Urteil des AG Euskirchen vom 31.05.2005

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Amtsgericht Euskirchen, 4 C 282/04
Datum:
31.05.2005
Gericht:
Amtsgericht Euskirchen
Spruchkörper:
4. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 C 282/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die
Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand:
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Die Parteien streiten um die schadensrechtlichen Folgen eines
Verkehrsunfallereignisses vom 19.10.2003. Der Kläger ist Eigentümer und Halter eines
Porsche Boxter, amtliches Kennzeichen XYK, Erstzulassung 11.11.2002. Am
19.10.2003 überholte der vom Beklagten zu 3) gesteuerte, bei der Beklagten zu 2)
haftpflichtversicherte PKW Fiat Bravo, dessen Halter der Beklagte zu 1) ist, das
Fahrzeug des Klägers im Kreuzungsbereich Roitzheimer T-Straße/ B 51 in F2. Im
Kreuzungsbereich besteht eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h; diese
Geschwindigkeit wurde von dem Kläger auch eingehalten.
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Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 3) habe beim Überholvorgang die schraffierte
Sperrfläche hinter dem Einmündungsbereich der Kreuzung Roitzheimer T-Straße
verbotswidrig überfahren. Auf dieser Fläche haben sich im Gegensatz zur Fahrbahn
erhebliche Mengen an Splitt befunden. Der Splitt sei durch den Überholvorgang
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hoch- und gegen das Fahrzeug des Klägers geschleudert worden. Bei
verkehrsgerechtem Verhalten des Beklagten zu 3) wäre der Unfall vermeidbar gewesen.
Durch den Aufprall seien auf der Motorhaube, im Bereich der Kotflügel und auf der
Kofferraumhaube Schäden in Form von Kratzern am Fahrzeuglack entstanden. Die
erheblichen Beschädigungen seines Fahrzeugs seien sämtlich unfallbedingt; an dem
Fahrzeug haben sich keine Vorschäden an der Lackierung befunden.
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Mit der Klage macht der Kläger einen Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt
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3.561,56 EUR geltend, der sich wie folgt zusammensetzt:
- 3.140,54 EUR Reparaturkosten
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- 396,02 EUR Sachverständigen Kosten
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- 25,- EUR allgemeine Unkostenpauschale
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Mit dem Antrag zu 2) beantragt der Kläger die Feststellung der Ersatzpflicht für
zukünftige materielle Schäden, wie den Ersatz der im Reparaturfall anfallenden
Mehrwertsteuer und die Nutzungsausfallpauschale.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 3.561,56 EUR nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen;
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festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger
sämtliche Schäden, die ihm in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom 19.10.2003 auf
der B 51, Kreuzungsbereich Roitzheimer T-Straße entstehen, zu ersetzen, soweit
die Ansprüche nicht auf Dritte übergehen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten bestreiten den Anspruch des Klägers dem Grunde und der Höhe nach.
Sie behaupten, daß ein rechtswidriges Überholmanöver des Beklagten zu 3) nicht
vorgelegen habe. Die Steine haben sich auf der Fahrbahn befunden. Wenn es zu dem
Steinschlag gekommen sei, sei dieser für den Beklagten zu 3) unabwendbar gewesen.
Die vom Kläger geltend gemachten Beschädigungen seien nicht auf den angeblichen
Steinschlag zurückzuführen; ferner haben Altschäden am Fahrzeug des Klägers
vorgelegen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen I und Einholung eines
schriftlichen Gutachten und mündlichen Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. U.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen
Verhandlung vom 16.11.2004 (Bl. 77 ff. d. A.) und 12.05.2005 (Bl. 133 d. A.) und das
Gutachten vom 1.03.2005 (Bl. 84 ff. d. A.) verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1
StVG, 3 Nr. 1 PflVG auf Zahlung in Höhe von 3.561,56 EUR.
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Zwar ist beim Betrieb des Fahrzeugs des vom Beklagten zu 3) geführten und bei der
Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten PKW das Fahrzeug des Klägers beschädigt
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worden. Zwischen den Parteien ist insoweit unstreitig, daß der Beklagte zu 3) das
Fahrzeug des Klägers überholte. Auf Grund der Aussage des Zeugen I steht zudem fest,
daß das Fahrzeug des Klägers, als es vom Beklagten zu 3) überholt wurde, von
mehreren Steinchen getroffen worden ist. Zweifel an der Glaubhaftigkeit der
diesbezüglichen Bekundungen des Zeugen sind von den Beklagten nicht geltend
gemacht worden und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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Der klägerische Anspruch ist gleichwohl nicht begründet. Es wäre Voraussetzung für
einen materiellen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten, daß er
darlegen und beweisen kann, daß durch das Unfallgeschehen der nun geltend
gemachte Schaden insgesamt verursacht worden ist. Diesen Beweis hat der hierzu
darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht führen können. Ferner hat er auch nicht
bewiesen, daß wenigstens ein bestimmter, genau abgrenzbarer Teil des Schadens auf
das Unfallgeschehen mit dem bei der Beklagten zu 2) versicherten Fahrzeug
zurückzuführen ist.
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Der Sachverständige U hat in seinem Gutachten vom 1.03.2005 ausgeführt, daß die
Beschädigungen an dem Fahrzeug des Klägers, wie sie der von ihm beauftragte
Gutachter besichtigt und mit einem Reparaturkostenaufwand in Höhe von 3.140,54 EUR
netto bewertet hat, nicht sicher durch das Fahrverhalten des Beklagten zu 3) verursacht
wurde. Der Sachverständige hat zwar festgestellt, daß Beschädigungen am Fahrzeug
des Klägers vorliegen, die auch durch Steinschlag verursacht worden sind; wegen der
Einzelheiten der Beschädigungen wird auf Bl. 5 des Gutachtens, Bl. 89 d. A. verwiesen.
Bei der Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs von 70 km/h ist das
Hochschleudern des Splitts jedoch nicht geeignet, die Lackschäden am Fahrzeug des
Klägers zu bewirken. Hierbei hat der Sachverständige die Aussage des Zeugen I, daß
auf der schraffierten Fläche viel Splitt lag und er das Hochschleudern der Steine
wahrgenommen habe, zur Grundlage seiner Feststellungen gemacht. Die am Fahrzeug
des Klägers festgestellten Steinschlagschäden können erst oberhalb einer
Geschwindigkeit von 100 km/h entstehen.
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Zusammenfassend hat der Sachverständige festgestellt, daß das Hochschleudern des
Splitts nicht geeignet ist, die Lackschäden am Fahrzeug des Klägers zu bewirken.
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Das Gericht hat keine Bedenken, diesen überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen zu folgen. Bei diesem Ergebnis der Beweisaufnahme vermag sich
das Gericht nicht mit der erforderlichen Gewißheit von der Richtigkeit der klägerischen
Sachverhaltsdarstellung zu überzeugen. Die Frage, ob der Schaden auf ein Verhalten
des Klägers zurückzuführen ist, betrifft die haftungsbegründende Kausalität, für die der
Beweismaßstab des § 286 ZPO gilt (BGH, DAR 2003, 218, 219; KG, VersR 2001, 597).
Danach hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung
und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden,
ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Ausreichend
ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewißheit, der Zweifeln
Schweigen gebietet, ohne sie vollständig auszuschließen (BGHZ 53, 245, 256; DAR
2003, 218, 219).
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Im vorliegenden Fall ist zu beachten, daß nach den Feststellungen des
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Sachverständigen U, deren Richtigkeit auch vom Kläger nicht in Frage gestellt werden,
darüber hinaus auch aufgrund vorliegender Altschäden nicht alle vom Kläger geltend
gemachten Reparaturkosten den an seinem Fahrzeug zugeordnet werden können. Der
Kläger hat auf Befragen erklärt, daß alle Lackschäden an seinem Fahrzeug auf das
Unfallereignis zurückzuführen seien; eine Vorschädigung hat er ausdrücklich verneint.
Im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen werden diese Angaben jedoch
widerlegt; so sind beispielsweise die vom Kläger behaupteten Schäden an der linken
Tür, dem Gehäuse des linken Außenspiegels, der linken Seitenwand und dem
Verdeckkastendeckel nicht reproduzierbar, da durch das überholende Fahrzeug das
Material nur nach hinten, nicht jedoch seitlich weggeschleudert werde.
In diesem Zusammenhang kann nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden,
daß nach den Feststellungen des Sachverständigen die Existenz der
Steinschlagschäden der frontal/linksseitigen Beaufschlagung von vorderem Deckel
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und dem linken Vorderkotflügel zwar nicht zuverlässig ausschließbar seien. Diese sind
aber nach den Feststellungen des Sachverständigen, die er in seinem mündlich
erstatteten Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2005 näher erläutert
hat, ebensowenig zu dem Unfallereignis zuordnungsfähig. Auf der Grundlage dieser
Feststellungen und des einschlägigen Maßstabes des § 286 ZPO hält das Gericht die
frontal am Fahrzeug des Klägers festgestellten Beschädigungen für nicht hinreichend
kausal. Den Anforderungen an die insoweit dem Kläger obliegende Darlegungs- und
Beweislast wird durch die Feststellung des Sachverständigen, der einen
Kausalzusammenhang hinsichtlich dieser Beschädigungen nicht zuverlässig
ausschließt, nicht ausreichend erfüllt .
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Es steht daher fest, daß sämtliche Schäden, die durch das Unfallereignis hervorgerufen
sein sollen, sich nicht eindeutig auf das Unfallereignis zurückführen lassen. Die danach
verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten des beweispflichtigen Klägers.
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Erhebliche Einwendungen gegen die Gutachten des Sachverständigen U haben die
Beklagten nicht erhoben, § 311 Abs. 4 ZPO. Soweit die Beklagten geltend machen, daß
nicht nur Beschädigungen im Frontbereich des klägerischen Fahrzeugs vorgelegen
hätten, sondern auch die Felge eine Beschädigung aufwies, ist diese Einwendung
unbegründet. Der Sachverständige hat ausgeführt, daß an der Felge vorne links kein
Steinschlagschaden festgestellt werden konnte.
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Sofern die Beklagten geltend machen, daß der Kläger gerade kein porschetypischer
Fahrer sei, der das Fahrzeug überwiegend mit einer Hochgeschwindigkeit fährt und
keine weiteren Steinschlagschäden an dem Fahrzeug des Klägers vorhanden gewesen
seien, steht auch dies den Feststellungen des Sachverständigen nicht entgegen. Der
Sachverständige hat in seinem mündlichen Gutachten vom 12.05.2005 diesen Vortrag
des Klägers bestätigt; für den zu entscheidenden Fall ergeben sich hieraus jedoch keine
Anhaltspunkte, die eine Abweichung von den Feststellungen des Gutachtens
rechtfertigen. Entscheidend ist nach den mündlich
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weiter ausgeführten Feststellungen des Sachverständigen, die
Differenzgeschwindigkeit des Fahrzeugs des Klägers und des überholenden
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Fahrzeugs gewesen. Aufgrund der Geschwindigkeit des Klägers mit 70 km/h komme es
erst bei einer Differenzgeschwindigkeit von 100 km/h des überholenden Fahrzeugs zu
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einer Zuordnung von den aufgeworfenen Steinen und den Schäden am Fahrzeug des
Klägers. Der Sachverständige hat festgestellt, daß er ohnehin allenfalls die
Beschädigungen im Frontbereich für dem Unfallereignis zuordnungsfähig hält. Dies
kann jedoch aufgrund – wie bereits dargelegt – der fehlenden Kausalität nicht
zugunsten des Klägers berücksichtigt werden.
Aus diesem Grund ist es ebensowenig erheblich, wenn die Beklagten geltend machen,
daß der Beklagte zu 3) sein Fahrzeug auf mindestens 100 km/h beschleunigt habe, da
diese Geschwindigkeit nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht
ausreichend ist, um die erforderliche Ursächlichkeit zwischen Steinschlag und
Schadensbild zu begründen. Der Sachverständige hat den Steinschlag auch nicht
grundsätzlich bei diesen Geschwindigkeiten, sondern nur in dieser Konstellation
ausgeschlossen.
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Aufgrund der eindeutigen Feststellungen des Sachverständigen kam eine weitere
Beweisaufnahme durch den Zeugen I nicht in Betracht.
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Vorsorglich sei darauf hingewiesen, daß ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO
für die zum Zeitpunkt der Klageerhebung bezifferbaren weiteren materiellen Ansprüche
des Klägers nicht vorliegen dürfte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.
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Streitwert: 3.561,56 EUR + 163,70 EUR für den Antrag zu 2) = 3.725,26 EUR
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Dr. T , Richterin
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