Urteil des AG Euskirchen vom 01.09.2009

AG Euskirchen (kläger, verhältnis zu, vertrag, vorbehalt, unwirksamkeit, ausdrücklich, wegfall, preis, gas, höhe)

Amtsgericht Euskirchen, 17 C 275/09
Datum:
01.09.2009
Gericht:
Amtsgericht Euskirchen
Spruchkörper:
17. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 C 275/09
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.630,04 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
11.02.2009 aus 1.043,45 € und seit dem 23.06.2009 aus
586,30 € zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Parteien schlossen am 09.05.2003 bzw. 12.05.2003 einen Gasversorgungs-
Sondervertrag, wonach sich die Beklagte verpflichtete, das Grundstück der Kläger in F
mit Gas zu beliefern. In § 2 Nr. 1 des Gasversorgungs-Sondervertrages war neben
einem monatlichen Grundpreis von 16,82 € brutto ein Arbeitspreis von 3,77 Cent je
Kilowattstunde vereinbart worden. In § 2 Nr.2 des Vertrages heißt es weiter, dass der
vorstehende Gaspreis sich ändert, wenn eine Änderung der Allgemeinen Tarifpreise
eintritt. In § 5 Nr. 1 ist geregelt, dass der Sondervertrag erstmals nach Ablauf von 24
Monaten nach Vertragsbeginn und danach jeweils drei Monate zum Ende eines
Abrechnungsjahres von einer der beiden Seiten schriftlich gekündigt werden kann. § 6
des Vertrages verweist auf die jeweils gültigen "Allgemeinen Bedingungen für die
Gasversorgung (AVB GasV)", die wesentlicher Bestandteil des Vertrages sind und für
den Fall gelten sollten, dass in dem Sondervertrag nicht anderes vereinbart wurde.
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Für die Abwicklung des Vertragsverhältnisses erteilten die Kläger der Beklagten eine
Einzugsermächtigung von ihrem Konto, so dass die monatlichen Abschlagszahlungen
und die nach Ablauf des Verbrauchsjahres sich ergebende Schlussrechnung abgebucht
werden konnten.
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Nachdem der Gaspreis im Laufe des Jahres 2004 von 3,25 Cent je Kilowattstunde auf
3,15 Cent gesunken war, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 27.12.2004 mit, dass der
Arbeitspreis zum 1.1.2005 auf 3,65 Cent netto angehoben werde. Mit Schreiben ihres
Prozessbevollmächtigten vom 21.01.2005 widersprachen die Kläger der Preiserhöhung
und stellten ihre aufgrund der Einzugsermächtigung erfolgten Zahlungen ausdrücklich
unter den Vorbehalt der Rückforderung. Gleichzeitig forderten sie die Beklagten auf, die
Billigkeit ihrer Preiserhöhung gem. § 315 BGB detailliert und nachvollziehbar durch
Offenlegung ihrer Preiskalkulation darzulegen.
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Nachdem dies nicht geschehen war, erhoben die Kläger im Februar 2005 Klage auf
Feststellung, dass die von der Beklagten vorgenommene Preiserhöhung nicht der
Billigkeit entspreche und damit unwirksam sei.
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Der Rechtsstreit über die Berechtigung der Preiserhöhung ging durch die Instanzen bis
zum Bundesgerichtshof, der mit Urteil vom 17.12.2008 feststelle, dass die den Klägern
gegenüber vorgenommenen Erhöhungen der Erdgaspreise zum 01.01.2005,
01.10.2005, 01.01.2006 unwirksam waren.
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Die Kläger forderten deshalb die Beklagte mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten
vom 26.01.2009 auf, die zuviel von ihrem Konto eingezogenen Gaspreise zu erstatten
und legten dem Aufforderungsschreiben eine detaillierte Berechnung bei. Nachdem die
Beklagte eine Rückzahlung verweigerte, haben die Kläger Klage erhoben.
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Sie sind der Ansicht, dass im Hinblick auf die BGH Entscheidung ein
Rückzahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereichung
gegeben sei. Auf einen Wegfall der Bereicherung könne sich die Beklagte nicht berufen,
da die Kläger sämtlichen Preiserhöhungen ab dem 01.01.2005 widersprochen habe und
die Abbuchung der erhöhten Gaspreise nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung
akzeptiert hätten.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.630,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2008 aus 1.043,45 €
und seit dem 01.04.2009 aus 586,59 € sowie 155,30 € an vorgerichtlichen
Mahnkosten zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält die vorgenommenen Preiserhöhungen für verbindlich. Aus der Entscheidung
des Bundesgerichtshofes vom 17.12.2008 ergebe sich zwar, dass eine Preisänderung
nicht auf die Regelung des § 2 Ziffer 2 des Sondervertrages gestützt werden könne.
Nach Ansicht der Beklagten sei jedoch eine neue Preisvereinbarung dadurch zustande
gekommen, dass die Kläger nach Mitteilung der Änderung des Gaspreises weiter Gas
von der Beklagten bezogen habe.
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Im übrigen beruft sich die Beklagte auf Entreicherung, da alles, was sie von den Klägern
erlangt habe, im wesentlichen aufgewandt worden sei, um die Kunden auch weiterhin
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mit Erdgas beliefern zu können. Hinsichtlich der von der Beklagten getätigten
Aufwendungen wird auf Bl. 39, 40, 41 und 42 d.A. Bezug genommen.
Des weiteren vertritt die Beklagte die Auffassung, dass der zwischen den Parteien
geschlossene Gasversorgungs-Sondervertrag insgesamt gem. § 306 Abs. 3 nichtig sei,
da der Wegfall der Preisanpassungsklausel zu einer unzumutbaren Härte für die
Beklagte führe. Die Kosten der Beklagten zur Beschaffung des Erdgases und zur
Belieferung der Kläger seien durch den ursprünglich vereinbarten Arbeitspreis nicht
mehr abgedeckt, so dass sich ein krasses Ungleichgewicht von Leistung und
Gegenleistung ergebe. Der Vertrag wäre in der Form nicht abgeschlossen worden,
wenn er keine Anpassungsklausel enthalten hätte. Auch im Hinblick auf die zu
erwartenden zahlreichen Rückforderungen sei von einer Unzumutbarkeit und damit von
einer Unwirksamkeit des gesamten Vertrages auszugehen. Die Rechtsfolge sei eine
Rückabwicklung des Vertrages, wobei der von den Klägern geltend gemachte Anspruch
unter Berücksichtigung der Saldotheorie zu berechnen sei. Der Wert der Leistung der
Beklagten bestehe in der Lieferung des Erdgases nach den jeweils abgerechneten
Preisen.
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Sämtliche Aufwendungen, die von Seiten der Beklagten im Zusammenhang mit der
Belieferung der Kläger getätigt wurden, seien bei der Wertermittlung zu berücksichtigen.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
Akteninhalt Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und bis auf einen Teil der Nebenforderungen begründet.
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Die Kläger haben einen Anspruch nach § 812 BGB auf Rückzahlung der Beträge, die
aufgrund der Preiserhöhungen für die Jahre 2005 bis Mitte 2009 gezahlt wurden, da die
von der Beklagten gegenüber den Klägern vorgenommenen Gaspreiserhöhungen
unwirksam sind .
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Es fehlt insoweit an einem Rechtsgrund.
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Die streitgegenständlichen Preiserhöhungen ergeben sich weder aus der Regelung des
§ 2 Nr.2 des zwischen den Parteien geschlossenen Gasversorgungs- Sondervertrages,
noch sind die Erhöhungen später zwischen den Parteien ausdrücklich oder konkludent
vereinbart worden.
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Die im Gasversorgungs-Sondervertrag enthaltene Preisänderungsregelung des § 2 Nr.2
ist unwirksam.
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Auf den Gasversorgungs-Sondervertrag finden zwar die §§ 308 und 309 BGB gem. §
310 Abs.2 BGB keine Anwendung. Die Preisanpassungsregelung in einem
Sondervertrag unterliegt jedoch als Nebenabrede der Inhaltskontrolle gem.§ 307 BGB
und ist in soweit unwirksam, da sie nicht klar und verständlich ist und den Kunden
unangemessen benachteiligt ( BGH Urteil vom 17.12.2008 Az. VIII ZR 274/06).
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Die Unklarheit ergibt sich daraus, dass aufgrund der Preisänderungsklausel nur das
"ob" und nicht das "wie" geregelt ist und für den Verbraucher nicht ersichtlich wird, in
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welcher Relation zum Tarifpreis sich auch der Preis für Sonderkunden verändert.
Da der Kunde die Berechtigung der Gaspreisveränderung nicht hinreichend nachprüfen
kann, weil nicht klar geregelt ist, wie sich der vereinbarte Gaspreis bei einer Änderung
des Tarifpreises entwickelt, liegt darin auch zugleich eine unangemessene
Benachteiligung der Verbraucher.
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Diese Benachteiligung wird nicht dadurch beseitigt, dass der Kunde gem. § 5 des
Sondervertrages ein Kündigungsrecht hat, denn dieses gilt - mit Ausnahme des
Wohnungswechsels - nur zum Ende des Abrechnungsjahres und ist an eine Frist von
drei Monaten gebunden. Das Recht zu kündigen, kann praktisch als Reaktion auf die
Preiserhöhung nicht ausgeübt werden, da die Mitteilungen der Beklagten über
bevorstehende Erhöhungen des Gaspreises kurzfristig erfolgen. So teilte beispielsweise
die Beklagte mit Schreiben vom 27.12.2004 den Klägern mit, dass zum 01.01.2005 der
Preis von 3,15 auf 3,65 Cent erhöht werde.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 6 Nr. 1 des Sondervertrages, der auf die
AVBGasV und damit auf die Kündigungsmöglichkeit bei Tarifänderungen gem. § 32
Abs.2 AVBGasV verweist. In soweit ist unklar im Sinne von § 307 Abs.1 Satz 2 BGB, ob
diese Regelung im Hinblick auf das im Sondervertrag geregelte Kündigungsrecht
anwendbar und im Falle der Preisänderung einschlägig ist ( BGH Urteil vom 17.12.2009
Az VIII 274/06 Rz 23 ).
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Ein Recht, die Gaspreise aufgrund des § 2 Nr.2 des Sondervertrages einseitig zu
erhöhen hat die Beklagte nicht, mit der Folge, dass die streitgegenständlichen
Preiserhöhungen nicht wirksam sind.
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Anstelle der unwirksamen Preisänderungsklausel tritt auch nicht ein
Preisänderungsrecht der Beklagten gem. § 4 AVBGasV.
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Eine unmittelbare Anwendung des § 4 AVBGasV scheidet aus, weil diese Vorschrift nur
für Tarifkunden und nicht für den Bereich der Sonderkunden gilt.
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Eine entsprechende Anwendung kommt im vorliegenden Fall ebenfalls nicht zum
Tragen.
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Der Gasverordnung kommt zwar eine gewisse Leitbildfunktion zu , weil sie eine
Wertentscheidung verkörpere, die der Verordnungsgeber im Tarifkundenbereich
getroffen hat und sie damit auch Hinweise enthält, was im Verhältnis zu
Sondervertragskunden als angemessen gilt ( BGH Urteil vom 17.12.2008 Az. VIII ZR
274/06 RZ 20 ). Der Bundesgerichtshof hat jedoch klargestellt, dass sich der
vorliegenden Preisanpassungsklausel eine entsprechende Übernahme der Regelung
des § 4 AVBGasV schon deshalb nicht entnehmen lässt, weil nicht klar ist, wie die
Preisänderungen bei Vorliegen der Voraussetzungen zu erfolgen haben ( BGH aaO RZ
21 ).
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Ein Preisänderungsrecht steht der Beklagten auch nicht aufgrund einer ergänzenden
Vertragsauslegung zu.
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Im Falle der Unwirksamkeit einer Klausel bleibt der Vertrag im übrigen wirksam und sein
Inhalt richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen gem. § 306 Abs.2 BGB, wozu
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auch die Regelungen der ergänzenden Vertragsauslegung gem. den §§ 157,133 BGB
gehören.
Die ergänzende Vertragsauslegung setzt jedoch neben der Regelungslücke voraus,
dass dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr gerecht
wird, weil es zu einer einseitigen Verschiebung des Vertragsgefüges zugunsten des
Kunden kommt ( BGH aaO Rz 25 ), was vorliegend nicht der Fall ist.
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Die Beklagte kann nämlich gem. § 5 Nr.2 des Sondervertrages nach Ablauf der
zweijährigen Vertragslaufzeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des
Abrechnungsjahres kündigen. Ein Festhalten an den vertraglich vereinbarten Preis bis
zu diesem Zeitpunkt ist für die Beklagte zumutbar, zumal sie im Gegensatz zu ihren
Kunden, die Preisentwicklung eher vorhersehen und sich entsprechend darauf
einrichten kann.
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Im Hinblick auf das Kündigungsrecht der Beklagten ist auch nicht der gesamte Vertrag
gem. § 306 Abs. 3 BGB als unwirksam anzusehen.
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Das Festhalten an dem Vertrag für eine gewisse Zeit, bis er gekündigt werden kann,
stellt für die Beklagte keine unzumutbare Härte dar. Die Unwirksamkeit von einzelnen
Klauseln bedeutet für den Verwender in aller Regel eine Verschlechterung seiner
Position und fällt in seinen Risikobereich, da er die AGB vorformuliert und es in der
Hand hat, gültige Klauseln zu verwenden.
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Im übrigen haben die Kläger bereits im Januar 2005 über ihren
Prozessbevollmächtigten mitteilen lassen, dass sie der Gaspreiserhöhung
widersprechen. Die Beklagte hätte ausreichend Zeit gehabt, den Vertrag nach Ablauf
der zwei Jahre fristgerecht zu kündigen und einen neuen Vertrag mit anderen
Konditionen zu vereinbaren, um möglichen wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden.
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Soweit die Beklagte vorträgt, dass sie im Fall eines stattgebenden Urteiles mit einer
Vielzahl von Rückforderungen rechne und dies für sie wirtschaftlich fatale Folgen habe,
hält das Gericht diesen Einwand für nicht durchgreifend.
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Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um einen konkreten einzelnen Vertrag, dessen
Preisänderungsklausel unwirksam ist und nur in diesem Verhältnis ist die Frage der
Unzumutbarkeit zu prüfen.
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Die streitgegenständlichen Preiserhöhungen beruhen auch nicht auf einer vertraglichen
Vereinbarung. Die Preiserhöhungen sind weder ausdrücklich noch konkludent
vereinbart worden, obwohl die Kläger nach Mitteilung der Preisänderung weiter Gas von
der Beklagten bezogen haben.
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Die Kläger haben nämlich der Mittelung der Beklagten vom 27.12.2004 über die
bevorstehende Preisänderung mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom
21.01.2005 zeitnah widersprochen und die Zahlungen nur unter Vorbehalt geleistet.
Darüber hinaus haben sie Anfang 2005 Klage auf Feststellung der Unbilligkeit der
Gaspreiserhöhungen erhoben. Deutlicher kann man nicht zum Ausdruck bringen, dass
man mit der Gaspreiserhöhung nicht einverstanden ist
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Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen, da die
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Kläger ab Januar 2005 nur noch unter Vorbehalt gezahlt haben, § 820 BGB.
Da die Kläger rechnerisch den überzahlten Betrag richtig ermittelt haben und die
Beklagte diesbezüglich auch keine Einwendungen erhoben hat, war die Klage in vollem
Umfang zuzusprechen.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gem. § 286 Abs. 3
BGB, allerdings erst ab dem 11.02.2009, da die Beklagte erst mit Schriftsatz des
Prozessbevollmächtigten vom 26.01.2009 unter Fristsetzung zum 10.02.2009 zur
Zahlung aufgefordert wurde.
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Nicht erstattungsfähig sind die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren, da Verzug erst
durch das Mahnschreiben eingetreten ist.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91,709 ZPO.
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Streitwert: 1.630,- €
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