Urteil des AG Giessen vom 02.02.2009

AG Gießen: fristlose kündigung, anwaltskosten, wohnung, vermieter, räumung, wohnraummiete, vollstreckung, sicherheitsleistung, nebenkosten, rechtshängigkeit

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Gericht:
AG Gießen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
48M C 648/08, 48
M C 648/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 249 BGB, § 280 BGB, § 286
BGB, § 543 BGB
(Wohnraummiete: Ersatz der Anwaltskosten eines
Großvermieters für die fristlose Kündigung eines Mieters
wegen Zahlungsverzuges)
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Wohnung im Hause "…"
im 1. Obergeschoss rechts bestehend aus 4 Zimmern, 1 Schlafzimmer, 2
Kinderzimmer, 1 Küche, 1 WC, 1 Flur, 1 Kellerraum, 1 Dachbodenanteil, 1
Wohnzimmer, 1 Badezimmer (94,90 m²) geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt
die Klägerin 9 %. 91 % der Gerichtskosten tragen die Beklagten als
Gesamtschuldner, von ihren außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten
jeweils 91 % selbst.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Klägerin 9 %, 61 %
tragen die Beklagten als Gesamtschuldner und weitere 30 % trägt die Beklagte zu
1) alleine.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte zu 1) kann die Räumungsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 3500 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher
Höhe leistet. Die Beklagte zu 1) und die Klägerin können die Vollstreckung der
Gegenseite bezüglich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden wenn nicht die
Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Vermieterin der von den Beklagten bewohnten Wohnung im
ersten Obergeschoss des Anwesens "…" . Die monatliche Miete beläuft sich auf
468,52 Euro zuzüglich 208,00 Euro Nebenkosten.
Mit Schreiben vom 30.10.2008 ließ die Klägerin durch ihre jetzigen
Prozessbevollmächtigten die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen
Zahlungsrückständen erklären. Zur Begründung wurde auf einen Kontoauszug
vom Vortag verwiesen, der dem Gericht nicht vorgelegt wurde.
In der Klageschrift vom 20.11.2008 wurde unter Hinweis auf einen Kontoauszug
vom gleichen Tage ( "…" ) erneut die fristlose Kündigung wegen
Zahlungsrückständen erklärt.
Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin die Räumung der Wohnung und
die Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten.
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Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Wohnung im
Hause "…" im 1. Obergeschoss rechts bestehend aus 4 Zimmern, 1
Schlafzimmer, 2 Kinderzimmer, 1 Küche, 1 WC, 1 Flur, 1 Kellerraum, 1
Dachbodenanteil, 1 Wohnzimmer, 1 Badezimmer (94,90 m²) geräumt an die
Klägerin herauszugeben sowie an sie 546,69 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten
nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Zinsen seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bezüglich des im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen
Beklagten zu 2) beantragt die Klägerin Erlass eines Versäumnisurteils.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet.
Die Klägerin kann von den Beklagten gemäß § 546 BGB die Rückgabe der
Mietsache verlangen, da das Mietverhältnis jedenfalls durch die fristlose Kündigung
vom 20.11.2008 beendet wurde. Es liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2
Ziffer 3 b BGB vor, wonach eine Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist
möglich ist, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung Mietrückstände in Höhe von 2
Monatsmieten bestehen. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass der Mietvertrag
nach dem 01.09.2001 abgeschlossen wurde, so dass das Gericht nicht feststellen
kann, dass die Beklagten verpflichtet waren, die Mieten monatlich im Voraus zu
zahlen. Aus dem Kontoauszug lässt sich aber entnehmen, dass zum Zeitpunkt der
Kündigung in der Klageschrift zumindest die Oktobermiete offen war und dass für
den Zeitraum von Juli bis September 2008 unter Berücksichtigung der
angegebenen Zahlungen etwas mehr als eine Monatsmiete offen war. Demnach
ist jedenfalls die in der Klageschrift ausgesprochene Kündigung wirksam, so dass
die Beklagten zur Räumung zu verurteilen waren.
Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten
ist unbegründet. Richtig ist, dass ein Vermieter grundsätzlich die Anwaltskosten für
eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsrückständen gemäß § 280 Abs. 1, 286
BGB als Verzugsschaden geltend machen kann (vgl. BGH WuM 07, 633 = NZM 07,
835). Allerdings sind nach § 249 BGB nur die Kosten erstattungsfähig, die auch
notwendig sind, das ist bei Anwaltskosten nur der Fall, wenn die Inanspruchnahme
eines Anwaltes erforderlich war. Anders als bei einem privaten Vermieter (vgl. dazu
LG Heidelberg, NZM 08, 839) ist bei der Klägerin davon auszugehen, dass sie über
genügend fachkundiges Personal verfügt, das in der Lage wäre, selbst eine
fristlose Kündigung wegen Mietzinsrückständen auszusprechen. Die "…" , zu der
auch die Klägerin gehört, ist die größte Vermieterin Europas (vgl. Rips, WuM 06,
228). Auf ihrer Homepage ist zu lesen, dass sie ca. 220.000 Wohnungen vermietet
oder verwaltet. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin in der
Lage wäre, auch ohne anwaltliche Hilfe wirksame fristlose Kündigungen
auszusprechen. Es ist davon auszugehen, dass die EDV-Anlage der Klägerin
anzeigt, welche Mieter mit ihren Mieten soweit in Rückstand sind, dass die
Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung gegeben sind. Es wäre nach
Auffassung des Gerichts nicht der geringste Aufwand, neben einem Kontoauszug
auch noch gleichzeitig eine fristlose Kündigung auszudrucken und diese zu
versenden. Das Gericht hatte schon zahlreiche Kündigungen und Räumungsklagen
der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu bearbeiten, die alle bis auf die Höhe
des Mietrückstandes den gleichen Text hatten und deren individuelle Begründung
sich in der Bezugnahme auf einen Kontoauszug erschöpft. Für das Gericht ist nicht
nachvollziehbar, warum die Klägerin es im Gegensatz zu anderen Großvermietern
für erforderlich hält, ihre fristlosen Kündigungen durch einen Anwalt aussprechen
zu lassen. Nach Auffassung des Gerichts werden hier zum Nachteil der betroffenen
Mieter nur unnötige und für diese sehr hohe Kosten verursacht. Im Übrigen kann
sich das Gericht nicht vorstellen, dass die Klägerin von der Möglichkeit des § 4 Abs.
2 RVG keinen Gebrauch gemacht hat und dass ihr von ihren Bevollmächtigten die
Kündigungskosten in voller Höhe berechnet werden. Der Hinweis der Klägerin, sie
komme bei einer Kündigung durch ihre Anwälte in den Genuss der Anwaltshaftung
überzeugt nicht, weil die Klägervertreter die Richtigkeit der Ihnen mitgeteilten
Mietrückstände und die Angaben zu der Frage, wer Mieter ist, wohl kaum selbst
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Mietrückstände und die Angaben zu der Frage, wer Mieter ist, wohl kaum selbst
überprüfen bzw. überprüfen können, so dass eine Haftung ihrer Anwälte praktisch
nicht in Betracht kommt.
Da die Einschaltung eines Rechtsanwaltes zum Ausspruch einer Kündigung nicht
erforderlich war, war die Klage auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten
abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte zu 2) hat von
den außergerichtlichen Kosten einen niedrigeren Anteil zu tragen als die Beklagte
zu 1), da er im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.2, 7, 711
ZPO.
Gemäß § 511 Abs. 4 ZPO war die Berufung zuzulassen, da die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.