragsteller erneut den zuständigen
Insolvenzrichter am Amtsgericht Gießen auf und bat diesen um Berücksichtigung
bei der Auswahl der zu bestellenden Insolvenzverwalter in künftigen Verfahren. In
diesem Gespräch wurde ihm mitgeteilt, dass derzeit kein Bedarf bestehe und eine
Bestellung zum Insolvenzverwalter nicht erfolgen werde. Daraufhin reichte der
Antragsteller mit Schreiben vom 13.01.2006 (Bl. 41 ff d. A.) eine Bewerbung ein
und beantragte, ihn in die entsprechende Vorauswahlliste der zu bestellenden
Insolvenzverwalter bei dem Insolvenzgericht in Gießen aufzunehmen. Der
Bewerbung fügte er einen Erhebungsbogen hinsichtlich seiner Person und der
seines Vertreters im Verhinderungsfall bei. Am 04.02.2006 erhielt der Antragsteller
ein Schreiben der anderen Insolvenzrichterin bezüglich seiner Bewerbung (Bl. 48 d.
A.). Sie teilte darin mit, dass am Amtsgericht Gießen keine Vorauswahlliste geführt
werde; da der Antragsteller aber dort schon als Verwalter tätig gewesen sei, seien
seine Daten im EDV-System erfasst. Nach dieser Mitteilung nahm der
Antragsteller an, in das Vorauswahlverfahren für die zu bestellenden
Insolvenzverwalter des Amtsgerichts Gießen aufgenommen worden zu sein.
Mit von den beiden Insolvenzrichtern des Amtsgerichts Gießen unterzeichnetem
Bescheid vom 28.04.2006, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 159 ff d. A.
verwiesen wird, wurde dem Antragsteller sodann mitgeteilt, dass sein Antrag vom
13.01.2006 zurückgewiesen werde. Zur Begründung der Zurückweisung führten
die Insolvenzrichter im Wesentlichen aus, dass es beim Amtsgericht Gießen keine
Verwalterliste gebe, d. h. keine einheitliche Liste von potenziellen
Insolvenzverwaltern geführt werde. Jeder der beiden Insolvenzrichter treffe die
Vorauswahl selber. Umgerechnet auf die – im Einzelnen bezifferte - Zahl der
eröffneten Verfahren habe das Amtsgericht Gießen einen relativ großen Kreis von
Insolvenzverwaltern. Der Kreis der Verwalter könne nicht ständig vergrößert
werden. Das Gericht müsse volles Vertrauen zu der bestellten Person haben, was
bei einer Bestellung nur in großen Zeitabständen erschwert werde. Man könne den
nachgeordneten Mitarbeitern des Gerichts nicht zumuten, sich ständig auf neue
Verwalter einzustellen. Wenn man jeden Bewerber berücksichtigen würde, würde
auch ein erheblicher Qualitätsverlust eintreten. Die Büros, die sich auf
Insolvenzverwaltungen spezialisiert hätten, müssten in erheblichem Umfang
qualifiziertes Personal vorhalten, um Verfahren ordnungsgemäß abwickeln zu
können. Dies sei nicht möglich, wenn sie nur ab und zu zum Verwalter bestellt
würden. Wegen der Vielzahl der Bewerber seien die Kriterien, nach der die
Verwalter ausgewählt würden, neu überdacht worden. Dazu wird in dem Schreiben
ausgeführt: „Die Verwalter sollen über eine hervorragende Qualifikation verfügen
und grundsätzlich ein Büro in unserem Insolvenzgerichtsbezirk haben. Sie sollen in
der Lage sein, innerhalb von kurzer Zeit möglichst viele Orte im Bezirk des
Insolvenzgerichts zu erreichen. Auf jeden Fall sollen Sie die wirtschaftlichen
Gegebenheiten im Bezirk des Insolvenzgerichts sehr genau kennen und auch
schon Erfahrungen mit den hiesigen Kreditinstituten gesammelt haben. Die
potentiellen Verwalter sollen soviel Erfahrung und eine solche Infrastruktur haben,
dass sie auch größere Betriebe fortführen können. Oft stellt sich nämlich erst nach
der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters heraus, dass das Verfahren
sehr umfangreich und sehr schwierig ist. Soweit sie diese Fähigkeiten noch nicht
haben, soll zumindest am gleichen Ort im gleichen Büro ein erfahrener Verwalter
vorhanden sein, der notfalls kurzfristig Hilfestellung geben kann. Außerdem muss
im Verhinderungsfall eine qualifizierte Vertretung vor Ort vorhanden sein. Ferner
muss sichergestellt sein, dass die entsprechende Person nicht bei anderen
Gerichten so oft berücksichtigt wird, dass sie sich nicht mehr persönlich intensiv
um jede Sache kümmern kann. Allerdings soll hier auch die Zusammenarbeit mit
den Verwaltern, die schon lange Jahre (zum Teil über 20 Jahre) für das Amtsgericht
Gießen tätig sind und sehr gute und erfolgreiche Arbeit geleistet haben, im
Interesse der Sache fortgesetzt werden.“ Nach diesen Grundsätzen könne – so
das Schreiben weiter - die Bewerbung des Antragstellers nicht berücksichtigt
werden. Man sei nicht davon überzeugt, dass der Antragsteller die ihm
anvertrauten Verfahren optimal bearbeiten und in allen Punkten sachgerecht
durchführen werde. Dies werde gestützt durch die Tätigkeit des Antragstellers im
Verfahren Az.: 6 IN 224/04. Hier sei sein Verhalten in der Gläubigerversammlung
vom 09.02.2006 nicht akzeptabel gewesen. Es bestünden Zweifel, dass er sich
dem Verfahren in dem erforderlichen Umfang gewidmet habe. Überdies habe er
das Gericht und die Gläubiger nicht ausreichend informiert. Angesichts der Vielzahl
der qualifizierten Bewerber müsse man den Richtern zugestehen, dass sie keine
Verwalter bestellen würden, mit denen sie in einem früheren Verfahren nicht
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Verwalter bestellen würden, mit denen sie in einem früheren Verfahren nicht
vollauf zufrieden gewesen seien.
Gegen diesen am 05.05.2006 zugestellten Bescheid wendet sich der Antragsteller
mit seinem am 31.05.2006 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
Er ist der Auffassung, die Ablehnung seines Antrags sei willkürlich, da der
Antragsteller objektiv geeignet sei, die Tätigkeit als Insolvenzverwalter auszuüben
und die Ablehnungsgründe auf sachfremden Erwägungen beruhten. Der
Antragsteller erfülle die aufgestellten Kriterien bis auf den Umstand, dass seine
Kanzlei außerhalb des Insolvenzgerichtsbezirk liege. Es werde auch nicht
dargelegt, warum der Antragsteller diese Kriterien nicht erfülle. Die Begründung
erschöpfe sich in der unzutreffenden Äußerung, dass nach den aufgestellten
Grundsätzen die Bewerbung des Antragstellers nicht berücksichtigt werden könne.
Teilweise seien die aufgestellten Kriterien, etwa im Hinblick auf die erforderliche
Infrastruktur, nicht geeignet, dem Antragsteller generell als ungeeignet zur
Ausübung der Tätigkeit als Insolvenzverwalter zu qualifizieren. Darüber hinaus
zeige die bestehende Bestellpraxis, dass einige der genannten Kriterien, etwa
hinsichtlich der erforderlichen Qualifikation und Ortsnähe, seit Jahren nicht
umgesetzt würden. Dass der Antragsteller das Verfahren des Amtsgerichts
Gießen, Az.: 6 IN 224/04, nicht optimal und sachgerecht durchführe, sei unrichtig.
Die diesbezügliche Argumentation erschöpfe sich in Sachverhaltsdarstellungen,
die auf bloßen Vermutungen und falschen Annahmen beruhen würden.
Wegen der Antragsbegründung im Übrigen wird auf den Inhalt der Antragsschrift
(Bl. 21 ff d. A.), sowie der Schriftsätze vom 11.09.2006 (Bl. 183 ff d. A.) und
16.10.2006 (Bl. 189 ff d. A.) verwiesen.
Der Antragsteller beantragt,
1. den Bescheid des Amtsgerichts Gießen – Insolvenzgericht - zu Az. 6 AR 6/06
vom 28.04.2006, zugestellt am 05.05.2006, aufzuheben,
2. das Amtsgericht Gießen – Insolvenzgericht - anzuweisen, den
Antragsteller in das jeweilige Vorauswahlverfahren für die beim Amtsgericht
Gießen zu bestellenden Insolvenzverwalter aufzunehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, der Antrag sei unbegründet. Soweit das eigentliche
Antragsziel darauf gerichtet sei, als Insolvenzverwalter bestellt zu werden, finde
dies keinen Rückhalt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Dieses habe klargestellt, dass nur ein Anspruch auf eine willkürfreie Einbeziehung
in das Vorauswahlverfahren bestehe und es dafür erforderlich sei, dass die den
Insolvenzrichtern obliegende Ermessensentscheidung hinsichtlich der Maßstäbe,
insbesondere der bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden
tatsächlichen Gesichtspunkte und der Eignungskriterien, überprüfbar sein müsse.
Dem entspreche jedoch das Schreiben der Insolvenzrichter des Amtsgerichts
Gießen vom 28.04.2006. Die in dem Schreiben aufgeführten Kriterien seien nicht
zu beanstanden und insbesondere nicht willkürlich ausgewählt. Im vorliegenden
Verfahren sei nicht zu prüfen, ob diese zu Recht von den Insolvenzrichtern bei ihrer
Ermessensentscheidung mit herangezogen würden, sondern lediglich, ob
willkürliche Kriterien angesetzt würden, die dazu geeignet seien, bereits bekannte
Bewerber zu bevorzugen und andere Bewerber zu benachteiligen. Solche
Umstände seien vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Ob ein Kriterium, dass
ordnungsgemäß aufgestellt und willkürfrei sei, erfüllt sei oder nicht, sei im
Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG nicht zu überprüfen. Ohnehin sei die
Ablehnung des Antragstellers auf andere Gründe gestützt worden, nämlich darauf,
dass die Insolvenzrichter des Amtsgerichts Gießen kein Vertrauen in die
Bearbeitung der Insolvenzverfahren durch den Antragsteller hätten, was sie mit
dessen Tätigkeit im Verfahren Az.: 6 IN 224/04 begründet hätten. Ergänzend sei
darauf hinzuweisen, dass nach wie vor unterschiedliche Auffassungen in diesem
Insolvenzverfahren bestünden, die nunmehr dazu geführt hätten, dass ein
Gläubigerausschuss gebildet worden sei. Auch der Antragsteller stelle
Unstimmigkeiten in dem vorgenannten Insolvenzverfahren nicht in Abrede, sei
jedoch der Auffassung, dass diese nicht auf sein Verschulden zurückzuführen
seien. Dies sei im Rahmen des hiesigen Verfahrens nicht zu klären, das lediglich
der Überprüfung und Verhinderung von willkürlichen Auswahlentscheidungen der
Insolvenzrichter diene.
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Ergänzend wird auf den Inhalt der Stellungnahmen des Antragsgegners vom
15.08.2006 (Bl. 180 ff d. A.) und 04.10.2006 (Bl. 187 ff d. A.) Bezug genommen.
Der Senat hat auf Grund des Beschlusses vom 29.03.2007 die Akten des
Amtsgerichts Gießen, Az. 6 IN 224/04, eingesehen.
II.
Der form- und fristgerecht gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch
ansonsten zulässig.
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag zu 1. gegen die Zurückweisung
seines auf die Aufnahme in die Vorauswahlliste für potenzielle Insolvenzverwalter
gerichteten Antrags vom 13.01.2006 durch den angefochtenen Bescheid und
begehrt mit seinem Antrag zu 2. die Verpflichtung zur Vornahme der abgelehnten
Maßnahme, § 23 Abs. 2 EGGVG. Für die Überprüfung von Entscheidungen im
Vorauswahlverfahren potenzieller Insolvenzverwalter ist der Rechtsweg nach den
§§ 23 ff EGGVG eröffnet. Um eine solche Entscheidung geht es hier. Die
Entschließung über die Aufnahme eines Bewerbers in die Vorauswahl derjenigen
Personen, anhand der die Richter sodann im Einzelfall in dem Eröffnungsbeschluss
den nach ihrer Auffassung am besten geeigneten Insolvenzverwalter auswählen
und bestellen, ist als Justizverwaltungshandeln zu qualifizieren. Es entspricht
nunmehr weitgehend einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung, der sich der
Senat angeschlossen hat, dass der richtige Rechtsbehelf gegen ablehnende
Entscheidungen im Rahmen der Vorauswahl der Antrag auf gerichtliche
Entscheidung nach § 23 EGGVG ist (vgl. dazu die Nachweise im den Beteiligten
bekannten Beschluss des Senats vom 29.03.3007, Az. 20 VA 6/06, Seiten 11 ff;
vgl. weiter BGH ZIP 2007, 1379; OLG Schleswig ZIP 2007, 831; OLG Hamm ZIP
2007, 1722; OLG Dresden ZIP 2007, 2182; OLG Bamberg ZIP 2008, 82, je m. w.
N.).
Die Entscheidung im Vorauswahlverfahren betrifft den Antragsteller auch in seinen
Rechten, § 24 Abs. 1 EGGVG. Die Auswahlentscheidung des Insolvenzrichters bei
der Bestellung eines Insolvenzverwalters gemäß § 56 Abs. 1 InsO unterliegt der
Bindung an die Grundrechte, maßgebend ist insbesondere der allgemeine
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts begründet das Verbot einer willkürlichen
Ungleichbehandlung bei Einräumung von Ermessen eine Verpflichtung zu dessen
sachgerechter Ausübung. Der mit dem konkreten Fall befasste Richter darf danach
seine Entscheidung für einen bestimmten Insolvenzverwalter nicht nach freiem
Belieben treffen. Jeder Bewerber um das Insolvenzverwalteramt muss eine faire
Chance erhalten, entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 InsO vorausgesetzten
Eignung berücksichtigt zu werden. Insofern verfügt er über ein subjektives Recht,
für das Rechtsschutz zu gewährleisten ist. Eine Chance auf eine Einbeziehung in
ein konkret anstehendes Auswahlverfahren, auf eine Bestellung und damit auf
Ausübung des Berufs hat ein potenzieller Insolvenzverwalter nur bei willkürfreier
Einbeziehung in das Vorauswahlverfahren. Dieses ist so bedeutsam, weil der
Richter, wenn er die Auswahl des Insolvenzverwalters für ein konkretes
Insolvenzverfahren trifft, wegen der Eilbedürftigkeit der Bestellungsentscheidung in
konkreten Insolvenzverfahren eines - rechtlich einwandfreien - Rahmens bedarf
(BVerfG NJW 2004, 2725), der ihm eine hinreichend sichere Tatsachengrundlage
für eine sachgerechte Auswahlentscheidung vermittelt. Auch im Hinblick auf die
Aufnahme/Einbeziehung in das Vorauswahlverfahren besteht daher ein subjektives
Recht des Antragstellers (vgl. die Nachweise im den Beteiligten bekannten
Beschluss des Senats vom 29.03.3007, Az. 20 VA 6/06, Seite 12).
Der Senat hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 30.05.2006, wie sich
auch bereits aus den hiesigen Verfügungen vom 11.05.2007 und 10.07.2007
ergibt, dahingehend ausgelegt, dass dieser sich – wie in den Justizverwaltungsakte
betreffenden Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG üblich - gegen die
„Justizbehörde“ richtet, gegen deren Entscheidung vorgegangen wird (vgl.
Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 29 EGGVG Rz. 16), auch wenn der Antragsteller das
Amtsgericht Gießen als Antragsgegner benannt hat. Der Senat hat die in
Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff EGGVG für das Land
Hessen vertretungsbefugte Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht am
Verfahren beteiligt (vgl. zuletzt § 3 Abs. 1 Nr. 1a) der Anordnung über die
Vertretung des Landes Hessen im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz
vom 30.06.2006, JMBl. 2006, 482, unter Hinweis auf die zeitlich vorhergehende –
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vom 30.06.2006, JMBl. 2006, 482, unter Hinweis auf die zeitlich vorhergehende –
insoweit gleichlautende - Anordnung über die Vertretung des Landes Hessen im
Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz vom 08.02.2001, JMBl. 2001, 179).
Diese Vorgehensweise korrespondiert mit den Ausführungen des
Bundesgerichtshofs in seinem auf Vorlage des erkennenden Senats ergangenen
Beschluss vom 16.05.2007 (= ZIP 2007, 1379) unter den Ziffern III. 3 und III. 4 (vgl.
nun zusätzlich BGH, Beschluss vom 19.12.2007, Az. IV AR(VZ) 6/07, zitiert nach
juris).
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat auch in der Sache insoweit Erfolg, als
der Antragsgegner das Begehren des Antragstellers unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden hat.
Wie bereits oben erwähnt, räumt § 56 Abs. 1 InsO dem zuständigen
Insolvenzrichter bei der Auswahl unter den geeigneten Bewerbern um das Amt des
Insolvenzverwalters ein Auswahlermessen ein. Um jedem geeigneten Bewerber
eine faire Chance geben zu können, ist ein Verfahren erforderlich, das dem Richter
nicht nur eine zügige Eignungsprüfung für das konkrete Verfahren ermöglicht,
sondern ihm außerdem hinreichende Informationen für eine pflichtgemäße
Ausübung des Auswahlermessens verschafft und verfügbar macht. Hierbei kommt
insbesondere dem Vorauswahlverfahren entscheidende Bedeutung zu. Es gibt
dem Richter einen Rahmen, der ihm trotz der Eilbedürftigkeit der
Bestellungsentscheidung eine hinreichend sichere Tatsachengrundlage für eine
sachgerechte Auswahlentscheidung im konkreten Insolvenzverfahren vermittelt.
Um diese Funktion erfüllen zu können, muss ein dem konkreten
Insolvenzverfahren vorgelagertes allgemeines Vorauswahlverfahren die Erhebung,
Verifizierung und Strukturierung der Daten gewährleisten, die nach der
Einschätzung des jeweiligen Insolvenzrichters nicht nur für die Feststellung der
Eignung eines Bewerbers im konkreten Fall maßgebend sind, sondern vor allem
auch eine sachgerechte Ermessensausübung bei der Auswahl des
Insolvenzverwalters aus dem Kreis der geeigneten Bewerber ermöglichen. Es ist
Aufgabe der Fachgerichte, Kriterien für die Feststellung der Eignung eines
Bewerbers sowie für eine sachgerechte Ausübung des Auswahlermessens zu
entwickeln. Eine Liste ist so zu führen, dass in sie jeder Bewerber eingetragen
werden muss, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine
generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für
das erstrebte Amt im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfüllt (vgl. dazu die
Nachweise im den Beteiligten bekannten Beschluss des Senats vom 29.03.2007,
Az. 20 VA 6/06, Seite 14).
Bei der in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilten
und auch hier bedeutsamen Frage, inwieweit derartige Entscheidungen im
Vorauswahlverfahren gerichtlich zu überprüfen sind, wenn darin auf ein
„Fehlverhalten“ des Bewerbers in früheren Insolvenzverfahren abgestellt wird, hat
der Bundesgerichtshof in dem nun bekannt gewordenen Beschluss vom
19.12.2007 auf Vorlage des OLG Dresden vom 26.07.2007 (= ZIP 2007, 2182; im
Hinblick auf OLG Schleswig ZIP 2007, 831) in einem obiter dictum (Ziffer IV. 3. und
4. der Entscheidung) ausgeführt, dass ein Bewerber, der als generell geeignet
angesehen wird, zum Insolvenzverwalter bestellt zu werden, in die Liste
einzutragen ist. Ein weitergehendes Auswahlermessen besteht nicht. Kommt die
Justizverwaltungsbehörde zu dem Schluss, dass der Bewerber die persönlichen
und fachlichen Anforderungen für das Amt des Insolvenzverwalters im Allgemeinen
erfüllt, kann ihm die Aufnahme in die Liste nicht versagt werden. Ein Ermessen des
zuständigen Insolvenzrichters besteht erst, wenn es darum geht, aus dem Kreis
der in der Liste geführten Kandidaten denjenigen auszuwählen, den er im Einzelfall
für am Besten geeignet hält, um ihm das Amt des Insolvenzverwalters zu
übertragen. Der Liste kommt mithin keine weitergehende Funktion zu, als dem
Insolvenzrichter für das konkrete Insolvenzverfahren die Ausübung des Ermessens
bei der Auswahl des Insolvenzverwalters im oben beschriebenen Sinn zu
erleichtern. Für das Vorauswahlverfahren steht die Ausfüllung des unbestimmten
Rechtsbegriffs der persönlichen und fachlichen Eignung im Vordergrund. Für diese
generelle Eignung ist ein bestimmtes Anforderungsprofil zu erstellen, nach dem
sich die Qualifikation des jeweiligen Bewerbers richtet, wobei der Beurteilung, ob er
dem Anforderungsprofil genügt, ein prognostisches Element immanent ist. Damit
kann sich aber auch die rechtliche Überprüfung dieser Entscheidung durch den
Senat – wohl entgegen der in der Verfügung vom 04.10.2006 geäußerten
Rechtsauffassung des Antragsgegners - nicht darauf beschränken, lediglich die
von den Richtern allgemein aufgestellten Kriterien zu überprüfen und deren
Anwendung auf den konkreten Bewerber – den Antragsteller – gänzlich
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Anwendung auf den konkreten Bewerber – den Antragsteller – gänzlich
auszusparen. Eine derartige vom Einzelfall losgelöste Überprüfung würde dem
Bewerber keinen – schon gar keinen effektiven - Rechtsschutz gewährleisten, wie
er vom Bundesverfassungsgericht verlangt wird. Auf Letzteres hat der Senat
bereits im den Beteiligten bekannten Beschluss vom 29.03.2007 im
„Parallelverfahren“ Az. 20 VA 6/06 hingewiesen. Vor diesem Hintergrund geht der
Senat davon aus, dass vorliegend im angefochtenen Bescheid bei der Beurteilung
Maßstäbe angelegt worden sind, die einer rechtlichen Überprüfung nicht
standhalten.
Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Insolvenzrichter ausweislich des
angegriffenen Bescheids die von ihnen auf Seite 2 aufgeführten Auswahlkriterien,
wie sie oben unter I. aufgeführt worden sind, nicht ausdrücklich zur Grundlage ihrer
ablehnenden Entscheidung gemacht haben, auch wenn auf Seite 2 des Bescheids
mitgeteilt wird, dass die Bewerbung des Antragstellers „nach diesen Grundsätzen“
nicht berücksichtigt werden könne. Vielmehr wird die ablehnende Entscheidung
ausschließlich auf zuvor bekannt gewordene Vorgänge im Verfahren des
Amtsgerichts Gießen, Az. 6 IN 224/04, gestützt, ohne konkret zu benennen,
welches der im Bescheid genannten Eignungskriterien damit vom Antragsteller
nicht erfüllt werde. Insoweit zu Recht hat der Antragsgegner selber in seiner
Stellungnahme vom 15.08.2006 im vorliegenden Verfahren ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass die Ablehnung darauf gestützt worden sei, dass die
Insolvenzrichter kein Vertrauen in die Bearbeitung der Insolvenzverfahren durch
den Antragsteller hätten und dies auf die Tätigkeit des Antragstellers im
bezeichneten Insolvenzverfahren gestützt werde.
Auch der Senat geht grundsätzlich davon aus, dass die Insolvenzrichter bei der
Vorauswahl der Bewerber bei der Anlegung von allgemeingültigen
Bewertungsmaßstäben Erkenntnisse aus bereits erbrachten Tätigkeiten des
Bewerbers verwerten dürfen. Den Amtsrichtern war es mithin nicht verwehrt, für
ihre Entscheidungsfindung darüber, ob sie den Antragsteller in ihre Vorauswahl
einbeziehen, eine eigene Bewertung der vom Antragsteller bereits zuvor
erbrachten Tätigkeit in Insolvenzverfahren des Insolvenzgerichts vorzunehmen
(vgl. dazu etwa OLG Hamburg ZIP 2005, 2165; OLG Schleswig ZIP 2007, 831; vgl.
auch Pape NZI 2006, 665, 667; Messner DRiZ 2006, 326, 329; Gaier ZInsO 2006,
1177, 1182). Auch nach den Empfehlungen der sog. „Uhlenbruck-Kommission“
(vgl. ZVI 2007, 388 ff) soll etwa ein Insolvenzverwalter wegen unzureichender
Bearbeitung von Insolvenzverfahren nach „Abmahnung“ im Wiederholungsfall von
einer Vorauswahlliste gestrichen werden können. Lediglich allgemeine Verweise,
wie hier etwa darauf, dass der Bewerber „das volle Vertrauen“ der Richter haben
müsse, dafür Gewähr bieten müsse, dass „das Verfahren und das ihm anvertraute
Vermögen in den besten Händen sei“, und dass man „zugestehen (müsse), dass
(die Richter) keine Verwalter bestellen, mit denen (sie) in einem früheren
Verfahren nicht vollauf zufrieden“ gewesen seien, sind allerdings grundsätzlich
nicht ohne weiteres hinreichend, um eine fehlende generelle Eignung des
Bewerbers begründen zu können. Vielmehr können nur konkret belegbare
tatsächliche Umstände als überprüfbarer Maßstab einer Entscheidung zugrunde
gelegt werden (vgl. etwa OLG München ZIP 2005, 670 m. w. N.).
Letzterem wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht. Dieser führt aus, dass
die Richter nicht überzeugt seien, dass der Antragsteller die ihm anvertrauten
Verfahren optimal bearbeiten und in allen Punkten sachgerecht durchführen werde
(vgl. Seite 2 des angefochtenen Bescheids). Als Beleg werden ausschließlich
zurückliegende Vorgänge des Verfahrens des Amtsgerichts Gießen, Az. 6 IN
224/04, aufgeführt. Der angegriffene Bescheid stellt – wie ebenfalls bereits erwähnt
- zwar dar, welche allgemeingültigen Bewertungsmaßstäbe grundsätzlich an
Bewerber anzulegen sind, benennt dann aber nicht konkret, welches die Eignung
begründende und zwingend generell erforderliche Merkmal des Anforderungsprofils
beim Antragsteller fehlen soll. Der Bescheid legt sich hier nicht fest. Für die im
Rahmen des Vorauswahlverfahrens festzustellende generelle Eignung ist aber –
wie dargelegt - ein bestimmtes Anforderungsprofil zu erstellen, nach dem sich die
Qualifikation des jeweiligen Bewerbers richtet, und sodann zu beurteilen, ob er
diesem Anforderungsprofil genügt.
Ausgehend von der Überlegung, dass jedem Bewerber, der nicht generell für das
Amt eines Insolvenzverwalters ungeeignet erscheint, in Ansehung der in Art. 12
Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit die Chance eröffnet werden müsse, in das
Auswahlverfahren für die Bestellung eines Insolvenzverwalters gemäß § 56 Abs. 1
InsO einbezogen zu werden, wird in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung
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InsO einbezogen zu werden, wird in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung
(so OLG Schleswig ZIP 2007, 831; vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19.12.2007,
a.a.O., unter Ziffer IV. 4.) die Auffassung vertreten, dass ein Fehlverhalten in
einem früheren Insolvenzverfahren die Nichtaufnahme in Bewerberlisten nur dann
rechtfertigen kann, wenn sich daraus generell die Befürchtung begründet, der
Bewerber werde in Zukunft für jede denkbare Art von Insolvenzverwaltungen nie
die Voraussetzungen für eine Auswahlentscheidung nach § 56 Abs. 1 InsO erfüllen
können. Ob dem in diesem generellen Umfang zu folgen wäre, kann hier
dahinstehen. Richtig ist jedenfalls, dass an die Insolvenzverwalter ganz
unterschiedliche Anforderungen gestellt werden und etwa die Fortführung eines
insolvent gewordenen Großunternehmens andere Fähigkeiten und Kenntnisse als
die Abwicklung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens verlangt (vgl. OLG München
ZIP 2005, 670 m. w. N.). Dies ist auch hier – wenn auch im Hinblick auf die
Bewerbung des Antragstellers eingeschränkt - zu berücksichtigen. Jedenfalls
lassen die das Verfahren des Amtsgerichts Gießen, Az. 6 IN 224/04, betreffenden
Tatsachen, wie sie im angefochtenen Bescheid aufgeführt sind und auf die die
Ablehnung ausschließlich gestützt wird, weder einzeln noch in der Gesamtschau
den Schluss auf eine generell fehlende Eignung des Antragstellers zur Verwaltung
von Insolvenzen, etwa wegen fehlender persönlicher Zuverlässigkeit, mangelnder
fachlicher Qualifikation oder etwa Überlastung auf Grund anderweitiger Tätigkeiten
noch nicht zu. Anhaltspunkte für das Fehlen anderweitiger Kriterien innerhalb des
Anforderungsprofils lassen sich auf Grund der lediglich allgemeinen - das
offensichtlich als „Fehlverhalten“ erkannte Vorgehen des Antragstellers
betreffenden - Formulierungen im Bescheid nicht erkennen.
Dies betrifft etwa das nach der Formulierung des angefochtenen Bescheids „nicht
akzeptable“ Verhalten des Antragstellers im Termin vom 09.02.2006. Abgesehen
davon, dass der tatsächliche Ablauf dieser Versammlung zwischen den Beteiligten
unterschiedlich dargestellt wird, und die Insolvenzrichter diesen trotz ihrer
Verpflichtung zur „Erhebung und Verifizierung“ der maßgeblichen Daten nicht
näher aufgeklärt haben, kann selbst nach der im angefochtenen Bescheid
übernommenen Darstellung der Rechtspflegerin in dem vorliegenden Vermerk
eine darauf gestützte generelle Ungeeignetheit des Antragstellers nicht
festgestellt werden, abgesehen davon, dass die Rechtspflegerin ausweislich ihres
Vermerks die in dieser Versammlung vom Antragsteller überreichte schriftliche
Unterlage offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen hat. Soweit die fehlende
Beantwortung von Fragen einzelner Gläubiger durch den Antragsteller gerügt wird,
hat dieser sein diesbezügliches Vorgehen bezüglich sensibler Verfahrensvorgänge
gestützt auf sachliche und nachvollziehbare Gründe erläutert. Ob diese Gründe in
allen Einzelheiten geeignet wären, das Verhalten des Antragstellers zu
rechtfertigen, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Vor dem
Hintergrund, dass selbst in der insolvenzrechtlichen Literatur umstritten ist, ob und
inwieweit den Insolvenzverwalter gänzlich unbeschränkte Auskunftsverpflichtungen
gegenüber Gläubigern treffen (vgl. dazu Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 79 Rz. 8;
Jaeger/Gerhardt, InsO, § 79 Rz. 7, je auch zu Unternehmensveräußerungen und m.
w. N.; Frankfurter Kommentar zur InsO/Kind, 4. Aufl., § 79 Rz. 10), könnte selbst
eine diesbezügliche Fehleinschätzung des Antragstellers seine generelle
Ungeeignetheit zur Verwaltung von Insolvenzen nicht rechtfertigen. Hinsichtlich
des Gesprächs nach der Versammlung hat die Teilnehmerin ausweislich des
Schreibens vom 02.03.2006 mitgeteilt, dass die Angaben der Rechtspflegerin so
nicht zuträfen und eine teilweise andere Darstellung abgegeben, als die
Rechtspflegerin in dem vorgelegten Vermerk. Ausweislich des angegriffenen
Bescheids haben die Insolvenzrichter – wohl auch insoweit - die Angaben der
Rechtspflegerin als richtig unterstellt. Selbst wenn diese vollumfänglich zutreffend
wären, ergäbe sich dann doch aus dem Schreiben vom 02.03.2006 zumindest eine
erhebliche Relativierung der von Seiten dieser Gläubigerin gegen den Verwalter
geäußerten Vorbehalte. Ohnehin ist es in einem ein Unternehmen betreffenden
Insolvenzverfahren, das durch zum Teil gegensätzliche wirtschaftliche Interessen
bestimmt wird, nicht ungewöhnlich, dass unterschiedliche Auffassungen der
Verfahrensbeteiligten geäußert und gegenüber dem Verwalter oder dem Gericht
durchgesetzt werden sollen. Auch derartige unterschiedliche Auffassungen im
Insolvenzverfahren sprechen deshalb noch nicht generell gegen die Eignung des
Insolvenzverwalters.
Soweit im Folgenden aus im einzelnen aufgeführten Tatsachen Rückschlüsse auf
eine in der Vergangenheit liegende nicht zweckmäßige Verfahrensführung durch
den Antragsteller gezogen werden, die ausweislich des Bescheides „Zweifel“ daran
begründen würden, dass sich der Antragsteller dem Verfahren hinreichend
gewidmet habe, kann dahinstehen, ob der Antragsteller diese „Zweifel“ in seinen
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gewidmet habe, kann dahinstehen, ob der Antragsteller diese „Zweifel“ in seinen
diversen Berichten hinreichend widerlegt hat. Zwingend ist der Schluss aus den im
Bescheid dargestellten Entwicklungen im Unternehmen der Schuldnerin (vgl. Seite
3, Abs. 2 und 3) auf ein dem Antragsteller vorzuwerfendes konkretes Fehlverhalten
jedenfalls nicht. Mögen auch gewisse Umstände dafür sprechen, dass der
Antragsteller teilweise zumindest unzweckmäßig gehandelt hat, hat dieser doch
dargelegt, aus welchen Gründen die geschäftliche Entwicklung der Schuldnerin wie
geschehen negativ verlief und dem erst relativ spät entgegen getreten worden ist
bzw. werden konnte. Sollten hierin Fehleinschätzungen des Antragstellers zu
sehen sein – was dieser in Abrede stellt -, so wären diese nicht so gewichtig, um
hierin ein Fehlverhalten sehen zu können, das eine Eignung des Antragstellers zur
Verwaltung von Insolvenzen generell ausschlösse.
Gleiches gilt, soweit im angefochtenen Bescheid Verstöße gegen die
Berichtspflicht des Insolvenzverwalters gerügt werden. Der Verlust des
Unternehmens im operativen Geschäft in der vom Amtsgericht unter
Zugrundelegung der Angaben des Antragstellers knapp errechneten Form wird
von diesem in Abrede gestellt; die Beteiligten bewerten und stellen ihn mithin
unterschiedlich dar. Der Antragsteller hat seinen Berichten naturgemäß seine
Bewertungen zugrunde gelegt. Die am 28.07.2005 übergebene fristlose Kündigung
des ehemaligen Geschäftsführers B vom 25.07.2005 ist im Bericht vom
27.07.2005 immerhin unter Hinweis auf dessen mangelnde Kooperation als
„Freisetzung“ angedeutet worden. Jedenfalls führt aber der angefochtene
Bescheid selber aus, dass der Antragsteller nach Einschaltung des Richters sein
Berichtsverhalten geändert habe, so dass auch dieser Gesichtspunkt nicht
hinreichend erscheint, um daraus die gänzliche Nichtaufnahme in das
Vorauswahlverfahren herleiten zu können.
Damit war der angefochtene Bescheid des Amtsgerichts aufzuheben und der
Antragsgegner anzuweisen, den Antragsteller unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden. Bislang hat das Amtsgericht das
von ihm aufgestellte Anforderungsprofil, das heißt die im Bescheid aufgeführten
Kriterien, noch nicht – jedenfalls nicht erkennbar - auf den Antragsteller
angewendet. Wie gesagt hat der Antragsgegner selbst im vorliegenden Verfahren
darauf hingewiesen, dass die Ablehnung des Antragstellers lediglich auf die
erwähnten anderen Gründe gestützt worden sei. Unabhängig von der Frage, ob an
diesen Kriterien überhaupt umfassend festgehalten werden soll, ergibt sich auch
aus dem von den Insolvenzrichtern gemeinsam unterzeichneten Bescheid und
dem vorangegangenen Schreiben der Insolvenzrichterin vom 04.02.2006, dass es
beim Amtsgericht Gießen bislang keine Verwalterliste geben soll bzw. jeder der
beiden Insolvenzrichter die Vorauswahl selber trifft, die notwendige Strukturierung
der Daten mithin eventuell anderweitig erfolgen soll. Eine allgemeine Bewertung
einzelner Kriterien und ggf. sogar Erstellung eines vollständig eigenen allgemeinen
Anforderungsprofils, sowie dessen Anwendung auf den Antragsteller auf Grund
einer eigenen Sachentscheidung durch den Senat, was Voraussetzung für eine
Entscheidung entsprechend dem Antrag zu 2. wäre, ist damit nicht angezeigt.
Einer Entscheidung über Gerichtsgebühren bedarf es nicht, weil solche nur bei
Zurückweisung oder Zurücknahme des Antrags erhoben werden, §§ 30 EGGVG,
131 Abs. 4 Satz 3 KostO (vgl. Münchener Kommentar/Wolf, ZPO, 2. Aufl., § 30
EGGVG Rz. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 30
EGGVG Rz. 3; Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 30 EGGVG Rz. 1).
Für die Anordnung einer Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten gemäß §
30 Abs. 2 EGGVG hat der Senat keine Veranlassung gesehen. Der Umstand, dass
der Antrag des Antragstellers Erfolg hatte, reicht für eine Überbürdung
außergerichtlicher Kosten noch nicht aus (vgl. Senat, Beschluss vom 01.02.2007,
20 VA 13/06 und 14/06; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 30
EGGVG Rz. 4; Zöller/Gummer, a.a.O., § 30 EGGVG Rz. 1; Münchener
Kommentar/Wolf, a.a.O., § 30 EGGVG Rz. 6). Eine offensichtliche oder besonders
schwere Rechtsverletzung durch die Justizbehörden ist vorliegend jedoch nicht
ersichtlich.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht jeweils auf den §§ 30 Abs. 3 EGGVG,
30 Abs. 2 KostO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.