Urteil des AG Euskirchen vom 05.08.2005

AG Euskirchen: allgemeine geschäftsbedingungen, billigkeit, tarif, vollstreckung, unterliegen, unternehmen, gegenüberstellung, gestaltungsklage, leistungsklage, preiskontrolle

Amtsgericht Euskirchen, 17 C 260/05
Datum:
05.08.2005
Gericht:
Amtsgericht Euskirchen
Spruchkörper:
17. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 C 260/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Kläger sind Eigentümer eines Hausgrundstückes in F, das mit Gas beheizt wird.
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Die Beklagte ist ein regionales Gasversorgungsunternehmen mit Sitz in F, welches über
Bezugsverträge mit verschiedenen Ferngasgesellschaften in das europäische
Erdgastransportnetzsystem eingebunden ist. Aus diesem Verbundnetz übernimmt die
Beklagte an mehreren Entnahmestationen das Erdgas aus Deutschland, den
Niederlanden, Norwegen und Russland für die regionale Versorgung von rund 76.000
Kunden.
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Die Parteien schlossen im Mai 2003 einen Erdgasversorgungsvertrag ab, wonach das
Grundstück der Kläger in F mit Gas der Beklagten versorgt werden soll. Es handelt sich
um einen sogenannten Sondervertrag für die Vollversorgung des Hauses, d. h. auch die
Heizung wird mit Gas betrieben.
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In § 2 dieses Vertrages war neben einem monatlichen Grundpreis von 14,50 € netto, ein
Arbeitspreis von 3,250 Cent je Kilowattstunde vereinbart. In § 2 heißt es weiter, dass der
vorstehende Gaspreis sich ändert, wenn eine Änderung der allgemeinen Tarifpreise
eintritt.
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Entsprechend dieser Regelung senkte die Beklagte mit Wirkung ab dem 1.1.2004 den
vereinbarten Arbeitspreis von 3,250 Cent je Kilowattstunde auf 3,150 Cent je
Kilowattstunde.
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Nachdem im Jahre 2004 die Vorlieferanten der Beklagten ihren Gaspreis in Anlehnung
an den gestiegenen Ölpreis mehrfach auf insgesamt 0,5865 Cent/kWh erhöht hatten,
erhöhte die Beklagte ihrerseits zum Januar 2005 ihren Arbeitspreis von 3,150 Cent je
Kilowattstunde auf 3,650 Cent je Kilowattstunde.
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Die Kläger wurden über die beabsichtigte Preiserhöhung mit Schreiben vom 27.12.2004
unterrichtet. Sie widersprachen der Preiserhöhung förmlich und zahlten den erhöhten
Preis nur noch unter Vorbehalt.
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Mit der vorliegenden Klage verfolgen die Kläger das Ziel, die Erhöhung der
Erdgaspreise zum 01.01.2005 für unbillig zu erklären.
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Sie tragen dazu vor, dass eine Erhöhung des Arbeitspreises um nahezu 16 % zu hoch
erscheine. Auch wenn sich für die Energieversorgungsunternehmen die Bezugspreise
erhöht hätten, seien diese Bezugspreise nur zu einem geringen Anteil kalkulatorisch in
den Endverbraucherpreisen enthalten. Um die Billigkeit der Preissteigerung überprüfen
zu können, sei die Beklagte verpflichtet, ihre Kalkulation offen zu legen.
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Die Kläger sind ferner der Ansicht, dass die Preisanpassungsklausel in § 2 Ziffer 2 des
Versorgungsvertrages gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB
verstoße. Die Beklagte behalte sich mit dieser Regelung das Recht vor,
Tarifänderungen und damit auch Änderungen des vertraglich vereinbarten Gaspreises
durchzusetzen, ohne dass dies an irgendwelche Vorgaben geknüpft sei. Der Kunde sei
der willkürlichen Preisgestaltung ausgeliefert.
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Ein Ausweichen auf eine andere Art der Energieversorgung sei nicht zumutbar, da
erhebliche Zusatzkosten anfallen würden.
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Die Kläger beantragen,
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festzustellen, dass die von der Beklagten ihnen gegenüber vorgenommene
Erhöhung der Erdgaspreise zum 01.01.2005 nicht der Billigkeit entspreche
und damit unwirksam sei.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, dass die Kläger ihr Begehren auf Überprüfung der Billigkeit der
Gaspreiserhöhung nicht mit einer Feststellungsklage verfolgen können.
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Auch in der Sache selbst halten sie die Klage für nicht begründet.
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Sie tragen dazu vor, dass die Voraussetzungen einer Billigkeitskontrolle in analoger
Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB nicht gegeben seien. Eine analogen Anwendung
komme nur in Betracht, wenn es sich um Leistungen der Daseinsvorsorge handele und
der Abnehmer deshalb auf die Leistungserbringung gerade durch diesen zu ihm in
einem Monopolverhältnis stehenden Anbieter angewiesen sei. Aufgrund des
Substitionswettbewerbs im Wärmemarkt seien diese Voraussetzungen vorliegend nicht
gegeben. Von der Wettbewerbssituation würden Neu- wie Altkunden gleichermaßen
profitieren, da es sich um eine einheitliche Preisgestaltung handele.
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Darüber hinaus sei § 315 Abs. 3 BGB deswegen nicht anwendbar, weil das Entgelt
individuell ausgehandelt worden sei. Die Kläger hätten mit der Beklagten einen
sogenannten Gasversorgungs-Sondervertrag abgeschlossen, der einen niedrigeren
Bezugspreis vorsehe als der Allgemeine Tarif.
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Selbst bei einer analogen Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB halte die Preiserhöhung
der Billigkeitskontrolle stand. Dafür spreche zum einen, dass die Landeskartellbehörde
die Bezugspreiserhöhung auf keinen Fall als kartellrechtswidrig eingestuft habe. Die
Bewertungskriterien seien ähnlich einer Billigkeitskontrolle.
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Ferner spreche für die Billigkeit der Preiserhöhung, dass nicht einmal die im Jahre 2004
insgesamt gestiegenen Bezugskosten von 0,5865 Cent/kWh voll an den
Endverbraucher weiter gegeben worden seien, sondern lediglich 0,50 Cent/kWh .
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Die Preise der vergleichbaren Gasversorgungsunternehmen in der Umgebung von F
würden belegen, dass die Beklagte auch mit ihren ab 01.01.2005 geltenden Preisen am
unteren Ende der Preisskala liege und zu den günstigsten Unternehmen der Region
zähle.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
Akteninhalt, sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist zulässig, auch soweit die Kläger Feststellung der Unbilligkeit beantragt
haben.
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In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger den zunächst allgemein gehaltenen
Feststellungsantrag dahingehend konkretisiert, dass sie nur Feststellung im Verhältnis
zu ihnen begehren. Das Gericht hat keine Bedenken an der Zulässigkeit eines solchen
Antrages.
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Eine Leistungsklage ist den Klägern nicht möglich, denn sie halten nicht einen anderen
Preis für billig, sondern sind der Ansicht, dass die Erhöhung insgesamt unbillig ist.
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Ferner war es den Klägern nicht möglich im Wege der Gestaltungsklage vorzugehen
und dem Gericht die Bestimmung der Preisänderung zu überlassen, denn sie sind der
Ansicht, dass insgesamt die Preiserhöhung unzulässig ist.
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Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet.
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Zwar unterliegen grundsätzlich Tarife für Leistungen der Daseinsfürsorge, auf deren
Inanspruchnahme der Kunde angewiesen ist, der Billigkeitskontrolle analog § 313 Abs.
3 BGB (BGH NJW 87, 1829; NJW 2003, 1449).
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Ausgeschlossen ist jedoch die Billigkeitskontrolle, wenn entweder die Tarife individuell
ausgehandelt wurden oder der Kunde auf die Belieferung des Unternehmers nicht
angewiesen ist.
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Im vorliegenden Fall wurde ein sogenannter Gasversorgungssondervertrag
abgeschlossen. Sondervertragskunden sind gemäß § 11 Abs. 2 der fünften DVO zum
Energiewirtschaftsgesetz die Abnehmer, die zu günstigeren Preisen als die
Allgemeintarifvertragskunden beliefert werden. Dies zeigt auch die Gegenüberstellung
der allgemeinen Tarife mit den Sondervertragspreisen. Das Gericht sieht allerdings
auch in den Sondervertragspreisen keine ausgehandelten Preise, denn insofern handelt
es sich um Formularverträge, in denen kein preislicher Spielraum von Fall zu Fall
gewährt wird. Nur die Möglichkeit gegenüber dem Sondervertragstarif den allgemeinen
Tarif zu wählen bedeutet noch nicht ein individuelles Aushandeln.
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Das Gericht ist allerdings der Meinung, dass der Kläger nicht auf die Leistungen der
Beklagten angewiesen ist, sondern dass sich die Kläger auf dem allgemeinen
Wärmemarkt auch mit anderen Energien versorgen könnten. Es bestehen heutzutage
auch alternative Möglichkeiten der Versorgung wie über Wärmepumpen, Solarzellen
oder Fotovoltaikanlagen. Das Gericht verkennt nicht, dass solches Umrüsten mit
einigem finanziellen Aufwand seitens der Kläger verbunden wäre. Auf der anderen
Seite aber würde eine Preiskontrolle in die wirtschaftliche Unabhängigkeit der
Beklagten eingreifen und den Grundsätzen der freien Marktwirtschaft zuwiderlaufen.
Finanzielle Belastungen, die man den Klägern nicht zumuten würde, wären dann auf die
Beklagte verlagert, die berechtigte Interessen an einer Preisänderung nicht durchsetzen
könnte.
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Selbst wenn jedoch trotz einiger Bedenken der Weg zu einer Billigkeitskontrolle gemäß
§ 315 Abs. 3 BGB eröffnet würde, hält das Gericht die zu Januar 2005 getroffene
Preiserhöhung für billig.
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Bei der Billigkeitskontrolle ist nicht der Preis an sich zu überprüfen, sondern lediglich die
Preiserhöhung. Der Preis an sich ist von den Klägern bei Abschluss des
Sondervertrages akzeptiert worden, ohne dass es für sie entscheidend darauf ankam,
wie sich dieser Preis zusammensetzt. Aus diesem Grund ist die Beklagte auch nicht
verpflichtet, ihre gesamte Kalkulation offen zu legen, Es reicht die Darlegung, dass die
Preisanpassung auf einer entsprechenden Bezugskostensteigerung beruht. Dieser
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Darlegungspflicht ist die Beklagte mit ihrer Erwiderung vom 25.05.2005 auf Bl. 59 d. A.
nachgekommen. Sie hat dort in einer Aufstellung dargelegt, dass sich der Bezugspreis
im Jahre 2004 viermal um insgesamt 0,5865 Cent je Kilowattstunde erhöht hat. Sie hat
diesen Preis nicht kontinuierlich angepasst, sondern die Bezugspreiserhöhungen ihrer
Vorlieferanten zunächst selber getragen und die Steigerung erst im Januar 2005 weiter
gegeben. Die Überwälzung erfolgte auch nicht in voller Höhe, da nur eine
Preissteigerung von 0,50 Cent/kWh weitergegeben wurde.
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Im übrigen zeigte die Vergangenheit, dass die Beklagte auch zu Gunsten der Kunden
die Preise reduzierte, wenn die Vorlieferanten die Bezugspreise herabsetzten. So
senkte sie ab Januar 2004 den vereinbarten Arbeitspreis von 3,25 Cent/kWh auf 3,15
Cent/kWh.
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Auch wenn man den Arbeitspreis insgesamt mit den marktüblichen Preisen vergleicht,
liegt der Tarif, den die Beklagte verlangt, im Rahmen des üblichen. Dies zeigt die
Marktübersicht vergleichbarer Erdgasanbieter im Bereich F auf Bl. 129 der Akten .
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Auch die Tatsache, dass das Landeskartellamt die Preiserhöhung zum Januar 2005 für
unbedenklich hielt, ist ein Indiz dafür, dass die Preiserhöhung der Billigkeitskontrolle
stand hält.
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Die Preisanpassungsklausel ist auch nicht nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
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Allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Leistungsinhalt oder das zuzahlende
Entgelt festlegen, werden von einer Anwendung der Inhaltskontrolle ausgenommen, da
die §§ 307 ff. eine gerichtliche Überwachung von Leistungsangeboten und Preisen nicht
ermöglichen wollen (Palandt Ergänzungsband, 61. Auflage, § 307 Rdnr. 54).
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Die Beklagte hat nach alledem zu Recht die Preiserhöhung zum 01.01.2005 gemäß
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§ 2 des Sondertarifvertrages vorgenommen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11,
713 ZPO.
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Streitwert: 1000,00 €
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