Urteil des AG Duisburg-Hamborn vom 17.02.2009

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Amtsgericht Duisburg-Hamborn, 6 C 414/08
Datum:
17.02.2009
Gericht:
Amtsgericht Duisburg-Hamborn
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 C 414/08
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
Der Klageanspruch ist im Grunde nach gerechtfertigt.
Tatbestand
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Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen
der Kündigung eines Mietverhältnisses geltend.
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Die Beklagten sind Rechtsnachfolger des Anfangs des Jahres 2008 verstorbenen Herrn
XXX. Mit diesem hatte die Klägerin unter dem 01.12.2004 ein Mietverhältnis über die
Wohnung XXX, 2. Obergeschoss in Duisburg-Neumühl geschlossen. Die Klägerin ließ
den Rechtsvorgänger der Beklagten wiederholt, unter anderem am 23.02.2007, zur
Instandsetzung der Wohnung auffordern. Mit Schreiben vom 20.11.2007 erklärte die
Klägerin die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. Sie räumte die Wohnung im
Dezember 2007 und zog in eine andere Wohnung. Mit Schreiben vom 06.02.2008 ließ
sie die Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz auffordern.
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Die Klägerin behauptet, sie habe im November 2006 großflächige
Feuchtigkeitsschäden im Bad, der Küche und der Toilette der streitgegenständlichen
Wohnung festgestellt. Im August 2007 habe sie gleichartige Feuchtigkeitsschäden in
den Wohnräumen, das heißt dem Schlafzimmer und dem Wohnzimmer, festgestellt. Es
habe sich großflächig Schwarzschimmelpilz in Form von toxischen Spuren gebildet, so
dass eine Gesundheitsgefahr bestehe. Ursache für diese Feuchtigkeitsschäden und die
Schimmelpilzbildung seien Baumängel der streitgegenständlichen Wohnung.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 3.120,10 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bestreiten, dass bereits seit November 2007 Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung
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aufgetreten sind. Es seien lediglich Stockflecken und Verfärbungen, jedoch nicht
großflächig, vorhanden. Eine Gesundheitsgefahr bestehe nicht. Die Ursache für die
Feuchtigkeitserscheinung liege im fehlerhaften Nutzungsverhalten der Klägerin. Die
Beklagten berufen sich auf Verjährung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst der dazugehörigen Anlagen und Urkunden verwiesen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen XXX. Zum
Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
20.01.2009 (Bl. 135 d. A.) verwiesen.
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Die Parteien haben unter dem Az: XXX beim Amtsgericht Duisburg-Hamborn ein
selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt, in dem ein schriftliches Gutachten des
Sachverständigen XXX eingeholt worden ist. Die Akte XXX war beigezogen und
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist im Grunde nach begründet. Über den Grund des Anspruchs war nach
§ 304 ZPO vorab zu entscheiden, weil der Rechtsstreit insoweit zur Entscheidung reif
ist, während über die Höhe der klägerischen Ansprüche noch weitere Ermittlungen
erforderlich sind.
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Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch gegen die Beklagten auf Ersatz des
Kündigungsfolgeschadens aus den §§ 535, 569 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB. Die Parteien
waren verbunden durch den Mietvertrag, wobei die Beklagten als Rechtsnachfolger des
Herrn XXX in den Mietvertrag eingetreten sind. Ein Mieter hat einen Anspruch auf Ersatz
des Kündigungsfolgeschadens, wenn der Vermieter seine vertraglichen Verpflichtungen
verletzt und der Mieter deshalb das Mietverhältnis kündigt (vgl. Blank/Börstinghaus, 3.
Auflage, § 542 BGB, Rn. 94). Die Beklagten haben ihre aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB
resultierende Pflicht zur Erhaltung der Mietsache im vertragsgemäßen Zustand verletzt.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen Drumm ist die streitgegenständliche
Wohnung in allen Räumen von Feuchtigkeit und Schimmelpilzbildung befallen. Dies
bezieht sich auf die nordöstliche Außenwand der Küche, die nordöstliche Außenwand
des Badezimmers, die nordöstliche Außenwand des Gäste-WC sowie die
südwestlichen Außenwände des Schlafzimmers und des Wohnzimmers. Dieser
Zustand stellt einen nicht vertragsgemäßen Zustand der Mietsache dar, auch wenn im
Schlaf- und Wohnzimmer der streitgegenständlichen Wohnung keine großflächigen
Feuchtigkeitsschäden oder großflächiger Schimmelbefall festgestellt werden konnte.
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Diesen Zustand der Mietsache haben die Beklagten auch zu vertreten. Es ist Sache des
Vermieters, sich hinsichtlich des Verschuldens oder Vertretenmüssens zu entlasten (vgl.
Blank/Börstinghaus, aaO; OLG Karlsruhe, Rechtsentscheid vom 09.08.1984, Az:
3 REMiet 6/84; Amtsgericht Bremen, Urteil vom 13.02.2004, Az. 7 C 150/03). Eine
Beweislast des Mieters kommt zumindest solange nicht in Betracht, wie der Vermieter
die Möglichkeit einer in seinen Risikobereich und Verantwortungsbereich liegenden
Schadensursache nicht ausgeräumt hat. Den Beklagten oblag der Beweis, dass die
vorhanden Feuchtigkeits- und Schimmelpilzschäden auf das Heiz- und
Lüftungsverhalten der Klägerin zurückzuführen sind. Die Beklagten sind beweisbelastet
dafür, dass eine Ursache aus ihrem Verantwortungsbereich auszuschließen ist. Gerade
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diesen Beweis haben die Beklagten jedoch nicht geführt. Nach den Feststellungen des
Sachverständigen XXX im Gutachten im Rahmen des selbstständigen
Beweissicherungsverfahrens liegen der aufgetretenen Schimmelpilzbildung in der
streitgegenständlichen Wohnung sowohl bauliche als auch nutzerseitige
Verursachungsbeiträge zu Grunde. Die baulichen Ursachen bestehen nach den
Feststellungen des Sachverständigen XXX darin, dass an der Außenwand der
streitgegenständlichen Wohnung - jedenfalls in der Küche und im Badezimmer -
stellenweise extrem niedrige Oberflächentemperaturen festgestellt werden konnten.
Diese niedrigen Oberflächentemperaturen beruhen auf hochgradig wärmeleitfähigen
Bauteilen über den Fenstern (Betonstützen). Der Sachverständige hat im Rahmen
seiner mündlichen Erläuterung des Gutachtens weiterhin ausgeführt, dass die
Wanddeckenbereiche oberhalb der Fenster im Badezimmer und in der Küche
entsprechend hohe baujahrsbedingte Wärmetransmissionen zulassen. Aufgrund der
baulichen Bedingungen hätte nach den Ausführungen des Sachverständigen die
erforderliche Oberflächentemperatur von 12,6 °C nicht erreicht werden können. Der
Sachverständige hat ausdrücklich ausgeführt, dass er als Ursache für die festgestellten
Schäden bauliche Ursachen nicht ausschließen könne. Diese bauliche
beziehungsweise architektonische Gestaltung des Gebäudes liegt im alleinigen
Verantwortungsbereich der Beklagten als Vermieter. Ein Fehlverhalten der Klägerin als
Mieterin im Rahmen des ihr obliegenden Heiz- und Lüftungsverhaltens kann dem
gegenüber nicht festgestellt werden. Zwar wurde in einer Langzeitmessung des Klimas
in der streitgegenständlichen Wohnung eine relative Raumluftfeuchte von etwa 72 %
festgestellt. Diese wäre nach den Feststellungen des Sachverständigen auch bei
wesentlicher besserer Dämmfähigkeit der wärmeübertragenden Gebäudehülle
geeignet, Schimmelpilze entstehen zu lassen. Nach den Angaben des
Sachverständigen in Rahmen seiner mündlichen Anhörung hätte die Klägerin auch
unter Veränderung der Wohnsituation aufgrund der baulichen Situation der Wohnung
die entstandenen Feuchtigkeitsschäden nicht verhindern können.
Die Klägerin war daher zur Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 569 Abs. 1 BGB
berechtigt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist der gemietete Wohnraum
so beschaffen gewesen, dass seine Benutzung mit einer erheblichen Gefährdung der
Gesundheit verbunden ist. Eine Gesundheitsgefährdung ist anzunehmen, wenn ein
Gesundheitsschaden ernsthaft in Betracht kommt, ein Gesundheitsschaden muss nicht
bereits eingetreten sein (vgl. Blank/Börstinghaus, § 569 BGB, Rn. 9). Nach den
Feststellungen des Sachverständigen beziehungsweise der von ihm in Auftrag
gegebenen Untersuchung der entnommenen Schimmelpilzprobe handelte es sich
zumindest bei dem im Badezimmer aufgetretenen Schimmelpilzbefall um
Schimmelpilzsporen der Gattung Aspergillus versicolor. Bei dieser Schimmelpilzart
handelt es sich um einen Toxinbildner, der in Innenräumen nicht auftreten darf. Durch
den toxischen Schimmelpilzbefall im Badezimmer ist auch die Benutzbarkeit der
Wohnung als Ganzes in Frage gestellt. Davon ist auszugehen, wenn die Tauglichkeit
einzelner Haupträume zu dauerndem Aufenthalt ausgeschlossen oder wesentlich
beeinträchtigt wird, lediglich eine Gebrauchsbeeinträchtigung von Nebenräumen reicht
nicht aus (vgl. Blank/Börstinghaus, § 569, Rn. 13). Vorliegend ist davon auszugehen,
dass sich die Klägerin zwar nicht dauerhaft aber auch nicht lediglich gelegentlich im
Badezimmer ihrer Wohnung aufgehalten hat. Darüber hinaus stellt nicht nur toxische
Schimmelpilzbildung sondern auch bereits starke Feuchtigkeit eine
Gesundheitsgefährdung dar. Diese war nach den Feststellungen des Sachverständigen
auch in den Wohnräumen und in der Küche der streitgegenständlichen Wohnung
gegeben. Das Gericht folgt hinsichtlich der Ursache, der Art und des Ausmaßes der
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Schäden der Mietsache insgesamt den nachvollziehbaren Feststellungen des
Sachverständigen. Die Klägerin hat den Beklagten auch mehrfach eine Frist zur Abhilfe
der Schäden gesetzt, sodass sie zur außerordentlichen Kündigung nach Ablauf der Frist
berechtigt war.
Der Klageanspruch ist nicht verjährt. Die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Ersatz
des Kündigungsfolgeschadens richtet sich nach den § 195, 199 BGB und beträgt
demnach 3 Jahre. Die Klägerin hatte frühestens im November 2006 Kenntnis von den
zur Kündigung berechtigenden Schäden der Mietsache, sodass die dreijährige
Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Die Verjährungsfrist des § 548 Abs. 2 BGB ist
vorliegend nicht einschlägig, da es nicht um die Gestattung der Wegnahme einer
Einrichtung geht und auch nicht um Ersatzansprüche für Aufwendungen. Denn hiervon
werden nur Aufwendungsersatzansprüche wegen Mängelbeseitigung und Ansprüche
wegen Ersatz sonstiger Aufwendungen erfasst, bei denen es sich um vermögenswerte
Maßnahmen handelt, die den Bestand der Sache als Solche erhalten, wiederherstellen
oder verbessern (vgl. Schmidt-Futterer, 9. Auflage, § 548 BGB, Rn. 56). Die Klägerin
macht nicht Aufwendungen für die streitgegenständlichen Mietsache geltend, sondern
Aufwendungen, die aufgrund der berechtigten Kündigung entstanden sind.
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Eine Kostenentscheidung sowie ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit
sind nicht veranlasst.
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