Urteil des AG Euskirchen vom 06.08.2009

AG Euskirchen (geschäftsführung ohne auftrag, öffentliche sicherheit, öffentlich, zivilrechtliche ansprüche, gemeinde, öffentliches recht, verhältnis zwischen, auftrag, geschäftsführung, sicherheit)

Amtsgericht Euskirchen, 4 C 401/08
Datum:
06.08.2009
Gericht:
Amtsgericht Euskirchen
Spruchkörper:
4. Abteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 C 401/08
Schlagworte:
öffentlich-rechtlich, Schadensersatz, Eigentum, Straße, Ölspur,
Gefahrenabwehr, Sperrwirkung, öffentliche Sicherheit, zivilrechtlich,
Behörde
Normen:
§ 677 BGB, § 823 BGB, § 7 StVG
Leitsätze:
1. In Fällen, in denen Behörden klassische Gefahrenabwehraufgaben
wahrnehmen, insbesondere bei der Beseitigung von Gefahren für die
öffentliche Sicherheit im Straßenverkehr, z.B. bei der Beseitigung von
Ölspuren etc., ist die Behörde verpflichtet, etwaige
Kostenerstattungsansprüche im Wege eines öffentlich-rechtlichen
Leistungsbescheides geltend zu machen.
2. Darüber hinausgehende zivilrechtliche Ansprüche, insbesondere
solche nach §§ 677 BGB, § 823 BGB oder § 7 StVG stehen den
Behörden nicht zu. Der Rückgriff auf diese Vorschriften ist gesperrt, da
ihre Anwendung dazu führen würde, dass zwingende öffentlich-
rechtliche Vorschriften umgangen würden.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten über die Erstattung von Ölspurbeseitigungskosten.
2
Am 16.03.2008 kam es in X-S auf der K 3 an der dort befindlichen Verkehrsinsel zu
einem Verkehrsunfall. Dabei kollidierte das Fahrzeug der Beklagten zu 1), welches bei
der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, mit der dort befindlichen künstlichen
Verkehrsinsel, weil der Fahrer des Fahrzeuges die Fahrbahnverengung nach der Kurve
zu spät bemerkt hatte. Bei dieser Kollision kam es zum Verlust von Motoröl. Die
Leitstelle des Kreises F und der Feuerwehr der Gemeinde X beauftragte sodann die
Klägerin, die einen Entsorgungsfachbetrieb betreibt, mit der Beseitigung der Ölspur.
Diese setzte für die Reinigung eine Spezialreinigungsmaschine ein und erstellte unter
dem 17.03.2008 eine Kostenrechnung über insgesamt 3.121, 16 € Brutto. Die Gemeinde
X, die ursprünglich Rechnungsempfängerin, trat am 18.03.2008 die ihr zustehenden
Ansprüche gegen die Beklagten erfüllungshalber an die Klägerin ab (Bl. 40 d.A.).
3
Die Klägerin behauptet, sie sei von der Gemeinde X konkret zur Durchführung einer
aufwändigen Nassreinigung beauftragt worden. Sämtliche von ihr in Rechnung
gestellten Kostenpositionen seien so tatsächlich angefallen, erforderlich gewesen und
der Höhe nach angemessen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 3.121,16 € nebst Zinsen
in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszins seit dem 09.04.2008 sowie als
Nebenforderung weitere 302,10 € zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten behaupten, die von der Klägerin bei der Berechnung zugrundegelegte
Größe der verunreinigten Fläche sei fehlerhaft berechnet. Diese sei tatsächlich viel
geringer. Zudem sei die Durchführung einer Nassreinigung nicht notwendig gewesen,
vielmehr sei eine Beseitigung der Ölspur auch nur mit Bindemittel möglich gewesen.
Sämtliche Rechnungspositionen seien überhöht und unangemessen. Zudem bestünde
zwischen der Klägerin und der Gemeinde X eine besondere Vergütungsvereinbarung,
aufgrund derer die Klägerin der Gemeinde gegenüber eine deutlich geringere Summe in
Rechnung stellen könnte. Mit Schreiben vom 13.07.2009 rügen die Beklagten erstmals
die Wirksamkeit der Abtretung.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten
gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten aus
keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein entsprechender Zahlungsanspruch zu.
12
1)
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Eigene Ansprüche der Klägerin scheiden mangels Vertragsverhältnisses aus. Auch ein
Anspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag kommt nicht in
Betracht, da die Klägerin einen ausdrücklichen Auftrag durch die Gemeinde X erhalten
14
hatte.
2)
15
Auch aus abgetretenem Recht steht der Klägerin kein Anspruch zu. Denn der Gemeinde
X standen gegen die Beklagten keine Ansprüche zu, die sie wirksam an die Klägerin
hätten abtreten können.
16
a)
17
Unstreitig hatte die Gemeinde gegen die Beklagte zu 1) einen öffentlich-rechtlichen
Kostenerstattungsanspruch gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 3 FSHG. Hierbei handelt es sich
jedoch um eine öffentlich-rechtliche Forderung, welche im Wege eines öffentlich-
rechtlichen Kostenbescheides geltend zu machen war. Diese Befugnis kann nicht durch
bloße Abtretung auf eine Privatperson wirksam übertragen werden (vgl. VG Düsseldorf
vom 27.06.1980, Az. 6 K 4740/78 m.w.N). Ob öffentlich-rechtliche Ansprüche jedenfalls
dann abtretbar sind, nachdem sie von der jeweiligen Behörde durch Leistungsbescheid
rechtskräftig geltend gemacht wurden (so jedenfalls BayOLG vom 25.02.2002, Az. 1Z
RR 331/99), braucht hier nicht näher erörtert werden.
18
b)
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Der Behörde standen gegen die Beklagten auch keine privatrechtlichen Ansprüche zu,
welche sie an die Klägerin hätten abtreten können. Soweit die Gemeinde die
beklagtenseits unstreitig fahrlässig verursachte Ölspur von der Straße beseitigen ließ,
wären jedenfalls nach dem unmittelbaren Wortlaut der Normen Ansprüche aus
Geschäftsführung ohne Auftrag, § 823 BGB und § 7StVG in Verbindung mit § 3 PflVG
denkbar. Diese Vorschriften sind jedoch im vorliegenden Falle nicht anwendbar, da ihre
Anwendung zu einer Umgehung zwingender öffentlich-rechtlicher Vorschriften führen
würde.
20
aa)
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Ölspurverunreinigungen stellen einen klassischen Unglücksfall im Sinne des § 1 FSHG
bzw. eine klassische Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Soweit
Gemeinden diese beseitigen lassen, üben sie dabei ihre hoheitliche Pflicht als
Gefahrenabwehrbehörden aus. Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinden sich dabei
privater Unternehmen bedienen. Die Voraussetzungen, unter denen Gemeinden die
Aufwendungen für ihr hoheitliches Tätigwerden auf Bürger übertragen können, sind in
den öffentlich-rechtlichen Vorschriften stark eingeschränkt und unterliegen diversen
Restriktionen. Generell unterliegen Behörden bei sämtlichem hoheitlichen Handeln dem
Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Soweit ihnen das Gesetz überhaupt
gestattet, derartige Kosten per Verwaltungsakt auf den Bürger abzuwälzen, gelten für
die Ausübung des eingeräumten Ermessens strenge Grundsätze, insbesondere ist die
Behörde an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden. Die öffentliche Hand ist
grundsätzlich verpflichtet, Gefahrenabwehrmaßnahmen in Eigenregie vorzunehmen.
Insofern sind die Gemeinden und örtlichen Feuerwehren verpflichtet, grundsätzlich
Material und Personal für derartige Gefahrenbeseitigungen selbst bereit zu halten und
aufzuwenden. Die öffentlich-rechtlichen Vorschriften sehen weiterhin konkret vor,
welche Personen in solchen Fällen als "Störer" einzustufen sind und überhaupt in
Anspruch genommen werden können. Nach § 41 Abs. 2 Nr. 1 FSHG darf der
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Verursacher, also der Fahrer nur hinsichtlich der Kosten in Anspruch genommen
werden, wenn er vorsätzlich handelte. Sofern sämtliche Voraussetzungen für den Erlass
eines Kostenbescheides vorlägen, wäre die Höhe der möglichen Forderung gemäß §
41 Abs. 3 FSHG beschränkt auf die Geltendmachung von "Kostenersatz", welcher durch
eine Satzung zu regeln ist.
Dieses differenzierte öffentlich-rechtliche System, welches enorme Restriktionen für ein
Kostenerstattungsverlangen gegenüber dem Bürger vorsieht, würde durch die
Anwendung der genannten zivilrechtlichen Vorschriften völlig unterlaufen. Nach den
zivilrechtlichen Vorschriften kann, anders als im öffentlichen Recht, auch der
Haftpflichtversicherer und der fahrlässig handelnde Fahrer in Anspruch genommen
werden, es gibt keine Bindung an rechtsstaatliche Prinzipien, wie beispielsweise den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, es gibt keine Verpflichtung zur richtigen "Störer-
Auswahl" zwischen mehreren Pflichtigen, "Schadensersatzansprüche" liegen deutlich
über dem von einer Gemeinde forderbaren "Kostenersatz" und den Betroffenen steht
kein Rechtsbehelf zur Seite, der dem Widerspruch im öffentlichen Recht ähnelt. Im Falle
einer Abtretung eines solchen Anspruchs an das Reinigungsunternehmen entfällt dann
auch die Ermessensbetätigung und die hoheitliche Überwachung des "ob und wie"
einer angemessenen Anspruchsverfolgung.
23
bb)
24
Soweit sich der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auf eine Entscheidung
des BGH (Urteil vom 06.11.2007, Az: VI ZR 220/06) berufen hat, folgt das Gericht dem
nicht. Soweit der BGH in diesem Urteil derartige Beseitigungskosten als
erstattungsfähig ansah, ergibt sich aus dem Urteil erkennbar nicht, dass sich der BGH
oder die Beteiligten des Verfahrens überhaupt Gedanken darüber gemacht haben,
inwieweit privatrechtliche Vorschriften überhaupt anwendbar sind, ohne dadurch
zwingendes öffentliches Recht zu umgehen. Insofern misst das Gericht dieser BGH-
Entscheidung keine für den Fall maßgebliche Bedeutung zu. Außerdem hat der BGH in
anderen Entscheidungen zu vergleichbaren Fällen bereits zivilrechtliche Ansprüche
wegen Umgehung öffentlichen Rechts abgelehnt (z.B. BGH vom 19.07.2007, Az: III ZR
20/07).
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Das Gericht verweist hinsichtlich der grundlegenden Problematik auf die Entscheidung
des VG Düsseldorf (Urteil vom 27.06.1980, Az. 6 K 4740/78). In dieser Entscheidung
klagte ein privater Abschleppunternehmer auf Erstattung seiner Abschleppkosten. Das
Verwaltungsgericht führte dort nachvollziehbar aus, dass der Gemeinde kein abtretbarer
Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zustand, da hierdurch die zwingenden
öffentlich-rechtlichen Vorschriften umgangen würden. Das Verwaltungsgericht legte
zudem dezidiert dar, weswegen derartige Kostenerstattungsansprüche ihrem Wesen
nach öffentlich-rechtlich seien.
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In der Zivilrechtssprechung wurde dieses konkrete Problem bislang wenig erörtert, da
sich die Gemeinden in der Vergangenheit selten vor ihrer Verantwortung drückten und
versuchten, Hoheitsaufgaben zu umgehen und die umständliche Kosteneintreibung
Privatunternehmern zu überlassen. Bislang ergingen diverse Urteile zu der Frage der
Anwendbarkeit der Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag bei Kosten für
Gefahrenabwehrmaßnahmen. Dazu wurde regelmäßig entschieden, dass diese
unanwendbar seien, sofern dies zu einer Umgehung öffentlich-rechtlicher Vorschriften
führen würde (z. B. BGH vom 19.07.2007, Az. III ZR 20/07; Bundesverwaltungsgericht
27
vom 25.11.1964, Az. I C 55/59; OLG Köln vom 05.06.2009, Az. 3 U 201/08 BSch;
BayOLG vom 25.02.2002, Az. 1Z RR 331/99). Hauptargument war dort, dass Ansprüche
nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag dann nicht gegeben sind,
wenn besondere Vorschriften (in diesen Fällen öffentlich-rechtliche) das Verhältnis
zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn abweichend regeln (BGH aaO., OLG
Köln aaO.). Darüber hinaus ist auch allgemein anerkannt, dass die §§ 812 ff ihrem
Wesen nach unanwendbar sind, wenn Leistungen ihrem Wesen nach öffentlich-
rechtlicher Natur sind (Palandt, 67. Aufl., vor § 812 Rn 20).
Die dortigen Argumentationen zum Vorrang öffentlichen Rechts lassen sich auch auf
deliktische Schadensersatzansprüche (§ 823 BGB, § 7 StVG) übertragen. Denn gerade
im Bereich des Deliktsrechts ist anerkannt, dass spezielle Vorschriften, z.B. die
differenzierten Regelungen über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, bei
Eigentumsbeeinträchtigungen die Anwendbarkeit des Deliktsrechts sperren. Auch für
diverse andere spezialgesetzliche Ansprüche besteht ein Vorrang vor dem Deliktsrecht,
der je nach Ausgestaltung der Regelungen einen Rückgriff auf das Deliktsrecht
einschränkt oder auch ganz verbietet (vgl. Palandt, vor § 823 Rn 7 ff. m.w.N.).
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In Anlehnung daran hielte es das Gericht allenfalls für vertretbar, in Fällen vorsätzlichen
Herbeiführens einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausnahmsweise die
Anwendbarkeit von deliktischen Normen zu bejahen; ein solcher Fall liegt indes nicht
vor.
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Im Falle der Anwendung der §§ 823 BGB, 7 StVG würde sich im übrigen die Frage
stellen, inwieweit das Verursachen einer Ölspur tatsächlich eine "Eigentumsverletzung"
der Gemeinde X darstellt. Denn Eigentümer einer Straße ist regelmäßig der Träger der
Straßenbaulast, vgl. §§ 10 ff StrWG NRW. Hier befand sich die Ölspur auf einer Straße
namens "K 3", bei der es sich offenbar um eine Kreisstraße handelt (vgl. §§ 3, 4 Abs. 2
StrWG NRW), für welche nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 StrWG NRW der Kreis der
Straßenbaulastträger ist. Es handelt sich auch nicht um eine Ortsdurchfahrt einer
Gemeinde mit mehr als 80.000,00 Einwohnern (§ 44 StrWG NRW). Es spricht daher viel
dafür, dass eine Eigentumsverletzung der Gemeinde X verneint werden müsste. Im
Hinblick darauf, dass das Gericht die Sache auch so für entscheidungsreif hielt, hat es
davon abgesehen, die Klägerin in dieser Hinsicht zu weiterem Sachvortrag (zu etwaigen
Vereinbarungen mit dem zuständigen Ministerium o.ä.) aufzufordern.
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Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf
§§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 3.121,16 €.
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